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Lavater, Johann Caspar; Reich, Philipp Erasmus [Bearb.]; Steiner, Heinrich [Bearb.]; Weidmanns Erben und Reich [Mitarb.]; Heinrich Steiner & Comp. [Mitarb.]
Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe (Band 3) — Leipzig: Weidmann und Reich, 1777 [VD18 9019747X-ddd]

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Des dritten Bandes der physiognomischen Fragmente achter Abschnitt
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Erstes Fragment
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.. 'S)
Erstes Fragment.
Allgemeine Betrachtungen.
ist Nachahmung der Naturtdne. Was der Mahler sehen muß, muß der Virtuose HL-
reu. Der Mahler muß Sinn haben für Einheit des Moments. Der Musiker für die Succes-
sion. Hier sollte mar: denken, scheiden sich sogleich ihre Wege von einander. Physiognomien, die
bestimmt sind/ Momente zu fipirm — sollten also wesentlich verschiedenen Charakter haben von
denen, die bestimmt sind/ Successionm darzustellen. Die Physiognomie des Mahlers sollte
demnach stehender, die des Musikers fließender seyn. Ob's also sey? Wie darf ich entscheiden,
da ich so wenig Musiker kenne, und gar nicht das mindeste von Musik verstehe? — So viel aber
kann ich sagen. daß was ich bis itzt in Natur und Bild gesehen habe — meine Ahndungen hierüber
zu bestätigen scheint.
Schwebender, unbestimmter, flüßiger, lockerer, wie's die Natur der Empsindungsem-
pfänglichkeit und der Empfindllngsmittheilsamkeit zu erfordern scheint —- sind alle Musiker-Gesich-
ter -- als die der Mahler. Noch Eins. Verzeihet mir, Virtuosen und Tongenies l Ich weiß
nicht, ob es Raphaele in der Musik giebt -- aber das weiß ich, daß ich noch kein Raphaelsge-
sicht von einem Musiker gesehen habe — und darf ichs jagen: Ich zweifle, ob's eins geben könne?
warum? Die Natur des Schwebens — des beständigen Schwebens, das Wesentliche der Musik
läßt nicht die ruhigstätige — stehende Gesichtsform zu, die zur Schöpftrng einer momentanen
Welt nöthig ist. Ich darf auf diesem Felde keinen Schritt weiter thun, weil ich nicht aufm Eise
zu gehen gewohnt bin. Nur noch dieß: Gab' es große Mahler, die zugleich große Tonkünstler
wären — so glaub'ich, sie würden Landschaftsmaler seyn, weil es weniger Anstrengung braucht,
diesen dem Blicke stillhaltenden Moment der Natur nachzuahmen, als irgend einen andern, was
sag' ich einen andern — da es keinen andern, selbst in einem Gesichte nicht einmal giebt.
Ferner — noch ein Wort, das nicht so unsicher ausgesprochen werden darf. Blick des
bloßen Mahlers ist gewiß überhaupt immer ruhiger, fester, durchtreffender, als der irrende, schwe-
bende des Musikers.

Marr
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