Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Blaß, Curt: Das Märchen von Käthen im Winde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0225

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DaL Märchcn von Käthen im Windc.

Die schöne Königsbmut aber blieb auch fürderhin ein
herbes Schätzchen, ob sie der König schon mit Glanz
und Reichtum noch so sehr überschüttete. Er ver-
wunderte sich sehr über sie, wurde ihr aber sast noch
mehr zugetan. Deshalb begann er in Käthen zu dringen,
daß sie einem Hochzeitstage zustimme. Sie ließ ihn
lange bittcn; endlich wählte sie einen, der wcit hinaus-
lag. Doch auch der kam heran. Da licß der König
ein großes Fest bereiten, wie es die Stadt noch nie
gesehn. Er sclbst und Käthe kainen vom Schloffe zum
Dom geschritten, prächtig gekleidet; Teppiche und Blumen
lagen vor ihre Füße gebrcitet, seidcne Fahncn hingen
aus den Fenstcrn und allcs Volk jubelte ihnen zu.
Denn, hatlen auch die Weibcr zuerst neidisch gclästert
und die Männer böse die Achseln gezuckt, so war doch
die Käthe im Winde so über alle Maßen schön, daß alle
Menschen sie lieben mußten. Wie das Paar nun
dahmschritt zwischen den Häusern, kam auch der Wind,
erst leise liebkosend, daß Käthes Haar ein wenig bewegt
wurde, und alle Fahnen sich bauschten und bäumten.
Aber wie sie in den Dom tratcn, da schwoll der Wind
an, und wie die Orgel klang, ertoste er mit noch viel
stärkerem Gesang, und stürmte rasend wider die hohen
Fenster und spitzen Türme und Pfeiler. Und der Wind
ward so ungebärdig, daß die seidenen Fahnentücher zer-
rissen und zerschlissen und die Dachziegel auf die Teppiche
und Blumen hinabstürzten. Als aber der Pricster
drinnen vorm Altar das Königspaar zusammentat und
die Braut fragte, ob sie dicseö ManncS Wcib sein wolle,
da klirrten bunte Glasstücklein, in Blei gefaßt, vor ihre
Füße, und der Wind hauchte mit langem Atem durch
das zerbrochene Fenster und entführte ihr die zögernde
Antwort von bleichen Lippcn, daß sie ungehört zwischen
den Säulen entschwebte. Niemand wußte, wie sie ge-
lautet. Dann ward der Wind zahm und trug vielen
feinen, grauen Nebelregen herbei; unter dein schritt die
junge Königin zu ihrem Schlosse hinauf, und Schleier
und Haar wurden feucht und schwer und senkten ihr
Haupt liefer, alö es die zierliche kleine Krone vermochte.

Als das Hochzeitsfest aus war, nahm der König
Windkäthen m Arm und sagte: „Bist du nun am Ziel
deiner Wünsche, Frau Königin?"

Die aber schüttelte den Kopf und sagte: „Jch weiß
noch garnicht, was ich mir wünschen soll."

Der König wunderte sich, aber er sprach: „NichtS
brauchst du mehr zn wünschen, denn alles, was ich
habe, gehört nun dir, mein Weib."

Die Königin schüttelte abermals den Kopf: „Jch
bin niemandeS Weib."

„Käthe, waS redest du! Bist du mir jetzt nicht
angetraut?"

„Ja, Königin bin ich nun."

Und sie blieb dabei: Königin, aber niemandeö Weib. —

Der König merkte wohl, daß seine Schranzen an-
fingen, insgchcim über ihn zu lächeln. Aber er war
ein Mann und liebte Kälhcn in sciner Seelc; er wartete
eine Ieit und meinte, sie müsse vertrauter werden.
Doch dann, als mit wachscndem Mond scin Begehren
voll und stark gcworden und zu ihr hinüberstrahlte
mit einem knisterndcn weißen Licht, drang er heftig in
sie und ließ sie hart an; scine Augen funkelten zornig

und herrisch, und er hätte Gewalt gebraucht, wäre ein
leisesteö Zittern an ihr zu spüren gewcsen. Sie aber
spielte, nachdenkend und trübe, mit dem Kettchen an
ihrem Halse, daran in der Herzkapsel der Schlangen-
zahn hernicderhing, und antwortcte: „Jch habe einen
großen Iaubcr- Mich oder dich kann ich jeden Augen-
blick töten."

Der König zwang sich zur Geduld und verlegte sich
aufs Bitten. Sie möge doch nachdcnken, waö sie sich
Großes wünsche, damit cr es ihr schenken könne und
sie dann ihm gehöre. Sie antwortete ibm nicht, son-
dcrn ward nur immcr stiller. Er sah mit plötzlicher
Angst ihrcn in sich verlorenen Blick und ließ ab; aber
er hoffte, sie unversehens mit einer Freude zu über-
raschen und zu gewinnen.

Deshalb fragte er ihre Eltern, die nun in einem
Seitenflügel des Königsschlosses hausten und sichö wohl
sein ließen. Die Mutter sprach nicht wenig klug. Auf
ihren Rat brachte er Käthen allerlei Schmuck und
seltenes Getier. Da sie es aber kaum ansah, hieß ihn
die Mutter Musikanten herbeirufen mit seltsam süß
klingenden Jnstrumenten, daß sie Tänze aufspielten,
alte und neue, wohlbekannte und fremdartig hinreißende.
Aber die Königin mochte nicht mit ihrem Gemahl tanzen,
denn sie schauderte bei jeder seiner Berührungcn. —
Auch sandte er die Mutter zu ihr, daß sie für ihn bitte.
Er trat heimlich hinter den Türvorhang, während sie
auf die Königin einsprach. Die Alte war vorsichtig, sie
redete nicht gleich vom Königc und von seinen Wünschen,
sondcrn fragte freundlich nach der Tochter Kummer.
Das schien der Königin wohlzutun; sie lehnte den Kopf
an die Schulter der Muttcr und verzog ein wenig
das Antlitz, wie zu weinen. Aber es traten keine
Tränen hervor, und auf alle Fragen antwortete sie nur:
„Es friert mcin Herz."

Da sprach die Mutter und lachte ein wenig: „So
wüßte ich jemand, der es dir >n Flammen setzen will!
Geh hin und gib eö ihm."

Die Königin richtete sich sogleich empor und sprach
heftig: „Jch kann nicmandem etwas geben!" Sie sah
die Alte mit ihrcn graucn Augen durchdringend an;
und der König hörte die Tochter sagen: ,/) Mutter!
Du hast den Blick einer Schlange, der man den Eckzahn
ausgebrochen. Geh, ich mag dich nicht sehen."

Der König merkte wohl, daß er sclbst ihre Wünsche
werde erraten inüssen. Und er fragte, freundlich lauschend
oder heftig dringend, fragte immer wieder. Als sie nun
einmal lange vor dem Spiegel gestanden, um ihr
goldenes Haar auszuwinden — denn sie hatte in Regen
und Wind vom Altane weit hinausgeschaut, dorthin
wo der Bcrg ihrer Kindheit mit dcm alten Birnbaum
lag —, da sagte sie, sie wünsche sich vielleicht ein Kleid
so schwarz und glänzend, wie eö noch kein Weib auf
Erden getragen.

Der König dachte lange nach, woraus so ein Kleid
wohl sein könne. Dann ließ er allen schwarzhaarigen
Frauen und Mädchen die Iöpfe abschneiden, und aus
den feinstcn, schwärzesten und glänzendsten Haarcn ließ
er ein Kleid weben und schenkte es der Königin. Sie
legte es an, machte ihr goldenes Haar lang darüber
hinabfließen und stand eine gute Weile vor dem Spiegel.

41?
 
Annotationen