XI. Abschnitt. I. Fragment.
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Erstes Fragment.
Allgemeine Betrachtungen.
viel muß ich gleich anfangs sagen: Ich weiß sehr wenig über die weibliche Halste des Mensch-
liehen Geschlechts zu schreiben; der gemeinste Weltmann muß mehr davon wissen. Ich habe äußerst
selten Anlaß gehabt, weibliche Geschöpfe zu kennen, wo sie gekannt und studiert werden können. Ich
habe sie nie im Schauspiele, nie beym Tanze, nie beym Spiele gesehen. In meinen frühem Jahren
war ich beynahe Weiberstheu — und ich war nie —- verliebt»
Also sollt'ich vielleicht dieß gaW der Physiognomik überschlagen, da ich so
wenig Kenntniß des weiblichen Geschlechtes habe—überschlagen, und es einem Kenner überlassen.
Aber mit dem Ueberlassm solcher Kapitel ist's wieder so eine eigne gefährliche Sache.
Darf ich nicht zweifeln, ob ein anderer, wer er auch seyn möge, dasselbe fo behandeln würde, wie ich's
wünschte? Ob er gerade das sagen würde, was ich, so wenig es seyn mag, zu sagen für wichtig
und nöthig achte? —
Zum Hinsinken erblaß ich oft bey dem mich mehrmals so ernstlich anwinkenden Gedanken:
„Wie unaussprechlich wider meine Absicht das physiognomische Studium in Ansehung des weib-
lichen Geschlechtes gemißbraucht werden könnte!" —
Gewiß, denk' ich oft, geht's der Physiognomik nicht besser, als der Philosophie, Poesie, Arz-
neykunst, und was sonst Wissenschaft und Kunst heißen mag. Halbe Philosophie führt zum
Atheismus; ganze zum Christenthum. So dürst' es der Physiognomik auch gehen!
Doch ich will nicht verzagen. Alles menschliche muß erst halb seyn, eh' es ganz seyn
kann. Wir lernen gehen durch Fallen. Sollten wir, aus Furcht vor dem Fallen, aufs Ge-
hen Verzicht thun? Was ich gewiß weiß, Lst dieß:
Aechter, reiner physiognomischer Sinn in Ansehung des weiblichen Geschlechtes ist die beste
Würze und Stärkung des menschlichen Lebens — und das allerwürksamste Verwah-
rungsmittel vor Erniedrigungen feiner selbst und anderer.
Die beste Würze und Stärkung des menschlichen Lebens.
Was
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Erstes Fragment.
Allgemeine Betrachtungen.
viel muß ich gleich anfangs sagen: Ich weiß sehr wenig über die weibliche Halste des Mensch-
liehen Geschlechts zu schreiben; der gemeinste Weltmann muß mehr davon wissen. Ich habe äußerst
selten Anlaß gehabt, weibliche Geschöpfe zu kennen, wo sie gekannt und studiert werden können. Ich
habe sie nie im Schauspiele, nie beym Tanze, nie beym Spiele gesehen. In meinen frühem Jahren
war ich beynahe Weiberstheu — und ich war nie —- verliebt»
Also sollt'ich vielleicht dieß gaW der Physiognomik überschlagen, da ich so
wenig Kenntniß des weiblichen Geschlechtes habe—überschlagen, und es einem Kenner überlassen.
Aber mit dem Ueberlassm solcher Kapitel ist's wieder so eine eigne gefährliche Sache.
Darf ich nicht zweifeln, ob ein anderer, wer er auch seyn möge, dasselbe fo behandeln würde, wie ich's
wünschte? Ob er gerade das sagen würde, was ich, so wenig es seyn mag, zu sagen für wichtig
und nöthig achte? —
Zum Hinsinken erblaß ich oft bey dem mich mehrmals so ernstlich anwinkenden Gedanken:
„Wie unaussprechlich wider meine Absicht das physiognomische Studium in Ansehung des weib-
lichen Geschlechtes gemißbraucht werden könnte!" —
Gewiß, denk' ich oft, geht's der Physiognomik nicht besser, als der Philosophie, Poesie, Arz-
neykunst, und was sonst Wissenschaft und Kunst heißen mag. Halbe Philosophie führt zum
Atheismus; ganze zum Christenthum. So dürst' es der Physiognomik auch gehen!
Doch ich will nicht verzagen. Alles menschliche muß erst halb seyn, eh' es ganz seyn
kann. Wir lernen gehen durch Fallen. Sollten wir, aus Furcht vor dem Fallen, aufs Ge-
hen Verzicht thun? Was ich gewiß weiß, Lst dieß:
Aechter, reiner physiognomischer Sinn in Ansehung des weiblichen Geschlechtes ist die beste
Würze und Stärkung des menschlichen Lebens — und das allerwürksamste Verwah-
rungsmittel vor Erniedrigungen feiner selbst und anderer.
Die beste Würze und Stärkung des menschlichen Lebens.
Was