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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1913)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Organisation der Bildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0453

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Organisation der Bildung

tz^^nsre Bewegung hat srch im letzten Iahre sehr verstärkt — und

I so wird sie natürlich auch in immer steigendem Maße be-
^^achtet. Städtische und staatliche Behörden von den untergeordne--
ten bis zu den Regierungen hinauf haben mit Dürerbundsachen
mehr als früher zu tun, Parlamente beschäftigen sich gelegentlich
mit ihnen, und in verschiedenen wichtigen Interessengemeinschaften
steht gegenwärtig das Verhalten zu uns im Mittelpunkte vertrau-
licher Erörterungen oder halböffentlicher Fachblätter-Verhandlung.
Da das „Beachten" im praktischen Leben auch praktische Ziele hat,
so weist es entweder auf ein Fördern oder ein Bekämpfen, auf ein
Sich-Verbünden mit uns oder ein Uns-Befeinden. Von der Agi-
tation derjenigen tzerren, deren Verhalten gegen uns hauptsächlich
durch Kassenschrank-Interessen bestimmt wird, gebe ich in der „Rund-
schau" einige Kostproben, zu den Erörterungen an dieser Stelle hier
gehört das nicht. Und von Verhandlungen auf Verbündung hin
soll man öffentlich erst reden, wenn alles im klaren ist. Aber es
bleiben zur Besprechung heute schon und hier Besorgnisse ernster und
ehrlicher Männer, die von der wachsenden Macht der Kunstwart--
und Dürerbund-Unternehmungen etwas wie ein „Kultur-Monopol"
mit allen seinen Schäden befürchten. Sie hätten vollkommen recht,
wenn nicht unsre Arbeit gerade das vorbereitete: durch eine große
Organisation der Bildung Kultur-Monopolisierungen unmöglich zu
machen.

Das von mir eingeführte Wort „Ausdruckskultur" ist jetzt
mehrfach wieder besprochen worden. Ls sei „unklar". Ich habe es vor-
geschlagen, weil der Begriff „ästhetische Kultur" für unsre Aufgabe
zu mißverständlich, zu eng war. Zu mißverständlich, weil man bei
ihm an Schönheits- oder gar an Kunst-Werte zu denken Pflegt,
zu eng, weil für uüs jeglicher Gehalt einer Sache in Frage
kommt, der sich in ihrer Erscheinung ausdrückt, so daß sich aus dem
Lntsprechen oder Nicht-Entsprechen von Sein und Schein Schlüsse
ergeben. Alle ästhetische Kultur ist Ausdruckskultur, aber nicht alle
Ausdruckskultur ästhetische. Wenn, beispielsweis, eine Ausstellung
eine Abteilung der Verderblichkeit des Alkoholmißbrauchs widmet,
praktisch aber in ihren Wirtschaften den Alkoholmißbrauch fördert,
so ist das keine Lrscheinung der ästhetischen, aber der Ausdrucks-
kultur. Wenn man etwas bis heute als sachlich gut verbreitet, von
morgen ab aber boykottieren will, um jemand dadurch zu schaden, eben-
so. Es ist keine Erscheinung der ästhetischen, wohl aber der Ausdrucks-
kultur, wenn eine Zeitung in ihren Aufsätzen, wenn ein literarischer
Katalog in seinen Kritiken Rücksicht auf Inserate oder sonstige Geld-
geber nimmt. Wenn politische Organisationen unterm Vorgeben, der
Allgemeinheit zu dienen, Interessentengruppen dienen, oder wenn
Regierungen Privatwünsche einflußreicher tzerren, oder wenn Par-
lamente Klasseninteressen fördern. Wo immer sich Auguren an-

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