Wirtschaftliches.
Etwas für das Preiswucheramt«
Man schreibt uns: Nach Berechnung des städtischen
Obstertrag«; bei der Versteigerung auf dem Kohlhof, kann
man den Liter Apfelmost für 70—80 Pfg. sehr gut Her-
stellen, zumal, wenn man wie der Wirt vom alten Kohl-
hof so direkt an der Quelle sitzt, also von Transportkosten
usw. nicht zu reden ist. Es wäre nun kein Wort darüber
zu verlieren, wenn der Liter Apfelmost den gewiß ganz an-
sehnlichen Preis von 2.— Mk. kostete. Aber man höre
und staune — 4.— Mark — wurde verlangt; für die
Herstellungskosten. Ein ungewöhnlich hoher Preis.
Der Schmuggel mit Schweizerstumpen an der
Grenze steht gegenwärtig in voller Blüte. Im Walde bei
Büßlingen fand man unter Laub versteckt 15 Säcke mit
Schweizerstumpen gefüllt. Durch diesen Schmuggel allein
ist lt. Konst. Nachr. die Zollbehörde um annähernd 100000 M.
Zollgeld betrogen worden.
11. Der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in
Nordfrankreich. Es kursieren in letzter Zeit unkontrollier-
bare und alarmierende Gerüchte, die sich mit dem Zeitpunkt
. des Beginns der Wiederaufbauarbeiten sowie mit der Frage
des Arbeiterbedarfs und der Rechts- und Lohnverhältnisse
der einzustellenden Arbeiter befassen. Bei dem begreiflicher-
weise großen Interesse, das die ganze Angelegenheit in den
Kreisen der Arbeitslosen wachruft, ist es notwendig darauf
hinzuweisen, daß all diese Gerüchte zum mindesten verfrüht
sind und lediglich Vermutungen darstellen. Tatsache ist
vielmehr, daß die zur Bewältigung des gewaltigen Frage-
kompleres notwendigen Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen
sind. Da die Auswahl der benötigten Arbeiter zweifellos
im Benehmen mit den berufenen Stellen, den Arbeitsäm-
tern, erfolgen wird ist es am zweckmässigsten, sich im Zwei-
felsfalle an diese Stellen zu wenden.
Soziale Rundschau.
— Die Tarifverhandlungeu in der Schwarzwald-
industrie, sind zu Ende geführt worden. Das Bestreben
des Deutschen Metallarbeiterverbandes, auch den Schwarzwald
dem großen Kollektivabkommen, das Baden, Hessen und
einen großen Teil Württembergs umfaßt, zu unterstellen,
sand in einer Reihe von Bestimmungen Zustimmung. In
anderen Punkten wurden neue Vereinbarungen getroffen,
so hinsichtlich des Bestehenbleibens der 48stündigen Arbeits-
woche. Die geforderten Lohnzulagen beliefen sich bis zu
64 Prozent; die Zugeständnisse erreichten diese Höhe jedoch
nicht. -_.
* „Sie wollen die" Herren im Hause sein". Die
in Karlsruhe abgehaltene Generalversammlung des Ver-
bandes südwestdeutscher Industrieller hat sich mit dem Ge-
setzentwurf über die Betriebsräte befaßt und den Ge-
setzentwurf in seiner jetzigen Fassung als für die Industrie
2hsolick unannehmbar bezeichnet.
* Der
sich nach einem Berichts der Fünfzehner-Kommission weiter
verschärft. Die Zahl der Betriebe, deren Belegschaften
sich am Streik beteiligen wollen, ist von 135 auf 156 ge-
stiegen. Die Zahl der bestreikten Betriebe hat sich von 95
auf 125 erhöht. Die Zahl der Streikenden ist von 27000
auf 31300, die Zahl der Ausgesperrten von 68000 auf
(2300 gestiegen. Die Zahl derjenigen Betriebe, die die
Forderungen der Arbeiter unterschriftlich anerkannt haben,
Ulmmt zu.
Kommunales.
. o. Gonreinderatsfitzrmg in Dossenheim. Durch das
rücksichtslose Verhalten des Bürgermeisters konnte seither
nne Sitzung nicht abgehalten werden. Nunmehr fand unter
oem Vorsitz des ältesten Gemeinderats die erste Sitzung
wieder statt. Es wurde ein Gehaltstarif — vorbehaltlich
der Zustimmung des Bürgerausschusses — ausgearbeitet,
der folgende Gehaltssätze vorsieht: 1. Ratschreiber 6600 Mk.,
2. Ratschreiber 4000, 3. Ratschreiber 4000, Gemeinderechner
3800, Ratsdiener (ohne Dienstkleidung) 4000, Polizeidiener
(ohne Dienstkleidung) 4000, 3 Nachtwächter je 610, 1. Wald-
hüter 4200, 2. Waldhüter 3600, 1. Feldhüter 4000, 2. Feld-
hüter 3300, 3. Feldhüter 1800, 4. Feldhüter 1300, Wegwart
3600, Elektr.-Betriebsleiter 5500, Installateur 3800, Schul-
diener 4000, Farrenwärter 2400, 3 Industrielehrerinnen je
400, 2 Totengräber je 150 Mk. Der Gehalt des Bürger-
meisters bleibt unverändert. Der Bürgermeisterstellvertreter
erhält bei Vertretungen eine Tagesgebühr von 10 Mk. Der
Gehaltstarif soll rückwirkend mit dem 1. Juli in Kraft treten.
Der Mehraufwand dieser Gehaltserhöhungen im Betrage
von 12000 Mk. kann für dieses Jahr ohne Umlageerhöhung
bestritten werden. Ferner wurde der Verkauf eines Bau-
platzes der Maurermeister Heiß Witwe an Kutscher Alfred
Rösch hier, den qm zu 5 Mk., sowie der Bürgerantritt des
Kassenassistenten Hermann Böhler genehmigt. Die dritte
Nachtwächterstelle soll ausgeschrieben werden. Am Dienstag,
den 7. Oktober findet eine Bürgerausschußsitzung statt.
Stadt und Land.
Empfindsame Arzte.
Gelegentlich der in der letzten Bürgerausschußsitzung gepfloge-
nen Beratung der Vorlage betr. Ankauf einer Apotheke zwecks
Übernahme in städt. Regie und Ankauf eines Hauses, in dem eben-
falls eine Apotheke eingerichtet werden soll, holten die meisten Red-
ner bei Begründung ihrer Anschauungen sehr weit aus. Besonders
der Sprecher der liberalen Volkspartei, Dr. Curtius, grub eine
Verordnung aus dem Jahre 1806 aus, um damit zu beweisen, wie
wenig die Regierung bezw. die Stadt das Recht habe, der Privat-
wirtschaft im Apothekenwesen Einhalt zu tun. Angesichts dessen
will es garnichts heißen, wenn die Sprecher der sozialdemokratischen
Fraktion auf die Schäden hinwiesen, die sich aus dem heutigen Apo-
thekenbetrieb herausgebildet haben.
Es war sehr wohl am Platze, in diesem Zusammenhangs von
den ungemein teueren Markenartikeln und von den ärztlichen Kaf-
senlöwen zu sprechen. Mit keinem Worte aber ist vom Ärztewucher
in der Stadt Heidelberg die Rede gewesen. Sofort aber bemäch-
tigte sich der im Kollegium zugegen gewesenen Ärzte eine befrem-
dende Nervosität, und sie erhoben sich um darzutun, daß die Heidel-
berger Ärzteschaft in ihren Ansprüchen dem Publikum und besonders
den Versicherten gegenüber immer sehr bescheiden gewesen ist.
Später haben die Ärzte eine Erklärung veröffentlicht, in der der-
selbe Ton angeschlagen wurde. Zur Klärung der Angelegenheit hat
diese auch nicht beigetragen; vielmehr war sie in einer Form ge-
halten, aus der man den Eindruck gewinnen mußte, die Ärzte er-
hielten die angegebene Gebühr pro Kopf der Kranken. Es ist des-
halb nützlich, festzustellen, daß sich diese auf alle Kassenmitglieder,
gesunde und kranke, bezieht, also für einen erheblichen Teil dieser
Beträge überhaupt keine Leistung verrichtet wird. Es liegt uns
natürlich fern, bei Erwähnung von diesen Zahlen, von Ärztewucher
zu reden; aber von der anderen Seite muß man erwarten dürfen,
daß sie wegen eines politischen Gegensatzes nicht Unstimmigkeiten
zwischen Ärzten, Krankenkasse und Versicherten schaffen. Xi.
Zuvrrhesetzrmg. Nach 41 jähriger Wirksamkeit an der
hiesigen Volksschule ist Oberlehrer Hch. Zeuner in den
Ruhestaud getreten.
Wohin gehören die Arbeiter? Eine, von den g e -
mein st en Lügen durchsetztes Flugblatt des deutschen Schutz-
und Trutzbundes „Deutschand den Deutschen", will
uns solches sagen. Das genannte Flugblatt wird zur Zeit
hier verteilt. Es wird den Arbeitern nur ein Kopfschütteln
kosten, wenn es den Inhalt des Fetzen durchschaut: Der
Bund wird doch nicht so naiv sein, daß er annimmt, die
Arbeiter wissen nicht, wohin sie gehören. O armer Bund
mit deinen dunklen Hintermännern! „Schütte den Staub
von den Füßen und reise aus Deutschland, ehe
es zu spät ist!"
Pofiverkehr mit dem besetzten Gebiete. Zwischen
der französichen Zone der besetzten deutschen Rheingebiete
(ausgenommen Elsaß-Lothringen und das Brückenkopfge-
biet von Kehl) und dem unbesetzten Deutschland können alle
zur Versendung zugelassenen Waren in Paketen mit Wert-
angaben bis 100 Mark versandt werden.
Der Strafe entzogen hat sich, Äer aus der hiesigen
Irrenklinik entsprungene Leonhard Ochs aus Plankstadt.
Bei seiner Wiederfestnahme iu Schwetzingen schoß er sich
Theater, Kunst und Wissenschaft.
Heidelberger Stadttheater.
di-g bedeutet schon eine Wohltat, nach all dem „Kitsch", der in
am m Sommer über die Bretter im wahrhaften Sinn des Wortes
einen Theaterzettel zu lesen, der nicht nur dem oberflächlichen
Won chbp etwas zu bieten scheint. Es erweckt den Anschein, als
A„„ die Theaterdirektion dem Heidelberger Theaterpublikum vor
«"gen führen, was wahre Heiterkeit ist im Gegensatz zu dem pof-
gf' Nervenkitzel, mit dem der Geschmack des Volkes in falsche Bah-
gelenkt wurde. — Die wenigen Ausnahmen, die das Sommer-
yearer an besserer Ware bot, vermögen nicht, diesen Gesamteindruck
verschleiern.
Ei, „Was ihr wollt" wurde gestern der Spielplan eröffnet-
Zche zu Beginn gespielte Rosamunden-Ouverture von Franz Schu-
und dem Stück eingewebte Musik von Humperdinck verstärkten
romantischen Duft, der nach echter Shakespeare-Art dem Luft-
Grunde liegt. Neben Konflikten ernsterer, wenn auch äußer-
NNl>^„o^unrkeu vornehmlich Momente der Heiterkeit, die durch die
»ui- P die schwerfälligere deutsche Sprache nicht immer so
-^„Eourmt, wie das im Urtext der Fall ist. Trotzdem gibt
Naimtät beüu?^" abend genug zu lachen und für den, der weniger
f „ lächeln. Es fehlte nicht am nötigen Witz, der
durch Ka!l Zwilling er gut vertreten-
"Fest Mimd gelegt rst: „Tut gehängt ist besser, als schlecht verhei-
an Karikaturen (Malnolio, Junker Tobias
nun ^si^-laph von Blerchenwang), die schon durch ihre Figur
nd dre Art sich zu bewegen, komisch genug wirkten. Bernhard
^vrk, Adolf Schaffner und Hans Michels fanden sich ae-
K^voll und geschrckt rn rhre nicht allzu schwierigen Rollen. Mel
^vaß - für den, der daran Spaß finden kann - Lachte die Trink-
Kme. Die ernsteren Rollen wurden von Liese Schott (Olivia),
(Viola), Kurt Felix (Orsino), Heinz Saar
mLastran) charakteristisch und lebendig genug wiedergeaeben, um
Gefühle emer gewissen Ermüdung zu unterdrücken, die sich stellen-
weise einschleichen könnten. O.
Schenk-Abend im Kollegienhaus unter Mitwirkung
An Anna Betzak aus Frankfurt (Violine). Ihre Leistungen
bildeten einen gewissen Höhepunkt des Konzertes, technich
und künstlerisch. Abgesehen vom Praeludium und Allegro
Au Pugnarri-Kreisler für Violine und Klavier und drei
^lchard Strauß-Liedern, die Viktor v. Schenk (Heldentenor
Landestheater in Wiesbaden) bot, fehlte dem ganzen
^agramm die ernste Würde. Opernarien und selbst „Lie-
beslied" aus der Walküre können im Heidelberger Konzert-
saal nicht mehr verblüffen. Ebensowenig wie die andern
Lieder von tzeydreich, Weinzierl, Schumacher u. a. Es
ist ein guter Vorsatz, auch mal andere Namen aufs Lied-
Programm zu bringen, als Schubert, Schumann, Brahms,
die Unzertrennlichen. Aber es ist irrig zu glauben, man
könne Heidelberg als Kleinstadt behandeln und nur mit
besseren Schlagern imponieren. — Material und Technik
zu künstlerischen Leistungen war schon vorhanden, i. V.
Eine neue Richard Strauß-Oper „Die Frau ohne
Schatten" erlebte gestern in Wien ihre Erstaufführung.
Eine neue Sensation: Die Partitur verlangt den größten
Aufwand an Schlagwerkzeugen, der bisher überhaupt an-
gewandt wurde. Ob heute die Fensterscheiben in Wien
noch ganz sind?
Tanzabend Ruth Schwarzkopf. Montag, 6. Oktober
veranstaltet die bekannte Künstlerin in der Harmonie einen Tanz-
abend und dürfte nach den Vormerkungen zu schließen, die Künstlerin
eine recht zahlreiche Gemeinde ihrer Kunst um sich versammelt
sehen. Aus der Vortragsfolge ist zu entnehmen, daß sie Tänze
nach Schubert, Chopin, Grieg u. a. aufführen wird, und findet sie
in der Mitwirkung des Kapellmeisters Lobertz vom hiesigen
Stadttheater eine wirksame Unterstützung. Der Kartenverkauf hat
heute in Karl Hochsteins Musikhaus begonnen. Näh, siehe im Inserat.
Zu Hans Thomas 8V. Geburtstags
Unter den bestklingenden Namen der deutschen Künstlerwelt steht
derjenige unseres badischen Meisters, Hans Thoma, fest in die
Geschichte eingemeiselt. Er besteht in vollen Ehren neben seinem
Dürer, Feuerbach, Lessing, Schirmer, neben den beiden Achenbachs
und vielen anderen. Am 2. Oktober vor 80 Jahren geboren, hat
Hans Thoma seine nicht sehr leichte Jugendzeit durchlebt, und als
er mit seiner Kunst mehr und mehr an die Öffentlichkeit trat, viele
Verkennungen und Zurücksetzungen ertragen müssen. Man möge sich
nur erinnern, welchen Spott ein großes in einem Frankfurter Gast-
haus aufgehangtss Gemälde ihm eintrug, sodaß dieses schließlich zu-
gehängt werden mußte. Unter Schirmer besuchte Thoma die Karls-
ruher Kunstschule und war zü^st^sIstt^ograph und Uhrenschild-
maler tätig, ging dann nach Düsseldorf, Paris, München und Frank-
eine Kugel durch den Kopf und war sofort tot. Ochs hatte
sich des schweren Diebstahls und Mordversuchs schuldig ge-
macht und war zur Beobachtung seines Geisteszustandes in
die Irrenklinik verbracht worden.
Diebstähle ohne Ende. Vor dem Hauptpostgebäude
wurde einem Postbeamten ein Fahrrad im Werte von 500 M.
gestohlen. Ferner wurden einem Wirt in der Unt. Neckar-
straße ein Handwagen im Werte von 800 Mark entwendet.
Letzte Nachrichten.
Wiedereintritt der Demokraten in die Reichsregiernng.
Berlin, 1. Okt. Die Verhandlungen über die Umbil-
dung des Kabinetts führten heute zu einer vollen Einigung.
Die Demokraten übernehmen das Ministerium für Justiz,
dessen Leiter gleichzeitig mit der Vertretung des Reichskanzlers
beauftragt wird, das Innere sowie das neue Ministerium
zur Durchführung der wirtschaftlichen Friedensbedingnngen,
insbesondere des Wiederaufbaus von Nordfrankreich und
Belgien. (Wir kommen morgen auf diese Meldung zurück. Die Red.).
Verbilligung der Lebensmittel.
Berlin, 1. Okt. (Priv. Telegr. der „Kölner Volks-
zeitung"). Der Nationalversammlung wird demnächst eine
neue Kreditvorlage in der Höhe von dreieinhalb Milliarden
zugehen, die dazu dienen soll, die Lebensmittel zu ver-
billigen und sie verhältnismäßig auf einem niedrigen
Niveau zu erhalten. Die rationierten Lebensmitteln sollen
zu den bisherigen Preisen abgegeben werden. Das Reich
übernimmt die Kisten, die sich aus der geringeren Aus-
mahlung des Brotgetreides ergeben.
Heimkehr der Gefangenen.
Berlin, 1. Okt. Die schweizerische Gesandschaft in
Paris teilt mit, daß die in französischer Hand befindlichen
Kriegsgefangenen nach der Ratifizierung des Friedensver-
trages abtransportiert werden. Da die Ratifikation in den
nächsten Tagen vollzogen wird, ist mit dem baldigen Ab-
transport zu rechnen. Die Gesamtzahl des bis jetzt von
den Aliierten zurückgegebeneu Gefangenen beträgt 130000.
Amerikanische Kriegsschiffe in italienischen Gewässern.
Versailles, 1. Okt. Die Chicagoer Tribüne meldet,
daß amerikanische Kriegsschiffs an der adriatischen Küste kreu-
zen, um jeden italienischen Landungsversuch zu verhindern
Ungarns Regierung nicht anerkannt.
Berlin, 1. Okt. Wie der Lokalanzeiger meldet, erschien
der Vertreter der Entente in Budapest beim Ministerprä-
sidenten Friedrich und teilte ihm mit, daß eine Anerkennung
seiner Regierung ausgeschlossen sei.
Die Arbeitskonferenz in Washington.
St. Germain, 1. Okt. (Wolff.) Korr.-Bur. Namens
der Friedenskonferenz richtete Polk an den Konsul Mayer-
Hauser eine Note, in der mitgeteilt wird, daß Wilson die
erste Sitzung der alljührigen Arbeitskonferenz für den 23. Ok-
tober nach Washington einberufen hat. Die Friedensdelegier-
ten haben am 11. September beschlossen, die Frage der
Zulassung der Delegierten Österreichs und Deutsch-
lands, obgleich die österreichische und deutsche Regierung
cke jure nicht Mitglieder der internationalen Arbeiterorgani-
sation seien, der Arbeiterkonferenz zu überlassen und deren
Reise nach Washington kein Hindernis in den Weg zu legen.
Wilson gegen den englisch-persischen Vertrag?
Versailles, 1. Okt. Die Pariser Abeudpresse ver-
breitet eine Depesche aus Washington, nach welcher
Wilson gegen den englisch-persischen Vertrag protestiert
haben soll. Das Staatsdepartement weigere sich jedoch,
den Meinungsaustausch zu veröffentlichen, der deshalb
zwischen Amerika und England gepflogen worden ist.
Chile und Peru rufen den Völkerbund an.
Versailles, 1. Okt. Die Pariser Presse verbreitet die
Nachricht, daß der Völkerbund von Chile und Peru an-
gerufen worden ist, um die zwischen den beiden südameri-
kanischen Republiken entstandenen Grenzstreitigkeiten zu
regeln. Der „Ben Soir" fügt dieser Nachricht die Be-
merkung bei: Die beiden Staaten glauben also an den
Völkerbund; Es ist schade, daß sie so weit wohnen!
furt, wo er mit einigen Unterbrechungen bis zum Jahre 1899 ver-
blieb. In diesem Jahr wurde er als Professor nach Karlsruhe be-
rufen, wo er bis in diese Zeit hinein lehrte und die besten seiner
Gemälde schuf. Diese sind im wahrsten Sinne als volkstümlich an-
zusprechen, sodaß es sich fast erübrigt, sie zu nennen. Ihre Zahl
ist auch derart groß, daß eine Aufzählung im Rahmen dieses Ar-
tikels nur lückenhaft sein könnte. Zu seinen hervorragensten Ge-
mälden sind zu zählen: „Der Hüter des Tales", „Tanzende Kinder",
„Schwarzwaldlandschaft", ferner seine verschiedenen Darstellungen
aus dem Leben Jesu und der Bilderzyklus aus dem Christusleben
in der Karlsruher Kunsthalle. Dem lange verkannten Künstler hat
es dann in seinen späteren Lebensjahren an Ehrungen mancher Art
nicht gefehlt. Heute zählen ihn mehrere Städte zu ihren Ehren-
bürgern. Möge der im weißen Silberhaar noch tätige Künstler
uns noch manches Werk seiner reichen Kunst schenken.
Karlsruhe, 1. Okt. Zu Hans Thomas 80. Geburtstag w ird
uns von Inständiger Seite mitgeteilt: Das Ministerium des Kultus
und Unterrichts hatte zur Feier dieses Tages eine Festaufführung
von Mozarts „Zauberflöte" mit einem kurzen Vorspruch und die
Veranstaltung eines Sinfoniekonzertes am 1. und 2. Oktober in An-
wesenheit des Künstlers geplant. Prof. Hans Thoma hat jedoch,
da es zur Zeit unpäßlich sei, gebeten, von beiden Veranstaltungen
abzusehen. -
Höchstpreise im Mittelalter. In der neuesten Nummer von
„Zeiten und Völker'" Monatshefte für Vokkswirtfchastslehre, Staats-
bürgerkunde, Geschichte und Geographie (Franck'sche Verlagshand-
lung, Stuttgart) lesen wir: Anfangs Januar 1623 sah sich die Be-
hörde in Wien zur Festsetzung von Höchstpreisen gezwungen.
Folgender Bericht eines Zeitgenossen darüber mutet uns recht be-
kannt an: „Wegen täglich allhier aufwachsenden Teuerung der Vik-
tualien und anderer Leibes- und Hausnotdurft ist vergangenen Erich-
tag an gewöhnlichen Orten eine Ordnung und Jnterimstare des
Geflügelwerks, Käse, Butter, Schmalz, Honig, Wachs, Fische. Un-
schlitt, Kerzen, Seifen, Leinwandwaren, Tücher, Häute, Leder, Felle,
Schuhe, Stiefel, Schmiede-, Schlosser-, Seiler-, Zimmermanns-, Mau-
rer- und Tagwerksarbeit, Landkutschen- und anderer Fuhrleutlohn
durch öffentlichen Ruf publiziert und angescklagen; auch allbereits
etliche Verkaufsübertreter mit Spannung an das Kreuz auf offenem
Marktplatz gestraft worden; und sollte demnächst mit Kauf- und
Handelsleuten Ware dem armen gemeinen Mann zu was Linderung
eingerissener unerschwinglicher Teuerung ebenmäßig eine Taxe, Satz-
ung und Ordnung oorgenommen werden."
Etwas für das Preiswucheramt«
Man schreibt uns: Nach Berechnung des städtischen
Obstertrag«; bei der Versteigerung auf dem Kohlhof, kann
man den Liter Apfelmost für 70—80 Pfg. sehr gut Her-
stellen, zumal, wenn man wie der Wirt vom alten Kohl-
hof so direkt an der Quelle sitzt, also von Transportkosten
usw. nicht zu reden ist. Es wäre nun kein Wort darüber
zu verlieren, wenn der Liter Apfelmost den gewiß ganz an-
sehnlichen Preis von 2.— Mk. kostete. Aber man höre
und staune — 4.— Mark — wurde verlangt; für die
Herstellungskosten. Ein ungewöhnlich hoher Preis.
Der Schmuggel mit Schweizerstumpen an der
Grenze steht gegenwärtig in voller Blüte. Im Walde bei
Büßlingen fand man unter Laub versteckt 15 Säcke mit
Schweizerstumpen gefüllt. Durch diesen Schmuggel allein
ist lt. Konst. Nachr. die Zollbehörde um annähernd 100000 M.
Zollgeld betrogen worden.
11. Der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in
Nordfrankreich. Es kursieren in letzter Zeit unkontrollier-
bare und alarmierende Gerüchte, die sich mit dem Zeitpunkt
. des Beginns der Wiederaufbauarbeiten sowie mit der Frage
des Arbeiterbedarfs und der Rechts- und Lohnverhältnisse
der einzustellenden Arbeiter befassen. Bei dem begreiflicher-
weise großen Interesse, das die ganze Angelegenheit in den
Kreisen der Arbeitslosen wachruft, ist es notwendig darauf
hinzuweisen, daß all diese Gerüchte zum mindesten verfrüht
sind und lediglich Vermutungen darstellen. Tatsache ist
vielmehr, daß die zur Bewältigung des gewaltigen Frage-
kompleres notwendigen Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen
sind. Da die Auswahl der benötigten Arbeiter zweifellos
im Benehmen mit den berufenen Stellen, den Arbeitsäm-
tern, erfolgen wird ist es am zweckmässigsten, sich im Zwei-
felsfalle an diese Stellen zu wenden.
Soziale Rundschau.
— Die Tarifverhandlungeu in der Schwarzwald-
industrie, sind zu Ende geführt worden. Das Bestreben
des Deutschen Metallarbeiterverbandes, auch den Schwarzwald
dem großen Kollektivabkommen, das Baden, Hessen und
einen großen Teil Württembergs umfaßt, zu unterstellen,
sand in einer Reihe von Bestimmungen Zustimmung. In
anderen Punkten wurden neue Vereinbarungen getroffen,
so hinsichtlich des Bestehenbleibens der 48stündigen Arbeits-
woche. Die geforderten Lohnzulagen beliefen sich bis zu
64 Prozent; die Zugeständnisse erreichten diese Höhe jedoch
nicht. -_.
* „Sie wollen die" Herren im Hause sein". Die
in Karlsruhe abgehaltene Generalversammlung des Ver-
bandes südwestdeutscher Industrieller hat sich mit dem Ge-
setzentwurf über die Betriebsräte befaßt und den Ge-
setzentwurf in seiner jetzigen Fassung als für die Industrie
2hsolick unannehmbar bezeichnet.
* Der
sich nach einem Berichts der Fünfzehner-Kommission weiter
verschärft. Die Zahl der Betriebe, deren Belegschaften
sich am Streik beteiligen wollen, ist von 135 auf 156 ge-
stiegen. Die Zahl der bestreikten Betriebe hat sich von 95
auf 125 erhöht. Die Zahl der Streikenden ist von 27000
auf 31300, die Zahl der Ausgesperrten von 68000 auf
(2300 gestiegen. Die Zahl derjenigen Betriebe, die die
Forderungen der Arbeiter unterschriftlich anerkannt haben,
Ulmmt zu.
Kommunales.
. o. Gonreinderatsfitzrmg in Dossenheim. Durch das
rücksichtslose Verhalten des Bürgermeisters konnte seither
nne Sitzung nicht abgehalten werden. Nunmehr fand unter
oem Vorsitz des ältesten Gemeinderats die erste Sitzung
wieder statt. Es wurde ein Gehaltstarif — vorbehaltlich
der Zustimmung des Bürgerausschusses — ausgearbeitet,
der folgende Gehaltssätze vorsieht: 1. Ratschreiber 6600 Mk.,
2. Ratschreiber 4000, 3. Ratschreiber 4000, Gemeinderechner
3800, Ratsdiener (ohne Dienstkleidung) 4000, Polizeidiener
(ohne Dienstkleidung) 4000, 3 Nachtwächter je 610, 1. Wald-
hüter 4200, 2. Waldhüter 3600, 1. Feldhüter 4000, 2. Feld-
hüter 3300, 3. Feldhüter 1800, 4. Feldhüter 1300, Wegwart
3600, Elektr.-Betriebsleiter 5500, Installateur 3800, Schul-
diener 4000, Farrenwärter 2400, 3 Industrielehrerinnen je
400, 2 Totengräber je 150 Mk. Der Gehalt des Bürger-
meisters bleibt unverändert. Der Bürgermeisterstellvertreter
erhält bei Vertretungen eine Tagesgebühr von 10 Mk. Der
Gehaltstarif soll rückwirkend mit dem 1. Juli in Kraft treten.
Der Mehraufwand dieser Gehaltserhöhungen im Betrage
von 12000 Mk. kann für dieses Jahr ohne Umlageerhöhung
bestritten werden. Ferner wurde der Verkauf eines Bau-
platzes der Maurermeister Heiß Witwe an Kutscher Alfred
Rösch hier, den qm zu 5 Mk., sowie der Bürgerantritt des
Kassenassistenten Hermann Böhler genehmigt. Die dritte
Nachtwächterstelle soll ausgeschrieben werden. Am Dienstag,
den 7. Oktober findet eine Bürgerausschußsitzung statt.
Stadt und Land.
Empfindsame Arzte.
Gelegentlich der in der letzten Bürgerausschußsitzung gepfloge-
nen Beratung der Vorlage betr. Ankauf einer Apotheke zwecks
Übernahme in städt. Regie und Ankauf eines Hauses, in dem eben-
falls eine Apotheke eingerichtet werden soll, holten die meisten Red-
ner bei Begründung ihrer Anschauungen sehr weit aus. Besonders
der Sprecher der liberalen Volkspartei, Dr. Curtius, grub eine
Verordnung aus dem Jahre 1806 aus, um damit zu beweisen, wie
wenig die Regierung bezw. die Stadt das Recht habe, der Privat-
wirtschaft im Apothekenwesen Einhalt zu tun. Angesichts dessen
will es garnichts heißen, wenn die Sprecher der sozialdemokratischen
Fraktion auf die Schäden hinwiesen, die sich aus dem heutigen Apo-
thekenbetrieb herausgebildet haben.
Es war sehr wohl am Platze, in diesem Zusammenhangs von
den ungemein teueren Markenartikeln und von den ärztlichen Kaf-
senlöwen zu sprechen. Mit keinem Worte aber ist vom Ärztewucher
in der Stadt Heidelberg die Rede gewesen. Sofort aber bemäch-
tigte sich der im Kollegium zugegen gewesenen Ärzte eine befrem-
dende Nervosität, und sie erhoben sich um darzutun, daß die Heidel-
berger Ärzteschaft in ihren Ansprüchen dem Publikum und besonders
den Versicherten gegenüber immer sehr bescheiden gewesen ist.
Später haben die Ärzte eine Erklärung veröffentlicht, in der der-
selbe Ton angeschlagen wurde. Zur Klärung der Angelegenheit hat
diese auch nicht beigetragen; vielmehr war sie in einer Form ge-
halten, aus der man den Eindruck gewinnen mußte, die Ärzte er-
hielten die angegebene Gebühr pro Kopf der Kranken. Es ist des-
halb nützlich, festzustellen, daß sich diese auf alle Kassenmitglieder,
gesunde und kranke, bezieht, also für einen erheblichen Teil dieser
Beträge überhaupt keine Leistung verrichtet wird. Es liegt uns
natürlich fern, bei Erwähnung von diesen Zahlen, von Ärztewucher
zu reden; aber von der anderen Seite muß man erwarten dürfen,
daß sie wegen eines politischen Gegensatzes nicht Unstimmigkeiten
zwischen Ärzten, Krankenkasse und Versicherten schaffen. Xi.
Zuvrrhesetzrmg. Nach 41 jähriger Wirksamkeit an der
hiesigen Volksschule ist Oberlehrer Hch. Zeuner in den
Ruhestaud getreten.
Wohin gehören die Arbeiter? Eine, von den g e -
mein st en Lügen durchsetztes Flugblatt des deutschen Schutz-
und Trutzbundes „Deutschand den Deutschen", will
uns solches sagen. Das genannte Flugblatt wird zur Zeit
hier verteilt. Es wird den Arbeitern nur ein Kopfschütteln
kosten, wenn es den Inhalt des Fetzen durchschaut: Der
Bund wird doch nicht so naiv sein, daß er annimmt, die
Arbeiter wissen nicht, wohin sie gehören. O armer Bund
mit deinen dunklen Hintermännern! „Schütte den Staub
von den Füßen und reise aus Deutschland, ehe
es zu spät ist!"
Pofiverkehr mit dem besetzten Gebiete. Zwischen
der französichen Zone der besetzten deutschen Rheingebiete
(ausgenommen Elsaß-Lothringen und das Brückenkopfge-
biet von Kehl) und dem unbesetzten Deutschland können alle
zur Versendung zugelassenen Waren in Paketen mit Wert-
angaben bis 100 Mark versandt werden.
Der Strafe entzogen hat sich, Äer aus der hiesigen
Irrenklinik entsprungene Leonhard Ochs aus Plankstadt.
Bei seiner Wiederfestnahme iu Schwetzingen schoß er sich
Theater, Kunst und Wissenschaft.
Heidelberger Stadttheater.
di-g bedeutet schon eine Wohltat, nach all dem „Kitsch", der in
am m Sommer über die Bretter im wahrhaften Sinn des Wortes
einen Theaterzettel zu lesen, der nicht nur dem oberflächlichen
Won chbp etwas zu bieten scheint. Es erweckt den Anschein, als
A„„ die Theaterdirektion dem Heidelberger Theaterpublikum vor
«"gen führen, was wahre Heiterkeit ist im Gegensatz zu dem pof-
gf' Nervenkitzel, mit dem der Geschmack des Volkes in falsche Bah-
gelenkt wurde. — Die wenigen Ausnahmen, die das Sommer-
yearer an besserer Ware bot, vermögen nicht, diesen Gesamteindruck
verschleiern.
Ei, „Was ihr wollt" wurde gestern der Spielplan eröffnet-
Zche zu Beginn gespielte Rosamunden-Ouverture von Franz Schu-
und dem Stück eingewebte Musik von Humperdinck verstärkten
romantischen Duft, der nach echter Shakespeare-Art dem Luft-
Grunde liegt. Neben Konflikten ernsterer, wenn auch äußer-
NNl>^„o^unrkeu vornehmlich Momente der Heiterkeit, die durch die
»ui- P die schwerfälligere deutsche Sprache nicht immer so
-^„Eourmt, wie das im Urtext der Fall ist. Trotzdem gibt
Naimtät beüu?^" abend genug zu lachen und für den, der weniger
f „ lächeln. Es fehlte nicht am nötigen Witz, der
durch Ka!l Zwilling er gut vertreten-
"Fest Mimd gelegt rst: „Tut gehängt ist besser, als schlecht verhei-
an Karikaturen (Malnolio, Junker Tobias
nun ^si^-laph von Blerchenwang), die schon durch ihre Figur
nd dre Art sich zu bewegen, komisch genug wirkten. Bernhard
^vrk, Adolf Schaffner und Hans Michels fanden sich ae-
K^voll und geschrckt rn rhre nicht allzu schwierigen Rollen. Mel
^vaß - für den, der daran Spaß finden kann - Lachte die Trink-
Kme. Die ernsteren Rollen wurden von Liese Schott (Olivia),
(Viola), Kurt Felix (Orsino), Heinz Saar
mLastran) charakteristisch und lebendig genug wiedergeaeben, um
Gefühle emer gewissen Ermüdung zu unterdrücken, die sich stellen-
weise einschleichen könnten. O.
Schenk-Abend im Kollegienhaus unter Mitwirkung
An Anna Betzak aus Frankfurt (Violine). Ihre Leistungen
bildeten einen gewissen Höhepunkt des Konzertes, technich
und künstlerisch. Abgesehen vom Praeludium und Allegro
Au Pugnarri-Kreisler für Violine und Klavier und drei
^lchard Strauß-Liedern, die Viktor v. Schenk (Heldentenor
Landestheater in Wiesbaden) bot, fehlte dem ganzen
^agramm die ernste Würde. Opernarien und selbst „Lie-
beslied" aus der Walküre können im Heidelberger Konzert-
saal nicht mehr verblüffen. Ebensowenig wie die andern
Lieder von tzeydreich, Weinzierl, Schumacher u. a. Es
ist ein guter Vorsatz, auch mal andere Namen aufs Lied-
Programm zu bringen, als Schubert, Schumann, Brahms,
die Unzertrennlichen. Aber es ist irrig zu glauben, man
könne Heidelberg als Kleinstadt behandeln und nur mit
besseren Schlagern imponieren. — Material und Technik
zu künstlerischen Leistungen war schon vorhanden, i. V.
Eine neue Richard Strauß-Oper „Die Frau ohne
Schatten" erlebte gestern in Wien ihre Erstaufführung.
Eine neue Sensation: Die Partitur verlangt den größten
Aufwand an Schlagwerkzeugen, der bisher überhaupt an-
gewandt wurde. Ob heute die Fensterscheiben in Wien
noch ganz sind?
Tanzabend Ruth Schwarzkopf. Montag, 6. Oktober
veranstaltet die bekannte Künstlerin in der Harmonie einen Tanz-
abend und dürfte nach den Vormerkungen zu schließen, die Künstlerin
eine recht zahlreiche Gemeinde ihrer Kunst um sich versammelt
sehen. Aus der Vortragsfolge ist zu entnehmen, daß sie Tänze
nach Schubert, Chopin, Grieg u. a. aufführen wird, und findet sie
in der Mitwirkung des Kapellmeisters Lobertz vom hiesigen
Stadttheater eine wirksame Unterstützung. Der Kartenverkauf hat
heute in Karl Hochsteins Musikhaus begonnen. Näh, siehe im Inserat.
Zu Hans Thomas 8V. Geburtstags
Unter den bestklingenden Namen der deutschen Künstlerwelt steht
derjenige unseres badischen Meisters, Hans Thoma, fest in die
Geschichte eingemeiselt. Er besteht in vollen Ehren neben seinem
Dürer, Feuerbach, Lessing, Schirmer, neben den beiden Achenbachs
und vielen anderen. Am 2. Oktober vor 80 Jahren geboren, hat
Hans Thoma seine nicht sehr leichte Jugendzeit durchlebt, und als
er mit seiner Kunst mehr und mehr an die Öffentlichkeit trat, viele
Verkennungen und Zurücksetzungen ertragen müssen. Man möge sich
nur erinnern, welchen Spott ein großes in einem Frankfurter Gast-
haus aufgehangtss Gemälde ihm eintrug, sodaß dieses schließlich zu-
gehängt werden mußte. Unter Schirmer besuchte Thoma die Karls-
ruher Kunstschule und war zü^st^sIstt^ograph und Uhrenschild-
maler tätig, ging dann nach Düsseldorf, Paris, München und Frank-
eine Kugel durch den Kopf und war sofort tot. Ochs hatte
sich des schweren Diebstahls und Mordversuchs schuldig ge-
macht und war zur Beobachtung seines Geisteszustandes in
die Irrenklinik verbracht worden.
Diebstähle ohne Ende. Vor dem Hauptpostgebäude
wurde einem Postbeamten ein Fahrrad im Werte von 500 M.
gestohlen. Ferner wurden einem Wirt in der Unt. Neckar-
straße ein Handwagen im Werte von 800 Mark entwendet.
Letzte Nachrichten.
Wiedereintritt der Demokraten in die Reichsregiernng.
Berlin, 1. Okt. Die Verhandlungen über die Umbil-
dung des Kabinetts führten heute zu einer vollen Einigung.
Die Demokraten übernehmen das Ministerium für Justiz,
dessen Leiter gleichzeitig mit der Vertretung des Reichskanzlers
beauftragt wird, das Innere sowie das neue Ministerium
zur Durchführung der wirtschaftlichen Friedensbedingnngen,
insbesondere des Wiederaufbaus von Nordfrankreich und
Belgien. (Wir kommen morgen auf diese Meldung zurück. Die Red.).
Verbilligung der Lebensmittel.
Berlin, 1. Okt. (Priv. Telegr. der „Kölner Volks-
zeitung"). Der Nationalversammlung wird demnächst eine
neue Kreditvorlage in der Höhe von dreieinhalb Milliarden
zugehen, die dazu dienen soll, die Lebensmittel zu ver-
billigen und sie verhältnismäßig auf einem niedrigen
Niveau zu erhalten. Die rationierten Lebensmitteln sollen
zu den bisherigen Preisen abgegeben werden. Das Reich
übernimmt die Kisten, die sich aus der geringeren Aus-
mahlung des Brotgetreides ergeben.
Heimkehr der Gefangenen.
Berlin, 1. Okt. Die schweizerische Gesandschaft in
Paris teilt mit, daß die in französischer Hand befindlichen
Kriegsgefangenen nach der Ratifizierung des Friedensver-
trages abtransportiert werden. Da die Ratifikation in den
nächsten Tagen vollzogen wird, ist mit dem baldigen Ab-
transport zu rechnen. Die Gesamtzahl des bis jetzt von
den Aliierten zurückgegebeneu Gefangenen beträgt 130000.
Amerikanische Kriegsschiffe in italienischen Gewässern.
Versailles, 1. Okt. Die Chicagoer Tribüne meldet,
daß amerikanische Kriegsschiffs an der adriatischen Küste kreu-
zen, um jeden italienischen Landungsversuch zu verhindern
Ungarns Regierung nicht anerkannt.
Berlin, 1. Okt. Wie der Lokalanzeiger meldet, erschien
der Vertreter der Entente in Budapest beim Ministerprä-
sidenten Friedrich und teilte ihm mit, daß eine Anerkennung
seiner Regierung ausgeschlossen sei.
Die Arbeitskonferenz in Washington.
St. Germain, 1. Okt. (Wolff.) Korr.-Bur. Namens
der Friedenskonferenz richtete Polk an den Konsul Mayer-
Hauser eine Note, in der mitgeteilt wird, daß Wilson die
erste Sitzung der alljührigen Arbeitskonferenz für den 23. Ok-
tober nach Washington einberufen hat. Die Friedensdelegier-
ten haben am 11. September beschlossen, die Frage der
Zulassung der Delegierten Österreichs und Deutsch-
lands, obgleich die österreichische und deutsche Regierung
cke jure nicht Mitglieder der internationalen Arbeiterorgani-
sation seien, der Arbeiterkonferenz zu überlassen und deren
Reise nach Washington kein Hindernis in den Weg zu legen.
Wilson gegen den englisch-persischen Vertrag?
Versailles, 1. Okt. Die Pariser Abeudpresse ver-
breitet eine Depesche aus Washington, nach welcher
Wilson gegen den englisch-persischen Vertrag protestiert
haben soll. Das Staatsdepartement weigere sich jedoch,
den Meinungsaustausch zu veröffentlichen, der deshalb
zwischen Amerika und England gepflogen worden ist.
Chile und Peru rufen den Völkerbund an.
Versailles, 1. Okt. Die Pariser Presse verbreitet die
Nachricht, daß der Völkerbund von Chile und Peru an-
gerufen worden ist, um die zwischen den beiden südameri-
kanischen Republiken entstandenen Grenzstreitigkeiten zu
regeln. Der „Ben Soir" fügt dieser Nachricht die Be-
merkung bei: Die beiden Staaten glauben also an den
Völkerbund; Es ist schade, daß sie so weit wohnen!
furt, wo er mit einigen Unterbrechungen bis zum Jahre 1899 ver-
blieb. In diesem Jahr wurde er als Professor nach Karlsruhe be-
rufen, wo er bis in diese Zeit hinein lehrte und die besten seiner
Gemälde schuf. Diese sind im wahrsten Sinne als volkstümlich an-
zusprechen, sodaß es sich fast erübrigt, sie zu nennen. Ihre Zahl
ist auch derart groß, daß eine Aufzählung im Rahmen dieses Ar-
tikels nur lückenhaft sein könnte. Zu seinen hervorragensten Ge-
mälden sind zu zählen: „Der Hüter des Tales", „Tanzende Kinder",
„Schwarzwaldlandschaft", ferner seine verschiedenen Darstellungen
aus dem Leben Jesu und der Bilderzyklus aus dem Christusleben
in der Karlsruher Kunsthalle. Dem lange verkannten Künstler hat
es dann in seinen späteren Lebensjahren an Ehrungen mancher Art
nicht gefehlt. Heute zählen ihn mehrere Städte zu ihren Ehren-
bürgern. Möge der im weißen Silberhaar noch tätige Künstler
uns noch manches Werk seiner reichen Kunst schenken.
Karlsruhe, 1. Okt. Zu Hans Thomas 80. Geburtstag w ird
uns von Inständiger Seite mitgeteilt: Das Ministerium des Kultus
und Unterrichts hatte zur Feier dieses Tages eine Festaufführung
von Mozarts „Zauberflöte" mit einem kurzen Vorspruch und die
Veranstaltung eines Sinfoniekonzertes am 1. und 2. Oktober in An-
wesenheit des Künstlers geplant. Prof. Hans Thoma hat jedoch,
da es zur Zeit unpäßlich sei, gebeten, von beiden Veranstaltungen
abzusehen. -
Höchstpreise im Mittelalter. In der neuesten Nummer von
„Zeiten und Völker'" Monatshefte für Vokkswirtfchastslehre, Staats-
bürgerkunde, Geschichte und Geographie (Franck'sche Verlagshand-
lung, Stuttgart) lesen wir: Anfangs Januar 1623 sah sich die Be-
hörde in Wien zur Festsetzung von Höchstpreisen gezwungen.
Folgender Bericht eines Zeitgenossen darüber mutet uns recht be-
kannt an: „Wegen täglich allhier aufwachsenden Teuerung der Vik-
tualien und anderer Leibes- und Hausnotdurft ist vergangenen Erich-
tag an gewöhnlichen Orten eine Ordnung und Jnterimstare des
Geflügelwerks, Käse, Butter, Schmalz, Honig, Wachs, Fische. Un-
schlitt, Kerzen, Seifen, Leinwandwaren, Tücher, Häute, Leder, Felle,
Schuhe, Stiefel, Schmiede-, Schlosser-, Seiler-, Zimmermanns-, Mau-
rer- und Tagwerksarbeit, Landkutschen- und anderer Fuhrleutlohn
durch öffentlichen Ruf publiziert und angescklagen; auch allbereits
etliche Verkaufsübertreter mit Spannung an das Kreuz auf offenem
Marktplatz gestraft worden; und sollte demnächst mit Kauf- und
Handelsleuten Ware dem armen gemeinen Mann zu was Linderung
eingerissener unerschwinglicher Teuerung ebenmäßig eine Taxe, Satz-
ung und Ordnung oorgenommen werden."