Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1913)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Köpenickiaden im modernen Erwerbsleben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0467

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Köpenickiaden im modernen Erwerbsleben

gehören gewisse Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten dazu,
A^^einen Brunnen anzukegen, nicht aber dazu, hernach daraus zn
^s^trinken. Ahnlich verhält es sich oft mit Erwerbsanlagen. Sie
zu schaffen, das erforderte ganz sicher nrancherlei Tüchtigkeit, an der
es einem Durchschnittsmenschen gebricht, aber hernach mit ihr Geld zu
verdienen, dazu gehört nicht viel, das kann zum Beifpiel auch ein glück--
licher Erbe. Im modernen Erwerbsleben sind die glücklichen Erben,
Beschenkten oder Belehnten zur Regel, die erfolgreichen Neuschöpfer zur
Ausnahme geworden. Bei Walter Rathenau lesen wir, daß „drei--
hundert Menschen, von denen jeder jeden kennt, die wirtschaftlichen Ge--
schicke unsres Kontinents leiten und sich Nachfolger aus ihrer nächsten
Umgebung suchen". Aus ihrer nächsten 'llmgebung, das heißt dort, wo
Talente nicht häufiger hingeraten als an jede andre Stelle; wer sie
haben will, darf sie nicht nur an einer suchen. Recht hatte also wohl
auch Graf Posadowsky, als er, damals noch Staatssekretär, im Reichs-
tage sagte: „Reichtum ist keine Tugend, ist selten ein Verdienst, aber er
ist eine angenehme Latsache." Wie könnte es im heutigen geregelten
Geschäftsleben eine wichtigere SLellung geben, als die eines großen Bank--
direktors. And doch machte einmal ein so guter Sachkenner wie Pro-
fessor Werner Sombart an einem Vortrage die Bemerkung, ein orien-
talischer Basarinhaber brauche mehr „Genie" zur Abwickelung seiner
Tagesgeschäfte als der Leiter eines großen wefteuropäischen Bankunter--
nehmens. Er wollte natürlich nicht damit sagen, daß ein Bankdirektor
kein kluger Mann zu sein brauche, sondern nur hervorheben, daß dessen
Amt in erster Linie eine Machtstellung ist, zu deren Behauptung mehr
Gewalt, aber nicht unbedingt mehr GeisL gehöre als zur Behauptung
der Stellung eines Basarleiters im Orient, bei dem es für Erfolge fast
allein auf GeisteskrafL ankommt.

Es sei unglaublich, mit wie wenig Verstand die Welt regiert werde,
sprach einst Oxenstierna. Sr spielte damit auf die Fürsten nnd Diplo-
maten an, die nach „heroischer" GeschichLsauffassung die Geschicke der
Völker lenken. Wenn nun im modernen Wirtschaftsleben in Hinsicht
auf dessen Goldkönige ein Gleiches gilt, wie soll man dann bei deren
Satrapen und um diese herum besonders viel Geist vermuten? Wenn
man sich durch eine gewisse Geste nicht täuschen läßt, mit der sich Ge-
schäftsleute oft als Kenner einer Geheimwissenschaft geben, nämlich der
Wissenschaft, Geld zu verdienen, so entdeckt man wirklich gar leicht, wie
sich in solchen Kreisen eine zunächst erstaunliche geistige Armut breit
macht. Davon zeugen gewisse Lypische Betrugsfälle, mit denen sich öie
Berliner Gerichte immer wieder beschäftigen müssen.

Man weiß durch den „Hauptmann von Köpenick", daß bei uns ein
almosenempfängerisch aussehender, doch pfiffiger Schuster, der den Offi-
zieren die Hauptregeln ihres Amgangs mit Untergebenen und ihres
Auftretens im Dienst abgeguckt hat, in eine nicht einmal vollständige
Hauptmannsuniform gesteckt, in den unglaublichsten Situationen wie ein
echter HaupLmann wirken und in solcher Maske die Lollsten SLreiche
ausführen kann. Doch können die damals ausgelachten Aniformanbeter
immer noch ftolz sein im Vergleich zu jenem Berliner Erwerbsmenschen-

2. Iuniheft W3
 
Annotationen