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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 15 (1. Maiheft 1913)
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Greyerz, Otto von: Landerziehungsheime, [2]: was sie sind und was sie werden könnten
DOI Artikel:
Buschmann, Johannes: Der Unternehmer und das Qualitätsprinzip im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0223

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bieten einige Gelegenheit dazu, aber lange keine so günstige wie ein
Landerziehungsheim. Hier könnte der künftige Lehrer sich in irgend«
einer Hilfsstellung, zunächst vielleicht nur im Aufsichtsdienst, bei Spiel
und Sport, beim Aufgabenmachen und bei Handwerksarbeiten mit
den Knaben anfreunden, ihre Ärt beobachten und verstehen lernen,
den üngezwungenen Ton finden, der sie ihm zugänglich macht. Das
Landerziehungsheim ist zum Glück keine Musterschule mit Muster«
schülern, sondern ein Tummelplatz für allerhand Kreatur, die sich frei
und ehrlich geben darf, wie sie ist. Allmählich rückt dann der Lehr-
amtskandidat in den Unterricht vor, zur Aushilfe oder Stellvertretung
vielleicht, später in eine ganze Stelle. Von früh auf wird er an
Kritik gewöhnt, an die mehr oder weniger verblümte der Schüler, an
die offene, aber wohlwollende der Kollegen. Der freie und freund«
schaftliche Verkehr mit Schülern und Lehrern wird ihm zum Bedürfnis
werden; er mag später als Lehrer kommen wohin er will, so wird er
etwas jenen gesunden und freundlichen Verhältnissen Ahnliches an-
^ zubahnen suchen. Er wird überhaupt eine Menge Anregungen zur
Belebung und Vertiefung des Anterrichts, auch zur Pflege des Ge«
meingefühls, der Selbstverwaltung und der Verbindung zwischen tzaus
und Schule mitbringen. Rnd wenn auch mancher Versuch, die alte
Lernschule mit dem Sauerteig neuer Gedanken zu bearbeiten, miß«
lingt: etwas von der freien Luft des Landerziehungsheims wird durch
den jungen Lehrer, der diese Luft einmal geatmet, doch hinüber--
I dringen in die alten Denk- und Lebensgewohnheiten.

Darum sollten die Schulbehörden den künftigen Lehrern den Auf-
enthalt an einem Landerziehungsheim als Änterbrechung oder Ab-
schluß der Studienzeit soviel wie möglich erleichtern. Sie sollten
überhaupt freundliche Fühlung mit den Landerziehungsheimen zu
nehmen suchen. Beide Teile könnten große Vorteile davon haben.
Glarisegg (Schweiz) OttovonGreyerz

Der Llnternehmer und das Qualitätsprinzip im

Kunstgewerbe

^W^ie Kunstethiker haben mit Ruskin dem Hersteller die sittliche Pflicht
^-H Hvorgehalten, durch qualitative Veredelung seiner Erzeugnisse er»
zieherisch auf die Abnehmer einzuwirken. Daß ihm das bei Kon-
sequenz auch wirtschaftlich möglich sei, wurde nicht bezweifelt. In dieser
Allgemeinheit ist die Ansicht aber irrig. Vielmehr ist zu erkennen, ,daß
offenbar zahlreiche qualitativ abgestufte Schichten des Bedarfs über- und
nebeneinander gelagert sind. Der gewerbliche Rnternehmer hat nur in--
sofern Wahlfreiheit, als er — natürlich unter Berücksichtigung seiner
tzilfsmittel einerseits und der Wettbewerbverhältnisse anderseits — sich
für eine höhere oder niedere dieser Bedarfsschichten entscheiden kann,
Aun sind freilich auch diese Schichten nichts Starres. Sie haben an
ihren Grenzen sowohl oben wie unten — dieses unten und oben im
Sinne der Oualität verstanden — Streifen latenten Bedarfs, den zu
wecken und zu entwickeln dem Hersteller möglich ist. Ob er das tut,
nach welcher Richtung er es tut, wie weit und so weiter, das hängt
von seinen Fähigkeiten und Interessen, seinen technischen Hilfsmitteln,

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