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Lavater, Johann Caspar; Weidmanns Erben und Reich [Contr.]; Heinrich Steiner & Comp. [Contr.]; Reich, Philipp Erasmus [Oth.]; Steiner, Heinrich [Oth.]
Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe (Band 3) — Leipzig: Weidmann und Reich, 1777 [VD18 9019747X-ddd]

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Des dritten Bandes der physiognomischen Fragmente erster Abschnitt
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Viertes Fragment
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Ueber Ideale der Alten; schöne Natur; Nachahmung. 41
Das Kind des Franzosen lernt Französisch, des Deutschen deutsch. Jeder Schüler
eines Mahlers ahmt glücklicher oder unglücklicher die Manier oder den Styl seines Meisters nach.
Es ließe sich durch die vollkommenste Induktion unwidersprechlich darthun: daß jeder Mah-
ler seinen oder — seine Meister — die um ihn lebende Natur seines Zeitalters, und sich selbst
kopiert hat. So jeder Bildhauer; so jeder Schriftsteller; so jeder Patriot. Die eigene Manier
eines Genies in der Kunst, Wissenschaft und Tugend ist bloss die durch seine besondere Lage modi-
fizirte Nachahmung seines Helden.
Eine Wahrheit von so millionenfachen Beweisen — darf sie ohne Unverschämtheit — darf
sie im Ernste in Zweifel gezogen werden? — Ich glaub' es nicht! Man nenne sich nur die Namen
Raphael, Rubens, Rembrand, Vandyk — Oßian, Homer, Milton, Klopstock —
man lasse sich ihre Werke nur durch den Kopf laufen — die herrlichsten Originale und dennoch
nur Kopisten — ihrer Meister, der Natur, und ihrer selbst. Sie sichen nur individuell die Natur,
durch das Medium der Werke ihrer Meister und Vorbilder — das machte sie zu Originalen und
Genies. Der ungenialifche Nachahmer — ahmt nur den Meister oder die Natur nach, ohne Theil-
nehmung, ohne Tinktur seiner Verschwisterung mit der nachgeahmten Sache; er zeichnet eigent-
lich nur durch. Nicht so, wer Original ist, das Genie. Er ahmt zwar auch nach — aber er
zeichnet nicht durch —- er setzt seine Nachahmungen nicht wie ein Nickwerk zusammen. Er schmilzt
sie durch einen Zusatz seiner teilnehmenden Individualität zu einem homogenen Ganzen —-
und dieß homogene Ganze ist so neu, so von allen andern Zusiimmenflickungen seines Zeitalters ver-
schieden, daß man's neues Geschöpf, Ideal, Erfindung heißt. Nur so, wie der Chymist
Schöpfer der Metalle ist — nur so der Mahler der Gemahlde; — der Bildhauer seiner Bilder.
Schöne Werke der bildenden, oder der dichtenden Kunst sind also immer ganz zuverlaßi-
ges Siegel und Pfand — schönerer Urbilder, schönerer Natur — und eines Auges, das gebildet
war, von diesen Schönheiten affizirt und hingerissen zu werden. Was Äug' ohne Licht ist, was
Weib ohne Mann — ist Genie ohne affizirende Sinnlichkeit außer sich. Es wird von seinem Zeit-
alter eben so sehr gestimmt, als es hinwieder sein Zeitalter weckt mW stimmt. Es giebt nur umge-
schmolzen, zusammengeschmolzen seinem Zeitalter zurück, was es an einfachen Ingredienzen er-
hielt. -- Welcher seichte Kopf — oder welcher Philosoph von Profession und Pratension — wird
Phys Fragm.Ill Versuch. F uns
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