Sheraton-Stuhl (um 1800).
Chippendale-Stuhl (um 1780).
Quecn Anne-Stuhl (um 1700).
Faltstühle, oft mit elngelegter Arbeit, die im 15. Jahr-
hundert m Jtalicn wieder erstheincn. Der säbelbeinige
Lehnstuhl wird nach deutschen Exemplaren deö 17. Jahr-
hundertö hcute gern nachgcbildet. Aber die herrschcnde
nnd dic fruchtbarste Form wird der cinfache vierbcinige
Stuhl mit Armlehnen und hoher Rücklehne. Die Höhe
der Rücklehne macht es häufig erwünscht, zwischen
ihrem Obcrtcil und dem Sitz cine Ofsnung zu laffen,
sodaß sich nur der eigentliche Rückcn über dcm Kreuz
anlchnt. Die Stühle haben dadurch etwaö Feierlicheö
und sind im Grunde sehr schematisch, aber ernst sind
sie wie nur irgend ein Renaiffancegedanke. Sitz und
Rücklehne sind gcpolstcrt, viclleicht auch die Oberslächen
der Armlehncn. Für Schnitzerei ist nicht viel Platz,
und so hat sich dcr Schmucksinn an den Stoffen der
Polsterung Genüge getan.
Jn der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde
dieser gewöhnliche Armlehnstuhl in Jialien und Deutsch-
land gleicherweise beliebt. Die Rokoko-Lehnseffel haben
sich unmittelbar aus ihm entwickelt, indem sie die geraden
Formen in geschwungene wandeln. Ende dcö 18. Iahr-
hundertö trilt die ovalc Lehne in Frankreich hcrvor, die
dem Stilempfinden der Zeit mchr zusagt. Jm Norden,
in Holland, England, Berlin und anderwärtö findet
man auch die in Osenform geschwungenen Lehncn oder
die herzförmigen, in dencn die geschnitztcn Hölzer wiedcr
ihre Verwendung finden können, indcm sie inr Rahmen
diescr Lehnen vertikal herunterlaufcn.
Neben dcn holländischen und cnglischen Rücklehn-
stühlen mit vcrtikal geordnetem Holzornament in durch-
brochencr Arbcit, untcr dcncn besonders die Stühle des
großen Chippendale mit ihren fein gesetzten Füßen und
den zierlichen Lehncn hcrvorragen, wird in diesem deko-
rativ so regsamen ausgehenden 18. Jahrhundert, dcm
Zeitalter deö Gcnuffcö, die Auönutzung dcr Polster-
bequemlichkeit von Bedeutung. Gobelinpolster gehcn
über den ganzcn Stuhl, der eine bequem nach hinten
geschweiste Rücklehne erhält. Oder die Lehnstühle
werden in besonders behaglicher Breite gearbeitet, die
Rücklehne wird gern recht niedrig gemacht, um allen
abschreckenden scierlichen Ernst zu vermciden, die Formen
deö Halbsosas bildcn sich auö, die die Bequemlichkeit
der Polsterbänke mit der Jsoliertheit des Stuhleö ver-
binden. Der Stuhl der graziösen Kauserie wird ritt-
lingö besessen und hat eine Vorderlehne zum Ausstützen
der Arme. Sosachenö üo» ü äos und in allen sonstigen
Kombinationen galantcr Paare, die ein Kreuzseuer der
Unterhaltung licbcn, alle Formcn deS Flirt, die in der
Ruhe des Sitzcnö kokcttc Kombinationen der Gruppe
wünschen, gcbcn dem Rokokostuhl Gestalt. Die ge-
schwungenen Linicn beruhigen sich wieder im Empire,
daö seinc schlanken gcraden Motive um die gleichen
Polster herumbaut. Alle diese Sesscl und Sofas
strahlen in eleganten Farben, in wertvollen Stoffen,
Und mit den Stoffen werde» gern die Hölzer und
Metalle in koloristischen Einklang gebracht: Silber mit
gelber Seide, Mahagoni mit grünem Gobelin.
Der Ubcrgang zur modernen Zeit geschiebt in Eng-
land. Die Musterbüchcr der Chippendale, Sheraton,
Hepplewhite haben zum Teil noch dcn stark gepolsterten
französischcn Stuhl — ki-snob olimr ist der Gattungs-
begriff dafür. Aber sie wandeln ihn schon nach dem
Bedars deö englischen Bürgerö um, entweder indem sie
seine Polstcrung vollständig durchsühren, ihn bequem
und ticfsitzig machen und zu dem modernen Klubstuhl
übcrsühren, oder indem sie im Gegenteil seine Polsterung
erleichtern (mit herausnehmbarcm Sitzpolster) und die
Holzkonstruktion in aller offcnen Schönheit durcharbeiten.
Der Stuhl erfreut sich eincr noch nicht dagewesenen
Beliebtheit alö Möbelstück. Er wird der eigentliche
Prüfstein der keimenden bürgerlichen Kultur, und in so
unendlich reichen Variationen auögebildet, daß ein Stil-
schema nur noch ganz allgemein vorhanden ist. Die
Garnitur zu sechs bis zwöls gewöhnlichen Stühlen mit
zwei Armlehnstühlcn sorgt sür die immer noch ge-
wünschte Uniformität. Daö Gerüst deö Stuhleö wird
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Chippendale-Stuhl (um 1780).
Quecn Anne-Stuhl (um 1700).
Faltstühle, oft mit elngelegter Arbeit, die im 15. Jahr-
hundert m Jtalicn wieder erstheincn. Der säbelbeinige
Lehnstuhl wird nach deutschen Exemplaren deö 17. Jahr-
hundertö hcute gern nachgcbildet. Aber die herrschcnde
nnd dic fruchtbarste Form wird der cinfache vierbcinige
Stuhl mit Armlehnen und hoher Rücklehne. Die Höhe
der Rücklehne macht es häufig erwünscht, zwischen
ihrem Obcrtcil und dem Sitz cine Ofsnung zu laffen,
sodaß sich nur der eigentliche Rückcn über dcm Kreuz
anlchnt. Die Stühle haben dadurch etwaö Feierlicheö
und sind im Grunde sehr schematisch, aber ernst sind
sie wie nur irgend ein Renaiffancegedanke. Sitz und
Rücklehne sind gcpolstcrt, viclleicht auch die Oberslächen
der Armlehncn. Für Schnitzerei ist nicht viel Platz,
und so hat sich dcr Schmucksinn an den Stoffen der
Polsterung Genüge getan.
Jn der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde
dieser gewöhnliche Armlehnstuhl in Jialien und Deutsch-
land gleicherweise beliebt. Die Rokoko-Lehnseffel haben
sich unmittelbar aus ihm entwickelt, indem sie die geraden
Formen in geschwungene wandeln. Ende dcö 18. Iahr-
hundertö trilt die ovalc Lehne in Frankreich hcrvor, die
dem Stilempfinden der Zeit mchr zusagt. Jm Norden,
in Holland, England, Berlin und anderwärtö findet
man auch die in Osenform geschwungenen Lehncn oder
die herzförmigen, in dencn die geschnitztcn Hölzer wiedcr
ihre Verwendung finden können, indcm sie inr Rahmen
diescr Lehnen vertikal herunterlaufcn.
Neben dcn holländischen und cnglischen Rücklehn-
stühlen mit vcrtikal geordnetem Holzornament in durch-
brochencr Arbcit, untcr dcncn besonders die Stühle des
großen Chippendale mit ihren fein gesetzten Füßen und
den zierlichen Lehncn hcrvorragen, wird in diesem deko-
rativ so regsamen ausgehenden 18. Jahrhundert, dcm
Zeitalter deö Gcnuffcö, die Auönutzung dcr Polster-
bequemlichkeit von Bedeutung. Gobelinpolster gehcn
über den ganzcn Stuhl, der eine bequem nach hinten
geschweiste Rücklehne erhält. Oder die Lehnstühle
werden in besonders behaglicher Breite gearbeitet, die
Rücklehne wird gern recht niedrig gemacht, um allen
abschreckenden scierlichen Ernst zu vermciden, die Formen
deö Halbsosas bildcn sich auö, die die Bequemlichkeit
der Polsterbänke mit der Jsoliertheit des Stuhleö ver-
binden. Der Stuhl der graziösen Kauserie wird ritt-
lingö besessen und hat eine Vorderlehne zum Ausstützen
der Arme. Sosachenö üo» ü äos und in allen sonstigen
Kombinationen galantcr Paare, die ein Kreuzseuer der
Unterhaltung licbcn, alle Formcn deS Flirt, die in der
Ruhe des Sitzcnö kokcttc Kombinationen der Gruppe
wünschen, gcbcn dem Rokokostuhl Gestalt. Die ge-
schwungenen Linicn beruhigen sich wieder im Empire,
daö seinc schlanken gcraden Motive um die gleichen
Polster herumbaut. Alle diese Sesscl und Sofas
strahlen in eleganten Farben, in wertvollen Stoffen,
Und mit den Stoffen werde» gern die Hölzer und
Metalle in koloristischen Einklang gebracht: Silber mit
gelber Seide, Mahagoni mit grünem Gobelin.
Der Ubcrgang zur modernen Zeit geschiebt in Eng-
land. Die Musterbüchcr der Chippendale, Sheraton,
Hepplewhite haben zum Teil noch dcn stark gepolsterten
französischcn Stuhl — ki-snob olimr ist der Gattungs-
begriff dafür. Aber sie wandeln ihn schon nach dem
Bedars deö englischen Bürgerö um, entweder indem sie
seine Polstcrung vollständig durchsühren, ihn bequem
und ticfsitzig machen und zu dem modernen Klubstuhl
übcrsühren, oder indem sie im Gegenteil seine Polsterung
erleichtern (mit herausnehmbarcm Sitzpolster) und die
Holzkonstruktion in aller offcnen Schönheit durcharbeiten.
Der Stuhl erfreut sich eincr noch nicht dagewesenen
Beliebtheit alö Möbelstück. Er wird der eigentliche
Prüfstein der keimenden bürgerlichen Kultur, und in so
unendlich reichen Variationen auögebildet, daß ein Stil-
schema nur noch ganz allgemein vorhanden ist. Die
Garnitur zu sechs bis zwöls gewöhnlichen Stühlen mit
zwei Armlehnstühlcn sorgt sür die immer noch ge-
wünschte Uniformität. Daö Gerüst deö Stuhleö wird
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