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Die Steuervorlagen in der Nationalversammlung.
Dis neue NsLe CleMSKeeauL.
Die neue Note, deren Hauptinhalt wir gestern kurz mitteilten,
hat folgenden Wortlaut:
Sie haben am 27. November ein Schreiben über die Heim-
schaffung der deutschen Kriegsgefangenen an mich gerichtet, das
eine Reihe von Behauptungen enthält, deren scharfe Tonart nicht
genügt, um ihre Ungenauigkeit zu verbergen. Allgemein gesprochen,
hat Deutschland hinsichtlich der Heimschaffung der Kriegsgefange-
nen nur ein Recht, nämlich das in dem von ihm unterzeichneten
Friedensvertrag niedergelegte, die Heimschaffung der Gefangenen
vom Tage der Inkraftsetzung, d. h. nach Austausch der Ratifi-
kationsurkunden. Jede Aenderung der Bestimmungen, die für
beide Parteien Gesetzeskraft besitzen, ist eine Vergünstigung.
Die Behauptung, daß die Kriegsgefangenen unschuldig am
Kriege sind und keine Verantwortung für den Krieg tragen, ist
nicht stichhaltig. Ihre Note erklärt, baß die französische Regierung
erstmals am 29. August 1919, später aus Anlaß der Kvhlenliefe-
ruugen durch Deutschland und noch später bei Bezahlung der Buße
von einer Million Mark an das französische Rote Kreuz für die
Ermordung des französischen Sergeanten Manheim sich zu einer
vorzeitigen (!) Heimsendung der deutschen Kriegsgefangenen
verpflichtet hätte. Diese dreifache Behauptung entbehrt jeder
Grundlage, denn nie ist die französische Regierung selbständige
Verpflichtungen in dieser Angelegenheit, die Sache der Allgemein-
heit der Alliierten ist, eingegangen. Die Erklärung vom 29. August
war aus Humanitären Gründen und nicht als Gegenleistung zu den
deutschen Konzessionen abgegeben worden und verkündete den Ent-
schluß der Alliierten, den Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Friedens-
vertrages bezüglich der Heimschaffung der Kriegsgefangenen vvr-
zurücken und fiel selbst in die Zeit, wo die Konventionen über die
Kohlenlieferungen und die Entschädigung für den Sergeanten
Manheim abgeschloffen wurden. Die Erklärung wurde nicht als
Abkommen zwischen der deutschen und der französischen Regierung
in Form eines Versprechens erlassen, sondern es handelte sich um
eine humanitäre Erklärung der Alliierten und betrifft die Gesamt-
heit der von ihnen gemachten deutschen Kriegsgefangenen. Diese
Erklärung enthält folgendes:
1. Den unverzüglichen Beginn der Heimschaffung der Kriegs-
gefangenen.
2. die eventuelle Abkehr von dieser Politik des Wohl-
wollens im Falle, daß die deutsche Regierung und das deutsche
Volk nicht alle Verpflichtungen, die ihnen aus dem Wsffenstill-
Handsabkommen erwachsen und an die sie bis zur definitiven
Ratifizierung des Friedensvertrags gebunden sind, erfüllen.
Gemäß dem von allen Alliierten gefaßten Beschluß begann
die Heimbeförderung unverzüglich und während mehrerer Monate
wurden die in England, Belgien und Amerika befindlichen Ge-
fangenen in ihre Heimat zurückbefördert. Wiederum gemäß der
Erklärung vom 29. August wurde die Heimschaffüng eingestellt
im Hinblick aus die unvollkommene Innehaltung der Waffenstill-
standsbedingungen durch die deutsche Regierung. Die von den
Alliierten freiwillig gemachten Versprechungen sind alle genau
durchgeführt worden.
Durch die Note vom 1. November 1919 wurde die deutsche
Regierung über die Nichterfüllung einiger durch das Waffenstill-
standsabkommen vom 11. November 1918 übernommenen Ver-
pflichtungen in Kenntnis gefetzt. Sie wurde über die Maßnahmen,
die die Ausführung der im Friedensvertrag nicht mehr erneuerten
Klauseln des Waffenstillstandsabkommens sicherftellen sollen, be-
nachrichtigt. Die französische Regierung verfolgte keine auf der
Nichthekmschassnng her Kriegsgefangenen fußende Politik und ge-
braucht diese Gefangenen nicht als Druckmittel. Sie hält sich einzig
an die Arttkel des Friedensvertrages, und wenn die wohlwollenden,
im Monat August getroffenen Maßnahmen nicht zu Ende geführt
werden, so ist das einzig auf die mangelnde Ausführung der durch
die deutsche Regierung übernommenen Verpflichtungen zurück-
zuführen.
Die Verantwortung für die Verzögerung der Heimschaffung
-er deutschen Kriegsgefangenen hat sich die deutsche Regierung da-
durch zugezogen, daß sie noch nicht einmal auf die Note der Alli-
ierten vom 1. November 1919 geantwortet und daß sie, nachdem
sie ihre Kommissare nach Paris entsandt hat zur Regelung der
Funktionen der Kommissionen für die Durchführung des Friedens-
vertrages, dieselben schon nach zwei Tagen nach Berlin zmückberief,
obwohl der Zeitpunkt und die Prüfungsbedingungen für die zu
erörternden Fragen im Einvernehmen mit den deutschen Delegier-
ten festgelegt sind. Die deutsche Regierung ist es, die die Kriegs-
gefangenenfrage aufgreift, um die deutsche öffentliche Meinung
gegen die Alliierten und ganz besonders gegen Frankreich zu ver-
hetzen.
Der Beweis hierfür geht aus der Tatsache hervor, daß die
Friedenskonferenz auf den 1. Dezember die Ratifikation und die
Inkraftsetzung des Friedensvertrages festgesetzt hatte, welcher Zeit-
punkt zugleich die demnächstige Rückkehr der Gefangenen bedeutete
und daß die deutsche Regierung, anstatt sich zu den letzten in Aus-
sicht genommenen Verhandlungen bereit zu erklären, eine zögernde
Haltung einnimmt und daß sie in bezug auf die Heimschaffung der
Gefangenen eine Diskussion in einer nicht annehmbaren Tonart
einleitete und daß es von ihr abhing, am Ende des vergangenen
Monats die Kriegsgefangenen heimkehren zu sehen. Der zögernde
Charakter eines solchen Vorgehens und die durch Deutschland ver-
schuldete Verzögerung der Ratifikation übertragen auf dieses die
ganze und volle Verantwortung für die Zurückhaltung der Gefan-
genen in Frankreich, wo sie übrigens nicht nur human, sondern mit
Wohlwollen behandelt werden. Ohne auf die Einzelheiten der
deutschen Ausführungen (welche übrigens in mancherlei Beziehung
einer Berichtigung bedürfen in bezug auf Schleswig und Ober-
schlesien sowie die baltischen Provinzen, wo Deutschland sich erst
entschlossen hat, seine Verpflichtungen teilweise durchzuführen, als
es dazu angehalten und gezwungen worden ist, in bezug auf Arttkel
81 der Reichsverfaffung, der bis zur Stunde noch nicht unterdrückt
ist, weil die deutsche Regierung immer bis zur letzten Minute war-
Eine neue Note.
Berlin, 3. Dez. (WB.) Dem deutschen Vertreter in
Paris ist folgende Note der alliierten und assoziierten
Regierungen vom 1. Dezember zugegangen: Alle bis jetzt
singegangenen Nachrichten besagen übereinstimmend, Satz
Äis deutsche Negierung seit einiger Zeit dis Entwick-
lung ihrer militärischen Streitkräfte vorbereitet und
verwirklicht. Außer der Reichswehr werden unter dem
Namen „Sicherheitspolizei" stehende Streitkräfte geschaffen,
die sämtliche Kennzeichen und den Wert auserwählter Streit-
kräfte haben. Diese Streitkräfte werden von Stäben be-
fehligt und verwaltet, die aus militärischem Personal
zusammengesetzt sind. Diese Formationen haben sonach,
obschon sie dem Ministerium des Innern unterstellt sind,
einen Charakter, der ihrer angeblichen Bestimmung als
Polizei widerspricht. Ihre Ausstellung verstößt gegen
Artikel 162 des Friedensvsrtrages. Außerdem bildet
Deutschland unter dem Namen „Zeitfreiwillige" und
„Einwohnerwehr" Reserven, die Kontrollversammlungen
und militärischen Übungen unterworfen und mit Waffen-
und Munitionslagern versehen sind. Diese Organisationen
stehen mit der Gesamtheit der militärischen Bestim-
mungen, namentlich mit Artikel 178 des Vertrages
in Widerspruch. Die alliierten und assoziierten Regie-
rungen machen schon jetzt darauf aufmerksam, daß diese dem
Geist und dem Wortlaut des Vertrages zuwiderlaufende
Maßnahmen als Absicht der deutschen Regierung, den
Vertrag nicht auszufiihrsn, ausgelegt werden können.
Sie fordern infolgedessen dis deutsche Regierung auf, die
vorbezeichneten Maßnahmen unverzüglich aufzuheben, sodaß
mit der Inkraftsetzung des Vertrages die sogenannten Polizei-
truppen auf die im Vertrag vorgesehene Stärke herabgs-
mindert werden und eins ihrem Charakter als Orts-
und Gsmsindepolizei entsprechende Verfassung er-
halten, und Stäbe, dis über die im Vertrag vorgesehene
Zahl angewachsen sind, sowie die Reserveorganisationen
aufgelöst werden.
Genehmigen Sie usw. gez. Clemeuesam
Veröffentlichung der deutschen Dokuments
Berlin, 4. Dez. (W.B.) Die deutschen Dokumente über den
Kriegsausbruch werden am 10. Dezember veröffentlicht.
Absicht einer Zerreißung der deutschen
ReichSeinheiL
Der „Lok.-Anz." meldet aus Wien: Wie kn hiesigen Entente-
kreisen verlautet ist die Wiedereinrichtung der französischen Ge-
sandtschaft in München beschlossene Sache. Man bringt dies in Zu-
sammenhang mit den französischen Bestrebungen zur Errichtung
eines von Rvrddeutschland getrennten mittel- und süddeutschen
Staates.
Der italienische Generalstreik abgebrochen
Rom, 4. Dez. (W.B.) Der Generalstreik wurde am Mitt-
woch um Mitternacht in allen italienischen Städten abgebrochen.
tet, um ihre Verpflichtungen auf moralischen oder materiellen Druck
hin zu erfüllen, und auf die kühne Behauptung, daß Deutschland
auf seine Propaganda gegen die Alliierten verzichtet habe) einzu-
gehen, will ich mich nur in bezug aus die Auslieferung der Schul-
digen in eine Diskussion einlaffen.
Die Deutschen selbst leugnen nicht, daß zahlreiche Verbrechen
begangen worden sind und daß die allgemeine Moral verletzt
wurde. Trotzdem bleiben die Urheber dieser Verbrechen, die man
kennt, unbestraft. Wenn man auch ganz human sein will, so-bleibt
es doch ganz unbegreiflich, daß Deutschland zögert, in eine Ver-
geltung für diese schweren Verbrechen einzuwilligen. Wenn man
angesichts der verwüsteten Gebiete in Frankreich und Belgien in
Betracht zieht, wie unsere Provinzen systematisch verwüstet, seine
Industrieniederlaffungen zerstört und die Wohnhäuser durch ein
barbarisches Verfahre« in Staub und Trümmer gelegt, die Frucht-
bäume ein Meter hoch über dem Boden durchsägt, Bergwerke mit
Wasser gefüllt wurden und dadurch die menschliche jahrhunderte
alte Arbeit der Zerstörung anheimfiel, wenn der unparteiische Be-
obachter nachher aus dem Munde der Bewohner die Berichte über
die ihnen zugefügte Behandlung, die Vergewaltigung und die un-
geheuer schädlichen Maßnahmen gegenüber jungen Mädchen, die
in roher Weise von ihren Familien getrennt worden sind, hören
würde, so könnte er seine Entrüstung angesichts der Haltung Deutsch-
lands und des anmaßende» Tones seiner Note nicht verbergen.
Die Alliierten sind sehr überrascht, zu sehen, daß die deutsche
öffentliche Meinung bis zur Stunde sich doch noch wenig der Ver-
antwortung bewußt ist, indem sie nicht selbst die gerechte Bestrafung
der begangenen Verbrechen verlangt, und daß es unter den Schul-
digen, wie es scheint, wenig Mutige und von vaterländischem Geiste
Erfüllte gibt, die sich der Verurteilung, die sie verdienen, nicht
entziehen, ihre Haltung vor Gericht verteidigen, um dem Lande die
Erfüllung seiner Verpflichtungen zu erleichtern. Solange man in
Deutschland nicht verstehen wird, daß das Unrecht gut gemacht und
die Schuldigen bestraft werden müßten, darf Deutschland nicht er-
warten, daß es mit den anderen Nationen die Beziehungen auf-
nehmen und von den Alliierten die Vergebung seiner Fehler und
die Milderung der gerechte« Friedensbedingungen erwarten kann.
Genehmigen Sie usw. gez. Llemencrau.
Das KsuLsLH-Buch.
Kr. Heidelberg, 4. Dezember.
Unmittelbar nach Ausbruch der Revolution erhielt Kantsky,
dessen Ruf als Wissenschaftler und Theoretiker des Marxismus
international ist, von der sozialistischen Reichsregierung den Auf-
trag, die deutschen Akten und Dokumente zur Vorgeschichte des
Weltkrieges zu bearbeiten. Zur Herausgabe dieser Dokumente ist
es damals nicht gekommen. Nun ist die Veröffentlichung seit eini-
gen Wochen in Aussicht gestellt, nachdem das ganze Material von
einer Gelehrtenkvmmission durchgearbeitet und von Kautsky einer
nochmaligen Revision unterzogen worden ist. Zu gleicher Zeit hat
Kautsky das verarbeitete Material für ein Buch über die Ent-
stehung des Weltkrieges verwertet, das in den nächsten Tagen un-
mittelbar nach der Veröffentlichung der sog. Kautsky-Akten erschei-
nen sollte. Durch einen bis jetzt noch unaufgeklärten Urheber-
rechtsbruch (vgl. Kautskys Erklärung in Nr. 54 der „Volks-
zeitung") veröffentlicht nun die „Times" seit einigen Tagen ten-
denziöse Zusammenstellungen aus dem Kautskyschen Buch.
Sofort fällt nun die ganze alldeutsche Presse, in erster Reihe
natürlich auch die famose „Süddeutsche Zeitung" über
Kautsky und seinen „Vaterlandsverrat" her. Hören wir die „Süd-
deutsche Zeitung" selbst. Sie klagt in unverschämten Worten den
„tschechischen Juden und Obergenossen Kautsky" an, weil er sich
erlaubt habe, unter Verwendung amtlicher Dokumente ein Buch
zu schreiben Dann fährt sie fort: „Ist das schon ein Skandal, so
stinkt es geradezu zum Himmel, daß der ganze Inhalt dieses Buches
auch dem Auslande, England und Amerika vornehmlich, zugänglich
gemacht wurde — wenn man keine Ehre zu verkaufen hat, verkauft
man etwas anderes, wenns nur Geld einbringt —, und daß von
der ausländischen Presse nun Auszüge aus dem Buche veröffentlicht
werden, noch bevor der Inhalt der Akten dem deutschen Volke auf
amtlichem Wege bekanntgegeben ist. Ist das deutsche Volk wirklich
nur dazu da, daß man mit ihm Schindluder treibt? Heute fragen
wir noch, es können aber auch einmal andere Zeiten kommen."
Nach unserer Ansicht hat Kautsky ganz korrekt und als
Ehrenmann gehandelt. Sv gut ein Helfferich und ein
Lubendorff und Tirpitz sich das Recht herausnehmen, mit
amtlichen Dokumenten Bücher tendenziösester Art herzustellen, so
gut hat Kautsky das Recht, die Dokumente, die er als Ünterstaats-
sekretär der vorläufigen Volksregierung bearbeitet hat, in feinem
Sinn zu verwerten. Es ist von der „Südd. Zeitung" eine uner-
hörte Unverschämtheit, in Obigem unserem Genoffen Kautsky die
Ehre absprechen zu wollen.
Warum aber die ganze Aufregung bei der reaktionären Presse?
Weil Kautsky dem alten System die Maske vom Gesicht reißt und
an Hand der Dokumente und auf Grund seines gründlichen histo-
rischen Wissens zeigt, inwieweit die deutsche Politik an der Ent-
stehung des Weltkrieges mitschuldig war.
Wir werden auf die ganze Angelegenheit zurückkommen, wenn
das Buch Kautskys vorliegt. Für heute nur das eine: Wer Kauts-
kys Schriften über Serbien und Belgien, Elsaß-Lothringen, Oester-
reich usw. kennt, der weiß, daß er zur Schuldfrage etwas zu sagen
hat. Und es ist dringend notwendig, daß hier, soweit es an uns
liegt, Klarheit geschaffen wird.
Den alldeutschen Schreiern und Hetzern aber sagen wir: Nicht
genug, daß ihr durch eure Kriegspolitik uns in der ganzen Welt in
Mißkredit gebracht habt, durch euer jetziges Wutgeheul, durch euer«
Hohn über Kautsky züchtet ihr immer weiter den Chauvinismus
und Nationalismus bei den Gegnern. Deutsches Volk, erwache!
Der Fluch der Arbeiterschaft komme über diese Verbrecher an der
Zukunft unseres Volkes.
Deutsche NatMualVersaMMLung.
Berlin, 30. Dez. 1919.
Eröffnung der Sitzung 1 Uhr 10 Min. nachmittags.
Eingegangen sind Dankschreiben des Präsidenten der österreichischen
Nationalversammlung und des Verbandes der Reichsdeutschen für die
Hilfsaktion der deutschen Nationalversammlung zugunsten Oesterreichs, die
verlesen werden.
Auf der Tagesordnung steht
die erste Beratung des Entwurfes eines Landessteuergesetzrs.
Reichssinanzminister Erzberger: Soweit es sich um die Finan-
zen und die Neugestaltung des Steuerwesens handelt, ist die unmittelbare
Gegenwartsfrage eine dreifache, eine transitive, eine quantitative und eine
distributive Ausgabe. Die qualitative Ausgabe besteht in der Beibrin-
gung der nötigen Milliarden. Die erste Voraussetzung für sie ist die
finanzielle und wirtschaftliche Gesundung, deren Anstatt die Verein-
heitlichung des Eisenbahnwesens bildet. Eine wirkliche
Reform hat eine entsprechende Gliederung des Steuerbedarss zur Vor-
aussetzung, womit die Verteilung der Steuereinnahmen auf die verschie-
denen Steuergebiete im engsten Zusammenhang steht. Der Etat für
1919 der im wesentlichen immer noch ein Kriegsctat ist, roird uns eine
Belastung und eine Gesamtausgabe von 21,5 Milliarden bringen.
Die außerordentlichen Ausgaben betragen 41 Milliarden
und enthalten eine einmalige Ausgabe von rund 2 Milliarden für Teue--
rungszuschüffe, die nach der Beamtenbesoldungsreform in mehr oder
minder großem Umfange sich in fortlaufende Ausgaben verwandeln wer-
den. Die Besoldungsrefo r m ist eine der wichtigsten Staats-
aufgaben. Weniger bestimmende Köpfe, mehr ausführende Kräfte und
größere Elastizität werden eine Hauptforderung der Zukunft bilden.
Wichtiger als die in Weimar bewilligten Steuern sind die beiden
einmaligen Steuern, die außerordentliche Kriegsabgabe
für 1919 und die Besteuerung des während des Krieges eingetre-
tenen Vermögens; uwachse s, die beide zusammen 12 Milliarden
bringen sollen. Da wir so bald als möglich aus den Schulden heraus
zu kommen suchen muffen, so bitte ich Sie, die Steuervorlagen möglichst
bald zu verabschieden.
Noch wichtiger für die Aufbringung des Steuerbedarfs ist sodann
die Einkommenbesteuerung. Sie wird aber vollkommen
neu gestaltet werden müssen. Das Einkommen soll durch drei
Steuern getroffen werden: 1. die große allgemeine Einkommensteuer der
physischen Personen und 2. die Besteuerung des Einkommens der Kör-
perschaften und der großen Hand. Eine dritte Art von Einkommensbe-
steuerung ist dann gegeben durch die Vorbelastung des fundierten Ein-
kommens mittels der Besteuerung des Ertrags aus Grund und Boden,
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Die neue Note, deren Hauptinhalt wir gestern kurz mitteilten,
hat folgenden Wortlaut:
Sie haben am 27. November ein Schreiben über die Heim-
schaffung der deutschen Kriegsgefangenen an mich gerichtet, das
eine Reihe von Behauptungen enthält, deren scharfe Tonart nicht
genügt, um ihre Ungenauigkeit zu verbergen. Allgemein gesprochen,
hat Deutschland hinsichtlich der Heimschaffung der Kriegsgefange-
nen nur ein Recht, nämlich das in dem von ihm unterzeichneten
Friedensvertrag niedergelegte, die Heimschaffung der Gefangenen
vom Tage der Inkraftsetzung, d. h. nach Austausch der Ratifi-
kationsurkunden. Jede Aenderung der Bestimmungen, die für
beide Parteien Gesetzeskraft besitzen, ist eine Vergünstigung.
Die Behauptung, daß die Kriegsgefangenen unschuldig am
Kriege sind und keine Verantwortung für den Krieg tragen, ist
nicht stichhaltig. Ihre Note erklärt, baß die französische Regierung
erstmals am 29. August 1919, später aus Anlaß der Kvhlenliefe-
ruugen durch Deutschland und noch später bei Bezahlung der Buße
von einer Million Mark an das französische Rote Kreuz für die
Ermordung des französischen Sergeanten Manheim sich zu einer
vorzeitigen (!) Heimsendung der deutschen Kriegsgefangenen
verpflichtet hätte. Diese dreifache Behauptung entbehrt jeder
Grundlage, denn nie ist die französische Regierung selbständige
Verpflichtungen in dieser Angelegenheit, die Sache der Allgemein-
heit der Alliierten ist, eingegangen. Die Erklärung vom 29. August
war aus Humanitären Gründen und nicht als Gegenleistung zu den
deutschen Konzessionen abgegeben worden und verkündete den Ent-
schluß der Alliierten, den Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Friedens-
vertrages bezüglich der Heimschaffung der Kriegsgefangenen vvr-
zurücken und fiel selbst in die Zeit, wo die Konventionen über die
Kohlenlieferungen und die Entschädigung für den Sergeanten
Manheim abgeschloffen wurden. Die Erklärung wurde nicht als
Abkommen zwischen der deutschen und der französischen Regierung
in Form eines Versprechens erlassen, sondern es handelte sich um
eine humanitäre Erklärung der Alliierten und betrifft die Gesamt-
heit der von ihnen gemachten deutschen Kriegsgefangenen. Diese
Erklärung enthält folgendes:
1. Den unverzüglichen Beginn der Heimschaffung der Kriegs-
gefangenen.
2. die eventuelle Abkehr von dieser Politik des Wohl-
wollens im Falle, daß die deutsche Regierung und das deutsche
Volk nicht alle Verpflichtungen, die ihnen aus dem Wsffenstill-
Handsabkommen erwachsen und an die sie bis zur definitiven
Ratifizierung des Friedensvertrags gebunden sind, erfüllen.
Gemäß dem von allen Alliierten gefaßten Beschluß begann
die Heimbeförderung unverzüglich und während mehrerer Monate
wurden die in England, Belgien und Amerika befindlichen Ge-
fangenen in ihre Heimat zurückbefördert. Wiederum gemäß der
Erklärung vom 29. August wurde die Heimschaffüng eingestellt
im Hinblick aus die unvollkommene Innehaltung der Waffenstill-
standsbedingungen durch die deutsche Regierung. Die von den
Alliierten freiwillig gemachten Versprechungen sind alle genau
durchgeführt worden.
Durch die Note vom 1. November 1919 wurde die deutsche
Regierung über die Nichterfüllung einiger durch das Waffenstill-
standsabkommen vom 11. November 1918 übernommenen Ver-
pflichtungen in Kenntnis gefetzt. Sie wurde über die Maßnahmen,
die die Ausführung der im Friedensvertrag nicht mehr erneuerten
Klauseln des Waffenstillstandsabkommens sicherftellen sollen, be-
nachrichtigt. Die französische Regierung verfolgte keine auf der
Nichthekmschassnng her Kriegsgefangenen fußende Politik und ge-
braucht diese Gefangenen nicht als Druckmittel. Sie hält sich einzig
an die Arttkel des Friedensvertrages, und wenn die wohlwollenden,
im Monat August getroffenen Maßnahmen nicht zu Ende geführt
werden, so ist das einzig auf die mangelnde Ausführung der durch
die deutsche Regierung übernommenen Verpflichtungen zurück-
zuführen.
Die Verantwortung für die Verzögerung der Heimschaffung
-er deutschen Kriegsgefangenen hat sich die deutsche Regierung da-
durch zugezogen, daß sie noch nicht einmal auf die Note der Alli-
ierten vom 1. November 1919 geantwortet und daß sie, nachdem
sie ihre Kommissare nach Paris entsandt hat zur Regelung der
Funktionen der Kommissionen für die Durchführung des Friedens-
vertrages, dieselben schon nach zwei Tagen nach Berlin zmückberief,
obwohl der Zeitpunkt und die Prüfungsbedingungen für die zu
erörternden Fragen im Einvernehmen mit den deutschen Delegier-
ten festgelegt sind. Die deutsche Regierung ist es, die die Kriegs-
gefangenenfrage aufgreift, um die deutsche öffentliche Meinung
gegen die Alliierten und ganz besonders gegen Frankreich zu ver-
hetzen.
Der Beweis hierfür geht aus der Tatsache hervor, daß die
Friedenskonferenz auf den 1. Dezember die Ratifikation und die
Inkraftsetzung des Friedensvertrages festgesetzt hatte, welcher Zeit-
punkt zugleich die demnächstige Rückkehr der Gefangenen bedeutete
und daß die deutsche Regierung, anstatt sich zu den letzten in Aus-
sicht genommenen Verhandlungen bereit zu erklären, eine zögernde
Haltung einnimmt und daß sie in bezug auf die Heimschaffung der
Gefangenen eine Diskussion in einer nicht annehmbaren Tonart
einleitete und daß es von ihr abhing, am Ende des vergangenen
Monats die Kriegsgefangenen heimkehren zu sehen. Der zögernde
Charakter eines solchen Vorgehens und die durch Deutschland ver-
schuldete Verzögerung der Ratifikation übertragen auf dieses die
ganze und volle Verantwortung für die Zurückhaltung der Gefan-
genen in Frankreich, wo sie übrigens nicht nur human, sondern mit
Wohlwollen behandelt werden. Ohne auf die Einzelheiten der
deutschen Ausführungen (welche übrigens in mancherlei Beziehung
einer Berichtigung bedürfen in bezug auf Schleswig und Ober-
schlesien sowie die baltischen Provinzen, wo Deutschland sich erst
entschlossen hat, seine Verpflichtungen teilweise durchzuführen, als
es dazu angehalten und gezwungen worden ist, in bezug auf Arttkel
81 der Reichsverfaffung, der bis zur Stunde noch nicht unterdrückt
ist, weil die deutsche Regierung immer bis zur letzten Minute war-
Eine neue Note.
Berlin, 3. Dez. (WB.) Dem deutschen Vertreter in
Paris ist folgende Note der alliierten und assoziierten
Regierungen vom 1. Dezember zugegangen: Alle bis jetzt
singegangenen Nachrichten besagen übereinstimmend, Satz
Äis deutsche Negierung seit einiger Zeit dis Entwick-
lung ihrer militärischen Streitkräfte vorbereitet und
verwirklicht. Außer der Reichswehr werden unter dem
Namen „Sicherheitspolizei" stehende Streitkräfte geschaffen,
die sämtliche Kennzeichen und den Wert auserwählter Streit-
kräfte haben. Diese Streitkräfte werden von Stäben be-
fehligt und verwaltet, die aus militärischem Personal
zusammengesetzt sind. Diese Formationen haben sonach,
obschon sie dem Ministerium des Innern unterstellt sind,
einen Charakter, der ihrer angeblichen Bestimmung als
Polizei widerspricht. Ihre Ausstellung verstößt gegen
Artikel 162 des Friedensvsrtrages. Außerdem bildet
Deutschland unter dem Namen „Zeitfreiwillige" und
„Einwohnerwehr" Reserven, die Kontrollversammlungen
und militärischen Übungen unterworfen und mit Waffen-
und Munitionslagern versehen sind. Diese Organisationen
stehen mit der Gesamtheit der militärischen Bestim-
mungen, namentlich mit Artikel 178 des Vertrages
in Widerspruch. Die alliierten und assoziierten Regie-
rungen machen schon jetzt darauf aufmerksam, daß diese dem
Geist und dem Wortlaut des Vertrages zuwiderlaufende
Maßnahmen als Absicht der deutschen Regierung, den
Vertrag nicht auszufiihrsn, ausgelegt werden können.
Sie fordern infolgedessen dis deutsche Regierung auf, die
vorbezeichneten Maßnahmen unverzüglich aufzuheben, sodaß
mit der Inkraftsetzung des Vertrages die sogenannten Polizei-
truppen auf die im Vertrag vorgesehene Stärke herabgs-
mindert werden und eins ihrem Charakter als Orts-
und Gsmsindepolizei entsprechende Verfassung er-
halten, und Stäbe, dis über die im Vertrag vorgesehene
Zahl angewachsen sind, sowie die Reserveorganisationen
aufgelöst werden.
Genehmigen Sie usw. gez. Clemeuesam
Veröffentlichung der deutschen Dokuments
Berlin, 4. Dez. (W.B.) Die deutschen Dokumente über den
Kriegsausbruch werden am 10. Dezember veröffentlicht.
Absicht einer Zerreißung der deutschen
ReichSeinheiL
Der „Lok.-Anz." meldet aus Wien: Wie kn hiesigen Entente-
kreisen verlautet ist die Wiedereinrichtung der französischen Ge-
sandtschaft in München beschlossene Sache. Man bringt dies in Zu-
sammenhang mit den französischen Bestrebungen zur Errichtung
eines von Rvrddeutschland getrennten mittel- und süddeutschen
Staates.
Der italienische Generalstreik abgebrochen
Rom, 4. Dez. (W.B.) Der Generalstreik wurde am Mitt-
woch um Mitternacht in allen italienischen Städten abgebrochen.
tet, um ihre Verpflichtungen auf moralischen oder materiellen Druck
hin zu erfüllen, und auf die kühne Behauptung, daß Deutschland
auf seine Propaganda gegen die Alliierten verzichtet habe) einzu-
gehen, will ich mich nur in bezug aus die Auslieferung der Schul-
digen in eine Diskussion einlaffen.
Die Deutschen selbst leugnen nicht, daß zahlreiche Verbrechen
begangen worden sind und daß die allgemeine Moral verletzt
wurde. Trotzdem bleiben die Urheber dieser Verbrechen, die man
kennt, unbestraft. Wenn man auch ganz human sein will, so-bleibt
es doch ganz unbegreiflich, daß Deutschland zögert, in eine Ver-
geltung für diese schweren Verbrechen einzuwilligen. Wenn man
angesichts der verwüsteten Gebiete in Frankreich und Belgien in
Betracht zieht, wie unsere Provinzen systematisch verwüstet, seine
Industrieniederlaffungen zerstört und die Wohnhäuser durch ein
barbarisches Verfahre« in Staub und Trümmer gelegt, die Frucht-
bäume ein Meter hoch über dem Boden durchsägt, Bergwerke mit
Wasser gefüllt wurden und dadurch die menschliche jahrhunderte
alte Arbeit der Zerstörung anheimfiel, wenn der unparteiische Be-
obachter nachher aus dem Munde der Bewohner die Berichte über
die ihnen zugefügte Behandlung, die Vergewaltigung und die un-
geheuer schädlichen Maßnahmen gegenüber jungen Mädchen, die
in roher Weise von ihren Familien getrennt worden sind, hören
würde, so könnte er seine Entrüstung angesichts der Haltung Deutsch-
lands und des anmaßende» Tones seiner Note nicht verbergen.
Die Alliierten sind sehr überrascht, zu sehen, daß die deutsche
öffentliche Meinung bis zur Stunde sich doch noch wenig der Ver-
antwortung bewußt ist, indem sie nicht selbst die gerechte Bestrafung
der begangenen Verbrechen verlangt, und daß es unter den Schul-
digen, wie es scheint, wenig Mutige und von vaterländischem Geiste
Erfüllte gibt, die sich der Verurteilung, die sie verdienen, nicht
entziehen, ihre Haltung vor Gericht verteidigen, um dem Lande die
Erfüllung seiner Verpflichtungen zu erleichtern. Solange man in
Deutschland nicht verstehen wird, daß das Unrecht gut gemacht und
die Schuldigen bestraft werden müßten, darf Deutschland nicht er-
warten, daß es mit den anderen Nationen die Beziehungen auf-
nehmen und von den Alliierten die Vergebung seiner Fehler und
die Milderung der gerechte« Friedensbedingungen erwarten kann.
Genehmigen Sie usw. gez. Llemencrau.
Das KsuLsLH-Buch.
Kr. Heidelberg, 4. Dezember.
Unmittelbar nach Ausbruch der Revolution erhielt Kantsky,
dessen Ruf als Wissenschaftler und Theoretiker des Marxismus
international ist, von der sozialistischen Reichsregierung den Auf-
trag, die deutschen Akten und Dokumente zur Vorgeschichte des
Weltkrieges zu bearbeiten. Zur Herausgabe dieser Dokumente ist
es damals nicht gekommen. Nun ist die Veröffentlichung seit eini-
gen Wochen in Aussicht gestellt, nachdem das ganze Material von
einer Gelehrtenkvmmission durchgearbeitet und von Kautsky einer
nochmaligen Revision unterzogen worden ist. Zu gleicher Zeit hat
Kautsky das verarbeitete Material für ein Buch über die Ent-
stehung des Weltkrieges verwertet, das in den nächsten Tagen un-
mittelbar nach der Veröffentlichung der sog. Kautsky-Akten erschei-
nen sollte. Durch einen bis jetzt noch unaufgeklärten Urheber-
rechtsbruch (vgl. Kautskys Erklärung in Nr. 54 der „Volks-
zeitung") veröffentlicht nun die „Times" seit einigen Tagen ten-
denziöse Zusammenstellungen aus dem Kautskyschen Buch.
Sofort fällt nun die ganze alldeutsche Presse, in erster Reihe
natürlich auch die famose „Süddeutsche Zeitung" über
Kautsky und seinen „Vaterlandsverrat" her. Hören wir die „Süd-
deutsche Zeitung" selbst. Sie klagt in unverschämten Worten den
„tschechischen Juden und Obergenossen Kautsky" an, weil er sich
erlaubt habe, unter Verwendung amtlicher Dokumente ein Buch
zu schreiben Dann fährt sie fort: „Ist das schon ein Skandal, so
stinkt es geradezu zum Himmel, daß der ganze Inhalt dieses Buches
auch dem Auslande, England und Amerika vornehmlich, zugänglich
gemacht wurde — wenn man keine Ehre zu verkaufen hat, verkauft
man etwas anderes, wenns nur Geld einbringt —, und daß von
der ausländischen Presse nun Auszüge aus dem Buche veröffentlicht
werden, noch bevor der Inhalt der Akten dem deutschen Volke auf
amtlichem Wege bekanntgegeben ist. Ist das deutsche Volk wirklich
nur dazu da, daß man mit ihm Schindluder treibt? Heute fragen
wir noch, es können aber auch einmal andere Zeiten kommen."
Nach unserer Ansicht hat Kautsky ganz korrekt und als
Ehrenmann gehandelt. Sv gut ein Helfferich und ein
Lubendorff und Tirpitz sich das Recht herausnehmen, mit
amtlichen Dokumenten Bücher tendenziösester Art herzustellen, so
gut hat Kautsky das Recht, die Dokumente, die er als Ünterstaats-
sekretär der vorläufigen Volksregierung bearbeitet hat, in feinem
Sinn zu verwerten. Es ist von der „Südd. Zeitung" eine uner-
hörte Unverschämtheit, in Obigem unserem Genoffen Kautsky die
Ehre absprechen zu wollen.
Warum aber die ganze Aufregung bei der reaktionären Presse?
Weil Kautsky dem alten System die Maske vom Gesicht reißt und
an Hand der Dokumente und auf Grund seines gründlichen histo-
rischen Wissens zeigt, inwieweit die deutsche Politik an der Ent-
stehung des Weltkrieges mitschuldig war.
Wir werden auf die ganze Angelegenheit zurückkommen, wenn
das Buch Kautskys vorliegt. Für heute nur das eine: Wer Kauts-
kys Schriften über Serbien und Belgien, Elsaß-Lothringen, Oester-
reich usw. kennt, der weiß, daß er zur Schuldfrage etwas zu sagen
hat. Und es ist dringend notwendig, daß hier, soweit es an uns
liegt, Klarheit geschaffen wird.
Den alldeutschen Schreiern und Hetzern aber sagen wir: Nicht
genug, daß ihr durch eure Kriegspolitik uns in der ganzen Welt in
Mißkredit gebracht habt, durch euer jetziges Wutgeheul, durch euer«
Hohn über Kautsky züchtet ihr immer weiter den Chauvinismus
und Nationalismus bei den Gegnern. Deutsches Volk, erwache!
Der Fluch der Arbeiterschaft komme über diese Verbrecher an der
Zukunft unseres Volkes.
Deutsche NatMualVersaMMLung.
Berlin, 30. Dez. 1919.
Eröffnung der Sitzung 1 Uhr 10 Min. nachmittags.
Eingegangen sind Dankschreiben des Präsidenten der österreichischen
Nationalversammlung und des Verbandes der Reichsdeutschen für die
Hilfsaktion der deutschen Nationalversammlung zugunsten Oesterreichs, die
verlesen werden.
Auf der Tagesordnung steht
die erste Beratung des Entwurfes eines Landessteuergesetzrs.
Reichssinanzminister Erzberger: Soweit es sich um die Finan-
zen und die Neugestaltung des Steuerwesens handelt, ist die unmittelbare
Gegenwartsfrage eine dreifache, eine transitive, eine quantitative und eine
distributive Ausgabe. Die qualitative Ausgabe besteht in der Beibrin-
gung der nötigen Milliarden. Die erste Voraussetzung für sie ist die
finanzielle und wirtschaftliche Gesundung, deren Anstatt die Verein-
heitlichung des Eisenbahnwesens bildet. Eine wirkliche
Reform hat eine entsprechende Gliederung des Steuerbedarss zur Vor-
aussetzung, womit die Verteilung der Steuereinnahmen auf die verschie-
denen Steuergebiete im engsten Zusammenhang steht. Der Etat für
1919 der im wesentlichen immer noch ein Kriegsctat ist, roird uns eine
Belastung und eine Gesamtausgabe von 21,5 Milliarden bringen.
Die außerordentlichen Ausgaben betragen 41 Milliarden
und enthalten eine einmalige Ausgabe von rund 2 Milliarden für Teue--
rungszuschüffe, die nach der Beamtenbesoldungsreform in mehr oder
minder großem Umfange sich in fortlaufende Ausgaben verwandeln wer-
den. Die Besoldungsrefo r m ist eine der wichtigsten Staats-
aufgaben. Weniger bestimmende Köpfe, mehr ausführende Kräfte und
größere Elastizität werden eine Hauptforderung der Zukunft bilden.
Wichtiger als die in Weimar bewilligten Steuern sind die beiden
einmaligen Steuern, die außerordentliche Kriegsabgabe
für 1919 und die Besteuerung des während des Krieges eingetre-
tenen Vermögens; uwachse s, die beide zusammen 12 Milliarden
bringen sollen. Da wir so bald als möglich aus den Schulden heraus
zu kommen suchen muffen, so bitte ich Sie, die Steuervorlagen möglichst
bald zu verabschieden.
Noch wichtiger für die Aufbringung des Steuerbedarfs ist sodann
die Einkommenbesteuerung. Sie wird aber vollkommen
neu gestaltet werden müssen. Das Einkommen soll durch drei
Steuern getroffen werden: 1. die große allgemeine Einkommensteuer der
physischen Personen und 2. die Besteuerung des Einkommens der Kör-
perschaften und der großen Hand. Eine dritte Art von Einkommensbe-
steuerung ist dann gegeben durch die Vorbelastung des fundierten Ein-
kommens mittels der Besteuerung des Ertrags aus Grund und Boden,