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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Porzellanauktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0156

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PORZELLANAUKTIONEN

Im Herbst dieses Jahres sollen zwei große und berühmte Por-
zellansammlungen versteigert werden: in Wien die Sammlung
Karl Mayer (durchj. Glückselig),in Berlin und München durch
Flugo Helbing und Paul Cassirer die Sammlung v. Ostermann,
die früher in Darmstadt und zuletzt in München ansässig war.
Die Sammlung Karl Mayer ist schon 1914 durch einen ausge-
zeichneten Katalog von J osef Folnesics in die keramische Litera-
tur eingeführt worden und bei allen, die sich mit der Kunstge-
schichte des europäischen Porzellans befassen, seit langem als
die beste Spezialsammlung des Altwiener Porzellans bekannt,
die den Wiener Manufakturstil und seine Wandlungen vom
Barock bis zum Klassizismus am übersichtlichsten veranschau-

Periode der 1744 verstaatlichten Fabrik das Hauptmotiv für
die nur dem Wiener Porzellan eigentümliche Gefäßdekoration
geblieben ist. Beispiele dieser Barockmuster in Buntmalerei
geben die Abb. 2ab.
Da die kaiserliche Fabrik sich um die Mitte des 18. Jahrhun-
derts konkurrenzhalber mit ihrem Gefäßdekor eng an Meißen
anschloß und später auch für Einflüsse von Sevres sehr emp-
fänglich war, verkörpert sich in dieser zweiten Periode der
spezifisch wienerische Manufakturstil vor allem in der figür-
lichen Porzellanplastik, namentlich in den Figuren in der Zeit-
tracht, die während der Rokokozeit in großen Mengen unter
der Oberleitung des Bildhauers J. J. Niedermayer, sicherlich

licht. Die erste Hauptgruppe
umfaßt die Geschirre aus der
1718 gegründeten Fabrik Du
Paquiers, die in sehr sach-
kundiger Auswahl zu einer
Zeit zusammengebracht wor-
den sind, als das frühe „Wien
vor der Marke“ bei anderen
Sammlern noch wenig Beach-
tung fand. Am Anfang der
Reihe stehen zwei Inkunabeln
aus den allerersten Jahren der
Fabrik: die voll bezeichnete
Schale oder Kumme von dem
Emailleur Christoph Konrad
Hunger, den Du Paquier sich
aus Meißen geholt hatte, ohne
ihn aber länger als bis 1720 in
Wien halten zu können. Die
Schale ist sehr glänzend und
kostbar mit durchsichtigen
Emailfarben auf reliefierten
Goldplättchen verziert, ein mit
Juwelierarbeiten und Email-
dosen zusammenhängender
Dekor, der viel zu teuer und
diffizil war, um für die gang-
bare Produktion Verwendung
zu finden. Die Sammlung Karl
Mayer besitzt als spätere, bei
Folnesics noch nicht erwähnte
Erwerbung noch ein zweites,
bis jetzt unveröffentlichtes
Stück mit derselbenGoIdemail-
technik und mit drei bunt ge-
malten Bildern der Kaiser
Ferdinand II., Ferdinand III.
und Leopold, offenbar auch
ein Probestück von der Hand
C. K. Hungers (Abb. 1), fraglos
aus Wiener Porzellan. Denn
auf diesem hohen Kaiserbecher
erscheinen zuerst in Porzel-
lanrelief jene spätbarocken
Ornamente, die weiterhin bis
zum Beginn der kaiserlichen


Abb. 1. C. K. HUNGER, PORZELLANBECHER MIT
KAISERBILDERN, WIEN, UM 1718

WIEN, SAMMLUNG KARL MAYER

aber von verschiedenenModel-
leuren geschaffen worden sind.
Die Wiener Figuren der Zeit
von 1744—1780 sind wohl an
keiner anderen Stelle wie in
der Sammlung Karl Mayer in
solcher Zahl und, was wichti-
ger ist, in so erlesen guten
Exemplaren vereinigt. Hier
mag die seltene und schnittig
modellierte Figur der Schlitt-
schuhläuferin als Beispiel ge-
nügen (Abb. 3). Auf den Bild-
hauer Anton Grassi, der als
künstlerischer Leiter vereint
mit dem Direktor Sorgenthal
die Glanzzeit und denWeltruf
der Wiener Fabrik herbei-
führte, deutet bereits die reiz-
voll bewegte Figur der jungen
Mutter mit dem Wickelkind
(Abb. 4), die zugunsten klassi-
zistischer Draperie im Neglige
dargestellt ist. Die klassizisti-
schen Gefäße der Sorgenthal-
periode mit ihrer unendlichen
Mannigfaltigkeit der Orna-
mentik bilden dann mit etwa
200 Tassen, Tellern,Vasen und
anderen Geschirren der Zeit
um 1800 die letzte und um-
fangreichsteGruppederSamm-
lung Karl Mayer.
Die Sammlung Paul v. Oster-
mann hat weitere Grenzen;
sie umfaßt das gesamte euro-
päische Porzellan des 18.Jahr-
hunderts und neben den Ge-
fäßen aller Art, auch großen
Tafelservicen, ist die figürliche
Plastik, namentlich der deut-
schen Manufakturen, ausgie-
big und mit zum Teil hervor-
ragenden Stücken und Raritä-
ten vertreten. Aber die Gefäße
überwiegen doch bei weitem

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