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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 16 (2. Maiheft 1913)
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Gregori, Ferdinand: Wagner und das Altdeutsche
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0331

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Volkskunst jedoch hatten. die Meistersinger einen Blick eröffnet. Ls
ist irnmerhin bitter, daß sich der Vorhang vor diesem Reich fast
allein wieder öffnete für jene lacherlichen Varietskunststücke der alt-
deutschen Moden mit ihren Zinkschilden, Blechleiern und Eichen-
kränzen aus Papier.

Ltwas anderes aber entwickelte sich noch, das auch nichts Gutes war.
Gemischt aus Anregungen des „Altdeutschen" wie des „Lrlöserischen"
bei Wagner kam jene unerquickliche Wagnerbildnerei herauf, die sich
von dem Außerlichen in seinen Werken anregen ließ, ohne doch von
seiner Kraft und Leidenschaft, von seinem Starkgeist auch nur das
Mindeste zu vermitteln. Bühnenwerke befruchten selten bildende Kunst
zu Geniekindern, wie tief aber die von Wagnerischen Werken ange-
regten Schildereien stehn, das wird klar, wenn man sie mit dem ver-
gleicht, was etwa Goethes Faust bei den Bildnern angeregt hat, wenn-
gleich auch dies keine Kunst ersten Ranges ist. Sehen wir von Thomas
wenigen Gestalten ab, die einfach der Bühne dienen sollten, und von
den ganz wenigen edlen Bildern, wie seiner „Gralsburg" — so finden
wir unter den tausend Wagnerbildern fast nichts als eine Theaterei
von geradezu erschreckender Pose und Phrase. Gut, daß sie meist
in Prachtwerken zu hohen Preisen steckt und deshalb zu teuer ist, als
daß sie am Verderben des Publikums in weiten Kreisen mitarbeiten
konnte! Aber auch in Öl und Tempera haben wir die lächerlichen
Wotanmimen, die wir für Allväter halten sollten, die Siegfriede mit
den gebrannten tzaaren, die Kunstreiterinnen-Walküren, die Blumen-
mädchen-Balletteusen, die marinierten Riesenheringe und Riesenaale,
die uns als Drachen erschrecken sollen. All das hat immerhin auch
mitgewirkt, um das Bayreuther Werk in den Köpfen zu vertheatern.
Arme Seelen, die nach dem Genuß von Wagners Tönen bei diesen
getuschten Brünnhilden, diesen Isolden noch ein Mehr empfanden!
Die Riesengebirgs- und Brockenhäuser wollen wir dabei nur erwäh-
nen — Gott gebe, daß ihnen nicht etwa wirklich eine Wagner-Gedenk-
halle mit Hendrichschen Bildern am Rhein folgen möge!

Vom Heute fürs Morgen

Die Grotzen

ls Richard Wagner, der Greis,
gestorben war und sein Bild
immer noch zwischen Feind und
Freund gezerrt und verzerrt wurde,
da dachten wir, sein Gefolge: von
nun an wird seine Herrlichkeit von
Iahr zu Iahr sonnenhast ruhi-
ger leuchten, wie mau ihn von
Iahr zu Iahr gewisser als das
überragende Künstler--Genie seiner
Zeit erkennen wird. So ist er
erkannt worden, aber ruhiger leuch-

tet sein Bild heute nicht. Nur die
Gleichgültigen oder die Schwachen
nehmen ihn einfach hin, die Regen
und Kräftigen kämpfen um ihn
wie nur je, und leiser tun sie's
nur, weil sie's mit feineren, inner-
licheren Organen tun.

Wir wachsen mit der Vorstellung
auf, die Genies seien die Beglücker
der Menschheit. Sie sind es, aber
sehr selten so, wie wir's bei diesem
Worte zunächst meinen. Sehr
wenige sind es als Geber sosort be-

2. Maiheft M3
 
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