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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. November - 27. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43996#0209
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UKKesMtLÄg M sie w-erktärige Bes-slkerLUK Ser AmtsveMs HejöerLerg, WirMoch., OjsshejM/ Eppingen, Gberhach, Mysbsch, Blrchsu, Aöershtt'm,
Tsu-erSischsssheiW und WerihsiM.

MzsgSN'els: Monatftch «Mfchl. TrL^rlrho 1.M M„ durch die Kofi
bWMm'wsvaRch 1.«0 M?., sietteljäh^lich 4.M Mk. «lSschl. Zustellung.
BÜWkisErK»; Mr eÄispsttiss Deiitzslts (Mmm breit) M M... Re-
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HsOZlösrH, MsnLag, -IT. NsvemHer -19^9
Nr. 4^ » L. IsHrgSNg

Versnttvvrtt.: Für innere u. äußere Politik, Doikswirffchafi u. Feuilleton: Sr.
C. Krsusfür Kommunales u. soziale Rundschau: I.Kaha»fürLokales-
O.Gelbel; für dir Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Hel-Merz,
Druck und Verlag brr llnksbabischen DerlagSanstatt<S.m.v.H., HeidÄherg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39. Fsmsprscher 2<-4Ä.
GeschästsstunLen: 8hr. Sprechstunden der Redamov: 11-4! Mr.


Der Krach im Untersuchungsausschuß.

die
front durch jedes denkbare Mittel Erleichterung verschafft werde und

Helfferich uerWeigert das Zeugnis. —
Warmuth lsgt den Vorsitz nieder.
Berlin, 15. Nov.
Vorsitzender Warmuth eröffnet die Sitzung um IEA Uhr. Er
-Ummt Bezug auf die Ausführungen des Reichsministers Dr. Dckvid
Wer die Intcrventivnsverfuche einer neutralen Macht und stellt fest, daß
die Verhandlungen darüder, die in geheimer Sitzung erfolgen, noch
keineswegs abgeschlossen sind, sodaß es nicht möglich ist, nach
dieser Richtung hin ein abschließendes Urteil zu Zöllen.
Dr. Helfferich weist zunächst darauf hin. daß es sich bei der U°
Vootfragc nicht um eine Gläubensmache und nicht um eine grundsätzliche
Frage, sondern um eine taktische Frage handelte. Gothein und
Struve hätten sich damals für den beschleunigten Bau von U-Booten
eingesetzt. Heute zeigen die Herren aber eine prinzipielle Gegnerschaft.
Für mich war wesentlich und initbe stimmend die Ani-
tvori der Entente, durch die die Friedenstür schallend ins Schloß
Keworfen wurde. Bethmann berichtete aus Pietz, baß die Oberste Heeres-
leitung erklärt habe, daß ihr eine Fortsetzung des Krieges gegenüber den
bevorstehende» feindlichen Offensiven unmöglich erscheine und daß sie
bi« Verantwortung für die weitere Fortsetzung der Kriegsorperatwnen
Hernehaien könne, wenn nicht unserer schwer bedrängten West-
wenn nicht durch den U-Bootkrieg die Zufuhr von feindlichen Verstär-
kungen und Munition verhindert werde. Wir standen nun einer mili-
tärischen Zwangslage gegenüber.
Vorsitzender Aar m u t h: Ein intensives Drängen des Präsidenten
Wilson, den Frieden herbeizusühren, war wohl nicht vorhanden?
Dr. Hr ! f ? erich: Ich war schon damals skeptisch. Po-
Aiv kann ich aber unter meinem Eid hierüber nichts aussagen.
Mein Vertrauen aus Wilson war nach der Lansin g°A ffäre rest-
ws erledigt. Ich habe zunächst mit der Tatsache des Beschlußes in Pleß
KU rechnen, nm die ich nicht herum konnte, wenn ich nicht durch meinen
Abschied nutzlos dagegen demonstriert hätte. Ein zweite neue Tatsache

Kautsky am Grabe Haases.
Nach einem vvm tiefsten Kindesschmerz durchwehten Abschieds-
Mch -Ernst Haases an seinen Vater nahm Karl Kautsky
sas Wort zu einem Nachruf an seinen besten Freund und Berater.
Das Wesentliche sei hier wiedergegeden:
Karl Kautsky:
Mein teurer, armer Freund Haase! Bor sechs Fahren war
es Bebe l, der von uns dahinginy als Freund, Berater und Füh-
rer. Mein bester Freund, der bis dahin Bebel gewesen, wurde
nun Haase, an ihn schloß ich mich aufs engste an. Ach habe seitdem
kein Problem untersucht, keine große Entscheidung getroffen, ohne
Aich vorher mit Dir, mein teurer Freund, besprochen zu haben
Md jedesmal schied ich von Dir mit reichem Gewinn. Stets ging
ich von Dir reicher an Einsicht und Klarheit, aber stets auch mit er-
neuter und vermehrter Liebe dank der hinreißenden Gewalt Dei-
ster unendlichen Seelengute und Selbstlosigkeit.
Wir sind heute mehr verarmt als nach Bebels Tode, denn
»ach diesem fanden wir Haase. Wer kann uns heute Haase er-
setze«? Und das gilt nicht nur für den Kreis der Freunde und
für die deutsche Partei, es gilt auch für die Internationale.
Auch in ihr war Haase Bebels Nachfolger, nicht nur in der vffi-
siellen Stellung, sondern auch in der wirtlichen Bedeutung. Das
Aeigte sich zum Beispiel deutlich in der denkwürdigen Sitzung des
Internationalen Bureaus unmittelbar vor dem Kriege am 29. Juli
1914. Es stand manch einer kleinmütig, manch anderer verständ-
nislos der damaligen gespannten Situation gegenüber. Aus den-
jenigen, die die volle Größe der Gefahr erkannten und ihr doch
hochechobsNen Hauptes entgegentraten ragten vor allem zwei Man-
ner hervor: Jean Iaures und HuHo Haase.
Leider hatten wir uns damals in emem getäuscht: wir hatten
«Wartet, noch Zeit zu finden zur Propagierung des Friedens, aber
Nir hatten nur gerade noch so viel Zeit, heimzukehren und schon
brachen die Dogen des Krieges über unsere Häupter herein.
Karl Liebknecht und Hugo Haase, sie wurden die
Leiden Mittelpunkte, um die sich alles scharte, was in Deutschland
W Frieden und Völkerverständigung eintrat, sie wurden die Ob-
Me einer Schlammflut von Beschnnpfungen und Verleumdungen,
aber sie wurden gleichzeitig auch teuer den Herzen von Millionen,
die sich gegen das grauenhafte Morden wehrten.
Damals stiegst Du, mein teurer Freund, auf zu historischer
Größe, damals zu internationaler überragender Bedeutung, die
Du nicht verloren, sondern vertieft hast in der Revolution. Großes
haft Du geleistet, noch Größeres stand Dir bevor.
Wenn es dahin kam, daß das deutsche Proletariat wieder
eine einheitliche Kampffront bot, dann warst Du berufen, sein vor-
nehmster Führer zu sein, ihm seine Ziele zu weisen, es zum Siege
M führen. Und als Führer einer einheitlichen deutschen Sozial-
demokratie konntest Du auch am erfolgreichsten bei dem Streben
Mitwirken, die Proletarier aller Länder in einer machtvolle« Inter-
nationale zusammenzufässen und durftest Du erwarten, ihr den
Stempel seines Geistes aufzoprägen.
Jetzt bist du dahin und wir sind unendlich verarmt. In weni-
M« Minuten wird das, was sterblich war an Dir, mein teurer
Freund, den Flammen übergeben werden. Aber Dein Bild bleibt
»n unserem Herzen, in den Herzen von Millionen, die nach der Be-
freiung der Menschheit ringen. Es bleibt in ihnen nicht als leb-
lose historische Erinnerung, sonder» als lebendige machtvolle Trieb-
kraft der Fortentwicklung zu höheren Gebilden.
Nur das ist die Unsterblichkeit, an die wir glauben. Wir
saßen Dich nicht, wir bleiben Dir treu, wenn wir vorwärts mar-
schieren, Du kämpfst mit uns, wo wir kämpfen und wenn wir sie-
ge«, ist das auch Dein Sieg. Du bist der Triumphator, denn es
Eft der Triumph besten, was das Beste, Größte an Dir, was der
Inhalt Deines Lebens war. Es ist der Sieg unseres herrlichen,
unsterblichen Ideals, des internationalen Sozialis-
mus.
Nach Kautsky sprachen noch Luise Zieh und Dr.
Avsenfeld.

Die Lage im Osten.
Das Vordringen der lettischen Truppen.
Berlin, 16. Nov. iPrivatmelkmng.) Wie in Königs-
berg zuverlässig verlautet, gehe« die rveftrirsfrsche» Truppen
vor dem Angriff der lettischen Armee ans Mita« zurück.
Der roeftrusstsche Zentralrat und das Bermondtsche Haupt-
quartier treffen Vorbereitungen Zur Räumung Milans
und zur Übersiedelung nach Schaulen und Litauen. Nach
lettischen Mitteilungen haben die gegen Vermondt kämpfen-
den lettischen Truppen die kurländische Aa bis Bierder-
lmghof überschritte» und Dobel besetzt. In der Nacht
zum 11. November gingen die Letten über die Düna und
nahmen die Vorstädte von Riga aus dem linken Düna-
user. Der lettische Volksrat veranstaltete aus Anlast der
Befreiung Rigas von Bermondtschen Truppen eine Fest-
sitzung. Die Vertreter der englischen, französischen und
amerikanischen Missionen übermittelten dem lettischen Minister-
präsidenten ihre Glückwünsche. An der Nsrdmestfront
greifen die Bolschewisten andauernd kräftig an. Sie
eroberten Jamburg. Judenitsch ging über den Lugafluß
unter Sprengung der Brücken zurück. Damit ist die Weiße
Armee offenbar bereits über ihre äußere Stellung vor der
Offensive gegen Petersburg zurückgeworfen worden.
Denikin Kiew geräumt.
London, 16. Nov. (W.T.B.) Eine Reutermeldung
bestätigt, daß Denikin Kiew geräumt habe.
Die Wahlen in Frankreich.
Paris, 16. Nov. (W.B.) Heute Morgen haben in ganz
Frankreich die Wahlen für die Leguslative begonnen. In Paris
und Umgebung hat sich bis jetzt ke.n Zwischenfall-ereignete Aus
der Provinz sind bis jetzt wenig Nachrichten eingelaufen, da der
starke Schneefall die Verbindung beschwert.
Neuro sh len in Belgien und Italien.
Brüssel, 16. Nov. (W.B.) In Belgien haben heute die
Neuwahlen für Kammer und Sena! begonnen.
Rom, 7. Nov. (W.B.) Die allgemeinen Wahlen in Nom
und anderen Staaten ohne Zwischenfall begonnen.
Wilson rmd der Friedensoertrag.
Paris, 16. Nov. (W.T.B. La Presse de Paris be-
richtet gemäß einer Depesche aus Washington an die Zei-
tungen, daß man in amerikanischen Kreisen der Ansicht ist,
daß Präsident Wilson oder der Senat den Friedensvertrag
zurückwsisen werden, falls seine Genehmigung von den durch
den Senat bereits angenommenen Vorbehalten abhängig
gemacht werde. Präsident Wilson betrachtet dis Zustimmung
zu diesen Vorbehalten für eine Abweisung des Vertrages.
Die Vorbehalte Amerikas.
Washington, 7. Nov. (W.B.) Der Senat hat folgenden
Vorbehalten zugestimmt: 1. Die Vereinigten Staaten in der An-
wendung der Auslegung der Monroedoktrin souverän. Sie unter-
liegt in keiner Weife der Gerichtsbarkeit des Völkerbundes. 2. Die
Vorbehalte der Reparationskommiffivn betr. die Regelung des
amerikanischen Exportes nach Deutschland kann nur nach der Sank-
tion des Kongreßes zur Anwendung gebracht werden, 2. Dre Kon-
greß erhält die Verträge Amerikas im Völkerbund und in der
internationalen Kommission. 5. Bezüglich der Verwaltung feind-
licher Güter erkennt Amerika nur die Eindrücke der amerikanischen
Staatsbürger an. 6. Der Senat stimmt der Vorbehalte betr. des
wirtschaftlichen Boykotts und die Rüstung zu.
Protest Amerikas in Brüssel.
Haag, 16. Nov. (W.T.B.) Aus Washington wird
dem Niemvs Courant unter dem 14. November gemeldet:
Das Staatsdepartement unternahm Schritte, um zu ver-
hindern, daß Vorräte an Waffen und Munition von
Belgien »ach Mexiko geschickt werde«. Der amerikanische
Geschäftsträger protestierte in Brüssel gegen die Verschiffung
von Waffen aus Belgien nach Me.riko, dis, wie verlautet,
Anfang Dezember von Antwerpen aus erfolgen sollte.

ivar die, daß der Reichskanzler mir die definitive Antwort der Entente
entgegenhielt.
Vorsitzender Warmuth: Waren Sie der ilebcrzeugung, daß die
öffentliche Meinung Amerikas durchaus nicht auf feiten Deutschlands
stand?
Dr. Helfferich: Die Stimmung in der amerikanischen Ge-
schäftswelt habe ich gekannt. Ich konnte nicht annehmen, daß ein Land
angelsächsischer Natur uns geneigter fein könne als unserem angelsäch-
sischen Hauptfeinde. Deshalb hielt ich die Aussicht für eine Friedens-
aktion Amerikas für uns ein rettungsloses Unternehmen.
Professor Bonn: Welche Bewandtnis hat es mit dem Lansing-
fchen Interview? Es wurde damals sofort gegen Wilson Sturm
gelaufen und er als Agent des deutschen Volkes hingestelit.
Da hat Lansing das Wort in die Diskussion geworfen: Wenn wir nicht
zum Frieden kommen, gibt es den ll-Bootkrieg und damit Krieg mit
Deutschland.
Graf Bernstorff: Selbstverständlich hat kein Mensch geglaubt,
daß Amerika mit der Entente Krieg führen würde. Ich war immer über-

zeugt, daß di« Entente die Friedensvermittlung Wilsons nur annebMr«
Mürbe, wenn der Krieg zwischen Deutschland und den Vereinigte» Sina-
le« ausgebrochen war. Bon diesem wichtigen Punkt bin ich immer cu-s°
gegLMALN.
Abg. Dr. Cohn: Ist das Verfahren gegen den Generalkonsul
Bünz von der amerikanischen Regierung, d. h. von oben herab veran-
laßt worden? Erwartete Dr. Helfferich, der also keine Anhalts-
punkte dafür hat, daß die amerikanische Regierung das Verfahren gegen
Bünz eingeleitet hat, daß die amerikanischen Behörden eine zu ihrer
Kenntnis gekommene llebertretung eines gültigen amerikanischen
Gesetzes nicht verfolgen sollten?
.Vorsitzender Warmuth: Das gehört wohl nicht hierher. Das
wäre ja keine Tatsache, sondern ein Urteil.
Abg. Dr. Cohn: Für mich ist die Antwort wichtig zur Feststellung
der Methode der Helsferichschen Aussage. Aus der Antwort dürfte
mithervorgehen, was wir von den Ausführungen Dr. Helfferichs zu hal-
ten haben.
Dr. Helfferich: Ich habe bisher noch niemals Fragen Dr.
Lohns direkt beantwortet und bitte, mich auch davon weiterhin zu be-
freien .(Entrüstung bei den Auffchußmitglicbern.)
Vorsitzender Warmuth: Das bedeutet also
eine Zeugnis Verweigerung
gegenüber direkten Fragen des Ausschußmitgliedes Dr. Cohn?
Dr. Helfferich: Wenn ich vor einem Gerichtshof stände, würde
ich nach der Strafprozeßordnung das Recht haben, Dr. Lohn als Richter
abzulehnen.
Vorsitzender Warmuth: Die Funktionen des Ausschusses sind
verfassungsmäßig der Strafprozeßordnung gleichzustellen', sie soll sinn-
gemäße Anwendung finden. Ich bitte also um eine Erklärung des
Zeugen, ob wir auf bestimmte Fragen des Ausschutzmitgliedes Dr. Cohn
von ihm eine Antwort erwarten können.
Dr. Helfferich: Ich möchte diese-Frage, die für mich eine ernste
Gewifjensfrage ist, ohne Schärfe behandeln. Der Ausschuß ist ein
merkwürdiges Gemisch zwischen einem Gerichtshof und einer pariamen
torischen Kommission und ich bin ein merkwürdiges Gemisch zwischen
einem Zeugen und einem Bngellagten. Dr. Cohn hat ausdrücklich er-
klärt, der Ausschuß solle dazu dienen, festzustellen, was Mitglieder der
kaiserlichen Regierung verbrochen haben.
Abg. Dr. Sinzbc! msr: Das Gegenteil, Exzellenz! Z
Dr. Helfferich: Ich laste mich gerne belehren.
Vorsitzender Warmuth: Der Zeuge hat offenbar falsch ver-
standen. Wenn Dr. Cohn das gesagt hätte, so HMk ich sofort dagegen
Stellung genommen.
Dr. Helfferich: Wir wollen uns doch keinen blauen Dunst
vormacken. Ich fühle mich hier vom ersten Augenblick an als Angeklag-
ter. Wäre dies nun ein Gerichtshof, so würde ich Dr. Cohn als Richter
ablehnen. Die Herren werden wissen, worauf ich abziele und bitte, sich
mit dieser Andeutung zufrieden zu geben, um Schärfen zu vermeiden.
Wenn Eie mich aber zwingen, so werde ich auch darüber Auskunft geben.
Vorsitzender Warmuth: Der Ausschuß wird hierüber beraten.
Der Ausschuß, der sich zu einer geheimen Beratung zurückgezogen
hatte, betritt nach 1^, Stunden wieder den Saal. Die allgemeine
Spannung ist aufs Höchste gestiegen. — Vorsitzender Warmuth verliest
folgenden
Beschluß des Ausschusses:
Der Ausschuß hat mit Stimmenverhältnis 4 gegen 2 und der
Stimmenthaltung des Abg. Dr. Cohn folgenden Beschluß gefaßt: Der
Ausschuß ist kein Gerichtshof. Seine Verhandlungen sind auch
kein Vorverfahren für den Staatsgerichtsdos. Er hat kein Urteil zu
fällen. Die Ablehnung eines Beisitzers aus persönlichen Gründen ist
nicht zulässig, ebensowenig die Nichtbeantwortung von Fragen, die ein
einzelnes Mitglied stellt. Eine Ablehnung der Beantwortung von Fra-
gen steht einem Zeugen nur aus den Gründen der Strafprozeßordnung
zu. Der Vorsitzende fährt darauf fort, indem er sich an Dr. Helfferich
wendet: Sind Sie bereit, Exzellenz, nachdem ich diesen Beschluß vor-
gelesen habe, jetzt die Fragen von Herrn Dr. Cohn zu beantworten?
Dr .Helfferich: Der Beschluß hat an den für mich maßgeben
den Gründen nichts geändert. Daher bin ich nach wie vor nicht bereit,
die Fragen des Herrn Dr. Cohn zu beantworten. (Bewegung und Bei-
fall im Zuhörerraum.)
Vorsitzender Warmuth: Für diesen Fall ist mit dem gleichen
Stimmenverhältnis 4 gegen 2 bei Stimmenthaltung des Abg. Dr. Cohn
folgender Beschluß des Ausschusses ergangen: Der Zeuge Dr. Helfferich
wird, da er sein Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert hat, ent-
sprechend 8 6!> der Strafprozeßordnung in die durch die Weigerung ver-
ursachten
Kosten, sowie zu einer Geldstrafe von 3M Mark
verurteilt. Vorsitzender Warmuth fährt fort: Persönlich möchte ich
folgende Erklärung hinzufügen: Der Sträfbcfchluß an sich entspricht nickt
meiner Auffassung über die Bedeutung der sinngemäßen Anwendung
der Strafprozeßordnung auf diesen Ausschuß. Ich bin der Auftastung,
daß man die Strafprozeßordnung nicht in so weitgehender Weife auf
das, was diesem Verfahren zugrunde liegen soll, ausdehnen darf, daß
man vielmehr auch die persönlichen Gründe würdigen soll, die jemanden
bestimmen können, sein Zeugnis zu verweigern. Ich habe weiter den
höchsten Wert darauf gelegt, daß yvr einem solchen Beschluß die per
fönlichen Gründe genannt werden, die Dr. Helfferich veranlaßt haben,
fein Zeugnis zu verweigern, ehe man ihn deswegen verurteilt. Für mich
ist die Ablehnung meiner Stellungnahme durch die Ausschußmeyrheit jo
bedeutsam und so wichtig, daß ich
den Vorsitz des Ausschusses hiermit niederlege.
(Lebhafter Beifall bei einem Teil der Pressevertreter und im Zu-
hörerraum.) Ich übergebe den Vorsitz muunehr dem stellvertretenden
Vorsitzenden Goihein. (Forts, folgt.«

Politische Übersicht
Kriegsgefangene und deutsche Negierung.
Aus den vom Auswärtigen Amt bei der britischen Regierung
durch Vermittlung der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin er-
hobenen ernsten Einspruch gegen die Irreführung der Kriegs-
und Zivilgefangenen, die deutsche Regierung trage die Schuld da-
ran, wenn die Heimschaffung der Gefangenen noch nicht stattge-
funden habe, hat die britische Regierung die Versicherung abgege-
ben, daß jedem Versuch, die deutsche Regierung aus diese Weife zu
verdächtigen, nachdrücklichst entgegengetreten rvürde.
Maßnahmen zur gründlichen Untersuchung der Angelegenheit
seien getroffen.
Tie schweizerische Gesandtschaft in London hat bei diesem An-
laß daraus hingewiesen, daß ihr Delegierter bei Besuch der Ge-
fangenenlager stets bemüht gewesen ist, die Gefangenen über den
 
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