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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 15 (1. Maiheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0280

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ausschüsse nicht wegen einzelner strittiger Urteile, sondern gegen den Vor-
wurf unnationaler Gesinnung erst verteidigt werden mußte. Daß
man das Subalterne dieser denunzierenden Gesinnungsriecherei nicht schon
als solches ablehnte. Daß man zur Iahrhundertfeier jener großen
Zeit der Stein, Fichte, Gneisenau, Scharnhorst, Arndt, Schleiermacher,
Humboldt diesen Amgstgeist stickiger Enge überhaupt ertrug. Daß man,
um endlich klarer zu sehn, freier zu fühlen und würdiger zu denken —
auf die Besonnenheit des preußischen Kultusministers warten mußte. A

Unsre Bilder und Noten

^^^^anchem wird scheinen, als sei der eigentliche Gehalt des Farben-
Hholzschnittes von Hans Aeumann jr.: „Pfingstjubel!" Andre
^^T^werden sagen: „Narretei, wir haben hier eine schöne Arbeit, die
eine Studie aus Buchenwald im Frühling durch Vereinfachung der Farben
derart zerlegt, daß der Drucker dann nach Art der Iapaner die einzelnen
Platten mit der Hand einfärben und zusammendrucken kann. Wie wohl
ist ihm das gelungen, wie schön in Lokalton und Zusammenklang, zu-
gleich aber wie kräftig kommt ihm alles heraus! Sogar der Durchblick
unter den Zweigen hin ins Weitere ist dem Mann zu einem blauen
Streifen geworden; es ist alles geschmackvoll wie feine Weberei." Wer
hat von unsern beiden Beurteilern nun recht, von denen sehr möglicher-
weise der erste den zweiten für einen „Astheten" und der zweite den ersten
für einen „Literaten" erklärt? Fragen wir den Künstler selbst, so halte ich
für möglich, er gibt dem zweiten recht. Denn zumeist pflegen die Künstler
ihre Arbeit nach dem zu werten, was ihnen bewußt ward, weil es die
meiste Mühe macht. Aber eben deshalb besagt ihr eignes Urteil noch
nicht, daß es das Wichtigste in den Vordergrund stellt. Auch in
Neumanns Blatt werden die feinsten Säfte aus unbewußten Tiefen her-
vorgequollen sein; wer ausruft „das ist Pfingstjubel", braucht deshalb
dem Widerspruch der Kenner zum Trotze doch nicht zu irren.

Sagt jemand, daß die beiden Bilder, die wir in Maschinengravüre
wiedergeben, das von Artur Iohnson und das von Bruno
Heroux denselben Gehalt haben, so wird er leicht verstanden werden.
„Ia, beide drücken Andacht aus, Andacht vor der Größe der Natur." Wer
aber sagen würde, sie hätten beide denselben Gegenstand, den würde
man vielfach gar nicht verstehen, wenn man nicht vorher von gemeinsamem
geistigen Gehalt gesprochen hätte. Hier ein junges Armenschenpaar, das,
nackt, zum gestirnten Himmel über sich aufblickt, dort ein ragender Fels,
einen Altar auf der Spitze, zu dem eine Beterin wallt. „Gehalt", „In-
halt", „Gegenstand", „Stosf", das sind eben alles Worte, die man eigent-
lich ohne nähere Beftimmung vermeiden sollte, wo Wesentliches auf
sie ankommt. In aller Kunst aber ist es so, daß auf den Lmpfänglichen
tiefe Wirkungen nie durch den materiellen Vorwurf als solchen erzeugt
werden, nie durch das, was da „abgebildet" wird. Beim Bild wie beim
Buch kann beispielsweise eine Allegorie „Vaterland" trotz starken Aufgebots
patriotischer Gedanken und Beziehungen arm und gleichgültig wirken,
wenn der Künstler nicht innerlich beteiligt war, und kann ein schlichtes
Motiv aus der Heimat oder auch aus der Fremde die ganze Wärme der
Vaterlandsliebe anfachen, wenn aus sonniger Seele der Strahl in uns

st Maiheft

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