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Lavater, Johann Caspar; Reich, Philipp Erasmus [Oth.]; Steiner, Heinrich [Oth.]; Weidmanns Erben und Reich [Contr.]; Heinrich Steiner & Comp. [Contr.]
Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe (Band 3) — Leipzig: Weidmann und Reich, 1777 [VD18 9019747X-ddd]

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Des dritten Bandes der physiognomischen Fragmente neunter Abschnitt
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Siebentes Fragment
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p'hps Fragm. IH Versuch.

Zum

^^enn die Rücksicht ist noch zu frühe — der dichterischen Köpfe, die wir vorgeführet haben, sind
noch zu wenig ... So viel Lndeß immer, daß sie, wohl beobachtet und verglichen, den Forscher
und den Leser von zusammenfassendem Blicke, von umspannendem Gefühle — auf gewisse Haupt-
gesichtspunkte leiten, oder voll selbst dahin zu gehen, werden veranlassen können. Ich glaube, nun
noch entscheidender behaupten zu dürfen, daß alles hart Scharfe, angezogne Spitze, alles
Perpendikuläre ein Gesicht — undichterisch macht. Die geraden Linien sind des Ver-
standes, der Kälte —der Harte — Also bleibe jeder in dem Berufe, wie er berufen ist,
und wie Gott einem jeden das Maaß des Glaubens und des Gefühles mitgetheilet hat.
Ist einer zur kalten Ueberlegung und Zergliederung berufen, so affektir' er, such' er, erzwing' er
keine warme Empfindung — Baute und bildete Gott einen aus warmerm und weicherm Stoffe —
er affektire, suche, und erzwinge keine Mannheit und Starke, die er nicht haben kann, und nicht
soll. Jeder Mensch, der außer seinen Kreis herausgeht, wird lächerlich und unglücklich. Nie-
mand wohl lächerlicher, niemand sich selber verderbender — als wer ohne Dichtergeist Dichtem-
erzwingen will. So wenig einer sich eine liegende gebogne Stirn für eine perpendikuläre eintau-
schen kann; so wenig kann ein mathematisches Genie eilt poetisches seyn. Es giebt poetische Ver-
nunft, und poetische Genres. So giebt's mathematische Vernünftler, und mathematische
Genies. Vernunft wird nie Genie. Nicht einmal mathematische Vernünftler — werden
mathematische Genies — wie viel weniger kann je kalte Vernunft poetisches Genie werden? Also
prüfe sich jeder, weß Geistes Kind er sey, was er könne, und können soll? Und so blieb' es dem:
bey dem alten: Poeten werden geboren, nicht gemacht. Geboren — aber doch wie alle
andere Mensihenkinder, mit Schmerzen, und selten ohne Wehmütter. —

M
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