Jeder Mensch kann Gesichte haben. Künst-
ler ist nur der Mensch, der im Gesicht den
Zwang erleidet, das Gesicht zu gestalten.
Eine innere Notwendigkeit zwingt ihn, dem
Gesicht Gestalt zu geben. Gestalt geben
heißt: das Gesicht künden. Dem Gesicht
Gestalt geben, ist das Schaffen des Künst-
lers. Das Schaffen des Künstlers ist ein
Kampf gegen sich selbst und ein Kampf mit
dem Gesicht, das er zu erleiden gezwungen
ist. Der Künstler kann sich vom Erleiden
des Gesichts nur dadurch befreien, daß er
dem Gesicht Gestalt gibt, d. h., daß er das
"jesicht außer sich stellt. Hat der Künstler
das Gesicht außer sich gestellt, so ist es Ge-
stalt. Der Künstler kann das Gesicht nur
dann außer sich stellen, dem Gesicht nur
dann Gestalt geben, wenn er seine eigene
Gestalt, sein Selbst, ganz zurückgestellt hat.
Diese Ueberwindung der Persönlichkeit ist
Voraussetzung für die Gestaltung des Ge-
sichts. Der Künstler hat das Gesicht ohne
seinen Willen und schafft es unwillkürlich
zur Gestalt. Diese Gestalt wird nur frei,
wenn er sich frei macht von seinem Willen.
Der Künstler will sein Gesicht niemandem
vermitteln, wenn er schafft. Er will mit sei-
nem Kunstwerk nicht irgendeiner Idee oder
Sache dienen. Es gibt keine ethische Kunst.
Es gibt keine politische Kunst. Ethik und
Politik sind Grundsätze, nach denen der
Mensch sein tätiges Leben gestaltet. Das
Gesicht aber ist die Abkehr vom tätigen
Leben. Das Kunstschaffen dst wedef ein
ethisches Handeln noch ein politisches Han-
deln noch sonst irgendein Handeln für das
tätige Leben. Das Gesicht und seine Ge-
staltung ist ein Erleiden des Lebens, unab-
hängig vom Tatwillen des Lebens, dient
nicht dem Tatwillen des Lebens, ist nicht
das Erkennen und Handeln eines freien ethi-
schen Willens und erst recht nicht be-
stimmt von dem Durchsetzen eines politi-
schen Grundsatzes. Losgelöst von allem
vermeintlich freien Tun ist die Gestaltung
des Kunstwerkes ein Zwang, der erlitten
wird, dem der Künstler folgen muß, ob er
will oder nicht. Versucht er diesem Zwang
zu entgehen, indem er die Gestaltung einzu-
ordnen sucht in sein freies menschliches
Handeln, so verliert er die Gesichte, er lei-
det nicht mehr, er ist nicht Künstler. Ver-
sucht der Künstler ohne inneren Zwang Ge-
sichte zu gestalten, so schafft er nicht un-
willkürlich, sondern arbeitet willkürlich. Er
sucht dann mit vermeintlichen Kunstmitteln
irgendeinem tätigen Leben, einem Gedan-
ken, einem ethischen Grundsatz, einem po-
litischen Grundsatz zu dienen. Er ist nicht
Künstler.
Künstler kann niemals werden, wer nicht
Künstler ist. Aber der Künstler kann Nicht-
künstler werden, wenn er sich auf sich selbst
verläßt und sich folgt, anstatt sich zu ver-
lassen und das Gesicht unmittelbar zu ge-
stalten. Es gibt keine mittelbare Gestaltung.
Die Gestaltung der Kunstwerke kann nicht
gelehrt werden. Jedes Kunstschaffen ist
schöpferisch, schöpft nur aus sich. Aber ein
Künstler kann den andern das tätige Leben
verlernen helfen. Kunstlehre ist Verlernen
des Kunstwillens und aller Mittel unserer
Lebenshandlungen. Nur wer all diese Mittel
verlernt hat, kann unmittelbar das Gesicht
gestalten. Er ist Künstler.
Der Künstler, der sein Selbst vergessen und
seine Mittel verlernt hat, vermag das Gesicht
zu gestalten. Er ist das Werkzeug der Not-
wendigkeit, die durch ihn schafft. Das Ge-
sicht muß gekündet werden. Also schafft
sich die Notwendigkeit ein Werkzeug zum
Künden. Je leidensfähiger der Mensch ist,
desto zahlreicher und desto stärker sind
seine Gesichte. Hier ist der einzige Zusam-
menhang erkennbar zwischen der Persön-
lichkeit des Menschen und seinen Gesichten.
Die Tiefe der Leidensfähigkeit des Menschen
scheidet die Gesichte. Je leidensfähiger ein
Künstler ist, desto empfindlicher ist er
als Werkzeug für die notwendige Ge-
staltung, das heißt: um so tiefer ist die
Ueberwindung seiner Persönlichkeit, um
das Gesicht zu künden. Die Leidens-
fähigkeit ist an kein Alter, kein Ge-
schlecht, keinen Stand, keinen Beruf, keine
Nation, keine Rasse, keine Bildung, kein
Wissen, keinen Glauben, keine Zivilisation,
keine Kultur gebunden. Alle Menschen
können leiden und Gesichte haben und
Künstler sein, alte und junge Menschen,
Kluge und Dumme, Gebildete und Ungebil-
dete, Christen und Heiden, Kulturvölker und
Wilde. Der gestaltende Mensch, der Künst-
ler ist der außer sich gestellte Mensch, der
ekstatische Mensch. Der ekstatische Mensch
ist das von der Notwendigkeit des Gesichts
67
ler ist nur der Mensch, der im Gesicht den
Zwang erleidet, das Gesicht zu gestalten.
Eine innere Notwendigkeit zwingt ihn, dem
Gesicht Gestalt zu geben. Gestalt geben
heißt: das Gesicht künden. Dem Gesicht
Gestalt geben, ist das Schaffen des Künst-
lers. Das Schaffen des Künstlers ist ein
Kampf gegen sich selbst und ein Kampf mit
dem Gesicht, das er zu erleiden gezwungen
ist. Der Künstler kann sich vom Erleiden
des Gesichts nur dadurch befreien, daß er
dem Gesicht Gestalt gibt, d. h., daß er das
"jesicht außer sich stellt. Hat der Künstler
das Gesicht außer sich gestellt, so ist es Ge-
stalt. Der Künstler kann das Gesicht nur
dann außer sich stellen, dem Gesicht nur
dann Gestalt geben, wenn er seine eigene
Gestalt, sein Selbst, ganz zurückgestellt hat.
Diese Ueberwindung der Persönlichkeit ist
Voraussetzung für die Gestaltung des Ge-
sichts. Der Künstler hat das Gesicht ohne
seinen Willen und schafft es unwillkürlich
zur Gestalt. Diese Gestalt wird nur frei,
wenn er sich frei macht von seinem Willen.
Der Künstler will sein Gesicht niemandem
vermitteln, wenn er schafft. Er will mit sei-
nem Kunstwerk nicht irgendeiner Idee oder
Sache dienen. Es gibt keine ethische Kunst.
Es gibt keine politische Kunst. Ethik und
Politik sind Grundsätze, nach denen der
Mensch sein tätiges Leben gestaltet. Das
Gesicht aber ist die Abkehr vom tätigen
Leben. Das Kunstschaffen dst wedef ein
ethisches Handeln noch ein politisches Han-
deln noch sonst irgendein Handeln für das
tätige Leben. Das Gesicht und seine Ge-
staltung ist ein Erleiden des Lebens, unab-
hängig vom Tatwillen des Lebens, dient
nicht dem Tatwillen des Lebens, ist nicht
das Erkennen und Handeln eines freien ethi-
schen Willens und erst recht nicht be-
stimmt von dem Durchsetzen eines politi-
schen Grundsatzes. Losgelöst von allem
vermeintlich freien Tun ist die Gestaltung
des Kunstwerkes ein Zwang, der erlitten
wird, dem der Künstler folgen muß, ob er
will oder nicht. Versucht er diesem Zwang
zu entgehen, indem er die Gestaltung einzu-
ordnen sucht in sein freies menschliches
Handeln, so verliert er die Gesichte, er lei-
det nicht mehr, er ist nicht Künstler. Ver-
sucht der Künstler ohne inneren Zwang Ge-
sichte zu gestalten, so schafft er nicht un-
willkürlich, sondern arbeitet willkürlich. Er
sucht dann mit vermeintlichen Kunstmitteln
irgendeinem tätigen Leben, einem Gedan-
ken, einem ethischen Grundsatz, einem po-
litischen Grundsatz zu dienen. Er ist nicht
Künstler.
Künstler kann niemals werden, wer nicht
Künstler ist. Aber der Künstler kann Nicht-
künstler werden, wenn er sich auf sich selbst
verläßt und sich folgt, anstatt sich zu ver-
lassen und das Gesicht unmittelbar zu ge-
stalten. Es gibt keine mittelbare Gestaltung.
Die Gestaltung der Kunstwerke kann nicht
gelehrt werden. Jedes Kunstschaffen ist
schöpferisch, schöpft nur aus sich. Aber ein
Künstler kann den andern das tätige Leben
verlernen helfen. Kunstlehre ist Verlernen
des Kunstwillens und aller Mittel unserer
Lebenshandlungen. Nur wer all diese Mittel
verlernt hat, kann unmittelbar das Gesicht
gestalten. Er ist Künstler.
Der Künstler, der sein Selbst vergessen und
seine Mittel verlernt hat, vermag das Gesicht
zu gestalten. Er ist das Werkzeug der Not-
wendigkeit, die durch ihn schafft. Das Ge-
sicht muß gekündet werden. Also schafft
sich die Notwendigkeit ein Werkzeug zum
Künden. Je leidensfähiger der Mensch ist,
desto zahlreicher und desto stärker sind
seine Gesichte. Hier ist der einzige Zusam-
menhang erkennbar zwischen der Persön-
lichkeit des Menschen und seinen Gesichten.
Die Tiefe der Leidensfähigkeit des Menschen
scheidet die Gesichte. Je leidensfähiger ein
Künstler ist, desto empfindlicher ist er
als Werkzeug für die notwendige Ge-
staltung, das heißt: um so tiefer ist die
Ueberwindung seiner Persönlichkeit, um
das Gesicht zu künden. Die Leidens-
fähigkeit ist an kein Alter, kein Ge-
schlecht, keinen Stand, keinen Beruf, keine
Nation, keine Rasse, keine Bildung, kein
Wissen, keinen Glauben, keine Zivilisation,
keine Kultur gebunden. Alle Menschen
können leiden und Gesichte haben und
Künstler sein, alte und junge Menschen,
Kluge und Dumme, Gebildete und Ungebil-
dete, Christen und Heiden, Kulturvölker und
Wilde. Der gestaltende Mensch, der Künst-
ler ist der außer sich gestellte Mensch, der
ekstatische Mensch. Der ekstatische Mensch
ist das von der Notwendigkeit des Gesichts
67