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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 18 (2. Juniheft 1913)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0499

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baren Lrauer neues Leben aus, sieht all die geflügelten kleinen Wesen,
die sich von den Bäumen loslösen, dnrch die Lüste kreisen und dann
zur Lrde niedersinken, die Mutter schickt sie nieder, ihre kleinen, winzig
kleinen Kinder, die noch in ihrer zarten Wiege schlummern und nichts
davon wissen, daß der Frühling auch sie erweckt zu Wachstnm und
Leben. Bald deckt sie Schnee und Kälte, aber unter der Decke ist ihnen
warm und wohl, und wenn der Schnee getaut ist, wenn die Sonne
wieder warm herniederscheint, dann strecken sie die kleinen Köpfe vor,
voll Neugier und voll Freude über die schöne Welt, die ihnen bis dahin
unbekannt war! Sieh, da kommt wieder so eine kleine schwebende, drehende
Wiege zu uns nieder mit einem schlummernden Elfchen darinnen! Sie
streckte die Hand aus, ein Lindenblütensamen fiel hinein. Carl nahm
ihn aus ihren Fingern, voll Entzücken sah er auf Marias entrückten,
schönen Blick. — Wirf es nicht fortl sagte sie schnell, es ist zu mir ge-
kommen und ich werde es bemuttern. — Möchtest du es in die Erde
Lun? — Maria nickte. — So wollen wir, sagte er lächelnd, einen schönen
Platz aussuchen, wo wir es pflanzen werden! — Sie schritten durch den
Garten zurück, durch die goldenen Herbstfahnen der Bäume hindurch
tauchte das grünbewachsene Haus mit seinen weißen Bogenfenstern auf.
— Hier, sagte Carl, hier wäre ein schöner Platz dafür! Wir wollen den
Gärtner rufen. — Den Gärtner? Nein, ich Pflanz es selbst! — Du
wirst dir die Hände schmutzig machen. — Was schadet das? — Sie kniete
nieder und lockerte das Erdreich etwas. Halt! sagte Carl, dann wollen
wir ihm gemeinsam seine Wohnung bereiten! Er kniete neben ihr, machte
die Höhlung etwas größer, dann taten sie den Samen gemeinsam hinein
und bedeckten ihn wieder mit dem Erdreich. — Ich werde dem Gärtner
befehlen, sprach Carl, daß er hier einen kleinen Zaun anlegt, klein und
viereckig, damit wir die Stelle im Frühjahr wieder finden. — Wie?
rief Maria, denkst du, daß ich sie mir nicht merken kann? Hier soll keine
fremde Hand zu tun haben mit dem, was wir gemeinsam taten. Lächelnd
und versunken blickte sie noch eine Zeitlang auf den Boden, während
Carl gutmütig wartete und sich die Fingerspitzen mit seinem Taschen-
tuch säuberte.

And im Frühjahr streckte es wirklich seinen kleinen, zarten Keim
aus dem Erdreich heraus, Maria wartete und Pflegte ihn und harrte
selbst voll Ungeduld ihrer Zeit entgegen.

Bom tzeute fürs Morgen

Zurn Gedenktage des
Kaisers

^nnerhalb der normalen Geschichte
monarchischer Staaten hat jeder
Gedenktag eines Negierungsantrit-
tes ein Doppelgesicht, weist er doch
zugleich auf Leben und Lod. Er ist
nicht nur ein Freudenfest, wie der
Geburtstag Glücklicher, er ist aus

dem Vollen zu werten, mit Lust
und Leid. Das führt bei der Feier
eines Amtsabschnittes wohl ganz
natürlich dazu, uns nicht nur des
Erreichten zu freuen, sondern auch
des Anerreichten zu gedenken, ob
nun Erreichen und Nichterreichen
in unserm Willen und Vermögen
stand oder nicht.

Auch die streng monarchisch Ge»

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