Relig rose. 2;s
' Achtes ^Fragment.
Ein männliches Profil. k5
^^ichts in der Welt, selbst das glänzendste'Verdienst, wird so sehr beneidet, als die Freundschaft.
Man glaubt so selten an Freundschaft, als an Christenthüm. Man hat es stillschweigend gleichsam
ausgemacht, daß es wider alle Gesetze der Höflichkeit und des Wohlstandes laufe, in einer Gesell-
schaft gesitteter Menschen von dem eirwn oder von dem andern zu reden. - - . .
Also weiß ich nicht, ob ich vor: meinem Freunde reden darf? reden von meines Freundes
Religion? Als Physiognomrst, dacht' ich, sollt' ich am meisten, sollt' ich beynahe nur von Freun-
den reden; wer ist mir besser "bekannt? wer am östersten, am genauesten vonmir beobachtet? Wer
will mir's doch ablaugnen, was ich so ohn' alle Furcht des Gegentheils weiß, wie ich weiß, daß ich
Augen habe. Ich habe vom Anschauen, Beobachten und Studieren der Physiognomien meiner we-
nigen Freunde mehr Physiognomik gelernet, als aus allen übrigen lebenden und leblosen, gemahlten,
gezeichnetely gestochnen Mensthengesichtern, alle Bucher Mit eingerechnet und dennoch soll der
Physiognonn'st nicht von seinen Freunden reden dürfen? O Welt! o Jahrhundert, in das ich ge-
worfen bin! laß mich eine Zähre weinen, und .... verstummen!... Nein! nicht ganz verstummen.
Ich schreibe ja für Menschen, und nicht für.. Hunde — Sey übrigens sicher, Leser, vor der Stim-
me des Enthusiasmus; (nunmehr das einzige Gespenst, dem das Jahrhundert hohnlacht; der ein-
zige Satan, den es glaubt, und im Namen der gesunden Vernunft — austreibt!) Ich will eiskalt
schreiben, um deinetwillen, unerbittliches Jahrhundert — noch Mehr aber, um deine Bescheidenheit
nicht zu beleidigen, bester unter allen meinen Freunden, und das Heilige, deine Religion, nicht
Preiß zu geben. '
Des III. Barr- Sehr leicht zu kennen, und dennoch sehr unwahr ist das Bild, das wir vor uns ha-
TaN. ben — wer Zeichnung und Physiognomie versteht, wird gleich, auch ohne Kenntniß des
Urbildes, Verspannung, Disharmonie im Ganzen wahrnehmen. Es ist kein wahrer Blick da; keine
Einfachheit; kein bestimmter Moment;— Zusammensetzung verschiedener wahrer, halbwahrer und
arWdichteter, sich widersprechender Momente -— ist auffallend. Dieß Auge, sreylich kein gemeines
Auge — aber es harmonirt nicht mit dem Bogen der trefflichen Stirne! — Die NM etwas zu längs/
Kk 2 und
' Achtes ^Fragment.
Ein männliches Profil. k5
^^ichts in der Welt, selbst das glänzendste'Verdienst, wird so sehr beneidet, als die Freundschaft.
Man glaubt so selten an Freundschaft, als an Christenthüm. Man hat es stillschweigend gleichsam
ausgemacht, daß es wider alle Gesetze der Höflichkeit und des Wohlstandes laufe, in einer Gesell-
schaft gesitteter Menschen von dem eirwn oder von dem andern zu reden. - - . .
Also weiß ich nicht, ob ich vor: meinem Freunde reden darf? reden von meines Freundes
Religion? Als Physiognomrst, dacht' ich, sollt' ich am meisten, sollt' ich beynahe nur von Freun-
den reden; wer ist mir besser "bekannt? wer am östersten, am genauesten vonmir beobachtet? Wer
will mir's doch ablaugnen, was ich so ohn' alle Furcht des Gegentheils weiß, wie ich weiß, daß ich
Augen habe. Ich habe vom Anschauen, Beobachten und Studieren der Physiognomien meiner we-
nigen Freunde mehr Physiognomik gelernet, als aus allen übrigen lebenden und leblosen, gemahlten,
gezeichnetely gestochnen Mensthengesichtern, alle Bucher Mit eingerechnet und dennoch soll der
Physiognonn'st nicht von seinen Freunden reden dürfen? O Welt! o Jahrhundert, in das ich ge-
worfen bin! laß mich eine Zähre weinen, und .... verstummen!... Nein! nicht ganz verstummen.
Ich schreibe ja für Menschen, und nicht für.. Hunde — Sey übrigens sicher, Leser, vor der Stim-
me des Enthusiasmus; (nunmehr das einzige Gespenst, dem das Jahrhundert hohnlacht; der ein-
zige Satan, den es glaubt, und im Namen der gesunden Vernunft — austreibt!) Ich will eiskalt
schreiben, um deinetwillen, unerbittliches Jahrhundert — noch Mehr aber, um deine Bescheidenheit
nicht zu beleidigen, bester unter allen meinen Freunden, und das Heilige, deine Religion, nicht
Preiß zu geben. '
Des III. Barr- Sehr leicht zu kennen, und dennoch sehr unwahr ist das Bild, das wir vor uns ha-
TaN. ben — wer Zeichnung und Physiognomie versteht, wird gleich, auch ohne Kenntniß des
Urbildes, Verspannung, Disharmonie im Ganzen wahrnehmen. Es ist kein wahrer Blick da; keine
Einfachheit; kein bestimmter Moment;— Zusammensetzung verschiedener wahrer, halbwahrer und
arWdichteter, sich widersprechender Momente -— ist auffallend. Dieß Auge, sreylich kein gemeines
Auge — aber es harmonirt nicht mit dem Bogen der trefflichen Stirne! — Die NM etwas zu längs/
Kk 2 und