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GeschSftsstunden: 8—'/z6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: ir-:2 Lhl,
Eine offiziöse bad. Auslaffung
Folgende Meldung macht die Runde durch alle badischen
Zeitungen:
K ar l s r u h e, 20. Dez. (Privatmeldung.) Unter der Ueber-
schrift „Die Gefahr der Verpreußung" veröffentlicht das Regid-
rungsvrgcm, die „Karlsruher Z «itun g", in der Samstags-
nummer einten Leitartikel, den man, wie wir zu wissen glauben, als
offiziös anspreechn kann und der den von den drei Mchrheitspar-
Kien des preußischen Landtags eingebrachi-en Antrag, der
von de: preußischen Regierung Maßnahmen zur Aufrichtung des
„Einheitsstaate s" fordert, als eine s ch w e r e G ef a h r für
die Zukunft unseres Reiches und unseresMolkes bezeichnet. In dem
Artikel wird ausgeführt, di-e Tendenz des Antrages liege vollkom-
men klar zutage: Preußen wolle grundsätzlich die Beseitigung aller
bundesstaatlichen Selbständigkeit. Der Einheitsstaat nach preußi-
scher Borschrift oder nach preußischen Wünschen wäre nichts wei-
ter, als die Verpreußung des Reiches, und dafür, so
heißt es im Staatsanzeiger weiter, bedanken wir uns hier im Süden
mit aller Entschiedenheit und sind bereit, uns mit allen erlaubten
Mitteln gegen eine solche Zumutung zur Wehr zu setzen. Wir sind
die letzten, die sich einer vernünftigen Zentralisation, einer wohl-
durchdachten Zusammenfassung aller Kräfte entgegenstellen, aber
wir haben aus der jüngsten Vergangenheit gelernt, wir haben ge-
sehen, welche großen Gefahren und Ukachteile eine Verpreußung mit
sich dringen würde. Diese Verpreußung war es ja gerade, die in
den letzten Jahren vor dem Weltkriege und während des Weltkrie-
ges bei uns im Süden eine so tiefgehende Mißstimmung, ja Erbit-
terung hervorgerufen hat. Am Schluß des Artikels wird die badi-
sche Bevölkerung ausgerufen, sich zu dem preußischen Antrag zu
Äußern. Es sei ferner außer Zweifel, daß diese Aeußerungen in
ihrer großen Mehrheit eine entrüstete schärfe Ablehnung er-
geben werden.
Diese Verdächtigung des preußischen Mehrheitsantragss auf
Errichtung des Einheitsstaates als „Verpreußung des
Reichs" scheint uns ziemlich künstlich bei den Haaren herbeige-
zogen. Es geht doch einfach nicht mehr an, heute das so drän-
gende Problem des Einheitsstaates mit solchen Argumenten abzu-
tun. Wir haben volles Verständnis dafür, daß man im deutschen
Einheitsstaat starke Dezentralisation seiner Teile will. Aber eigen-
tümlich ist es doch, daß jetzt her VeremhMichung gegenüber wie-
der von Karlsruhe genau so gebremst wird, wie im Frühjahr gegen
einen politischen Zusammenschluß mit Württemberg. Es kommt
uns immer so vor, als ob in Karlsruhe maßgebende Stellen sind
^Minister, Staatsräte, Geheimrate und sonstige Räte), die an ihrer
Bedeutung einzubüßen fürchten, wenn Baden kein souveräner Bun-
desstaat mehr ist. Es mag sein, daß es auch im badischen Volke
starke Kreise gibt, dis gegen den Einheitsstaat sind; vor allem jene,
denen die Z e n t r u m s d e m a g o g i e weiß macht, die Kirche
komme in Gefahr im Falle der Reichskulturgesetzgebung. — Wer
alle einsichtigen und denkenden Kreise in unserem Volke, deren poli-
tischer Horizont über ihre Nase und ihren Kirchturm hinMsreicht,
fordern heute den Einheitsstaat, well er einfach eine politische und
wirtschaftliche Notwendigkeit geworden ist und well es auf Grund
der neuen Reichsverfassung, der Reichseisenbahn und Reichsfinanz-
Verwaltung für die Länder gar keinen Sinn mehr hat, eine staatliche
S ch e i ns v u v er ä n i t ät zu führen.
' *
Zu derselben offiziösen Meldung schreibt uns unser Karlsruher
^.Mitarbeiter.
Baden und der Einheitsstaat.
Durch den Antrag des preußischen Landtags auf Aufrichtung
des Einheitsstaates ist die Frage des unitarischen Neichsaufbaues
akut worden. Wir haben bereits auf die zustimmenden Aeutzerun-
gen der Herren Zehnter und Diez vom Zentrum und der de-
mokratischen „Badischen Landeszeitung" hingewiesen. Jetzt äußerl
sich eine weitere sehr prominente Stimme dazu, der „Badische
S t aa ts a n z e ig e r" und zwar, wie wir gleich vorausschicken
wollen, im negativen Sinne. Nun kann man zwar über den
unitarischen Reichsaufbau vom süddeutschen Standpunkt aus ver-
schisdenfacher Meinung sein, notwendig ist es jedoch die Erkenntnis,
dsß uns die heutige Notlage den unitarischen Staat vorzeich -
net, falls nicht ganz andere das Reich erschütternde Wege gegangen
Verden. Erkennt man jedoch diesen nationalen Zwang zum Unita-
rismus an, dann wird es notwendig, die Steine zu beseitigen, die
den Weg versperre», als die wir die Existenz eines Groß-Preußen,
die dort auch heute noch herrschende reaktionäre Tradition und die
Vorherrschaft Berlins bezeichnen. Aufgabe des badischen Regie-
rungsblattes wäre es daher, Wege zur Beseitigung dieser Hinder-
nisse zu weisen. Dies macht die „Karlsruher Zeitung" jedoch
nicht, sondern sie schreibt in einem martialisch gehaltenen Artikel roie
folgt:
„Ueber Nacht ist am Horizont unseres innerpvlitischen Le-
bens eine Erscheinung aufgetaucht, die wir nicht anders, als eine
schwere Gefahr für die Zukunft unseres Reiches bezeich-
nen können. Preußen will grundsätzlich die Beseitigung aller
bundesstaatlichen Selbständigkeit und es ist „großmütig" genug,
als erstes seine eigene Selbständigkeit zu opfern und „im Reiche
aufzugehen". Wir sind bei uns im Süden aber nicht so dumm,
nur dieser Version zu glauben. Wir wissen ganz genau, was
die Aktion Preußens zu bedeuten hat. Es handelt sich keines-
wegs darum, daß Preußen in Deutschland, sondern einzig darum,
daß alle übrigen Bundesstaaten in Preußen ausgehe», daß sie von
Preuße» geschluckt werden sollen. Das ist der Kernpunkt der
ganzen Frage. Und dafür bedanken wir uns im Süden mit aller
Entschiedenheit und find bereit, uns mit allen erlaubten Mitteln
gegen eine solche Zumutung zur Wehr zu setzen. Wir rufen die
badische Bevölkerung auf, sich zu dem Antrag,zu
äußern. Wir sind keine Sekunde im Zweifel darüber, daß diese
Aeußerungen in ihrer großen Mehrheit einckwntrüstete und scharfe
Ablehnung ergeben werden."
Daß dieses Pronunziamento eine besonders gradlinige Fort-
setzung der badischen Traditionen bedeutet, läßt sich gerade nicht
sagen, wenn wir auch offen gestanden währenddes Krieges
Oftmals solche Töne aus maßgebenden Kreisen Süddeutschlands er-
sehnt haben, weil dann mancherlei Unheil verhütet worden wäre.
Heute aber diese Sprache zu reden, finden wir sehr bedenklich, nach-
Die Pariser Beratungen über die
Antwort an Deutschland.
Paris, 22. Dez. Der Oberste Rat stellte die Grundsätze
fest, nach denen die letzte deutsche Note beantwortet werden soll.
Der Text der Note wird vom Generalsekretariat der Friedenskon-
ferenz ausgearbeitet und dann den verschiedenen Delegationen über-
geben werden.
Der Oberste Rat hat ferner den Entwurf einer Ant-
wort an die deutsche Regierung auf das Bedangen derselben,
zu einer Nevisivnder Zollrechte ermächtigt zu werden,
gutgeherßen. Dieses Zugeständnis wird erst in dem Matze gemacht
werden, als die WiedergutmachungskommWon es als berechtigt
erachtet. Zu gleicher Zeit wird eine Untersuchung der von Deutsch-
land verordneten Einfuhrverbote durchgeführt werden. Die-
selben treffen besonders den französischen Handel.
Für den Augenblick ist zwischen Ministerialdirektor v. Sim -
s o n und den alliierten Vertretern bezüglich der Vorbereitung zur
Ausführung des Friedensvertrages noch keine Zusammenkunft vor-
gesehen.
Pans, 23. Dez. (W.T.B.) Die Führer der alliierten Dele-
gation versammelten sich am Montag abend 7 Uhr unter dem
Vorsitz von Clemenceau in besten Arbeitszimmer und setzten
den endgültigen Wortlaut der Antwort der Alliierten auf die letzte
deutsche Note fest. Die Note wird Freiherr von Leisner am
Dienstag vomittag 10.15 Uhr im Ministerium des Aeußeren mit
mündlichen Begleitworten überreicht werden. Die Note wird in
entschlossenem Tone gehalten sein und der deutschen Regierung klar
die Srolwendigkeit zu verstehen geben, daß sie ihren guten Willen
an den Tag legen wolle, sie das Protokoll vom 1. November
unterzeichnen müsse. Immerhin wird eine durch die Alliierten an-
zustellende Untersuchung feststellen, ob, wenn das verlangte Mate-
rial mit dem in den deutschen Häfen wirklich vorhandenen über-
einstimmt, wie dies von den deutschen Marinesachverständigen dar-
getan wurde, eine entsprechende, Herabsetzung vorgenommen wer-
den soll.
WorLLreiLuugLN der KoMmrmffLerr für
einen neZten GenwÄlstrsit.
Der Karlsruher „Volksfreund" Hat Kenntnis erhalten von
einem vertraulichen Rundschreiben der kommunistischen
R e i ch s ze ntr a l e, in welchem dis Art der Propaganda dar-
gelegt wird, welche dis kommunistisch« Partei in nächster Zukunft
zu treiben beabsichtigt. Es wird zunächst eine scharfe Trennung
von allen der Partei innerlich Entfremdeten oder Feindseligen ver-
langt und sodann eine Schu! u n.,g sarbeit in der Partei be-
fürwortet.
Sodann heißt es: „In der Frage des Parlamentarismus ist
es nunmehr Sache der Organisation, daß die von ihr gewählten
Par l a mentsm i tgli e d e r die auf entsprechende Verschär-
fung der Konflikte in den Parlamenten gerichtete Politik
führen und im gegebenen Falle die Konsequenzen ziehen."
Es wird sodann die Gründung kommunistischer Fraktio-
nen in allen Gewerkschaften verlangt und gesagt, daß in
den kommenden Streiks die Kommunisten die Führung
übernehmen und die Lohnstreiks zu politischen Streiks machen
müßten. Dabei sei für die Betriebsräte die Kontrolle über
die Produktiv n und über die Beschaffung und Verteilung von
Rohstoffen zu fordern. Schließlich'wird ein neuer Gene-
ralstreik angeiündigt. Aus dem kürzlich in Berlin mißglückten
Generalstreik sei die Lehre zu ziehen, daß die Kommunisten in den
Gewerkschaften planmäßige revolutionäre Arbeit
zu leisten hätten und dort sofort diepolitische Parole ausgeben
sollten. Es geht aus dem Rundschreiben hervor, daß in Berlin
und über das ganze Reich ein neuer Generalstreik vorbe-
reitet werben soll, der schließlich zur Diktatur des Prole-
tariats führt. Die Propaganda soll in den Betrieben und
in den Gewerkschaften gemacht werden. Es wird notwendig
fest:, daß die Gewerkschaften und die politischen Körperschaften ge-
gen diesen Plan ihre Gegenmaßnahmen ergreifen.
Aushebung des Kmegszuftsudes
in der ,Anion.
Basel, 22. Dez. Die Preßinsormation meldet aus W a s -
Hinglon: Durch einen Erlaß des Präsidenten Wilson wird
auf Ersuchen des Oberste» Rates in Paris am Reujahrstag die
Aufhebung des Kriegszustandes in den Vereinigten Staaten erfol-
gen. Zugleich wird eine amtliche Mitteilung die Aushebung zahl-
reicher Lurch den Kriegszustand bedingter Einschränkungen ver-
künden.
dem — eine Sanierung auf dem Boden des Reiches vorausge-
setzt — uns kein« andere Lösung als die unitarische bleibt.
Imeinzelnen lasten sich bann eine Reihe Voraussetzungen wie
die Aufteilung Preußens, Zurückdrängung Berlins festlegen, ebenso
wie wir dem „Badischen Staatsanzeiger" v o rb « h a 1 ts l o s zu-
stimm e n, wenn er schreibt:
„Preuße n ist das Heimatland des alten Sy -
stems, nicht der Süden. Und es ist überaus bezeichnend, daß
die wilden Säbölrassler und Annexionisten fast sämtlich Nord-
deutsche gewesen sind, die sozial und volkstümlich empfindenden
Männer der letzten Jahre aber vor allem Süddeutsche. Wir
brauchen nur an Männer wie Grüner, Schenck, Prinz Max von
Baden, Payer, Gröber, Ebert erinnern. Wähernd bei uns im
Süden der G ei st al t-e n Systems bereits merklich in einer
Weise überwunden ist, die zu den besten Hoffnungen für die Zu-
kunft berechtigt, ist gerade Preußen auch heute noch das Land,
in dem sich die Reaktion am lautesten betätigt. Bevor die
drei Mehrheitsparleien des preußischen Landtages an derartig
gefährliche, die Existenz des Reiches aufs Spiel setzende Ideen
etngehen, sollten sie erst einmal selber mit der Reaktion in ihrem
Lande fertig werden und -die Bedrohungen von feiten dieser Re-
aktion zu nicht« machen."
Mit diesem Teil seines Artikels hat der „Badisch« Staatsan-
zsiger" leider nur zu rechten, und es ist zu wünschen, oaß diese
Kritik auf fruchtbaren Boden fällt. Auf diese Weise muh jedoch das
ganze Problem des unitarischen Reiches angefaßt werden, nicht
aber durch ein Lamento, das dieses Zemralprdblem unseres Wieder-
aufbaues beiseite schiebt, ohne irgendeine andere Lösung auch nur
zu nennen.
Politische Übersicht
Englische Stimmen zur weltpolitischen Lage.
Reden im Unterhaus.
Rotterdam, 20. Dez. Läut „Nieuwe Rotterdamsche Cou-
rant" erklärte bei der Debatte im Unterhaus über die auswärtige
Politik Sir Donald Maclean: Nichts sei im Kriege so
sehr in Mißkredit gekommen, wie die Geheimdiplomatie,
Die Welt verlange danach, daß jetzt die Taten aufgedeckt werden.
Zwischen Völkerbund mW Rückkehr zum Militarismus gebe es
keinen Mittelweg.
Lord Robert Cecil sagte: Der Friede müsse so bald wie
möglich in Kraft treten. Die Revolution könne in keiner Hinsicht
für die Alliierten von Vorteil jein und könne eine vernichtende
Wirkung haben. Der Fall der jetzigen deutschen Regierung würde
nur zu drei Dingen führen können, und zwar zu einem vollkomme-
nen Chaos oder zu einer Regierung der äußersten Linken oder zu
einer militärischen Reaktion. Keines von diesen drei Dingen könne
für die Alliierten von Nutzen sein. Cecil drang dann auf rasche
Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen mit Rußland
und sagte, di« wahre Ursache des Bolschewismus sei derHunger.
Solange die Lage im Auslande so verwirrt bleibe, wird England
niemals zum Frieden in der Industrie und zur Wohlfahrt gelangen.
Dem „Daily Telegraph" zufolge erklärte LloydGeorgs
mit Bezug auf den Völkerbund, erzweifls nicht daran, daß
Amerika Mitglied des Bundes werde. Wenn es jedoch Mitglied
weide unter Bedingungen, die nicht auf alle anderen Länder An-
wendung fänden, dann sei es sehr schwierig, mit Menschen unter
verschiedenen Umständen an derselben Tafel zu sitzen, während eine
Nation vollkommen fehle und unbehindert die anderen mit auf den
Rücken gebundenen Händen seien.
Wenn man zu -em Völkerbund komme, dann müsse es ein
Bund von gleichwertigen Nationen sein. Der Premierminister sagte
Wetter: Ohne im geringsten eine Vermutung darüber zu äußern,
was Amerika tun oder nicht tun wird, muh ich doch erklären, daß
der Völkerbund von so großer Wichtigkeit für den Frieden des un-
ruhigen Europa ist, daß die Regierung überzeugt sei, daß England
jedenfalls auf dem Wege des Völkerbundes weitergehen muß.
Wie ein Telegramm aus London meldet, beschranken sich dis
englischen Morgenblätter darauf^ die Rede Lloyd Georges ohne -
großen Kommentar wiederzugeben.
Branting für die Kammer der Arbeit.
In Kopenhagen finden zurzeit Verhandlungen über den Völ-
kerbund zwischen Vertretern der drei - skandinavischen Länder
statt. Von schwedischer Seit« nimmt auch Branting daran teil, der
von „Politiken" interviewt worden ist. Er sagte u. a.: Der Bol-
schewismus ist «in Spuk, der das Tageslicht nicht verträgt. Sehen
Sie, wie schnell er hinsiecht und sich überall anders als unter dem
russischen Terror auflöst. Wie verfälscht seine Behauptungen sind,
wie hohl sein Wille zu Recht und Gerechtigkeit. Selbst unter de»
schwierigen Kriegsverhältnissen in Schweden hat der Spuk kein«
Macht bekommen, und so geht es überall.
Ueber die Frag« der Randstaaten äußerte Branting: „Es ist
klar, daß'alle diese Staaten nicht allein leben können, und doch
muß man ihren Drang nach selbständigem Leben achten. Rußland
kann sie nicht entbehren — und sie können Rußland nicht entbeh-
ren. Ihr starkes Nativnakgefühl und die innere Spannung sind
eine ganz natürliche Reaktion. Man muß sie austoben lassen. Es
ist der Uebergang zu einer höheren Form gemeinschaftlichen Ledens
Mischen all den zersplitterten Ländern."
„Können Sie sich irgendeine Gemeinschaft zwischen bolsche-
wistischen und demokratischen Parteien denken?"
„Nein. Es ist unsere Ansicht, daß bi« Entwicklung noch nicht
die kapitalistische Gesellschaft überflüssig gemacht hat, und wir wol-
len der ruhig vvrwärtsschreikenden Linie folgen. Die anderen wollen
Bolschewisierung mit Macht, sofortige Errichtung der sozialistischen
Gesellschaften. Zwischen zwei so entgegengesetzten Anschauungen ist
kein Vergleich möglich. Der Kampf muß ausgefochten werden.
Der Interviewer fragte: „Aber der Bolschewismus wird in
der Weltentwicklung Spuren hinterlassen. Das Rätesystem
enthält doch einen gesunden Gedanken, ebenso wie der Gedanke
des Völkerbundes."
„Das ist wahr. Aber wir brauchen diese Gedanken nicht von
den Terroristen in Rußland zu holen. Ich denke mir nicht, daß
fachliche Räte die Parlamente absetzen werden. Sie werden den
Parlamenten nebengeordnet sein. Persönlich bin ich kein Freund
des Einkammersystems. Ich kann mir denken, daß wir zwei Kam-
mern erhalten, eine nach dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht, eine
andere von Fachräten gewählt, die alle Erwerbsgruppen vertreten.
Diese Kammern werden ein entscheidendes Wort bei der Durch-
führung aller Gesetze zu sage» haben."
Die Lage in Sowjetrußland.
Die „Freiheit" bringt folgende Meldung: x
Kopenhagen, 18. Dez. Ein n eutraler Reisender,
der gestern aus Zentralrußland kommend hier eintraf, berichtet, daß
die Stellung der Sowjetregierung durch die Haltung der Entente im
Bewußtsein der Oeffentlichkeit gestärkt worden sei. Vor allem
wachse bei den Bauern die Ansicht, die Entente wolle die alten
Bodenverhältnisse wieder Herstellen. In ganz Süd- und Zentral-
rußland arbeiten en g l i s che und a m e r i k a n is ch e Handels-
kommissionen eifrig an der Erforschung der Verhältnisse und
ebnen den Boden für den planmäßigen Aufkauf russischer Betriebs-
und Nohstoffzentren. Der Reisende, der ausführlich mit Trotzki
gesprochen hat, glaubt eine starke Schwenkungen dem Soziattsie-
rungskurs der Sowjetregierung zugunsten gemäßigterer Anschauun-