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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 31 - Nr. 40 (5. November - 15. November)
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TsSeszeiüMg für die vxEtige BesöKerrmg der Amts-ezirke Hei-rlbekg, Wiesloch, Gürsheim, Gppmge», EberSach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Koxberg,
MuKsBifchsfshLiM usö Serihsim.

H-iöslberg, DsrNlsMag, 6. Avvsmber ^S-LS
M. Z2 » -1. LsHrgaNg

Die KäMPfe in RutzLsNd.
Helsingfors, 6. Nov. (W.T.B.) Am Peipus-See
und bei Plsskau greifen die BolschsWiften Wieder an. Die
Ententeflotte beschießt die Truppen des Obersten Bermant
unter lettischer Flagge. Dis Fortsetzung der Konferenz der
Randstaatsn findet in Dorpat am 9. Noöenrber statt.
Hoffnungsloser Zustand des ALg. Hanse.
Berlin, 8. Nov. (Privatmsldung.) Die Ärzte geben
nunmehr die Hoffnung auf, das Leben des Abg. Haase
retten zu können. Nach Ansicht der Ärzte können noch
einige Tage bis Zum Eintritt der Katastrophe vergehen, da
Haase eine sehr gute Konstitution besitzt.

Derauttportt.: Mr innere «. äußere Politik, Dokksvirischast u. FeuMeten - Dr.
C. Krsus; für Kommunales u. soziale Rundschau: I. KahnfürLstales:
O.Geibrlr für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg,
Dmck «ob Verlag der tloterbadischm ÄerlagsanftM G. m. v. H., Heibelbrrz.
GeschSstssteK«: GchrSberstraße ZS. Fernsprecher 2S4».
SefchSftsjktmbeo: S-ff,s Ahr. Sprechstunden der Redattisn: 11-12 Ahr.

Die Untersuchung über die
Schuldfrage.
Berlin, 5. November.
Vorsitzender Warmuth eröffnet die Verhandlungen um 10)4 Ahr.
Er richtet zunächst einige Fragen an den Grafen Bernstorfs. Vorsitzender
Warmuth: Bisher ist die Frage nur wenig berührt worden, wie die
Stimmung in den Bereinigten Staaten gegen Deutschland vergiftet wor-
den ist, und zwar durch die Tätigkeit der Presse und der Films. Ich
möchte feststellen, inwieweit die deutsche Botschaft bemüht gewesen ist,
diesem vergiftenden Einfluß entgegenzuwirken.
Graf Bernstorfs: Mr haben nach feder Richtung hin versucht,
unsere Anschauung von der Lage vor das amerikanische Publikum zu
bringen., die englische Propaganda war uns durch technische
Leistungsfähigkeit überlegen.
Borsitzender Warmuth: Ein Einfluß auf die amtliche Bericht-
erstattung hätte Ihnen wohl zugestanden, ein solcher auf die private war
wohl ausgeschlossen?
Graf Bernstorff: Wir hatten aber in Newyork Privaten eine
eigene Propagandastation eingerichtet, die zuerst unter der Leitung von
Dernburg und dann unter der der Geheimräte Albert und Schür stand.
Derndurg hat zuerst eine außerordentlich erfolgreiche Tätig-
keit entfaltet. Er hat dann auch öffentlich Reden gehalten. Ich durfte
nicht an die Oefsentlichkeit treten und wäre sonst in einen Kampf mit
der Presse gezogen worden.
Auf eine Anfrage Dr. Sinzheimers über die Haltung der
amerikanischen Presse zur Friedcnsaktion Wilsons erklärt Graf Bern-
storfs, daß Wilson wiedergewählt wurde unter der Parole, daß er
das Land vom Kriege fernschalteu habe; unter der Oberfläche war ver-
breitet worden, daß er versuchen würde, den Frieden wiederherzustelien.
Fast die gesamte Presse war damals damit einverstanden, daß Wilson
diesen Versuch mache, auch die Hearst-Presse.
Dr. Sinzheime r: Staatssekretär Zimmermann hat mir erklärt,
daß die Ansicht gehegt wurde,
die Wilfonsche Friedensvermittlung stände unter englischem Einfluß.
Auch Hindenburg hat sich so geäußert.
Graf Bernstorfs: In Amerika herrschte die gerade entgegen-
gesetzte Anschaumig.
Staatssekretär Zimmermann verweist auf den Bericht eines
Gesandten, der eine Unterredung mit einem neutralen Minister hatte.
Danach erklärte der Minister, daß der Schritt Wilsons dahin gedeutet
werde, daß er den Zweck verfolgt habe, die Zentralmächte im Inter-
esfe Englands zur Bekanntgabe ihrer Bedingungen zu zwingen.
Für derartige Manöver, betonte der Minister, wolle er sich nicht ge-
brauchen lassen.
Professor Schäfer: In einem Bericht eines englischen Agenten
vom Juli oder August 1916 an Grey wird gesagt, daß man in England
dafür sorgen müsse, einen neuen L u? i t a n i a f a kl zu schaffen, --as
würde dazu beitragen, die von einer Neigung für Deutschland durch-
seuchte amerikanische Stimmung in die entgegengesetzte Richtung zu
treiben.
- Graf Bernstorfs: Das Hauptziel meiner Politik war, unter
allen Umständen Amerika dem Kriege fernzuhalten.
Abg. Goth ein: Staatssekretär Zimmermann beruft sich auf die
Unterhaltung eines unserer Gesandten mit einem neutralen Minister.
Abg. Dr. Sinzheim er: Für besonders beachtenswert hält Herr
.... die Erklärung, die Lansing in Ergänzung der Note angegeben
hat. Der betreffende Herr äußerte wörtlich: Wenn man sich etwas
mehr auf die Vereinigten Staaten verlaßen könnte (Staatssekretär Zim-
mermann: Hört! Hört!) und wenn sie nicht so oft enttäuscht
hätten, (Zimmermann: Hört! Hört!) waren die Aeußerungen Lansings
Weniger eine Drohung an die Presse der Alliierten aufzufaflen; daß die
Friedensparteien in Frankreich und England dadurch wesentlich gestärkt
wurden, unterliege keinem Zweifel. -
Minister Davi d: Aus welchen Gründen hat Staatssekretär Zim-
mermann geglaubt, annehmen zu können, daß die Friedensaktion Wilsons
von Ln g land angeregt worben sei? Die Auffassung des Staats-
sekretärs Zimmermann ist von ungeheurer Tragweite, weil sie vom Ge-
neralfeldmarschall Hindenburg geteilt wurde, wie aus einem Telegramm
hervorgeht. Ich frage: Wußte der Gcneralfeldmarschall, daß die Frie-
densaktion Wilsons von der deutsche n politischen Leitung ange-
regt war?
Konsul Müller: Es sind hier Vorgänge in neutralen
Staaten berührt, und es ist auf die Berichterstattung aus diesen
Staaten hier Bezug genommen worden. Es sind leicht unrichtige Schlüsse
möglich. Deshalb bitte ich von einer Erörterung dieser Dinge in öf-
fentlicher Verhandlung abzusehen.
Vorübergehender Ausschluß der Oeksentiichkeit.
Vorsitzender Warmuth: Der Ausschuß trägt diesem Wunsche
Rechnung. (Widerspruch der Abgeordneten Dr. Lohn und Dr. Sinz-
heim e 'r.) Die Bedenken sind zutreffend. Es können .Schlüße auf
einen neutralen Staat gezogen werden. Infolgedessen sch ließe ich bis
zu Erledigung dieser speziellen Frage die Oefsentlichkeit aus.
Gras Bernstor ff: Bis zum Eintritt der Vereinigten Staaten in
den Krieg wurde von der Entente jedes nur irgendwie denkbare Mitte!
angewcndet, um alle Deutschen aus den Bereinigten Staaten herauszu-
bringen. Jede persönliche Verunglimpfung mußte dazu dienen.
Abg. Dr. Sinzheiiner: Im Mai 1916 hat im Reichsam! des
Innern mit den Pressevertretern in Anwesenheit von Bernhard, Theodor
Wolff und Maximilian Harden eine Besprechung über die Sussex-Note
stattgesunden. Von Teilnehmern dieser Konferenz wird berichtet, daß
Staatssekretär Zimmermann auch hier über Wilson geäußert hat:
lieber die Unverschämtheit und Frechheit Wilsons ist kein Wort
zu verlieren, aber wir haben ihm die Maske vom Gesicht geristen.
Staalsietretä' Zimmermann: Das ist mir nicht ermneruch.
Abg Dr S i u z h e i m e r: Dann müssen wir Harden und Theodor
Wilfs als Zeugen vmnehmcn. , .
Va. sitzender Warmuth: Wir kommen nunmehr zu der wuytigen
Frage des rücksichtslosen U-Bootknegcs
und zu den Gründen, welche für die Reichsleitung dafür maßgebend
waren Ich halte dem Zeugen von Belhm.ann Hollweg die Denkschrift
vom Fetrucr 1916 vor, in der alle wesentlichen Gründe gegen den rück»
sichtsioslen U Bootkrieq anführt. Weiter haben Sie (zu Bethmann) in
Charleville eine Unterredung nut dem Kaiser gehabt und dabei-
diese Denkschrift vorgctragcn. Sie haben Ihre Bedenken nochmals vor-
getragen, im Gegensatz zu dem General von Falkenhayn, der dabei war.
Weiter hat am 31. August 1916 im Schloß zu Pleß wiederum unter
Vorsitz des Kaisers eine Besprechung stattgesunden, an der alle maßge-
benden Zivil-, Militär- und Marinebehörden teilgenommen haben. Auch
aus diesem Protokoll gehr die Gegensätzlichkeit der Auffassung zwischen
den JivilbehSrden und den Militär- und Marinestellcn hervor. Werter
soll von Wichtigkeit eine Urkunde vom 23. September 1916 an den E«°
ncralseldmarschall von Hindenburg über den U-Bootkrieg fein. Sie
sagen in diesem Brief am Schluß, daß die Frage des rüagchtslosen U-


Die NrbeiLLksNferLRz - w
WsMuZLou.
Die Arbrnerkvnferenz in Washington ist zusammengetreten, be-
MT der Frieden in Kraft getreten ist, und, obwohl sie nach diesem
Wrreden nur aus Mitgliedern des Völkerbundes bestehen sollte, dem
Deutschland und Oesterreich noch nicht angshören, hat sie die Zu-
?MMg von Deutschland und Oesterreich fast einstimmig beschlossen
Äm Vorsitz in dieser Konferenz sollte Amerika haben, Amerika hat
aber das Dokument von Versailles, das auch die „Organisation der
Arbeit" in der ganzen Welt reglementiert, noch gar nicht ratifiziert.
Matt hat die Schwierigkeit dadurch überwunden, daß ein amerikani-
scher Minister inoffiziell den Vorsitz übernommen hat, es fragt sich
aber Meder, ob diese erste Arbeitskonferenz von dem spateren Rat
des Völkerbundes als ein Instrument des Völkerbundes anerkannt
morden wird und ob den Beschküsten der Konferenz überhaupt
irgend eine offizielle Bedeutring zugefprochm werden wird.
Die Friedenskonferenz von Versailles hat auch schon dis Tages-
ordnung für die Konferenz in Washington festgesetzt. Ihr erster
Punkt, ist „die Anwendung des Grundsatzes des Achtstunden -
lag s oder der Achtundvierzig S t u n d e n w o ch e", der
zweite Punkt betrifft Verhinderung der Arbeitslosig-
keit, der dritte und vierte die Frauen- und Kinderar-
beit, der fünfte das Verbot der Verwendung weißen Phosphors
in der Zündholzindustrie. Die Friedenskonferenz hat aber der
Arbeitskonferenz auch schon die Arbeit abgenommen, allgemeine
Grundsätze der Sozialpolitik aufzusteüen, dis, so verwaschen sie zum
Teil gehalten sind, in künftigen internationalen Verhandlungen doch
sine bedeutsame Rolle spielen dürsten. Dis Parteien erkennen darin
an, „daß das körperliche, sittliche und geistige Wohlergehen der
mdlkftriellen Lohnarbeiter aus internätionalen Gesichtspunkten von
wGeMicher Bedeutung ist." Die Arbeit dürfe nicht einfach als
Werre oder Handelsartikel betrachtet werdet. Den Arbeitern müfle
ein. Lohn gezahlt werden, „der ihnen eine angemessene Lebenshal-
WW nach der Auffassung ihrer Zeit und ihres Landes sichert." Der
Achtstundentag oder die Achtstundenwvchs werden als Ziel bezeich-
net, „das überall «»gestrebt werden soll, wo es nicht erreicht ist."
In dem Eingangskapitel des Vertragsteils, der von der Arbeit
handelt, wird versichert, daß der Weltfrieden nur auf dem Boden
-sozialer Gerechtigkeit begründet werden könne. Es be-
stünden Arbeitsbedingungen, die für viele Menschen Unrecht, Eiend
Md Entbehrung bedeuteten, dadurch entstehe eine Unzufriedenheit,
die den Weltfrieden gefährdet. Die Nichtannahme wirklich men-
schenwürdiger Arbeitsbedingungen durch einen Staat sei ein Hinder-
nis auch für die Bemühungen her andern Staaten, das Los ihrer
Arbeiter zu bessern. Darum hätten die vertragschließenden Parteien
lalfo die Entente einerseits und Deutschland andererseits) „bewegt
durch Gefühle der Gerechtigkeit und Menschlichkeit und durch den
Wunsch, den Wettfrieden dauernd zu sichern", die im Vertrag nie-
dergeisgte Organisation der Arbeit vereinbart.
Der Friebensvertrag von Versailles legt also Deutschland dir
Verpflichtung auf, Elend und Entbehrung seiner arbeitenden Be-
völkerung nicht zu dulden, den Achtstundentag anzustreben, wo er
noch nicht erreicht ist, eine angemessene Lebenshaltung der Arbeiter
M sichern. Cs mag sein, daß die Konferenz in Washington diese
Verpflichtungen im einzelnen noch näher umschreiben und festlegen
wird, und so mag denn gleich gesagt werden, daß dieser Teil des
Friedensvertrags derjenige ist, in dem uns die Höhe der uns auf-
erlsgtcn Verpflichtungen garnicht groß genug sein kann.
Allerdings, dieser von Gerechtigkeit und Menschlichkeit Kie-
sende Teil des Friedensvertrags steht in einem geradezu komisch an-
mutenden Gegensatz zu feinen sämtlichen übrigen Teilen. Je länger
dieser Vertrag in Kraft fein wird, desto dringender wird die grund-
Utzliche Frage werden, welche der von ihm aufgestellte Forderun-
gen im Konfliktsfülle den andern vorauszugehen haben. Der Ver-
trag von Versailles legt dem deutschen Volk die Verpflichtung auf,
Lasten zu tragen, die in einem Menschenalter bei täglich vierund-
ManZigstimdiger Arbeit aller Erwachsenen nicht abgetragen werden
könnten, selbst wenn sich das ganze Volk die ganze Zeit über mit
Brot- und Kartoffelnahrung begnügte. Auf der andern Seite aber
verlangt der Vertrag von uns, daß wir ja nicht länger als acht
Stunden im Tag arbeiten, recht gut essen, angenehm wohnen sollen
Äw. Es ist ohne Weiteres klar, daß uns diese Forderungen des
Vertrages bedeutend sympathischer sind als alle andern, es wird sich
aber bald Herausstellen müssen, welcher Teil der Forderungen nun
eigentlich ernst zu nehmen ist, der eine oder andere, denn beide zu-
gleich — das geht offenbar, nicht!
Machen sich doch schon jetzt die Folgen des Friedensvertrags
-Merkbar, die den andern Völkern sehr unangenehm sind. Man
spricht von einer Ueberfchwemmung der fremden Märkte mit deut-
- schon Arbeitsprodukten, die dadurch entsteht, daß der niedrige Stand
der Markwährung die fremden Kaufleute anreizt, in Deutschland
zu kaufen. Was bedeutet aber diese Balutafrage anderes, als daß
der deutsche Arbeiter durch den Friedensvertrag gezwungen ist, bil-
liger zu arbeiten als der der ausländische, daß zur Erzeugung von
z. B. einem Dutzend Taschenmesser in Deutschland weniger Brot,
Speck, Fleisch usiv. ausgewendet.wird als in England oder Amerika?,
Es gibt gar keinen andern Weg es zur Erfüllung feiner finanziellen
Verpflichtungen zu zwingen als den, es zur Schmutzionkurrenz zu
Minzen, denn anders mit den Arbeitsprodukten, die wir selber nicht
verbrauchen, können wir unsere Schulden nicht bezahlen. Arbeits-
produkte können wir aber nicht aus der Luft holen sondern wir
Müssen sie erarbeiten.
Betrachtet man die Arbeitskvnferenz von Washington aus die-
sen grundsätzlichen Gesichtspunkten, so muß man ihren Verlauf und
ihttm Ergebnissen mit nicht geringer Spannung entgegensetzen. Wir
Kimen dieser Konferenz nichts besseres Wünschen, als daß sie sich
selber ernst nimmt, daß sie von den Arbeitern aller Länder ernst
genommen wird, und daß diese dann auch ihre Regierungen zwin-
gen, sie ernst zu nehmen. Auf ihr und ihrs« Nachfolgern wird die
EnGHerdrmg Men, ob der neue Frieden im Sirm des Kapitals
MM der Arbeiterklasse «msgeMrt werden ssL.

BsKMM'eis: Monatlich emschl. LrZ-Mlsh« 1.«»M?„ durch die Kost
ldMiM monatlich 1.S0 Mk., vierteljährlich 4L0 Mk. ausschi. Zrtstellimg.
MWigesMifs: Dir rlosvaktigr peiitzelie (M mm Lrsit) 39 Pfa., Re-
EkLWEszeigeu ssz mm vrrit) 1.W Mk. Del Mederh-lunge» Nachlaß
yM Tarif. GehsimmittelÄnzeigov werden nicht gyfqerwmwrn.
MWchMsMoKarlsruheÄr. WM. Tel.-Adr.: NsMtzeitmi- .Hei-elbMg,

GeuersLftrsiZ?
Berlin, 6. Nov. (W.T.B.) Eine Versammlung der
gesamten Funktionäre der sozialdemokratischen und demo-
kratischen Fraktion sprach sich heute m einer Versammlung
einstimmig gegen den von den Unabhängigen und Kommu-
nisten proklamierten Generalstreik aus und fordert die
Arbeiterschaft auf, sich entschlossen Hinte? dis berufenen
Körperschaften der Parteivorstände zu stellen, und lediglich
gegen dsrsrr Parole zu handeln. Dis von den radikalen
Elementen im Metallarbeitsrverband ausgegangene General-
strsikparols hat dis von ihnen erwartete Wirkung niHt
gehabt. Äußer den großen Betrieben, die bereits still
lagen, haben nur eine Reihe kleinerer Werke sich dem
Streik angeschlvsseu. Auch der Ausstand der Straßenbahn-
arbeiter, deren Zahl kaum 1000 Mann betragt, hat die
Gesamtsituation wenig verändert. Die auf dem Boden der
sozialdemokratischen Partei stehenden Betriebsvertrauensleute
und Arbeiterräts sprachen sich gestern entschieden gegen einen
neuen Streik aus. Ferner fand am gestrigen Nachmittag
sine Versammlung der Funktionäre des Deutschen Eisen-
bahnerverbandes statt, in der zu dem Metallarbeiter-
streik Stellung genommen wurde. Nach eingehenden Be-
sprechungen wurde eine Entschließung der Funktionärs
angenommen, wonach ein Sympathie der Eisenbahner für
dis Metallindustrie glatt abgelehnt wurde.
Die Regierung gegen den Generalstreik.
Berlin, 6. Nov. (W.T.B.) Dis Reichsregierung und
die preußische Regierung erlassen einen Aufruf an das
Volk, in dem es ausgefordert wird, dem von den Berliner
Radikalen proklamierten politischen Generalstreik endschie-
densten Widerspruch zu leisten. Das Volk wolle Ruhe,
Frieden, Arbeit und Brot und werde sich in seiner über-
wiegenden Mehrheit gegen jene Elements wehren, dis es
noch tiefer ins Unglück führen wolle. Die Regierung rverds
Leben und Gesundheit von 60 Millionen Deutschen mit
Aufbietung aller Kraft schützen.
Die BMÜNM-Wseber w Berlin.
Berlin, 6. Nov. (Prwatmeldung.) Nach einer
Mitteilung des „Vorwärts" sind in den letzten Tagen zwei
ZsrrjrÄMells« dsr AnwerbttNg für das BEKAM in
Berlin MzsgehsbM wordem. In der einen wurde der
Sshtt des Gsnsrars von dsr Goltz angstroffen. In
seinem Besitz befand sich sm als vertraulich und geheim
bezeichnetes Schriftstück, das dis Namen Vsrfchiedsner ins
A«SWsrtigs« Amt tätige« Herren enthielt, die von
dort aus als Vertrauensleute die baltische Sachs fördern.
Die NuLsrzeichmmg des Rstisizierungs-
ProLoZolLs.
Clemenceau- Einladung an Vie deutsche Regierung.
Berlin, 5. Nov. (W.B.) Herr Clemsnceau hat
der deutschen Regierung am 3. November eine Note über-
sandt, in der er sie auffordert, nachdem die Vorbedingungen
erfüllt seien, einen zur Unterzeichnung des Protokolls über
die Niederlegung der Ratifikation bevollmächtigten
Vertreter an dem demnächst zu bestimmenden Tag nach
Paris zu senden und ihn gleichzeitig zur Unterzeichnung
des der Note beiliegenden zweiten Protokolls zu be-
vollmächtigen, das die Regelung der von Deutschland durch
das Waffenstillständsabkömmen und die Zusatzvertrags über-
nommenen noch nicht erfüllten Verpflichtungen betrifft.
.Gegen den Anschluß an MosLan.
Leipzig, 3. Nov. Die gestrige Urabstimmung der Unab- -
hängigen Sozialdemokratischen Partei Groh-Leipzigs über die Re-
solution zur Parteitaktik hat als vorläufiges Resultat
ergeben, daß in den Bezirken der Stadt und der näheren Umgebung
für die Resolution der Parteileitung, die sich zur den Parlamenta-
rismus, gegen die Diktatur der Minderheit und gegen den Anschluß
an die dritte Internationale ausspricht, bei etwa 6600 Abstimmen-
den ungefähr eine Mehrheit von 500 Stimmen ergeben
hat. Die Ergebnisse der weiter von Leipzig abliegenden Orte stehen
noch aus, werden aber an dem Ergebnis nicht viel ändern, sondern
vermutlich die Mehrheit noch verstärken.


 
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