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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 18 (2. Juniheft 1913)
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Rechtsanwälte und Schuldnernot
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0465

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Rechtsanwälte und Schuldnernot

ist eine betrübende Erscheinung unsres Rechtslebens, daß so viele
k'^^durch vorübergehende Anrstände in Bedrängnis geratene Schuldner
^»^nur deshalb den wirtschastlichen Zusammenbruch nicht aufhalten
können, weil die Gläubiger bei Einziehung ihrer Forderungen ihnen
unnötig hohe Anwalts- und Gerichtskosten verursachen. In unsrer Ge-
schäftswelt ist die Einsicht noch wenig verbreitet, daß die wirtschaftliche
Erhaltung des Schuldners auch im Interesse des Gläubigers liegt, der
unter Amständen selbst die unnütz aufgewendeten Kosten tragen muß.
Anstatt mit wenig Mühe selbst beim Amtsgericht Zahlungs- und Voll-
streckungsbefehl schriftlich oder mündlich — mit geringfügigen Gerichts-
kosten — zu erwirken, hält es die große Mehrzahl der Gläubiger für
richtiger, einen Rechtsanwalt mit der Einhebung der unstreitigen For-
derungen zu beauftragen. Der Anwalt wird in den meisten Fällen
Klage erheben und Anerkenntnis« oder Versäumnisurteil gegen den
Schuldner erwirken. Bei den deutschen Gerichten werden jährlich viele Tau-
sende von Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen in nichtstreitigen
Sachen auf Antrag von Anwälten erlassen. Welche ungeheure Kostenlast
dadurch den Schuldnern, auch den notleidenden und zahlungswilli-
gen, zugunsten der Anwälte aufgebürdet wird, läßt sich ermessen, wenn
man bedenkt, daß ^0 000 nichtstreitige Rrteile, wie sie bei großen Amtsge-
richten mit Industriebezirk in einem Iahre ergehen können, in der niedrig-
sten Wertsklasse (bis 20 M.) 80 000 M. Anwaltskosten (einschließlich der
Kostenfestsetzung, jedoch ohne Zwangsvollstreckung) und (0 000—(5 000 M.
Gerichtskosten verursachen, während bei Erledigung durch Zahlungs- und
Vollstreckungsbefehle — unter Ausschaltung der Anwälte — nur etwa
8000 M. Gerichtskosten entstehen würden. Der Anterschied vergrößert
sich aber mit der Höhe des Streitwertes, der bei den Amtsgerichten bis
zu 600 M. reicht. Bei einem mittleren Streitwert von 60—(20 M.
würden bei (0 000 Vollstreckungsbefehlen nur gegen (9 000 M. Gerichts-
kosten, bei (0 000 nichtstreitigen Urteilen außer erheblich höheren Ge-
richtskosten ((0 000 M. Anwaltskosten zu berechnen sein.

Mcht selten verursachen die Schuldner allerdings selbst unnötig die höhe-
ren Kosten dadurch, daß sie — aus Ankenntnis oder um Zeit zu gewinnen —
gegen den Zahlungsbefehl Widerspruch erheben. Die Befürchtung einer durch
unnützen Widerspruch entstehenden Verzögerung mag auch viele Gläu-
biger von vornherein zur Klageerhebung veranlassen. Zur Verhütung
derartiger unnützer Widersprüche würde es viel beitragen, wenn die
Schuldner vor oder bei Erlaß des Iahlungsbefehles auf den Kostenunter-
schied hingewiesen würden. Der Gerichtsvollzieher Finhold in Bensberg
hat in dieser Hinsicht in seinem Buche „Augen auf oder den Beutel auf"
durch Herausgabe geeigneter Formulare zwecks erweiterter Anwendung
des Zahlungsbefehles sehr beachtenswerte Vorschläge gemacht.

Hält aber der Gläubiger die sofortige Klagerhebung ohne Zahlungs-
befehl für geboten, so sollte er doch, namentlich wenn es sich um kleine
Beträge und wirtschaftlich schwache Schuldner handelt, nach Mögtichkeit
die Klage unter Benutzung der leicht erhältlichen Formulare selbst an-
fertigen oder zu Protokoll geben und selbst oder durch einen Angestellten
das Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil im Äermin erwirken. Es ist
 
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