Bicdermeier - Stuhl.
Französischer Empire-Stuhl (um 1800).
Biedermeier - Stuhl.
mit ciner Konsequcnz herauSgcstcllt, die den Beginn
deS modernen funktionelleren Empfindens bezeichnet.
Die Schnitz- und Durchbruchspiele der Lehnenfüllung
gebcn dafür der Phantasie, waS sie verlangt. Ein
Schimmcr von Fürstlichkeit ruht noch auf dicscm Rcich-
tum, im übrigen spricht der Bürger, rcdet dcn Möbeln
in die Seele. Nicht anderö das Sofa. Zum Teil setzt
es sich aus dcr Multiplikation solcher Stühle, dic dic
Rücklehne aufzuzählcn scheint, zusammcn, zum Teil
reduzicrt es die graziösen gepolstertcn Mehrsitzer des
sranzösischen Rokoko aus scine wescntlichen Formen. Ein
solchcs Sofa, Ahne aller modernen bürgcrlichcn, von
dcr Hand Hcpplewhitcs, steht im Drawingroom der
Malcr Shannon und Rickctts in Landon.
Jetzt war der Wcndepunkt da. Jndem man in dcr
natürlichen Rückentwicklung dcö Empire zur Antikc mit
dem Griechentum deö Stuhles liebäugelte, hatte man
zugleich einen letztcn Anreiz zum gebundenen Stil und
eincn »cuen Antricb zur schlichten Konstruktivität. Daö
bürgcrliche Empire bringt, am schönsten viclleicht in
Hamburg, cinen wunderbar schlichtcn und gutherzigcn
Stuhl hcrvor, der untcr der Erziehung rustikaler Ein-
sachheit, aber noch in dcr llberlicserung der guten und
kultivierten Proportion dem »ordischen Bürgcr eincn
ehrlichen und wohlwollendcn Ruhesitz gab.
Wcr die unsörmlichcn süddeutschcn und tiroler
Schnitzcreien licbte, ließ sich für das Wartezimmer
Sessel baucn, ohne Polfter, mit achteckigem Sitz aus
langen Fußbrettern, in die Volutcn und MaSkcn ge-
schnitzt waren, und mit kleinen Lehnen, die cin von
Ranken umgebcncö Wappen zeigten. Oder man machte
die Füße in gespreizten gerieselten Pfosten und gcstaltete
die Rücklehne als Maske mit Voluten, dercn Mund
auch offcn bleibcn konnte. Für das Eßzimmer nahm
man dcn Armlchnstuhl deS 17. Jahrhundertö, mit ge-
preßtem Lcderüberzug, der durch ornamentalc Nägel
gchalten ist, und dann genügte eine Schnitzerei in den
Stegen, die die vierkanligen Füße verbandcn oder über
dem gepolsterten Teil der Rücklehne angebracht waren.
Für dcn Salon konstruierte man Fauteuils in diesem
Muster mit gcstreister Seidenpolstcrung und üppiger
Blatt- und Rankcnschnitzerci, dic auch vergoldet wcrden
konnte, Puttenhcrmen alö Füße, zwischen denen ein
Steg alö durchbrochcnes Rankenornamcnt mit Wappcn
läuft. Jm Herrcnzimmer konntc man dic kastenartigen
geschnitzten Lehnstühle verwendcn, wie sie Tirol neben
den schmalen Stühlen ohne Armlehnen hcrvorbrachte:
die Rücklehne wird durch zwci Stege gebildet, mit
Voluten um eine Tafcl laufend, und dieselbe Kartusche
ist alö Steg zwischen den Füßen verwendct. Als
Schrei'bstuhl empfahl sich der sägebockartig aufgebaute
Armsessel, cine Maske am KrcuzungSpunkt, Maskcn
und Tierköpfe an dcn Enden der Rückpfosten und
Armlehnen ä. Ia Renaissance. Odcr man nahm dcn
mit dcr Spitze nach vor» oricnticrten vierbcinigen Stuhl,
sodaß die Füße dcs Schrel'benden bcquem nach hintcn
geschlagen werden köimen, dann licf als Rücklehne nach
itall'eni'schem Muster um zwci Scitcn cin HalbkrciS,
durch Doppclvolutenstege gestützt und mit eincm Engels-
kopf in der Mitte gezicrt. Jn den Prachtsalons sandcn
sich die barocken Sessel wieder ein, mit kostbarcr
Polsterung und den gcschwungenen Füßen und ge-
schwungenen Armlehncn in schwcrer Schnitzarbei't. Für
die Boudoirs blieben die Rokokostühle nn't dcn graziösen
Bcincn, zwischcn denen cnic Kombination zwcier sich
krcuzcnder Stäbe angebracht war, und den bliimen-
rei'chen Polsterstoffen, odcr die ciiisachcren Empire-
sauteuilö mit dcn zugespitztcn Füßcu und dcn ovalen
Rücklehnen ncbcn den maiinigfachen Artcn von Halb-
sofaö und lehnloscn Polsterstühlcn. Das Strohgeflechr,
vom Rokoko crlaubt, konnte die Polsterung ersetzen.
Scine Muster erinnerten gern an Gittermotive sranzösi-
schen Geschmacks. Ein Surrogat, deffcn ehrwürdigeö
Altcr jeine Billigkcit zu eiitschuldigcn vermochte.
Der Künstler nimmt sich deö Stuhlcs an. Er
erhebt ihn aus dem dunklen Reiche naiver Gcsetze oder
4ll
Französischer Empire-Stuhl (um 1800).
Biedermeier - Stuhl.
mit ciner Konsequcnz herauSgcstcllt, die den Beginn
deS modernen funktionelleren Empfindens bezeichnet.
Die Schnitz- und Durchbruchspiele der Lehnenfüllung
gebcn dafür der Phantasie, waS sie verlangt. Ein
Schimmcr von Fürstlichkeit ruht noch auf dicscm Rcich-
tum, im übrigen spricht der Bürger, rcdet dcn Möbeln
in die Seele. Nicht anderö das Sofa. Zum Teil setzt
es sich aus dcr Multiplikation solcher Stühle, dic dic
Rücklehne aufzuzählcn scheint, zusammcn, zum Teil
reduzicrt es die graziösen gepolstertcn Mehrsitzer des
sranzösischen Rokoko aus scine wescntlichen Formen. Ein
solchcs Sofa, Ahne aller modernen bürgcrlichcn, von
dcr Hand Hcpplewhitcs, steht im Drawingroom der
Malcr Shannon und Rickctts in Landon.
Jetzt war der Wcndepunkt da. Jndem man in dcr
natürlichen Rückentwicklung dcö Empire zur Antikc mit
dem Griechentum deö Stuhles liebäugelte, hatte man
zugleich einen letztcn Anreiz zum gebundenen Stil und
eincn »cuen Antricb zur schlichten Konstruktivität. Daö
bürgcrliche Empire bringt, am schönsten viclleicht in
Hamburg, cinen wunderbar schlichtcn und gutherzigcn
Stuhl hcrvor, der untcr der Erziehung rustikaler Ein-
sachheit, aber noch in dcr llberlicserung der guten und
kultivierten Proportion dem »ordischen Bürgcr eincn
ehrlichen und wohlwollendcn Ruhesitz gab.
Wcr die unsörmlichcn süddeutschcn und tiroler
Schnitzcreien licbte, ließ sich für das Wartezimmer
Sessel baucn, ohne Polfter, mit achteckigem Sitz aus
langen Fußbrettern, in die Volutcn und MaSkcn ge-
schnitzt waren, und mit kleinen Lehnen, die cin von
Ranken umgebcncö Wappen zeigten. Oder man machte
die Füße in gespreizten gerieselten Pfosten und gcstaltete
die Rücklehne als Maske mit Voluten, dercn Mund
auch offcn bleibcn konnte. Für das Eßzimmer nahm
man dcn Armlchnstuhl deS 17. Jahrhundertö, mit ge-
preßtem Lcderüberzug, der durch ornamentalc Nägel
gchalten ist, und dann genügte eine Schnitzerei in den
Stegen, die die vierkanligen Füße verbandcn oder über
dem gepolsterten Teil der Rücklehne angebracht waren.
Für dcn Salon konstruierte man Fauteuils in diesem
Muster mit gcstreister Seidenpolstcrung und üppiger
Blatt- und Rankcnschnitzerci, dic auch vergoldet wcrden
konnte, Puttenhcrmen alö Füße, zwischen denen ein
Steg alö durchbrochcnes Rankenornamcnt mit Wappcn
läuft. Jm Herrcnzimmer konntc man dic kastenartigen
geschnitzten Lehnstühle verwendcn, wie sie Tirol neben
den schmalen Stühlen ohne Armlehnen hcrvorbrachte:
die Rücklehne wird durch zwci Stege gebildet, mit
Voluten um eine Tafcl laufend, und dieselbe Kartusche
ist alö Steg zwischen den Füßen verwendct. Als
Schrei'bstuhl empfahl sich der sägebockartig aufgebaute
Armsessel, cine Maske am KrcuzungSpunkt, Maskcn
und Tierköpfe an dcn Enden der Rückpfosten und
Armlehnen ä. Ia Renaissance. Odcr man nahm dcn
mit dcr Spitze nach vor» oricnticrten vierbcinigen Stuhl,
sodaß die Füße dcs Schrel'benden bcquem nach hintcn
geschlagen werden köimen, dann licf als Rücklehne nach
itall'eni'schem Muster um zwci Scitcn cin HalbkrciS,
durch Doppclvolutenstege gestützt und mit eincm Engels-
kopf in der Mitte gezicrt. Jn den Prachtsalons sandcn
sich die barocken Sessel wieder ein, mit kostbarcr
Polsterung und den gcschwungenen Füßen und ge-
schwungenen Armlehncn in schwcrer Schnitzarbei't. Für
die Boudoirs blieben die Rokokostühle nn't dcn graziösen
Bcincn, zwischcn denen cnic Kombination zwcier sich
krcuzcnder Stäbe angebracht war, und den bliimen-
rei'chen Polsterstoffen, odcr die ciiisachcren Empire-
sauteuilö mit dcn zugespitztcn Füßcu und dcn ovalen
Rücklehnen ncbcn den maiinigfachen Artcn von Halb-
sofaö und lehnloscn Polsterstühlcn. Das Strohgeflechr,
vom Rokoko crlaubt, konnte die Polsterung ersetzen.
Scine Muster erinnerten gern an Gittermotive sranzösi-
schen Geschmacks. Ein Surrogat, deffcn ehrwürdigeö
Altcr jeine Billigkcit zu eiitschuldigcn vermochte.
Der Künstler nimmt sich deö Stuhlcs an. Er
erhebt ihn aus dem dunklen Reiche naiver Gcsetze oder
4ll