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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 7
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[Notizen und Besprechungen]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0048

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Auch sonst ist die Ausstellung ungewöhnlich gut, was wohl
der Cnergie ihres Direktors Schall zu verdanken ist; cr hat in
einem sogcnannten Mäccnatensaal Wiesbadcncr Privatbesth mit
andern geliehencn Sachen vereinigt, die auf die Courbetzeit in
Deutschland zurückgehen. Der Saal sieht sehr schön schwarz aus
und wirkt nun schon ganz klasstsch — oder doch nur romantisch?
Das Liebste darin war mir trotz allem eine kleine Steinhausen-
Landschaft, und die ist garnicht schwarz.

Was mir sonst bcsonders auffiel: zwei wunderschöne Land-
schaften von Hans Thoma; ein klares Bild von Haueisen, darin
seine Frau auf der Deranda lesend sitzt, indeffen der Beschauer
weit über die Rheinebene hinsieht; ein Eisenbahnbild von Pleuer
zwar mit schmutzigen, doch mit großem Geschmack gestimmten
Tönen und herrlich voll Luft und Bewegung; zwei badcnde
Knaben von Landenberger; eine kleine Pikanterie von Schreuer
mit entzückendem Lichterspiel aber Puppenköpfen; ein Nosenstill-
leben von C. R. Weiß und die fabelhafte Schloßallee von
Iulius Breh. Soll ich Cinigen etwas Kritisches sagen: Adolf
Hildenbrand in Pforzheim, in deffen Entwicklung eine großs
Hoffnung liegen könnte, läßt sich zu sehr von der absonderlichen
Schönheil seiner Gegenstände mitnehmen; er illustriert seine
Märchengesichte mehr, als daß er sie malt; cr müßte viel stiller,
heimlicher und scheuer wcrden, so wie er zuerst war.

Ob die richtige Venus wirklich so unrein war wie die
Malerei bei Corinth; oder ob er mit dem Gegenteil nur einen
Witz machen wollte? Was für ein anderes Stück ist das Frei-
lichtbitdnis seines Antipoden Slevogt. Robert Hoffmanns Kolorit
gcht ausgezcichnet in dem Schwehinger Schloßgarten mit dem
Sonnenlicht durch Baumschatten auf rotcm Sandstein; ob cr
diesen Klang in der „Rheininsel" z. B. nicht gewaltsam auf cine
andere Landschaft überträgt, die mit ihrem Grauschicfer diese
Töne nicht hat? Mit Winterlandschaften blieb er ihm viel
näher; und wir hätten so gerne wieder Nhcinlandschaften, die
wie die Hoffmannschcn die Sache künstlcrisch anfaffen.

Besonders muß wohl gesagt werden, daß für die Plastik
geschickte Hände in dcr Auswahl wie in der Aufstellung tätig
gcwesen 'sind. Es scheint überhaupt, daß wir allmählich eine
bildhauerische Schulung haben, in der die Durchschnittsleistung die
Malerei übertrifft. Und daß sie sich mehr an jüngere Namcn als
berühmte Meister knllpft, ist das besonders Hoffnungsvolle daran.

Jm ganzen kann Wiesbaden auf diese erste größere Lcistung
sehr stolz scin. Aber wer ist Wiesbaden? Sind cs die Bade-
fremden oder die Einwohner und gibt es in solcher Stadt einen
eingewohnten Bürgerstand? Man sagt, zweihundert Millionäre;
vb sie die zahlreichen Ankäufe machten? Herr Direktor Schall
wirds wiffen. Auch, daß er sich mit der Erfahrung trösten muß,
wie Ubcrall nur ein Häufchen treuherziger Cnthusiasten eine solche
Sache stüht. Das wird so lange dauern, wie nach der bequemen
Kunst der siebziger Jahre dic modcrne noch als unbequem emp-
fundcn wird. Möge das sehr lange dauern. S.

^leine Leute in der Kunst.

„Wcr unser Ausstellungswesen verfolgt, kennt diese be-
klagenswertcn Opfer eincr maßlosen unmenschlichen Entwicklung.
Sie füllen die Räume des Kunstvereins, des Glaspalasts und
ungczühltcr ähnlicher Ctablissements. Sie sind ängstlich betrieb-
sam, überempfindlich und fühlen sich bei großcr Schonung fort-
während noch gekränkt- Sie beschweren sich in langen Briefen
bci den Ncdaktionen über die Kritiker, denen sie persönliche
Motive unterschieben, sie ziehen mit Weib und Kind und ihrer
ganzen Gevatterschafl nach den ,Münchener Neucsten Nachrichten^,
wenn das Lob aus dem unversieglich frommen Olkrüglein der
Kunstchronik cinmal etwas spärlicher über sie fließt." So Karl
Schloß im „März", und was er nur fllr München meint, das ist
wohl cine bittre Lehre überall. Wie sagte Hans Thoma doch:
„Was hilft da aller Fleiß und Schweiß und alle Bravheit und
Gerechtigkeit — in der Kunst findet die reine Gnadenwahl statt:
Sünder können erhoben werden, und der Gcrcchte kann in die
Hölle fahren." Cs gibt wirklich in der Kunst schon eine Art von
„Mittelstandsbewegnng". Daß trohdem nicht nur die „Großkapita-
listen des Bildermarktes", sondern auch die „Kleinarbeiter" Luft be-
halten, ist die hcikelste Frage unserer Kunstpflegc, d. h. diejenigen,
die nicht betriebsam und doch so wertvoll in ihrcn Gaben sind, daß
unser Volk ctwas verliert, wenn sie verdroffen, stumpf und lässig
werden, wie es nicht immer nur den Unbegabten passiert. S.

(i^ieben Schwaben

ein Buch zu nennen, das sicben schwabische Dichter in
Crzählungen »orführt, ist ein witziger Einfall für einen schwäbischen
Verleger (Eugen Salzer in Heilbronn). Cs ist nur gut, daß
Cmil Strauß drüben in Pforzheim geboren ist, sonst wärens acht;
aber dann hätte er ihm zuliebe den „Dramatiker" Heinrich
Lilienfein weglaffen könncn mit seiner nicht glllcklichen Historie
von den „letzten Laufachern" und cs wären sieben rechte Schwaben
beieinander gewesenI^Finckh, Flaischlen, Heffc, Schieber, Schusscn,
Supper und eben Strauß. Cs ist nicht zu leugnen, sie haben
schon etwas Gemeinsames, wenn sie von ihrer schwäbischen Welt
erzählen, und sind durchweg Heimatdichter genug, auch draußen ge-
lesen zu werden. Aber ein bißchen aufdringlich ist für uns andere
diese Derlegeridee doch, und daß der Schwabe Karl Bauer mit
Blcistist die Bildniffe der Sieben dazu zeichncte, macht es nicht
angenehmer. Den Schwaben selber aber darf es wohl ein Stolz
sein, daß sie auf einmal so mitzureden haben, sie mögen die ge-
scheitc Cinleitung von Or. Heuß dazu mit Vergnügen lesen und
können das Ganze als eine Art Hausbuch von heimatlicher Her-
kunft gern auf ihren Bücherbrettern haben. Der Preis (2,ö0 Mk.)
ist so, daß der Verleger nicht viel daran verdienen will. S.

<^j>reierlei Rokoko

wird eine Ausstellung des Königlichen Landesgewerbe-
museums zu Stuttgart im September d. I. genannt. Cs sollen
besonders charakteristische kunstgewerbliche Objekte aus der ur-
sprllnglichen Rokokozeit von ca. 1750 — 70, fcrncr aus dcr ersten
naiven Rckapitulation ungefährer Rokokomotive kurz vor der
Mitte dcs I?. Iahrhunderts und schlicßlich aus der sozusagen
wiffenschaftlich vcrtieftcn zweitcn Rekapitulation der achtziger
Jahre dcs lS. Jahrhunderts ausgestellt und miteinandcr ver-
glichen werden, damit das Publikum sich überzeuge, wie ein
historisch gewordener Stil sich weder auf die eine noch die andere
Weise galvanisch wicderbeleben laffe.

KVsauhputz.

^ Aement und Ölfarbe, auch Derblender: das sind die
Mittel, unseren Bauten zu einer wetterbeständigen Oberhaut zu
verhelfen. Aement sieht immer niederträchtig aus und ist nicht
einmal solide; Verblender schwitzen Salpeter aus und sind un-
natürlich in der Farbe; Ölfarbe gibt den Häusern eine Oberfläche
wie Fischhaut, macht sie unmalerisch und tot. Alle Wand-
bekleidungen, die sich nicht aus dem Material ergeben, die nicht
mit der Verwitterung gchen und Patina gewinnen, sind unschön;
es handelt sich darum, daß sie die Verwitterung nicht abwehren
sondcrn ihr standhalten. Das tut Haustein, das tut hart ge-
brannter Aiegel, das tut Rauhpuh:

Ein Gemisch von Mörtel und feinem Kies, das mit der
Kelle an die Wand geworfen wird und unverrieben eine rauhe
Oberfläche gibt von großer Solidität. Sie sieht weich und
freundlich aus im Licht, hat erst eine helle Farbc, die allmählich
dunkelt bis zu einem schönen tiefcn, auch wohl silbrigen Grau.
Sie braucht nicht angestrichen zu wcrden, wie Haustein auch,
steht durch die Natur ihres Materials vorzüglich im Grün der
Natur, zu grauem Schiefer beffer als zu rotcn Iiegeln, aber
auch zu diesen. In den Fenster- und Türhöhlungen glatt ab-
gepuht, überzieht sie das ganze Haus mit einem soliden, schönen
und bllrgerlich billigen Kleid. S.

der Sprache.

„Schreiben ist ein Mißbrauch dcr Sprache, stille für sich lesen
ei» trauriges Surrogat der Rcde". Cs ist nur gut, daß dieses
Scherzwort von Goethe stammt (Dichtung und Wahrheit); man
möchte sonst den schönen Crnst darin verachten. Wie seine Technik
den Maler, so macht die Sprache erst den Dichter: wic er den
Dingen mit scinen Worten zum Leben hilft, indem er dicse Worte
als Sprache selber lebendig macht. Die Sprache abcr ist etwas
Gesprochenes, cine Perlenschnur von Tönen, die durch ein feineres
Geheimnis als das der Melodie verbunden sind. Cin Sah, der
nicht zuvor im Ohr geklungen hat, darf nicht geschrieben werden,
und was nicht wieder im Gehör lcbendig wird, was nur die Augen
nährt, hat mit der Sprache des Dichters nicht mehr zu tun, als
die Geige ohne Spieler mit dcr Musik. Reinhold Treu.

Herausgeber: Wilhelm Schüfer, Verlag der Nheinlande G- m. b. H. Druck A. Bagel, Dllsseldorf. Papier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
Alle für die Nedaktion bestimmtcn Sendungen sind an den Herausgeber W. Schäfer, Vallendar, crbeten.

Fllr unverlangte Manuskripte und Rezensionsepemplare wird keine Verpflichtung übernommen.
 
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