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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 18 (2. Juniheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0519

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Gott segne dich! was für Vorstel--
lungen. Aber ich will sie doch nrei--
nen hochehrwürdigen Herren Mit--
Lheologen weiter geben. Denn im
Grunde...

Und wie war doch die Geschichte
von dem Reisenden, der vor hun--
dert Iahren auf die Faröen sich
verirrte? Es fand gerade eine Hoch--
zeit statt, und da sah er die Leute
unter Vorantritt ihres Pastors im
Lalar einen schweren feierlichen al--
ten Lanz tanzen und dazu sangen
sie die ganze Siegfriedsage.

Ia, und dann, wenn man kost--
bare Gesänge und Orgelmusik bietet
und selbst den Geruchsinn mit Weih--
rauch erfreut, dazu Gold- und Sil-
berschmuck aller Art, und bunte Bil-
der, auch nicht zu vergessen die
Kunst der Rhetoren von der Kanzel
und die Kunst der Mimik am Al-
tar — weshalb allein die Kunst der
rhythmischen Bewegung nicht? In
Spanien gibt es sie übrigens auch
in Kirchen, und dem damaligen
Kronprinzen Friedrich Wilhelm von
Preußen ist sie als königlichem Gast
gezeigt worden.

Als der Kurfürst von Branden-
burg zum Protestantismus übertre-
ten wollte, machte ihm schwere Be-
denken, daß er so manche ihm liebe
Zeremonien missen sollte, und sein
Hofprediger mußte Luther darauf-
hin anfragen. Luther antwortete:
Von seinetwegen könnte Seine Kur-
fürstliche Gnaden auch wie König
David vor dem Heiligtum hertanzen.
Er habe nichts dagegen.

Das paßt nicht hierher? Viel-
leicht paßt es doch her. Gr. G.

Landschaft und Landwirt-
schaft

g^as Folgende ist eine wahre
^Geschichte, und das ist das
Interessanteste dabei.

In einer lieblichen, flachen Lal-
mulde einer weiten Ackerbauebene

liegt noch heute fernab von jedem
Lisenbahnverkehr das große und
wohlhabende Kirchdorf R. Die
höchsten Punkte des ansteigenden
Geländes waren mit kleinen Wäld-
chen besetzt, die dem zahlreichen
Wilde als Zuflucht dienten. Mit
den Bachbardörfern war das Dorf
durch hochstämmige Alleen verbun-
den. Ringsum zog sich ein fast
lückenloser Kranz von Fliederbüschen.
Am die Gehöfte standen hohe, alte
Bäume. Lbenso um die architek-
Lonisch unbedeutende Kirche, dicht
an der Feldsteinmauer, die dem
höher gelegenen Kirchhof nach der
Dorfstraße zu als Futtermauer
diente. Die in Putzbau errichteten
Gebäude der umfangreichen Gehöfte
verrieten alte, geschichtlich gewordene
Wohlhabenheit, besonders taten das
die Wohnhäuser mit Obergeschoß,
hohem Ziegelwalmdach und breiter,
steinerner von Linden beschatteter
Freitreppe zu den kleinen, freund-
lichen Vorgärtchen. Gin niedriger
Zaun mit Hecken davor trennte den
Vorgarten von der Dorfstraße.
Äberall gab es da Vögel, Ge-
zwitscher und Gesang.

Aber das ist alles anders ge-
worden. Zwar liegt das Dorf noch
in der Mulde, aber die Wäldchen
auf den Höhen sind weg, weg sind
die Alleen, weg die Bäume an den
Gehöften, weg auch die Flieder«
hecken; und die Kirche steht kahl
auf einem von kahler glatter Ziegel-
mauer umfriedeten Kirchhof. Die
Linden von der Freitreppe des Guts«
hauses mußten ein paar Zypressen
Platz machen; an Stelle des alten
Zaunes und der Hecken steht heute
ein grellgrün gestrichenes Eisen-
gitter. Hier und da ist auch schon
das alte Wohnhaus verschwunden.
An seine Stelle trat die „Villa",
ein mit „Aenaissance" überladener
Putzbau mit dem hier landschafts-
fremden Schieferdach, oder gar einem

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Kunstwart XXVI, 18 ^
 
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