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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 9
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Redslob, Edwin: Die Schatzkammer des Aachener Kaiserdoms
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0106

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zugleich >ft. Dcr Name deS
Nicolaus von Verdun ift
außer mit Arbeiten in Sicg-
burg, Tournai und fern in
Kloster Neuburg bei Wien
vor allem mit dem Schreine
der heiligen drei Könige
im Dom zu Köln ver-
bundcn. An dicser Arbeit
muß auch der Aachener Mei-
ster sich vorgebildet habcn,
ist doch der Karlsschrein sei-
ncr Grundsorm nach dcin
Oberbau des zweigeschossigen
Kölner Kleinodes nachge-
bildet, und lasscn sich doch
in der bald großzügigen,
bald befangenen Liniensüh-
rung seiner Plastik und be-
sondcrs in dcr Feinhcit der
cniaillicrtcn Einzelornamente
zwischen bciden Schrcinen
nahe Beziehungen erkenncn.

Günstigc Gclegenhcit zu
solchen Studien bot die dieS-
jährige Heiligttimssahrt,
während deren die Schätze
vom Direktor des Suermondt-
Museums im geräumigen
Südslügel deö KrcuzgangeS
zur Ausstellung gebracht
wordcn warcn. Wer da
inmitten dcr Vitrinc» dcn
freistchendcn Karlsschrcin und
den sast noch reicher auS-
gestatteten Maricnschrcin sah,
prallte geradezu zurück vor
der reichen Wirkung der me-
tallischen Glanzlichter, die auf
40 Säulenschästen, auf 22
Bogen, aus über lOO kleinen
Emailplättchen verstrcut sind
und auS mehr als 400
Edelsteinen ausleuchten. So
viel kunstvollen Reichtum zu
erfassc», erschcint dcm Be-
schauer sast unmöglich: in
das Betrachten irgend einer
der 17 Kaisergestalten ver-
senkt, entdcckt cr plötzlich dcn
bunten stierat der Säulen,
daö zarte, mit kleincn Kü-
gelchen verzierte Gerank der
Filigrane, zwischen dcncn die
mugelig geschliffenen Edel-
steine erglänzen; oder der
Blick schweist wcitcr und hat
im unscheinbarcn Iierat einer
Filigranplatte Medaillons mit
seinumrissenen Profilköpfe»,
Spiralen phantastisch gewun-



_ ^..




Abb. t. Schmalseite des Kailsschleines. Karl der Große
zwlschen Papst Leo und Bischof Turpin.

Abb. 4. Detail voin Marrenschrein mit Bildnis Karls des
Großen. Crste Hcilfte des lZ. Iahrhunderts.

dener Tiergebilde entdeckt;
endlich sind die erzählenden
Reliesö aus dem Leben des
Kaisers zu deuten: die Be-
stürnmng Pampilons, die
Schar der todgeweihten
Ritter, deren Lanzen frische
Blüten getrieben habcn, daö
Gcschenk von Partikcln der
Dornenkrone, die zu blühen
beginnen und frel in der
Luft schweben.

Auch dic historischen Gc-
schicke des Schreines sind
zu bedenken: die Erhebung
der Gebeine im Jahre 1165,
die mühevolle, aus Kostcn
der Bürger und der Geist-
lichkcit unternommene Arbcit
dcr nächstcn Jahre, ivährcnd
dcrcn Stück sür Stück der
Mctallplattcn gcserligt und
am Schrein angebracht ivur-
de, und schließlich am voll-
cndeten Werk der Vollzug
des letzten Hammerschlages
im Zahre 1215 durch die
cbenbürtige Herrschergestalt
Friedrichö II- von Hohen-
staufen; dann die Schicksale
in neuestcr Zeit wähxend der
Stürme der sranzösischen
Rcvolution: die Flucht nach
Osnabrück mit dem in einem
Wagen voll Mist verstcckten
Kleinod, dann die dreimalige
im Jnteresse der Kunstge-
schichte vollzogene Offnung
und der Fund unendlich wcrt-
vollcr, prächtiger Seidenge-
webe mit byzantinisch starren
Mustern: es ist viel zu
sinnen über die Geschichte
unsereö Volkes und über den
ungeheuren Herrscherwillen
seines ersten Kaisers, dessen
Gestalt aus der Schmal-
seite deS Schreineö zwischen
dem Papste Leo und dem
Bischof Turpin in feierlicher
Ruhe thront, das Aachener
Münster aus der rechten
Hand haltend.

Am Marienschrein
(Abb. 4) sieht man eine
Wciterbildung der gcgebenen
Form durch Einsügung eineö
Querschiffes erreicht, in desscn
breiter Umrahmung die Mut-
ter Gottes erscheint. Die
Formen deö Zierats sind
 
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