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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 61 - Nr. 70 (10. Dezember - 20. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43996#0353
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Nq-sszeiirmg M -j- weMLiige BevSKemss öer AmtsbezLr-e. HeideWers, Wiesloch, GinsHeiM, GppLagen, ÄberSach, MoSSach, Buchen, Adelsheim, BsxSerz,
LauberRschofsheim und Weecheim. .


DM-HweiSr Wsmttlich einschl. Trägrrlohn dur-ch die Post
StMM msnskkich -r.ss Mk., vrettsyährllch 4.89 Mk. auSschl. ZusteLuns-
KiMWKMift: Die ekuspaktige Peiltzeile l ZS mm breit) ss M„ Rs-
KüMe-Äuzrigen (SZ mm dreky 1..8S Mk. Lei Kiederhslungen Nachlaß
nach «arif. GrWkrmlttel-Anzeigen werden nickt «wfaenomme».
KoWchM«kisKMzsrkchr N'.2rZM. Lek.Mdr.: VMGsiirMgHei-MbevA.

HeDMZrH, Fkeiisg, ÄS. DszeMbsr -MM
Nr. 69 -- Ä. Jahrgang

Bersniwsrtt.: Mr innere u. Süßere MM, Volkswirtschaft u. Feuilleton: Dr .
G.Krau«r für Kommunale« u. soziale Rundschau: A Kahnr sür.LskÄLs:
O. Geibel; Mr die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der d'nterbadischen Derlagsanstalt <S. m. b. H., Heidelberg,
Geschäftsstelle: Gchröderftraße 3S, Femfprecher 2<>r3,-Redaktion: ZS48.
GeschästSstuntzen: S-'/zö Uhr. Sprechstunden der Redaktion: rr-t- Lhr.



NMsstzsteuSr NRd EleZtmzitätsgesetz aNgenewmeN.

Kundgebung für unsere Gefangenen.

SozfsWerung der Bildung, der schöpferischen Organisation de'S
Geistes, als was au? wirtschaftlichem Gebiet das System der Be-
triebsräte ist: Zusammenarbeit aller an der Erziehung beteiligten
Faktoren.
So sind es drei wesentliche und wertvolle Errungenschaften,
welche die Schule der Revolution verdankt, Grundpfeiler künftiger
Entwicklung, Fundamente künftigen Aufbaues: Freiheit eines jeden
Erziehers, eines jeden Lehrers als Staatsbürger,
als Men f ch und als Beamter; Gleichheit eines jeden jungen
Deutschen durch dis grundsätzliche Anerkennung der Begabung
als Grundlage der Auslese und des Aufstieges
und drittens Brüderlichkeit aller an der Erziehung Betei-
ligten in einer aus dem Gedanken der Eigengesetzlichkeit des
Bildungswesens fließenden und sich entwiäellrdcn Organisa-
tion der Selb st Verwaltung!

Ausland.
Die Ententehilfc für Oesterreich.
Der O b e r st e R a t i n P a ri s gibt folgenden Bericht über
die Verhandlungen, die Renner um die Hilfeleistung für das
verhungernde Oesterreich führt: Nach dem Vortrag des Staats-
kanzlers Renner erklärte der Vorsitzende des Organisationskvmitees
der Reparationskommission Loücheur, nachdem er den Be-
schluß des Obersten Rats mitgeteilt hatte,
zunächst die sofortige Absendung von 39 tOa Tonnen Getreide,
die bereits inTrieft lagern, nach Oesterreich zu veranlagen. Die
Alliierten wtirden Südflawien einen Kredit gewahren zur
Lieferung von L e b e n s m i t t e l n an Oesterreich. Eine eigene

RatWstisK und VÄZerÄrmd.
Amsterdam, 19. Dez. (W.B.) Msrnmgvoft erklärt, datz cs
jetzt so gut wie sicher sei, daß der Vertrag von Versailles am 1.
Januar 1920 in aller Form ratifiziert fein und der Völkerbund in-
folgedessen automatisch in Kraft treten werde. Der Rat des Böller-
dun des werde vermutlich am 7. oder 8. Januar in Pari zusammew-
kreten. England werde durch Lord Curzon vertreten sein.
Der Rat wird sich nächst der Saarsrags mit der Ernennung eines
Oderkommiffars für Danzig befassen.
Die kriegslustigen SerLeN.
Berkin, 19. Dez. (W.B.) Dem „Der?. Tagbl." wird aus
Basel gemeldet, schweizerische Blätter melden das Anrücken serbi-
scher Truppen in einer Stärke von 2 Korps gegen Dalmatien,
Italien und Nordalbanien. Die Truppen sind in voller Kriegs-
bereitschaft.

der geschichtlichen Entwicklung des gesamten Schulwesens ist eine
GrrmdvorkLsfttzvmg jeder wahren Höherentwicklung; bas bedeutet
aber durch aus nicht eine Trennung der Schule von der religiös-
sittlichen Erziehung, dis als Kulrurwert feder ErziehungsvrganWion
erhalten bleiben soll im Rahmen ihrer erzieherischen Bedeutung.
Das sind nur Streiflichter, einige Richtlinien dessen, was erreicht
wurde oder durch die Umformung des monarchisch-reaktionären
Staates zum Volksstaat nun durch die neue Verfassung auf dem
Gebiet der Schule angebahnt ist.
Die Revolution, hat weiterhin der Lehrerschaft die volle
staatsbürgerliche Freiheit gebracht. Wir haben schon davon ge-
sprochen, daß der Volksffchullehrer — im Gegensatz zum
Lehrer an höheren Schulen — unter der direkten Herr-
sch a f t d e r K ir ch e stand. Das ist vorbei. Heute hat die Kirche
kein Recht mehr, dem Lehrer irgend etwas zu befehlen. Er kann
insbesondere nicht mehr gezwungen werden, den Religionsunterricht
zu erteilen, wenn er dies nicht mit seiner religiösen lleber-eugung
vereinbaren kann. Ebenso kann kein Schöler mehr gezwungen
werden, den Religionsunterricht M besuchen, wenn seine Eltern da-
gegen Bedenken haben. Die Gewissensfreiheit des Lehrers und
des Schülers hat die Revolution die Schule in vollem Um-
fange gebracht; wenn auch nicht übersehen werden soll, datz die
theoretischen Grundlagen in der Praxis allerlei Hemmungen erfah-
ren können, die nicht im Sinne des Gesetzgebers find. Dieser reli-
giösen Freiheit entspricht die politische Freheit des Lehrers. Es
gibt keinen bad. Unterrichtsminister mehr, der einem Lehrer ver-
bietet, einen Ardeitergesangverein zu leiten; es gibt keine badische
Regierung mehr, die den Lehrern verbietet, sich Sozialdemokrat zu
nennen. Der Erzieher des werktätigen Volkes, des Proletariats,
kann heute sich politisch und gewerkschaftlich frei
organisieren. Daß dies heute erst von wenigen in seiner
ganzen Tragweite erkannt wird, noch allzu viele Lehrer von Pro-
letarierkindern den Schritt zur Sozialdemokratie noch nicht getan
haben, wird den nicht erstaunen, der die S e mi n a r e r z i e h un g
der Volksschullehrer in ihrer ganzen engherzigen Mittel-
alterlichkeit kennt und der weiß, wie schwer es für einen in
bürgerlichen Standesvvrurteilen groß gewordenen Beamten ist, sich
zur Weltonschaung des Sozialismus durchzuringen.
Die Revolution hat drittens als fruchtbarsten und wertvollsten
Gedanken, vielleicht als die tiefste Idee der Revolution überhaupt
— wir stehen heute noch viel zu nahe bei dem Geschehen als daß
wir dies bereits so recht deutlich und allgemein erkennen könnten —
den Gedanken der Selbstverwal tsu n g aus nahe hundertjäh-
riger Vergessenheit in das geschichtliche Werden hineingeschleudert.
All die Erscheinungen und Gedanken, die wir unter dem Namen
Ratesystem, Betriebsräte, Dreisliederung des sozialen Organismus,
Ständestaat von den verschiedensten Seiten her erleben, sind nichts
anderes als der tiefe, vielen noch unbewußte Wille der Zeit: das'
wirtschaftliche und geistige Leben mit dem Gedanken der Selbstver-
waltung zu erfüllen und zu durchdringen. Hiervon kann die Schrlle
um so 'weniger eine Ausnahme machen als insbesondere die
Eigengesetzlichkeit des Schulwesens nach einer
Durchgestaltung im Sinne der Selbstverwaltung geradezu schreit!
Wenn auch bei uns in Baden, aus Gründen, die hier nicht wei-
ter erörtert werben sollen, dieser Gedanke auf dem Gebiet der
Schule noch nicht ganz durchgedrungen ist: der Kampf um die
Schulbeiräte im Frühjahr 1919 hat bewiesen, daß die Lehrerschaft,
zumal in ihren wirklich führenden Persönlichkeiten, den Sinn und
Wert dieses Gedankens voll und ganz erfaßt hat. Die Schute der
neuen Zett wird unter dieser schöpferischen Idee der Selbstverwal-
tung sich ausbauen und entwickeln müssen — oder sie wird nicht
die Schule einer neuen Zeit sein. Dann wird sie auch nicht die
Früchte bringen, die eine revolutionäre entwicklungsbewuhte Welt-
anschauung von ihr erwartet. Das mögen sich die gesagt sein lassen,
die aus verkalktem obrigkeits staatlich em Denken
heraus glauben, durch Machtsprüche die Erfüllung der Gedan-
kenwelt der Selbstverwaltung zu verhindern. Sie stemmen sich gegen
die Zeit, und die Zeit wird über sie Hinwegschreiten. Denn Selbst-
j Verwaltung der Schule: das ist nichts anderes auf dem Gebiet der

Das Gesetz Libsr die BSftrsrfNRg der
KriöSLVsrgSheR.
Paris, 19. Dez. (W.B.) Herr von Lersner ließ dem Sekre-
tariat der Friedenskonferenz am Donnerstag eine Note zugchen,
zur Uebermittlung des Wortlautes des am 13. Dezember von der
Nationalversammlung angenommenen Gesetzes, welches das Ver-
fahren vor dem Kriegsgericht für Aburteilung von Vergehen regelt,
die in Verletzung der Kriegsgefetze auf fremdem Gebiet begangen
worden such.

Politische Übersicht
Ströbels vernichtendes Urteil üder den
Unabhängigen' Parteitag.
Kurzsichtige Demagogenpolitik,
s- Heinrich Ströbel veröffentlicht in der neuesten Nummer
der „Weltbühne" Ausführungen über den Leipziger Par-
teitag der U n a b h am g i g en, die wir wegen der treffenden
Kennzeichnung des Wesens dieser Tagung unverkürzt wjedergebem
„Eine Abkehr.vom nationalistischen Wahnsinn und der militaristi-
schen Provokationsvolitik wäre gleichwohl durchzusetzen gewesen, ivenu
die Unabhängigen sich mit den Rechtssvzialisteu in einen demokatstch-
sozialistischen Block zur Sicherung der Republik znsackmengeschlvfsc»
hatten. Der Noskismus hatte dann vor einer Politik der inneren und
der internationalen Verständigung die Segel streichen müssen. Aber'
leider Hal -er Patteitag unsere schlimmsten Erwartungen noch über-
troffen. Niemals hak man Verhandlungen von solcher Gedankenarmut,
niemals den Triumph solch trostlose? Mittelmäßigkeit erlebt. Niemals
seit Bestehe» der deutschen Sozialdemokratie so verhängnisvolle Be-
schlüsse. An Haases Stelle sitzt nun, neben dem hilflos beflissenen Par-
teischüler des Bolschewismus Lrispien der Magistrale Fanatiker DLumig,
eine wunderliche Mischung von Revolutionsfanaliker und VrganisailBW-
philifter. Sie dirigieren fortan mit Stöcker, und Koenen die Partei.
Selbst der alte Heißsporn Lcdebvur war wegen seiner demokratisch
parlamentarischen Vorbehalte und seiner Verwerfung des Terrors den
waschechten Rate-Fanatikern nicht radikal genug. Und entsprechend der
Zusammensetzung des Vorstandes legte man denn auch die Partei
auf das Rätesystem, aus -ie Diktatur des Proletariats, die dritte,Inter- '
nationale und die Weltrevolution fest. So lange die Unabhängigen
unter einer solchen Führerschaft und unter dem Zwange eines
so wirklichkeitsfremden Prograuuns stehen, sind sie als Faktor einer posi-
tiven, ausbauenden Politik in Deutschland ausgcschaliet. Ihr hemmungs-
loser Wortradikalismus wird ihnen, bei der hoffnungslosen Verfahren-
heil der deutschen Zustände, der Unfähigkeit der Herrschenden und -em
wachsenden sozialen Elend auch künftig noch Arbeiterschichten zutrnben:
dem polirischen Ausstieg und der soziale» Befreiung wird ihre kurzsichtige
Demagogenpolitik nimmermehr dienen. Im Gegenteil: der Noskismus
und die Reaktion können sich keine besseren Verbündeten wünschen. Des-
gleichen die Machtpoliliker und Imperialisten -er Entente, deren Ab-
sichten aus die Zerreißung und dauernde Schädigung Deutschlands in
den bolschewistischen Allüren -er deutschen Unabhängigen und in dem
unsinnigen Geschrei von der Weltrevolution ja die willkommenste Ent-
schuldigung finden. , .
Bemitleidenswert war die Nolle, die der Chefredakteur der „Meo-
heit" spielte. Rudolf Hilfcrding hat, wie ja seine Patteitags-
reden über die dritte Internationale und die Aussichten des Bolschewis-
mus bewiesen, viel zu tiefe Einsichten in das Wirtschaftsleben und die
ökonomischen Möglichkeiten, als -aß er ohne Widerstreben seines ganzen
geistigen Menschen diese Kursschwenkung -er Partei- hätte mitmachen
können. Er fand ja auch manches tapfere und ehrliche Wort der Kritik
gegen die rabiate Stimmungspolitik -er verblendeten Mehrheit. Aber
er'drang nickt durch, denn sein Protest kam zu s p S t. Hilferdkna ist das
Opfer seiner eigenen Taktik geworden. Vor Jahresfrist, als die Kcmtsky,
Bernstein, Restricpke und ich ihn zum Kampf gegen den bolschewistischen
Heilswahn drängten, wich er jedem rücksichtslosen Bekenntnis aus, weil
er durch zeitweiliges Nachgeben die Zügel um so sicherer irr -er Hand
zu -chatten glaubte. Ein rätselhafter Irrtum: denn wie konnte er über
-ie kommunistische Konfusion zu siegen hoffen, wenn er in der „Freiheit"
der» Kommunismus unausgesetzte Konzessionen machte, jede entschiedene
Kritik aber aus dem Blatte verbannte! Hat er doch nicht einmal eine
Besprechung von Kautschs Buch über den „Terrorismus und Kommu-
nismus" zu bringen gewagt.
Nicht nur die Demokratie, sondern auch der Sozialismus hat io
Leipzig eine schwere Niederlage erlitten. Wenn nicht die Logik der
Ereignisse -- vor allein die Rückentwickkung des Kommunismus zur
Demokratie in Rußland selbst — diese Fehler der Unabhängigen korri-
giert, sind die Aussichten für Proletariat und Demokratie einfach,
trostlos." r
Heinrich Ströbel steht mit dieser Auffassung über den soge-
nannten Klärungsparteitag innerhalb seiner Partei nicht allein;
nur hat er den Mut, das zu sagen, um des Proletariats willen,
selbst auf die Gefahr hin, daß die Erhabenheit der „Bonzen" in
weniger bengalischer Beleuchtung erscheint.

' ReVLMLLMr und Schule.
Von R. G. Haebler.
-Der. preußische Unternchteminkster, Konrad Haenisch, hat
vor kurzem geschrieben: „Wenn irgendwo, so kann man im Schuft
scheu Refornren nur mit lebendigen Menschen machen.- Die Eisen-
bahnverwalkirig kann mit einem Federstrich tausend Lokomotiven
eines neuen Typs bestellen, dann werden sie eben'einfach a»gefer-
tigt. Der Geist der Schule hingegen läßt sich durch eins solche
bloße Verfügung nicht von heute auf morgen «mwandän. Sowohl
sei den Lehrern wie bei den Schülern haben wir es mit Menschew-
seeien zu nm, von denen jede ihr Eigenleben führt. Da darf man
richt mit plumper baust reinscchren, wenn man nicht alles verder-
ben will. Der Geist ists, der lebendig macht, nicht der tote Buch-
stabe von Erlassen und Verfügungen."
Nun wird der preußische UnterrichLsmimstcr ja genau wissen,
datz Erlasse und Verfügungen auch notwendig sind, um den
»euen Geist in der Schule und Erziehung sich durchsetzen zu
lasten und daß auch Persönlichkeiten dieses neuen Geistes an
enffcheidender Stelle notwendig sind, um ihm zum Durchbruch zu
verhelfen furch Hemmungen Herrschgewalriger zu beseitigen — alles
das weiß er und wir wissen es: aber im Prinzip hat er recht. Die
DeNokrakiflernng der Bildung ist eine. Ausgabe für Iahrzchrttc.
Keine Revolution wird wird mit einem Schlag die. Erziehung revo-
luftönicren können. Sie kann nur dis Wege dazu frei machen. Die
Revolution des November 1918 har nicht mehr (aber
such nicht weniger!) getan als die Tore geöffnet/die bis da-
hin- verschlossen waren. Verschlossen der- frei e n Persönlichkeit
und dem frei en Geiste. Sie hat die Bahn frei gemacht für eine
Entwicklung zu sozialistischem Denken und Wollen auch auf dem
Gebiet der Erziehung. Hemmungen monarchischer -urch-kapitMtffch'er
BÜdLngsorganisattonen find hinweMerauML
Die Revolution hat grundsätzlich aufgeräumt mit dem
Klassencharakter unseres neuen Bildung«-
we-se n s. Grundsätzlich. Daß dieser Grundsatz auch prak-
t isich e Tat wird, dafür haben die kommenden Jahre und die kom-
Mett'de SchuLgesetzgebung zu sorgen. Sie werden dafür sorgen, weil
sie es müsfbn. Weil der AnMeg des deutschen Volkes, des arm
geworbenen deutschen Volkes unmöglich ist, wenn nicht mit dem
wirtschaftlichen Sozialismus auch die „Sozialisierung des Geistes"
Hand in Hand geht und deutsche Entwicklungsgeschichte wird. Denn
wir brauchen- alle, aber auch alle geistigen Kräfte in unserem Volke
zu diesem Wiederaufbau, und darunter müssen wir, ob es auch dem
»her jenem nicht bchagt und unbequem ist, wir müßen zu dieser
Sozialisienkka der geistige« Kräfte kommen. Was ist Sozialismus?
Die planmäßige schöpferische Gestaltung unseres Lebens. Das gilt
nicht nur für unser wirtschaftliches Dasein, das gilt auch für unser
Geistesleben, soweit es-Organisation ber Bildung ist und fein muß:
auch hier brauchen wir eine planmäßige Organisation aller geistigen
Krafts, die im Volksganzen schlummern. Diese planmäßige Entwick-
lung begreifen wir als EircheÜsfchille: lebendige, schöpferische
Demokratie des Gei st e s, der als organisaLorischer Grund-
gedanke die freie Bahn des Begabten zu jeder Stellung eigen ist.
Dies eine große Grundsätzlich hat bis Revolution getan und uns
gebracht: die Ueberwindmrg des Kbrsftucharafters der Schule. Nicht
mehr die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Stellung der Estern ist
maßgebend für den Ausstieg der Jugend, sondern die persön-
l i ch e L ü ch t i gk e i t, Veranlagung, geiMe Kraft. Nicht adrige
Oligarchie, noch kapitalistischer Familienegmsmus, sondern soziale
Auslese der Geistigen ist die revolutionäre Kraft, welche die Formen
unserer zukünftigen Bildungsorganifaftonen schaffen soll.
Das Ft das eine. Das andere muß eine stärkere Betonung
desGensteinschaftscharakters unserer Schule sein.
Die Ziele der Bildung und Erziehung muffen gesehen werden unter
dem Gesichtspunkt sozialer Werte. Das bedeutet eine revolu-
tionäre Ümwerttmg des Charakters unseres bisherigen Unterrichts,
insbesondere eine viel, viel stärkere Betonung der sozialen Ent-
wicklung der Menschheitsgeschichte und vor allem der Geschichte des
' deutschen Bolkes, ein Abrücken vvw Standpunkt der bisherigen Ge-
säsichtsbetrachttmg, die in dm machrpolstischen Idem rwd kriegeri-
sche« Ereignissen bas Wesentliche des geschichtlichen Wissens er-
kannte; cs bedeutet eine bewußte Einführung ber Fugend zu dem
Gedanken der VMerversöhnung, des Bölkerfriebens und der Soli-
barstät des arbeitenden Bottes aller Staaten. Es bedeutet weiter-
hin' eine mehr auf die Erziehung als auf den b k o ße n Wüs-
s e ns er werd gerichtete Einstellung des gesamten Unterrichts, es
bedeutet eine revolutionäre Umwertung des llnkerrlchtszieks ber
Volksschule als der in Zukunft wichtigsten Bildungsorganisativn, de-
ren Aufgabe im Wesentlichen die gleiche werden muß wie die der
höheren Schule: nicht bloße llebermitüimg von Kenntnissen, sondern
Entwicklung des jugendlichen Geistes zur Erkenntnis der Dinge und
des Geschehens. Dieser inneren Freiheit in der Zielsetzung des
Erziehungsbegviffs mutz die äußere Freiheit des gesamten Er-
ziehunWwefens entsprechen. Die S ch u l e i st s el bstä ndi g ge-
worden und m u tz es b leiben. Nirgends mehr Pars sie als eine
Hilfsanst -alt der irche organisatorisch in Erscheinung tre-
ten. In den meisten deutschen Staaten stand die Volksschule noch
unter der Herrschaft der Kirche; der Geistliche war der di -
rckcke Borgefetzte des Lebrers. Das ist heute nicht mehr
der Fall. Die Revolution hat die geistliche Schulaufsicht hinweg-
gefegt und jeder Versuch der Kirche, diese Aufficht wieder einzu-
führen, würde eine geschloffene Lehrerschaft gegen sich haben, eine
Lehrerschaft, die einig wäre von den konfessionellen Lchrerveremi-
Mngen bis zur Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Lehrer. Auch die
Bestimmungen des S ch u ! k o m p r o m iss e s, die wir nur als
eine Stativ n auf dem Wege zur v o ! l e n A u t o n v m i o des
Bildungswesens betrachten können, müssen ihre reichsgeseh -
! ichkn Umschreibungen in dieser Richtung erfahren, soll nicht der
Weg Mr Einheitsschule bmch unerhörte Kulturkämpfe verbamka-
dibrt werben. DK Tre-nmmg-der Schule von der Kirche im Sinne
 
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