wesen. Gs muß jedem Volke daran
liegen, alle irgend auftauchenden
Ketzereien sofort in einen Brenn-
punkt zu sammeln: denn in diesen
Ketzereien, noch genauer gesprochen,
in den Personen der Ketzer liegt die
Gewähr des Fortschrittes, und zwar
die einzige Gewähr. Lagarde
Unsre Bilder und Roten
enn die Leser das diesem Heft vorgesetzte Blatt von Alexander
Liebmann betrachten, so wird ihnen vielleicht ein unbe-
stimmtes Gefühl kommen: daß sie ein derartiges noch niemals
in einer Zeitschrift gefunden haben. Es ist eine Weiche in diesem Druck,
eine aquarellmäßige „Bässe", eine Zartheit und doch wieder eine Kraft,
wie sie sich nicht nur nicht mit den üblichen Farben-Autotypien erreichen
lassen, sondern wie sie überhaupt in so hohen Auflagen, wie sie der
Kunstwart braucht, wohl noch niemals erreicht worden sind. Die Repro--
duktion gibt in einem besonderen Verfahren eine farbige Original-
radierung wieder. Die Originalplatte ist in verschiedenen Lechniken
hergestellt, mit einer Vereinigung hauptsächlich von weichem Grunde
(verni mou) und Aquatinta-Atzung. Zwei Mittel, die dem Künstler die
besten Möglichkeiten für Breite und Weichheit ganz besonders als Anter-
lage zum Farbdruck bieten. Was diesen betrifft, so empfängt der Sammler
mit jedem Blatte ein Original, das der Künstler selbst hergestellt hat.
Das muß er, denn wir haben keine Drucker, denen man überlassen
könnte, im Sinne der Maler-Radierer frei zu drucken, so, daß man
nicht überall ein peinliches Rachahmen der Vorlage sähe, welches den
Eindruck der Großzügigkeit, des selbständigen Bildens auch beim Färben
aufhöbe. Bei der farbigen Radierung lassen sich auch nicht, wie noch
beim Steindruck, hohe Auflagen maschinell drucken; das gefeuchtete Iapan-
oder Kupferdruckpapier saugt die Farben aus den geätzten Vertiefungen so
vollständig auf, daß für jeden einzelnen Druck ein neues Einfärben nötig
wird. Gerade dadurch wird aber auch der feine Schmelz und das Indi-
viduelle der Drucke erreicht, das den Kenner entzückt. Liebmanns schönes
dekoratives Blatt (im Original 36X5^ ein groß) zeigt einen Ausblick ins
Isartal.
Das „Bildnis meiner Mutter" von Albert Weisgerber beweist
in der kräftigen Handschrift der guten Moderne, daß man auch mit ihren
Mitteln seelisch charakterisieren kann. „Mütterbilder" unsrer Künstler
sind immer interessant, denn die Mütter wird einem wohl nie bloß zum
Modell; es wäre keinem möglich, sie nur aufs Malerische anzusehn,
selbst wenn er sich der seelischen Beziehungen während des Malens gar
nicht bewußt würde. Wie lebt, spricht, beobachtet und lauscht dieser kluge
Frauenkopf! And wie sammelt sich aus der unruhigen Rmgebung auch
rein malerisch hier im Antlitz die Ruhe!
Gs ist sehr schade, daß es von Iean Paul kein seiner ganz würdiges
Bildnis gibt. Friedrich Meyer hat den Mann wenigstens mit
begeistertem inneren Auge geschaut, das spürt man, auch wo sein Können
nicht recht mitwollte. Trotz der' Verzeichnungen und sonstigen Mängel
gibt uns sein Werk von den Iean-Paul-Bildnissen immerhin das inner-
lichste Leben.
j (. Aprilheft (9(3
liegen, alle irgend auftauchenden
Ketzereien sofort in einen Brenn-
punkt zu sammeln: denn in diesen
Ketzereien, noch genauer gesprochen,
in den Personen der Ketzer liegt die
Gewähr des Fortschrittes, und zwar
die einzige Gewähr. Lagarde
Unsre Bilder und Roten
enn die Leser das diesem Heft vorgesetzte Blatt von Alexander
Liebmann betrachten, so wird ihnen vielleicht ein unbe-
stimmtes Gefühl kommen: daß sie ein derartiges noch niemals
in einer Zeitschrift gefunden haben. Es ist eine Weiche in diesem Druck,
eine aquarellmäßige „Bässe", eine Zartheit und doch wieder eine Kraft,
wie sie sich nicht nur nicht mit den üblichen Farben-Autotypien erreichen
lassen, sondern wie sie überhaupt in so hohen Auflagen, wie sie der
Kunstwart braucht, wohl noch niemals erreicht worden sind. Die Repro--
duktion gibt in einem besonderen Verfahren eine farbige Original-
radierung wieder. Die Originalplatte ist in verschiedenen Lechniken
hergestellt, mit einer Vereinigung hauptsächlich von weichem Grunde
(verni mou) und Aquatinta-Atzung. Zwei Mittel, die dem Künstler die
besten Möglichkeiten für Breite und Weichheit ganz besonders als Anter-
lage zum Farbdruck bieten. Was diesen betrifft, so empfängt der Sammler
mit jedem Blatte ein Original, das der Künstler selbst hergestellt hat.
Das muß er, denn wir haben keine Drucker, denen man überlassen
könnte, im Sinne der Maler-Radierer frei zu drucken, so, daß man
nicht überall ein peinliches Rachahmen der Vorlage sähe, welches den
Eindruck der Großzügigkeit, des selbständigen Bildens auch beim Färben
aufhöbe. Bei der farbigen Radierung lassen sich auch nicht, wie noch
beim Steindruck, hohe Auflagen maschinell drucken; das gefeuchtete Iapan-
oder Kupferdruckpapier saugt die Farben aus den geätzten Vertiefungen so
vollständig auf, daß für jeden einzelnen Druck ein neues Einfärben nötig
wird. Gerade dadurch wird aber auch der feine Schmelz und das Indi-
viduelle der Drucke erreicht, das den Kenner entzückt. Liebmanns schönes
dekoratives Blatt (im Original 36X5^ ein groß) zeigt einen Ausblick ins
Isartal.
Das „Bildnis meiner Mutter" von Albert Weisgerber beweist
in der kräftigen Handschrift der guten Moderne, daß man auch mit ihren
Mitteln seelisch charakterisieren kann. „Mütterbilder" unsrer Künstler
sind immer interessant, denn die Mütter wird einem wohl nie bloß zum
Modell; es wäre keinem möglich, sie nur aufs Malerische anzusehn,
selbst wenn er sich der seelischen Beziehungen während des Malens gar
nicht bewußt würde. Wie lebt, spricht, beobachtet und lauscht dieser kluge
Frauenkopf! And wie sammelt sich aus der unruhigen Rmgebung auch
rein malerisch hier im Antlitz die Ruhe!
Gs ist sehr schade, daß es von Iean Paul kein seiner ganz würdiges
Bildnis gibt. Friedrich Meyer hat den Mann wenigstens mit
begeistertem inneren Auge geschaut, das spürt man, auch wo sein Können
nicht recht mitwollte. Trotz der' Verzeichnungen und sonstigen Mängel
gibt uns sein Werk von den Iean-Paul-Bildnissen immerhin das inner-
lichste Leben.
j (. Aprilheft (9(3