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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Clément, Frantz: Luxemburg und die Luxemburger
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0154

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Luxemburg und die Luxemburger.

Osling verftecktc» sich die ärinlichen Dörfer IN verhauen
auösehenden schmalen Tälcrn oder lagen verlassen aus
den Höhen; sie sahen trüumcnd auö, wie wenn sie sür
den Schnee geschafsen wären, und einige weiße Giebel
ragten wie Leichensteine aus Bergkirchhöfen. Das dunkle
Osling gewinnt erft Glanz bei zwei Beleuchtungen: im
prallen Licht der besten Sommersonne und im Schnee-
kleid; im Vorfrühling und im Herbst versagt es an
den meisten Stellen. Ganz anders wird die Landschast
im Merschertal, weiter nach Luxemburg hin. Der
herrschende Ton ift das Wiesengrün und die Farbigkeit
der Acker; die Dörser liegen an weißen Straßen und
haben nicht immer schöne, aber selbftbewußt aussehende
Häuser. Und wenn die Höhen hier sprechen und singen
könnten, würde man einen sanften Tenor vernehmen,
dcr behäbig anfteigt und ruhig verklingt; die schwarzen
Dslinger Herren gäben einen bald sriedlichen, bald
strengen Baß. Das ift der eine Zugang.

Von Koblenz her fährt man aus Trier zu. Gleich
nach Trier, mit dem unsere erften Grasen in alten
Tagen beftändig zu kämpsen hatten, tritt man bei uns
ein und muß über die Mosel fahren. Die Mosel gilt
als deutscher Strom; für die Luxemburger ist sie nicht
einmal ein Grcnzftrom, sondern gilt als rein luxem-
burgisch. Das ist um so kurioser, als wir jenseits der
Mosel seit langem nichtö mehr zu suchen haben und
niemalS drüben viel besaßen. Denn im übrigen waren
wir reiche Herren in alten Tagen, und alle Nachbarn
haben uns so beraubt, daß nicht wir dran schuld sind,
wenn es bei unS klein und enge hergeht. Die Mosel
gibt einem schönen und rcichen Teile deS Luxemburger
LandeS seinen AuSdruck und seine Schönheit; wir haben
für unö das bessere linke User, dessen Hügel von der
Sonne üppig umspielt wcrden. Der Tropsen, der hier
wächst, kann sich mit dem feinen Untermoseler und
dem in der Dustskala viel reicheren Rheinwein nicht
messen, aber der luxemburgische Obermoseler Wein hat
jene herbe, kräftige Art, die ihn für den bürgerlichen
Tisch und sür die bescheidene aber ausgiebige Zecherei
so geeignet macht. Jft es reiner Patriotismus oder
gute Meinung — eS gibt kaum einen luxemburgischen
Arzt, der dem einheimischen „Grächen" nicht mystische
medizinische Eigenschaften zuschreibt. So trinken wir
ihn selbst zum größten Teil, befinden uns dabei vor-
züglich und zum FrühjahrS- oder Sommerprogramm
des Luxemburgers gehört ein Ausflug an die grüne
Mosel, der abends mit einer gemütlichen Trinkerei endet.
Wie an allen Flüssen gibt es auch hier GafthauS-
terraffen, dic an den Sommerabenden vom Nebel um-
sponnen sind, der aus dem Tale aussteigt. Dann
streift der Mondschein über das ruhige Wasser, die
preußischen Rcbhügel verdämmern und man emp-
findet eine ungeahnte Weite im Genießen. Drüben am
andern Ufer rattert ab und zu ein Kohlenzug vorbei,
dessen Lokomotive eincn fremden Rhythnms in die
glucksendcn Geräusche der Wellen, die an den Brücken-
pfeilern sanft ausschäumen, bringt.

Die Moselgegend ist altes Kulturland. Und schon
damals, als der saustfrohe Normanne aus dem Flusse
bis Metz auszufteigen versuchte, war Remich eine Stadt.
Alteste autochthone luxemburgische Kultur ist aber nicht

an der Mosel, sondern an der unteren Sauer zu Hause,
nahe an der Gegend, wo einst die tellurischen Kräfte
der Urzeit mit Felsen gespielt, die sich ineinander ver-
klammt haben, heimliche Gänge, dunkle Winkel bilden,
zwischen denen ganz klares Wasser schwarz aussieht,
und das hellfte Grün gegen Abend finster und ge-
spenftisch an den Asten hängt. Die nächste Umgegend
von Echternach, das Müllertal und die Dörfer am
Flusse sind im Einklang der ruhigste und gleichzeitig
wechselvollfte und abenteuerlichste Fleck des Landes.
In Echternach ftand eine alte Abtei und eine von
den vielen, in denen Benediktiner Schule hielten und
die allmählich freigewordenen Kräste der an der Scholle
haftenden Landbewohner organisierten. Man mag über
den kulturellen Einsluß der Echternacher Mönche auch
noch keinen genauen Aufschluß haben: zwei verschiedene
Tatsachen geben unö über daö Ganze ihrer Art und
ihrer Tätigkeit symbolisch gewonnenen Einblick. Die
eine ist die Echternacher Springprozession, ein letzter
interessanter mittelalterlicher Wahn, der in seinem zähen
Bestehen beweist, wie die religiöse Atmosphäre dieser
Gegend unabänderlich bestimmt wurde durch eine Art,
die unbekannten Kräfte zu beschwören, dic zwischen
germanischem Heidentum und bedingungslosem aber-
gläubischem Heroen- und Heiligenkult die Mitte hält.
Und in den erften Mönchsklöftern unseres Erdstriches
war diese Mischung stark und konkret vollzogen worden.
Die zweite Tatsache ist die, daß die Gegend um Echter-
nach hierzulande allein bauliche Kultur hat. Schon
Norbert Jacques hat in einem temperamentvoll wer-
tenden Aussatz über Luxemburg in der „Neuen Rund-
schau" auf dieses Charaktcristikum hingewiesen. Wenn
man echt und geschmackvoll bauen lernte, so war daö
ein Ausfluß höheren Lebens und allgemeiner Be-
friedigung; die Baukultur entfteht an der allmählich
verinnerlichtcn Freude an der Seßhaftigkeit. Die zahl-
reichen guten und schönen Gebäude, die man in diesem
Teil deö Landes sieht, verkünden mit ihren Giebeln
und Dächern, daß es nicht so übel war, unter dem
klösterlichen Krummstab zu wohnen.

Noch einen dritten Weg gibtö von Deutschland
nach Luxemburg; der entsprechende Schienenstrang geht
über Metz. Auch hier wird das Auge durch die fein-
gegliederte lothringische Hügellandschast, die so ein-
dringlich in den letzten Büchern des französischen Lothrin-
gers Maurice Barrös auflebt, vorbereitet. Von Norden
her erscheinen wir als arme Kämpfer, die ihres bösen
Bodens nie recht froh werden können; von Osten her
präsentieren wir uns schon angenehmer, alS Leute, die
in breiten, gemächlich gepflcgtcn und schön, felsig aus-
mündenden Tälern wohnen; von Süden, von Lothringen
her lernt man die wirklichen Reichtümer des besten
Teiles unseres Vaterlandes kennen, unser Eisenerz, unsere
Jndustrie. Die Hochösen stehen in ihren Panzern an
den immer wieder sich verzweigenden Bahnen, das
Klopfen der Ventilatoren und Motore drückt sich als
Herzschlag der fieberhast arbeitenden Gegend ins Hirn.
Die Erzdörser, unter denen schon einige sich Städte
nennen dürfen, gliedern sich in ihrer schreienden Häß-
lichkeit und in ihrer unappetitlichen Ungewaschenheit und
Unfertigkeit an die durchwühlten Erzäcker und an die

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