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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 18 (2. Juniheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0504

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Solchergestalt also ist das Bild,
das sich heute nicht etwa ein Durch--
schnittsrnensch, sondern ein hervor--
ragend begabter, gelehrter und an--
ständig denkender Lngländer vom
deutschen Geistesleben der letzten
anderthalb Iahrhunderte macht. Lr
glaubt allen Lrnstes, daß Mittel--
mäßigkeit, knechtische Gesinnung,
mittelalterliche Schwärmerei in
Deutschland herrsche; daß es nur in
materiellen Dingen vorwärts gehe;
daß nur ein gründlicher Rmsturz
eine deutsche Kultur herbeiführen
könnte, die der Englands und
Frankreichs ebenbürtig wäre.

In welcher Ankenntnis und Ver--
achtung deutschen Wesens muß die
englische Iugend aufwachsen, wenn
solche Bücher möglich sind! Rnd
da wundert man sich über gewisse
politische Konstellationen. Ein neues
»I)e I'^llemaZue" ist dringend not--
wendig und wichtiger als manches
Schlachtschiff. O. E. Lessing

ten, die für einen Dramatiker un--
erläßlich sind. Ob das alte fröhliche
Histörchen von den Weinsberger
Weibern für ein rechtes Bühnen-
werk überhaupt Stoff genug her-
geben kann, mag eine offene Frage
bleiben; jedenfalls aber müßten
dann die dramatischen Spannkräfte
aus dem Motiv selbst heraus-
geholt werden. Bartels dagegen
sucht ganz unverständlicherweise sein
tzeil in breitester Ausgestaltung des
gleichgültigen politisch - historischen
Rahmens der Anekdote, er langweilt
umständliche Akte hindurch mit dem
Kampf zwischen Welf und Waib-
ling, den er doch nicht menschlich
nahe zu bringen vermag, und fügt
in dies seriös anspruchsvolle Rü-
stungsgeklapper die List der Weiber
nur wie eine flüchtige Episode ein,
so daß sie lediglich als greller Stil-
bruch verstimmen kann: um so mehr,
als er das Spaßhafte der Situa-
Lion auch so ungeschickt und dürf-
tig als möglich verwertet hat. Wie
er nirgends das rechte Mittel zum
Zweck findet, so fehlt ihm auch offen-
sichtlich die Gabe, einen dichterisch-
dramatischen Zweck fest im Auge zu
behalten; überall, im ganzen wie
im einzelnen, macht sein Aufwand
den Eindruck der Ziellosigkeit. Noch
zuletzt, als die Weiber ihre Tat
glücklich vollbrachten und die Ret«
Lung der Männer vom Waibling
zu Recht anerkannt wurde, läßt er
die Gegenkönige unversöhnt zum
grimmen Zweikampf antreten, dann
diesen Zweikampf durch den plötzlich
zum Kreuzfahrer und Kreuzprediger
gewandelten Weinsberger Burg-
vogt reinreligiös schlichten und Wel-
fen wie Ghibellinen in gemein-
samem Fanatismus zum heiliger
Grab aufbrechen. So daß die braven
Weinsbergerinnen trotz alledem wie-
der das Rachsehen haben: ein Fak-
tum, dessen unfreiwillige Komik
das einzig Erheiternde an diesem

Friedrich Bartels' ^Burg
Weibertreu^

Münchner Theater
^*>on sonst wählerischen Leuten,
^vwie dem verstorbenen tzeraus-
geber des „Literarischen Lchos"
vr. Ioseph Ettlinger, ist der jetzt
36 jährige Friedrich Bartels als eine
tzoffnung der deutschen Bühnen--
dichtung bezeichnet worden: aber
nach dem Lindruck, den die lange
verzögerte Uraufführung seines
„fünfaktigen" Lustspiels „B ur g
Weibertreu" in unserem Re-
sidenztheater machte, läßt sich
diese hohe Einschätzung schwer be-
greifen. Gewiß, manchmal schläft
auch der gute Homer; aber was man
da in durchaus zureichender Wie-
dergabe zu sehen bekam, war nicht
nur an sich so verfehlt, daß es
heftigste Ablehnung erfuhr und er-
fahren mußte, es zeigte auch den
Mangel allgemeinerer Fähigkei-

2. Iunihest WS §25
 
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