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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Oktober - 23. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43996#0085
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mg einer Reichszentrale für Ärbeitsvertrctung.

Deutsche Nationalversammlung.
Berkin, 18. Okt.

Ministerlisch Schlicke.
Präsident Fehrcnbach eröffnet di« Sitzung 1.20 Uhr
dj„.Hvrtsehung der zweiten Beratung des Haushalts des Reichsarbcits-
"tteriums.
1^ Mg. Müller (Soz.): Das Gesetz über die Betriebsräte hätte
iii N stetig sein müssen. Eine Novelle betr. die Kriegsbeschädigungen ist
rbereitung. Es ist zu begrüßen, daß in dem neuen Entwurf un°
Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen der zu Entschädigenden
b^ ^llen sollen. Die zwangsweise Abfindung für die kleinen Rentner
25. Prozent ist zu verwerfen, denn die kleine Rente ist immer
Sicheres. Vereinfachungen auf dem Gebiete des Versicherungs-
ÄsiLs? müssen eintreten, ebenso bei den Krankenkassen. Die maßgebende
eh Wirkung der Versicherten muß auf dem Gebiet des Versicherungswesens
ej^uührt werden. Die Angestellten müssen in die Arbeitcrversicherungen
hjO^vgcn werden, ohne den Angestellten erworbene Rechte zu nehmen.
Wohlfahrtspflege und die soziale Fürsorge sollte im Arbeitsmmi-
um vereinigt werden.
bg. Tremmel (Zentr.): Die Schaffung eines ausgedehnten Rr-
lln/^chtes muß beschleunigt werden, zumal aus dem Gebiete des Ver-
Istek Koalitionswesens. Wir sind der Meinung, daß bei dem Be°
d«r!°?sstegesetz eine gründliche Durchberatung notwendig ist, ohne daß es
wjid. Das Mitbestimmungsrecht muß den Arbeitern natür-
Utvährt werden.
^bg. grau von Gierke (Dm): Die Sozialpolitik müßte im stän-
Zusammenhang stehen mit der Wirtschaftspolitik. Der eigentliche
d-^rdes Ministeriums ist aber, hie Beziehungen zwischen Arbeitnehmer
^'Iii>,Eitgeber zu regeln. Nur in einem starken Staat kann Sozial-
IchZ' getrieben werden. Bei der Schaffung eines Arbeiterrechtes wün-
^ wir, daß den beruflichen Vertretern Rechnung getragen wird. Für
^K oalitionsfreiheit wünschen wir, daß sie vor Terror geschützt wird. Bei
^Betriebsräten darf das Mitbestimmungsrecht nicht zum Regieren
K, - Minister Schlicke: Wenn die Lust zur Arbeit jetzt noch nicht da
'st das sogenannte Stahlbad des Krieges daran Schuld. Das
«^Mte ist die Schaffung einer Reichszentrale für Ärbeitsvertrctung.
ve^^ewerbslosenunterstützung hat sich anders gestaltet, als wir gedacht
..sthr Abbau kann nur so geschehen, daß eine strenge Kontrolle
^ksiihrt wird. Vor allem müssen Landesregierungen und Kommunen

Die baltische Frage.
(Wegen Raummangels am Samstag gmückgestellt.)
Berlin, 17. Ott. (Wolff.) Dem Vertreter F o ch s wurde svl-
sende Note übergeben:
Di« alliierten und assoziierten Regierungen ließen die deutsche Ne-
hrung erstmalig in ihrer Mitteilung öom 18. Zum zur -Räumung des
sltikums und Litauens auffordern, nachdem sie noch im Mai
ausdrücklich verlangt, und ungeachtet des P r o te stes -der deut-
Regierung darauf bestanden hatten, daß die -deutschen Trup-
von dort nicht zurückgezogen werben sollten.
Seitdem war die deutsche Regierung unablässig und -ernsthaft be-
die Zurückziehung der Truppen durchzuführen. Sie.wandte alle
zu Gebote stehenden Mittel an, um den Widerst,a nch der Trup-
^llcile zu brechen, die sich um das ihnen von der lettisch« Regierung
^fprochene Einbürgerungsrecht und die erhoffte Ansiedelung«nöglichkctt
^brachl sahen. Sie sperrte schließlich den widersätzlichen Truppen
k vld, Proviant und die sonstigen Zufuhren und entzog ihnen sogar die
^ests erworbenen Ansprüche auf spätere Bcrsorgu«K. Sie
-^ Maßregeln um jeden etwaigen Versuch von Munitions- und Mann-
^stsnachschüben zu unterbinden, sperrt zu diesem Zwecke den geLsmten
Personenverkehr nach dem Baltikum und ordnete die Ueberw.schung .aller
^renzstattonen an.
Dies alles zeigt, daß die deutsche Regierung keine Verandas-
8 gab, so einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, wie sie in den
der alliierten und assoziierten Regierungen vorgesehen sind.
Die deutsche Regierung lehnte es auch nicht ab, den General v. k».
k sus dem Baltikum abzubcrufcn, sie wies lediglich darauf hin,
es sich dabei um eine innere deutsche Angelegenheit
sndelo. Tatsächlich wurde General v. d Goltz damals abberufen.
bM nach seiner Abreise erfolgte die Meuterei her Eisernen Division
^ veranlaßte ihn, aus eigenem Entschluß nach Mitau zurückzukehrcn.
'ese vorübergehende Rückkehr wurde auch nur deshalb geduldet,
v. d. Goltz noch am ehesten den unzufriedenen Truppen gegenüber
^"llgende Autorität zu haben schien, um sie zur Befolgung des Ab-
^rschbefehls zu bestimmen, Lin Teil der Truppen folgte denn auch
^'vals seinen Anordnungen. Als auch sein Einfluß zu versagen schien,
v' Goltz endgültig a b b e r u f e n und nach Berlin be-
len. Inzwischen hat General v. Eberhardt als sein Nachfolger
Befehl übernommen.
Die deutsche Regierung hat keine neue Regierung in jenen Ge-
anerkannt, noch mit einer solchen irgendwelche Verbindung,
hat den deutschen Soldaten strengstens verboten, in russische
. ^Motionen einzutreten und hat mit denjenigen, die es trotzdem taten,
Verbindung abgebrochen. Es befindet sich bei den russischen Kampf-
^'bpen im Baltikum kein einziger deutscher Soldat, über den die
striche Regierung noch Befehlsgewalt ausüben könnte. An der Osfen-
des Generäls Bcrmondt sind keine einem deutschen Kommando
'Erstehende Truppen beteiligt.
Die politischen und militärischen P'äne des Generals Awalow-
ZMondt werden jn keiner Weise gebilligt. Deutschland hegt weder
2 l!en das lettländische noch gegen das russische Volk irgendwelche krie -
. 'scheu Absichten. Die deutsche Regierung nimmt gern Kennt-
: daß die alliierten und assoziierten Regierungen eine interalli-
^?te Kommission nach den baltischen Provinzen entsenden wollen,
bittet, diese Kommission so bald wie möglich abreijen und zur Be-
^chung mit den hiesigen Stellen einen kurzen Aufenthalt in Berlln
zu lassen. Die Kommission wird sich durch eigenes Urteil über-
y.8en, daß die gegen die deutsche Regierung erhobenen Borwürfe
l aufrecht erhalten werden können.

Herabsetzung der Weltmarktpreise.
Eine amerikanische Ministerkonferenz.
Am Ker dam, 10. Oktober. (WB.). Nieume Eorrant
meldet ans Bnens» Aires vom 17. Oktober, daß der argen-
tinische Minister des Auswärtgen einen wichtigen
Kongretz aSr amerikanischen und südamerikanischen Regie-
rungen nach Buenos Aires einberief, um alle amerikanischen
Republiken zu einem gemeinsamen Abkommen zugunsten einer
Preisreform für sünrWche Stapelwaren und Lebensmittel
aufzuforden, um auf diesem Wege ein Sinken derPreife
zu erzielen, fernes um dafür Vorsorge zu treffen, datz andere
befreundete Staaten sich daran beteiligen können, sofern sie
diesen Wunsch habere Man betrachtet diesen Schritt als sehr
bedeutungsvoll und erhofft davon eine die ganze Welt
umfassende Aktion zur Herabsetzung der Preise.
Handels-U-Boot „Deutschland".
Berlin, Itz. Oktober. (Privatmeldung.) Die Presse-
information meldet einer Basler Nachricht der National-
zeitang zufolge aus London: „Das frühere deutsche Han-
dels-U-Boot „Deutschland", das die Engländer in einer
U-Vsotfalle gefangen hatten, ist jetzt nach der Themse ge-
schleppt worden und soll nachgesehsn und wiederhergeftellt
werden. Die Admiralität will das Boot für besondere
Zwecke umbauen lassen.
Die Lage in Rußland.
Helfingforth, 19. Okt. Die weiße Armee erreichte
die Station Ligowo, 13 Werft vor Petersburg. Pa-
trouillen sprengten die Eisenbahnbrücke bei Tossno ander
Bahn nach Moskau.
Helfingforth, 20. Okt. Nach einer hier eingetrof-
fenen Meldung von der Petersburger Front ziehen die
Bolschewisten starke Truppemnassen bei Petersburg und
Gaws am Pecgussee zusammen. Aus Petersburg werden
Straßenkämpfe gemeldet.
Amsterdam, 20. Okt. Nach einer Rsutermeldung
aus Helfingforth begab sich eine Abordnung der Peters-
burger Arbeiter zu Judenitsch und bat ihn Petersburg
nicht zu beschießen. Sie sicherten ihm Unterstützung gegen
die Bolschewisten zu.
Judenitsch in Petersburg?
Helsingfors, 19. Okt. (W.B.) Kronstadt hißte
gestern nachmittag die weiße Flagge. Krasnoje Selo
ist genommen. Petersburg entsandte eine Deputation
an General Judenisch, um über die Kapitulation zu
verhandeln, die inzwischen Tatsache geworden ist.
positiv für Arbeitsmöglichkeit sorgen. Das Wichtigste, um unser Wirt-
schaftsleben besser in Gang zu bringen, ist der Arbeiterschutz. Die Re-
vision der Reichsversicherungsordnung ist in Aussicht genommen, ebenso
die Krankenversicherung. Auch soll vor allem die Versicherung der Haus-
gewerbetreibenden wieder eingeführt werden.
Durch Uebernahme des gesamten Militärverjorgungswesens ist die
Arbeit des Reichsarbeitsministeriums gewachsen. Line Reform des
Schlichtungswesens ist nur im ersten Entwurf fertig gestellt und wird dem
Hause in nicht allzu ferner Zeit zugehen. Statt der Ernennung der Bei-
sitzer ist die Wahl vorgesehen. Weiter ist die Bildung von Berufskam-
inern und ferner eine Rcvisionsinstanz vorgesehen. Die Wahrung des
Kvalitionsrechtes wird zu den Aufgaben des Betriebsrätegesetzcs gehö-
ren. Ich verwerfe jeden Terrorismus bezüglich der Gestaltung der Ärbei-
teiverhästnisse und bemühe mich, vermittelnd einzvgreisen.
Als der nächste Redner, der Abg. Eichhorn (ll.S.) das Wort er-
greifen will, verlassen sämtliche Abgeordnete, der Minister und alle Re-
gierungsvertreter ostenstativ den Saal. Es bleiben Nur der Präsident
mit einem Schriftführer zunächst neun, später sechs Unabhängige und der
Abg. Löbe (Soz.) im Saale, letzterer in seiner Eigenschaft als Vizepräsi-
dent, der den Präsidenten Fehrenbach ablösen will, später aber auch den
Saal verläßt.
Nach der Rede des Abg. Eichhorn wird die Weiterberatung auf
Montag 1 Uhr vertagt. Schluß 6 Uhr.

Politische Überficht
Arbeitsscheu — Arbeitsnot.
In den: bekannten Alldeutschen Hetzblatt der „Süddeutschen
Zeitung", hat ein Heidelberger I. D., unter obiger lleber-
schrist ein Artikel veröffentlicht, der sich in recht schulmeisterlicher Art ge-
gen den Professor Alfred Weber wendet und in bekannt demagogischer
Weise die Arbeiterschaft besudelt.
In einem Kolleg hat Professor Weber, den augenblicklichen Pro-
duktionsmangel in Deutschland, zum größten Teile dem Verlust von Mei
Millionen arbeitsfähiger Männer, zugeschrieben. Gegenüber diesen Fest-
stellungen, gerät dieser alldeutsche Schmierfink von Heidelberg, in Helle
Aufregung und erklärt, der Produktionsmangel sei infolge von Ar-
beitsscheu bezw. Faulheit der Arbeiter, herbeigeführt worden.
Bevor er den Nachweis für seine ungerechjertigt- Angriffe zu erbringen
sucht, pöbelt er in ganz gemeiner Weise den Prof. Alfr. Weber an. Nach
echt alldeutschem Muster wird sür unsere heutigen wirtschaftlichen Zu-
stände in der Hauptsache der Achtstundentag verantwortlich ge-
macht, der als volkswirtschaftlicher Nonsens bezeichnet wird. Darüber
denkt aber der alldeutsche Artikelfchreiber nicht nach, daß die Einführung
des Achtstundentags gerade vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus
eine Notwendigkeit war. Wate man Nicht dazu übergegangen, eine ge-
setzliche Regelung der Arbeitszeit vorzunehmen, dann hätten wir ein
noch viel größeres Arbeitslosenheer, als wir es wieder jetzt zu verzeichnen
haben. Viele Industriezweige, die mit Rohmaterial sehr knapp belie-
fert werden, müßten bei einer verlängerten Arbeitszeit, zum Teil sehr


HeiKeLberg, Moniag, M. Oktober -19-19
Rr. -17 » 1t. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äussere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton: Or.
E. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. Kahn; für Lokales:
O.Deibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der ttuterbadischen Derlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröberstraße 39. Fernsprecher 2648.
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Mögen monatlich 1.60 Ml., vierteljährlich 4.8V Ml. ausschl. Zustellung, f
7 "Aigenpreise: Die einspaltige Petitzeile < 36 nun breit) 30 pfg., Re-
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_ naL Tarif. Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
^»M ch Eonto Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel.-Abr.: Volkszeitung Heidelberg.

Bolkszeitim
Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Bsxberg,
Tauberbifchofsheim und Wertheim.


erhebliche Arbeiterentlassungen vornehmen, dann gebe cs nach Ansicht
dieses Heidelberger I. B, Hetzapostcl noch mehr „Arbeitsscheue" und
„Faulenzer". Hoffentlich zählt er in erster Linie unter dieser „Kategorie"
auch seine engeren Gesinnungsg enossen, die in den Bade-
orten herumfaulenzen und ein Schlemmerleben führen. Wenn dieser sau-
bere Herr glaubt, einen Vergleich mit der Arbeitsleistung während des
Krieges und jetzt ziehen zu müssen, mit der Bemerkung, daß während des
Krieges nicht 2 Millionen sondern acht Millionen arbeitsfähige Män-
ner fehlen und dort eine größere Arbeitsleistung zu verzeichnen war, so
hinkt doch sehr stark dieser Vergleich. Aus dieser Gegenüberstellung er-
kennt man so richtig die Gefährlichkeit der Klasse des I. B. Mannes.
Glaubt . Henn der Mann, daß man immerfort derartigenRaubbau mit
Arbeitskraft der Menschen treiben kann, wie es besonders in den letzten
Jahren des Krieges der Fall war. Es darf nur darauf hingewiesen wer-
den, in welch verbrecherischer'Art man die Frauen der unteren Klas-
sen, in dieser Zeit, durch übermäßige Arbeitsleistung ihre Gesundheit auf
das schwerste gefährdet hat. Die Krankenkassen können hier mit den nöti-
gen Beweisen aufwarten. Diejenigen Arbeiter, die vier Jahre unter den
größten Strapazen und Entbehrungen draußen an den Fronten standen,
sind heute nicht mehr in der Lage, derartig intensiv arbeiten zu können,
wie vor dem Kriege. Soviel Verständnis solle man doch auch noch
einem alldeutschen Hirn zutrauen können.
Anders wäre der Fall, wenn die Arbeiter draußen an der Front
das gleiche Drückeberger- und Schindlüderleben während des Krieges
sichren konnten, wie viele Gesinnungsgenossen des I. B. Helden, dann
könnte man allerdings eine größere Arbeitsleistung verlangen. Es ist
deshalb ein gemeiner Vorwurf wie jetzt die Arbeiterschaft von diesen all-
deutschen Schmierfinken besudelt wird.

Rücktritt Mer. Schlicke von der Leitung des
Deutschen MeLallarbeiterverbandes.
Der bisherige 1. Vorsitzende des Metallarbeiterverbandes, Alexan-
der Schlicke, ist gestern abend dienstlich nach Berlin zurückgefahren. Er
har folgenden Abschiedsbries an die Generalversammlung gerichtet:
„Kolleginnen, Kollegen! Nach 28jähriger Tätigkeit'^ ch e i d e ich
aus meiner Stellung als Verbondsvorsitzender. Ich tue dies mit ge-
mischten Gefühlen, aber in Erfüllung meiner Pflicht. Daß mir der Ab-
schied nicht leicht wird, brauche ich nicht zu erklären. Ich war dazu
entschlossen, noch ehe die Mehrheitsverhältnisse der heurigen General-
versammlung feststanden. Die Entwicklung, die unser Verband genom-
men hat, machten es mir unmöglich, auch nur einen Teil der Verantwor-
tung zu tragen, die das Amt des ersten Vorsitzenden verlangt. Ich scheide
in der lleberzeugung, daß die jüngste Entwicklung des Verbandes unseren
Mitgliedern nicht zum Vorteil gereicht. Nachdem aber das Wort aie
Macht über die Tat errungen hat, muß ich als aufrechter Mann, der zu
sein ich mich stets bemüht habe, mich von euch trennen. Ich bin über-
zeugt, daß di- Arbeiterbewegung, wie jede Volksbewegung, etwaige Feh-
ler aus sich heraus berichtigt. Sie hat das bisher getan mit großen
Opfern. Diese zu vermeiden, war mein aufrichtiges Bestreben. Wir be-
dürfen zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft jeder Kraft. Diese geht
von der Arbeiterschaft aus und muß von ihr ausgehen. Darum ist die
Einigkeit, die Geschlossenheit der Arbeiter erstes Gebot. Sie zu errei-
chen, war mir stets vornehmste Aufgabe. Ihr entgegenzuwirken schien
mir stets als das größte Verbrechen an der Arbeiterschaft. Dqs ist es
heute mehr denn je. Der Deutsche Metallarbeiterverband ist mein
Lebensinhalt. Die Vereinigung der Metallarbeiter, geistiger wie Handar-
beiter ist mein Ideal seit einem Menschenalter. Den Gedanken in die
Massen geschleudert, ihn konsequent verfolgt und gepflegt zu haben, ist
und bleibt mir Genugtuung.
Kollegen. Kolleginnen! Ihr steht vor schweren Aufgaben. Nur
Eure Einigkeit kann sie lösen. Wollt Ihr Euch Enttäuschung
ersvaren, stellt Euch auf den Boden der Wirklichkeit. Laßt Euch nicht
blenden durch Worte, scheidet nicht aus die Stimme der Erfahrungen,
die in der Verbandsleitung verkörpert ist. Erschwert dieser nicht ihre
Ausgabe. Beurteilt sie wi eEuch selbst. Die Gewerkschaftsbewegung ist
ihren Gang zwangläusig gegangen. Sie wird ihn weiter zwangläüfig
gehen. Sie zieht die führenden Geister in ihren Bann. An der Praxis
zerschellt jede ihr fremde Theorie. Als Gegner von Entschlüssen, denen
di- Macht zu rDurchsetzung fehlt, habe ich stets vor ihnen gewarnt. Das
ist der Gegensatz in unseren Anschauungen. Ihn zu überbrücken, fühle ich
mich zu schwach, besonders wo der Wille dazu zu fehlen scheint.
Darum trete ich in die Reihen der Mitglieder zurück, getra-
gen von der tteberzeugung, dadurch die der Metallarbciterschaft so not-
wendige Einigkeit erhalten zu können.
gez.: Alexander Schlicke.
Das Ausscheiden Schlickes ist unzweifelhaft ein schwerer Verlust für
die deutsche Metollarbeiterbewegung. Nach den Vorgängen in den letzten
Wochen innerhalb des Verbandes und das gewalttätige Auftreten der
Mehrheit, auf der zur Zeit tagenden Generalversammlung war mit
einer Aendcrung der Leitung des Verbandes zu rechnen. Trotz aller
Gegensätzlichkeit, die mehr aus dem politischen Gebiete liegen,
mü ssenbei objektiver Würdigung seiner jahrzehntelanger Tätigkeit, die ge-
scmte Organisation, den guten Willen Schlickes anerkennen, daß er stets
nur das beste für die Organisation wollte. Die Red.)
Die vereinsamte Armee.
.'Inter diesem Titel veröffentlicht L v dendorss in allen real
tionärrn Blättern einen Aufsatz, in dem er nochmals dem preußisch-
deutschen Militarismus die Lobhymne singt. Auch die „S ü d d.
Zeit i n g " macht sich den Gedankengang W eigen. Die „F r e r-
heit" erteilt Ludendorff die gebührende Antwort, der wir voll
und ganz zustimmen können. Sie scherlbt:
„Die Dienstzeit im Heere wurde zu einer Bolkserzie-
hung, die Armee war die Schule des Volkes, in der ihm unendlich
viel gelehrt wurde. Ünd das System war richtig, das zeigen die
ersten Kricgsjahre; es war psychologisch gut, denn an die Zeit, wo
er des Königs Rock trug, erinnert sich jeder derttsche Mann gern."
So Herr Ludendorfs.
Gewiß war die Armee eine Schule, aber -s gibt gute und
schlechte Schulen und die Ludcndorsfsche muß sicherlich zu den letz-
teren gerechnet werden. Denn diese Schule war eme Zuchlanstakt,
in derMenschcnbewußtsein und Menschenwürde brutal niedergetre-
ten und ausgerottet wurden. Die vielen S o l d a te n m i ß h a n d-
lungsprozesfe haben das der ganzen Welt gezeigt.
Und doch gelangte noch nicht der tausendste Teil der Fälle vie-
hischer Mißhandlung zur Kenntnis der Oeffentlichkeit. Die ganze
Verfassung und Handhabung der Militärgerichtsbarkeit
war darauf eingestellt, die Untergebenen im Kamps um ihr Recht
zu unterdrücken; Jeder Soldat wußte es: „Beschweren kann ich
mich, aber Nutzen hat das keinen and wenn mir tausendmal Un-
recht geschehen ist!
Der einzige Erfolg einer Beschwerde war in den meisten
Fällen, daß alle Unteroffiziere der Kompagnie und des Bataillons
 
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