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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 17 (1. Juniheft 1913)
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Düring, Elisabeth von: Zur abolitionistischen Bewegung
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Stapel, Wilhelm: Vom Entarten der Wohltätigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0393

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chen, mit den Bestrebungen der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten nicht einverstanden sind und die den mit
der „Aufklärung" im oben ausgefnhrten Sinne erreichten Lrfolg
nicht als reines Glück ansehen.

Ans den Kreisen von Männern und Frauen, die in ihren An--
schauungen auf dem gleichen Boden stehen, erhoffen wir Mithilfe, Mit«
kämpfer im Kampfe gegen die Reglementierung der Prostitution. Die
Reglementierung ist juristisch unhaltbar, ethisch verwerflich, hygienisch
schädlich — sie muß in Deutschland fallen, wie sie in den nordischen
Ländern gefallen ist. Ietzt geht unser Streben dahin, vor (Lrlaß des
neuen Reichs-Strafgesetzbuches von den höchsten Behörden die Ein-
setzung einer außerparlamentarischen Kommission zu erlangen, in
die Anhänger und Gegner der Reglementierung berufen werden
sollen. Wenn das Lrgebnis der Verhandlungen — woran keinen
Augenblick zu zweifeln ist — dem gleichen wird, wie es sich in Frank--
reich ergeben hat, so ist eines sicher: in Deutschland wird die Er--
kenntnis von der Schädlichkeit der bestehenden Reglementierung
unbedingt in kurzer Zeit ihre Beseitigung zur Folge haben.

L. von Düring

Vom Entarten der Wohltätigkeit

^^v^enn der mittelalterliche Fürst „Milde" übte, tat er es nicht,
^HDum die materielle Lage seiner Krieger und Spielleute auf--
zubessern, sondern einfach, weil ihm Freigebigkeit als eine
fürstliche Tugend galt. And wenn der mittelalterliche Kaufherr eine
Stiftung für kranke Pilger einsetzte, so tat er das auch nicht aus
irgendwelchen sozialen Erwägungen, sondern weil Wohltätigkeit zu
den christlichen Tugenden gehört. Beide handelten so um ihrer eige--
nen Ehre und Seligkeit willen. Auch heut noch begründet man wohl
die Wohltätigkeit als eine sittliche Forderung, die an den einzelnen
Menschen um seiner selbst willen zu stellen ist. Wenn man zu einem
„guten Werk" aufgerufen wird, so soll das Wörtlein gut meist nicht
bloß auf das Werk allein bezogen werden, sondern es richtet sich
zugleich verschämt an das sittliche Bewußtsein des also Aufgerufenen;
er soll am Werk mithelfen, weil er selbst „gut" ist oder doch sein will.
Aber im Grunde ist heut jenes „gut" mehr vom helfenden Menschen
auf die Sache, bei der er mittun soll, hinübergeglitten. Im Vorder--
grund unserer Äberlegungen steht fast durchweg die Frage: Ist die
Sache gut, für die wir etwas Hergeben sollen? In früheren Iahr--
hunderten kümmerte man sich weniger um die Wirkung, man war
zufrieden mit dem Bewußtsein, persönlich gut gehandelt zu Haben.
Heut schätzt man die tzandlung nach der Wirkung. So sehr der
Glanz des Wortes gut über beide, Mensch und Sache hin-- und wieder--
schillert, es macht doch einen tiefen Unterschied, woher es seine eigent--
liche Leuchtkraft zieht. Es ist der Anterschied zweier Welten.

Wenn etwa ein Verein „zu wohltätigen Zwecken" Geld sam--
melt, so geht er davon aus, daß irgendwo eine wirtschaftliche und
soziale Not vorhanden sei und behoben werden müsse. Die tzaupt--
sache ist ihm, daß die Mittel zur Behebung dieser Not zusammew-

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