W
Zur abolitionistischen Bewegung
erben möchte ich mit den folgenden Ausführungen für eine
Bewegung, die in Deutschland bis jetzt nur wenig Fuß
gefaßt hat, obwohl in unsrer Zeit, in der die sexuelle Frage
einen so breiten Raurn einnimmt, gerade dieser Teil der Frage wohl
eine eingehende Erörterung verdient. Während in den nordischen
Ländern, in England, letzthin auch in Frankreich und Italien der
Kampf gegen die sogenannte staatliche Reglementierung der Prostb-
tution von der „internationalen abolitionistischen Förderation" (ein
schrecklicher Name!), von Männern und Frauen teilweis mit großem
Erfolg geführt wird, ist in Deutschland — mit Ausnahme von den
Reichslanden — bis jetzt diese Bewegung erfolglos geblieben. Zum
großen Teil — es muß das offen ausgesprochen werden — wohl des-
halb, weil der Kampf mit der Frauenbewegung verquickt ist. Zwar
muß man den Frauen durchaus zugestehen, daß sie es gewesen sind,
die die Aufmerksamkeit auf Schäden und Ungerechtigkeit der Regle-
mentierung gelenkt haben; aber mit Frauenstimmrecht und Frauen-
studium hat diese Frage nichts zu tun. Es ist deshalb ungeschickt und
verhindert geradezu den Erfolg, daß die Frauen durch die Verquickung
dieser sehr verschiedenen Angelegenheiten weite Kreise der Männer
von der Teilnahme am Kampfe gegen die Beglementierung zurück-
schrecken. Ich will im folgenden kurz stets von Abolition oder Abo-
litionismus sprechen, um den unangenehm langen Titel zu vermeiden.
Im Kampfe gegen die staatliche, die polizeiliche Reglementierung
der Prostitution finden sich Menschen zusammen, die aus sehr ver-
schiedenen Quellen ihre Aberzeugung von der Verwerflichkeit der
Reglementierung schöpfen und aus sehr abweichenden Gründen ihre
Beseitigung verlangen. Gerade dieser verschiedene Rrsprung der Geg-
nerschaft gegen die polizeiliche Maßregel erschwert außerordentlich
die Werbekraft der Abolitionisten, das Durchdringen der Aberzeu-
gung in weitere Kreise, daß es Pflicht ist, in diesem Kampfe Partei
zu ergreifen.
Da haben wir zunächst die kirchlichen Kreise. Sie müssen den
außerehelichen Geschlechtsverkehr als solchen grundsätzlich verwerfen,
als Sünde bezeichnen; ihr Kampf richtet sich aus ethischen Gründen
gegen die Prostitution als solche. Damit muß er sich gegen die Regle--
mentierung richten, die gleichsam die staatliche Anerkennung, das
obrigkeitliche Einverständnis mit einer „polizeilichen Regelung des
Unzuchtgewerbes" bildet. Rnd schon hier treffen Anschauungen auch
nicht kirchlich-positiver Kreise mit dem Empfinden ernst denkender
Männer und Frauen zusammen. Ihnen und auch mir erscheint als
einer der schwerstwiegenden Angriffspunkte gegen die Reglementie-
rung die sittliche Verwirrung, die mit der Einschreibung und
der Karte in weite Kreise getragen wird. Die weniger urteils-
fähigen Klassen sehen in der Reglementierung und in der — an
vielen Orten bestehenden und an noch mehr Orten erstrebten — Bor-
dellierung und Kasernierung der Prostitution eine staatliche An-
erkennung als Gewerbe. Weit hinauf in die Reihen der Gebildeten,
322
Kunstwart XXVI, V
Zur abolitionistischen Bewegung
erben möchte ich mit den folgenden Ausführungen für eine
Bewegung, die in Deutschland bis jetzt nur wenig Fuß
gefaßt hat, obwohl in unsrer Zeit, in der die sexuelle Frage
einen so breiten Raurn einnimmt, gerade dieser Teil der Frage wohl
eine eingehende Erörterung verdient. Während in den nordischen
Ländern, in England, letzthin auch in Frankreich und Italien der
Kampf gegen die sogenannte staatliche Reglementierung der Prostb-
tution von der „internationalen abolitionistischen Förderation" (ein
schrecklicher Name!), von Männern und Frauen teilweis mit großem
Erfolg geführt wird, ist in Deutschland — mit Ausnahme von den
Reichslanden — bis jetzt diese Bewegung erfolglos geblieben. Zum
großen Teil — es muß das offen ausgesprochen werden — wohl des-
halb, weil der Kampf mit der Frauenbewegung verquickt ist. Zwar
muß man den Frauen durchaus zugestehen, daß sie es gewesen sind,
die die Aufmerksamkeit auf Schäden und Ungerechtigkeit der Regle-
mentierung gelenkt haben; aber mit Frauenstimmrecht und Frauen-
studium hat diese Frage nichts zu tun. Es ist deshalb ungeschickt und
verhindert geradezu den Erfolg, daß die Frauen durch die Verquickung
dieser sehr verschiedenen Angelegenheiten weite Kreise der Männer
von der Teilnahme am Kampfe gegen die Beglementierung zurück-
schrecken. Ich will im folgenden kurz stets von Abolition oder Abo-
litionismus sprechen, um den unangenehm langen Titel zu vermeiden.
Im Kampfe gegen die staatliche, die polizeiliche Reglementierung
der Prostitution finden sich Menschen zusammen, die aus sehr ver-
schiedenen Quellen ihre Aberzeugung von der Verwerflichkeit der
Reglementierung schöpfen und aus sehr abweichenden Gründen ihre
Beseitigung verlangen. Gerade dieser verschiedene Rrsprung der Geg-
nerschaft gegen die polizeiliche Maßregel erschwert außerordentlich
die Werbekraft der Abolitionisten, das Durchdringen der Aberzeu-
gung in weitere Kreise, daß es Pflicht ist, in diesem Kampfe Partei
zu ergreifen.
Da haben wir zunächst die kirchlichen Kreise. Sie müssen den
außerehelichen Geschlechtsverkehr als solchen grundsätzlich verwerfen,
als Sünde bezeichnen; ihr Kampf richtet sich aus ethischen Gründen
gegen die Prostitution als solche. Damit muß er sich gegen die Regle--
mentierung richten, die gleichsam die staatliche Anerkennung, das
obrigkeitliche Einverständnis mit einer „polizeilichen Regelung des
Unzuchtgewerbes" bildet. Rnd schon hier treffen Anschauungen auch
nicht kirchlich-positiver Kreise mit dem Empfinden ernst denkender
Männer und Frauen zusammen. Ihnen und auch mir erscheint als
einer der schwerstwiegenden Angriffspunkte gegen die Reglementie-
rung die sittliche Verwirrung, die mit der Einschreibung und
der Karte in weite Kreise getragen wird. Die weniger urteils-
fähigen Klassen sehen in der Reglementierung und in der — an
vielen Orten bestehenden und an noch mehr Orten erstrebten — Bor-
dellierung und Kasernierung der Prostitution eine staatliche An-
erkennung als Gewerbe. Weit hinauf in die Reihen der Gebildeten,
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Kunstwart XXVI, V