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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 61 - Nr. 70 (10. Dezember - 20. Dezember)
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Mssdach, Buchen, Adelsheim, BsxhekH,






HeiSelösrH, GLMsisg, 20. NsZemösr
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La-tGeimng Br- di« iveEtise Bevölkenrng der BmisSezirke Heiöekveks-- Wissrsch, Ginsheim, Cppi^gsn. Eberdach
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«.Kraus- für KomMMalrs u. soziale Rundschau: I.Kahä,-str'Lolal«k:
O.GelSel; Br die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in SsidsKerg.
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Rückblick.
Kr. Heidelber g, 20. Dezhr.
Die dclitfch-ftcmzssifche Spamrung, von der wir das letztemal
«n dieser Stelle gsreder haben, hat sich erfreulicherweise zu lösen
Gesonnen und zwar in durchaus gutem Sinne. Die deutsche Re-
gierung bat in der Kriegsgefangenen» und Scapa Flow-
Krage ihren von uns stets verurteilte» bloßen Proteststandpunkt
»erlassen, sie hat im wesentlichen den Inhalt der letzten französischen
Note a?s berechtigt anerkannt und bezüglich der Wiedergutmachung
für die Scapa Flow-Versenkung sich zu Wirtschastsunterhandlungen
bereit erklärt. Die Verhandlungen haben bereits in Paris unter
dem Vorsitz des französischen Wiederaufbauministers Loucheur be-
gonnen und scheinen zu einem Vergleich zu führen. Es ist nur zu
hoffen, daß dieser Weg der positiven wirtschaftlichen Verhandlungen
wekkeMjMMN wirb. Der „Tem ps" hat in den letzten Tagen
wiederholt darauf hingewresen, daß das Verlangen der Auslieferung
unseres Hafenmaterials eine englische Forderung sei und
daß Frankreich im eigenen Interesse seines Wiederaufbaues durch-
aus keine wirtschaftliche Vernichtung Deutschlands wolle. Frank-
reich will nur wieder asfgebaut fein, und je tatkräftiger wir dabei
Mitwirken, umfo eher ist die für die europäische Politik so notwen-
dige deutsch-französische Verständigung möglich.
Keder die Londoner AMerten-Kvnferenz sind alle möglichen
maßgeblichen und unmaßgeblichen Meldungen in die Welt hinaus-
gegangen. Tatsache scheint nur zu sein, daß sic notwendig gewor-
den war durch Amerikas Haltung in der Friedensfrage und daß sie
den ersten großzügigen englischen Versuch barstellt, die europäischen
Fragen ohne Amerika zu regeln, d. h. den Völkerbund m einen
Staetenbund unter englischer Regie umzubiegen. Wir werden die-
ser EnmMüng aufmerksam zu folgen haben.
In der inneren Politik steht zur Zeit die große Reichs-
sii nairzresorm im Vordergrund, wie sie sich durch die' großen
Steuer-Vorlagen (Reichsnvtopfer, Reichseinkvmmer-steuer, Kapital-
«ttragssteuer, Umsatzsteuer) vollzieht. Mag man vom volkswirt-
schaftlichen Standpunkt aus manche Kritik im einzelnen zu üben
haben, mag man als Sozialdemokrat manches anders wünschen
«besonders bezüglich der unsozialen ll m satzsteu e rl); zu begrüßen
ist, daß überhaupt einmal praktisch Emst gemacht wird mit einer
starken progreWE Besteuerung Ker Einkommen und Vermögen
und -vor ' allem: wft «im eftchMkche ReichsstkWrverwaltung
haiA:» Wertw«, wÄchchdis GrruMage zu einem organischen Neu-
aufbau unserer Wirtschaft und der erste Schritt zum Einheitsstaat
sein wirb.
Gerade der Gedanke des Einheitsstaates hat in den letzten
Tagen bedeutende Fortschritte gemacht. Man kommt in führenden
politischen Kreisen—- im Volke selbst ist man gefühlsmäßig schon
lange so weit — immer mehr zu der Auffassung, daß der momen-
tane Instand des Nebeneinander- und DnrcheiMnderregierens von
Reich und Landesregierungen so rasch wie möglich aufhören muß.
In der ReichsnatisnalDerfammlung hat der badische Zentrums-
abgeordnete Dr. Zehnter das Einheitsreich vom Standpunkte
der Verwaltüngsveremfachung gefordert: von den Mehrheitspar-
teien des preußischen Landtags ist cs jetzt aus politischen und wirt-
schaftlichen Gründ«: gefordert worden. Wir Sozialdemokraten
müsse« . ww Entwicklung durchaus begrüßen (vgl. dar» unsere Aus-
führungen der letzten Tage unter „Polit. Uebersicht" und „Badische
Politik"); wir wissen, daß ein unitanicyes Reich, das jetzt alle
Verhältnisse fordern, durchaus auf gesunder Verwaltungsdezentra-
kism.oa aufgebaut sein kann. Aber die 22 Landtage, Ministerien
und Staatspräsidenten mit ihrem Drum und Dran muaen wir als
überflüssigen Ballast zum alten Eisen werfen (vgl. unten über Bad.
Politik).
In der parteipolitischen Konstellation. bat die Koalüionsdemo
kralle eine bedeutsame Stärkung erfahren durch den deutsch-
demo trali sch en Parteitag. An dem einstimmig ange-
nommenen Parteiprogramm ist das Erfreulichste die Bejahung
des Einheitsstaates auf der Grundlage weitestgehender
Selbstverwaltung, die Forderung der s i m u l 1 a n e n Einheits-
schule und des demokratis ch e n Völkerbundes. In
diesen grundlegenden kuitur- und staatspolitischen Forderungen
können und müsse» wir mit der bürgerlichen Demokratie durchaus
Zusammengehen. Dagegen nicht im Wirtschastsprogramm, das un-
klar zwischen Industrialismus und ethischem Sozialismus hin- und
hcrschwonkt. Unser „Vorwärts" schreibt darüber:
„Am bedenklichsten und ängstlichsten wird dieses Programm
in seinem v o l ks wi r ts ch a ft l i ch e n Teil, der ohne klare
Grundauffassung nach beiden Seiten hin mit beschwichtigenden
Worten zu wirken bestrebt ist, der die Privatwirtschaft
als „regelmäßige Betriebsform" feiert und ebenso begeistert die
Beseitigung sozialen Unrechts in der Verteilung
des Besitzes und des Einkommens fordert. Bisher war man
ziemlich allgemein der Meinung, daß die Privatwirtschaft die
Quelle der sozialen Ungleichheit ist; wenn indes die demokratische
Partei einen neuen Wirtschaftsdenker hervvrgebracht hat, der
dartut, wie man Privatwirtschaft mit sozialer Gleichheit ver-
einigen kann, so trete er hervor und zeige sich dem Volke. Aber,
man merkt nichts von solchem wirtschaftlichen Umdenken, sondern
merkt nur das Bestreben, den Kindern rechts und den Kindern
links einige Fuckerplätzchen in den Mund zu schieben. Wenn das
„Gleichberechtigung" ist, so ist es doch keine „soziale".
Das Gepolter gegen Vertrustung und wachsende Groß-
betriebe, die „den einzelnen zu einem Rädchen in einer- Maschine
machen", und das Schutzveftprechen für Kleinhandel und Hand-
werk, „bei denen das unmittelbare Verhältnis des Menschen zu
dem Gesamtergebnis seiner Arbeit noch besteht", machen beinahe
den Eindruck, als ob in der Deutschen Demokratie eine neue
„Mittelstandspartei" im Entstehen begriffen sei. Aber
auch die Wirtschastspolitiker der Demokratie werden sich der
Erkenntnis nicht verschließen können, daß die Not des Landes
mehr denn je alle irrationellen Arbeitsmethoden verbietet, mehr
denn je zur Arbeitsersparnis auf dem Wege großbetrieblicher
Zusammenfassung hindrängt. Es fehlt der Mut, sich zu dem zu
bekennen, was man wollen muß."
De» Parteitag d er Unabhängigen, der für unsere
-') Mr werden von heute ab unsere 14tägigen politischen Rück-
blicke jeweils Samsraas veröffentlichen,_Die Redaktion.

Scheidemmrn OberbÄrgsrmeifter Von
Caffel. '
Kassel, 18. Dez. (W.B.) F« der heutigen Stadtverord-
netenversammlung wurde Scheidemann mit 48 von 86 Stimmen
zum Oberbürgermeister von Kassel gewählt.
Das JntrnfttreLen des Friedensvertrsgs.
Berlin, 20. Dez. (W.B.) Zur Regelung der mit dem In-
krafttreten des Friedensvertrages erforderlichen technischen Ueber-
gangsbestimmungen habe die Note Clemenceaus vom 3. Novbr.
zur Entsendung bevollmächtigter deutscher Vertreter nach Paris
aufgefordert. Die Kommissionen dafür sind gebildet. Die militäri-
schen Mitglieder dieser Kommission sind abgereist, die übrigen ver-
lassen heute Abend Berlin.
Der thüringische GroMaat.
Weimar, 19. Dez. Der. Der Bolksrat von Thüringen hat in
feiner heutigen Sitzung den vorn Meininger Landtag in seiner Denk-
schrift vom 12. Dezember 1919 gestellte«' Bedingungen über den Eintritt
Meiningens in die thünngifche Staatengemeinschaft einmütig zugestimmt
und beschlossen, eine Kommission einzusetzen, die. die Beziehungen zum
Reich regeln und neue Verhandlungen mit Preußen in die Wegs leiten
soll, zum Zwecke der Abtretung preußischer Gebietsteile an die thürin-
gische Staatengemeinschaft. Durch den Beitritt Meiningens zur thü-
ringischen Staatengemeinschaft ist nunmehr der Zusammenschluß aller
thüringischen Gliedstaaten, mit Ausnahme von Koburg, das in Bayern
-wsgehen will, erfolgt.
Das- neue französische Militärgesetz.
Paris, 20. Dez. (W.B.) Laut „Eclair" wurde der französi-
schen Regierung von der Kommission dis Veränderung des Ge-
fstzes über Ouadres als Entwurf vorgelegt, dal die Dauer des
Militärdienstes auf 2 Jahre festsetzt. Clemenceau hat heute mor-
gen feine Funktionen als Kriegsmimstcr wieder übernommen.
Englische Arbeiterpartei und irische
Nationalisten.
Amsterdam, 19. Dez. (Wolff.) Dem „Telegraaf" aus Lon-
don zufolge hat das neue Bündnis zwischen der englischen Ar—ttcr-
pariei und den irische« Nationalisten so endgültige Gestalt ange-
nommen, daß eine gemischte Kommission errichtet wurde, um die
gemeinsame Politik fortzusetzen. Das Abkommen bleibt vorläufig
auf bas gemeinsame Vorgehen im Unter Haus be-
schränkt, wird aber wahrscheinlich nach einiger Zeit auf die Organi-
sation der Wahlvereinigungen ausgedehnt werden. Die Arbeiter-
partei hat sich zu diesem Bündnis nur mit der Einschränkung ver-
standen, daß sie für den Republikanismus und die radikale Politik
der Sinnfeiner keine Verantwortung trägt. In der Arbeiterpartei
wird dafür Stimmung gemacht, während der Parlamentsferien
eine Abordnung nach Irland zu schicken, um die dortigen Verhält-
nisse zu studieren und auf die irische Vorlage der Regierung, die
während der nächsten Session aus die Tagesordnung kommen soll,
vorbereitet zu sein.
Amsterdam, 19. Dez. (W.B.) Das Pressebüro Radio meldet
aus Anapolis: Der Vorschlag des Senators Knox, de«.Friedens-
vertrag ohne Völkerbund zu ratifieren und dm Krieg für beendigt
zu erklären, wurde an dm Ausschuß für auswärtige Angelegen-
heiten verwiesen.
innerpolitische Situation wesentlich ist, werden wir die nächsten
Tage in einem eigenen Artikel mgehend kritisch würdigen.
Zum Schluß sind noch einige wichtige Tatsachen aus unserer
Badischen Politik zu erwähnen.. In Mannheim hat am 12. d. M.
eine außerordentlich imposante Tagung des S ü d w est d e u t-
schen Kanalvereins stattgefunden, die sich mit dem für
unser badisches und deutsches Wirtschaftsleben so eminent wichtigen
Projekt des Neckar-Donaukanals beschäftigte. Mit
volkswirtschaftlichem Weitblick und technischer Gründlichkeit wurde
der großzügige Plan besprochen; sowohl die württembergische als
jetzt auch die badische Regierung haben ihre Zustimmung gegeben
und weitestgehende Mitarbeit zugefagt. Unser Genosse Oskar Geck,
der von hoher Warte aus die wirtschaftliche und verkehrstechmsche
Bedeutung des geplanten Unternehmens darlegte (soll es doch eine
Verbindung von Nordsee und Schwarzem Meer, eine Binnen-
scchrtstraße vom Atlantischen Ozean zum Mittelländischen Meer-
werden) konstatierte mit großer Genugtuung, daß sich W ürtte m -
b e r g u n d B a d e n zur Zusammenarbeit an dieser großen wirt-
schaftlichen Frage gefunden hätten und gab der Hoffnung Ausdruck,
daß diese beiden Staaten sich bald auch zur politischen Einheit zu-
sammenschließen möchten im Interesse der stärkeren Reichseinheit,
zur machtvolleren Geltendmachung der Südwestdeutschm Interessen
und Wünsche bei der Reichsregierung.
Der Badische Landtag beschäftigte sich anläßlich einer Zen-
trumsinterpellation mit der Wahrnehmung der Interessen Badens,
insbesondere der Beamten und Arbeiter bei der Verreich! i-
chung der Eisenbahnen. Mit erfreulichem Nachdruck un-
terstrich dabei der Finanzminister Dr. Wirth die Notwendigkeit
der Verreichlichlmg im Interesse des deutschen Wirtschaftslebens
und die Torheit und Dummheit eines Sich-dägcgeft-stemmen-
wvllens. Es muß immer wieder den Anhängern der alten feudalen
Begrenzungen der dynastijchen Einzelstarten, die „Baden den
Badenern" schreien, entgegengehalten werden: zuerst und vsr allem
anderen brauchen wir jetzt ein einheitliches, mächtiges Reich, dessen
Gliederung nicht durch historische Zufälligkeiten, sondern nur durch
kulturelle, wirtschaftliche, Verkehrs- und verwaltungstechnische Not-
wendigkeiten bestimmt fein darf.
Im ganzen Lande vollzog unsere badische Sozialdemokratie
in den letzten 14 Tagen den Aufmarsch zu den kommenden Reichs-
tagswahlen. Üeberall wurden Konferenzen der neuen
Wahlkreise abgehalten, die sich mit den organisatorischen und
pol—n Fraaen der nächste» Reichstaaswahlen befaßten, ileberall

gab man der Auffassung Ausdruck, daß wir der schwersten und em-
jcheidensten Wahlschlacht entgegengehcn, zu der jeder seine letzte
Kraft hergeben muß. Als Partei der sozialen dzw. sozialistischen
Demokratie haben wir gegen die kapitalistische Reaktion von rechts
und gegen Anarchismus und Diktatur von links zu kämpfen. Nur
eine ganz klare, konsequente und zielbewußte Politik kann «ns
Erfolg versprechen. Frischauf zum Kampf, es gilt die Zukunft der
deutschen Sozialdemokratie und des internationalen Sozialismus.

Politische Übersicht
ZcnLnnnsmedcrlagen am Rhein.
Bei den Gemeindewahlen in Herzogenrath entfielen
auf das Zentrum 11, die Mitteistar—gruppen 4, die Arbeitergrup-
pen 7, die Bürgerpartei 3 und die Mehrheitssozialisten 5 Sitze. In
Eschweiler erhielten bei den Eradtratswahlen das Zentrum 19,
die Sozialdemokraten 12, die Bürgerpartei 8, die MittelstandsVer-
einigung 3 Sitze. In Stolberg ergaben die Stadtverordneten-
wählen 17 Sitze für das Zentrum, 7 für die Sozialdemokratie, 4
für die Demokraten und 2 für die Bürgerpartei. In Viersen
erhielt das Zentrum 26, die Unabhängigen 5, die Mehrheilssszia-
listen 4, die Kriegsbeschädigten 3, die Deutsche Vvlkspartei 2 und
die Demokraten 1 Sitz. Eine.g.r otze Ueberra ? ch u n g gab'es
in M ü n ch e n -- G l a d b a ch - L a n d: Zentrum 3404 Stimmen
(10 Sitze)), Mittelstandspanei, die vom Zentrum stark angegrif-
fen wurde, 2700 Stimmen (7), Sozialdemokratie 2411 Stimmen
(7). Die Mehrheit des Zentrums, die bisher in München-Glad-
bach unbestritten war, ist damit beseitigt. In Odenkirchen be-
kamen das Zentrum 18 Sitze, die Mehrheitsfozialisten 7, Deutsche
Vvlkspartei und Demokraten gemeinsam 6, die Unabhängige» 2 und
die DemschnationalM 2. Auch hier wurde die absolute Mehrheit
des Zentrums gebrochen. Ebenso in Geldern, wo das Zen-
trum 12, die Mittelstandsvereinigung 4, die Sozialdemokraten 6.
die Privatangestelltenverciuigung und die Bürgervereinigung je 1
Sitz bekamen
Bayern und der deutsche Einheitsstaat.
Münchep, 16. Dez Zu dem von den drei Mchcheits-
Parteien in der preußischen Landesoersammlung emgebrachten An-
trag, der den deutschen Einheitsstaat fordert, äußern sich: die Or-
gane der bayerischen Mehrheiwparteien bisher in recht wider-
sprechendem Sinn.
Die demokratischen „Münchener Neuesten Nachrichten"
vertreten die Auffassung, daß der preußische Antrag, da er nur aus-
spreche, was bereits sei oder bevor—, nicht von vornherein
zu bekämpfe n fei, freilich nur unter der Voraussetzung, daß der
Verzicht auf die bisherigen Hoheitsrcchte ausgewogen werde du— ein
ganz erheblich erweitertes, bis zur Grenze der Wirtschaftlichkeit gesteiger-
tes Maß intensivster Selbstverwaltung. Wenn sich das Reich darauf
beschränke, als alleiniger Inhaber einer Staatshoheit,-der er nach der
Reichsverfassung sei, generelle Normen zu erlassen, innerhalb dieses
Spielraumes aber dann den Ländern das Recht der freiesten Exekutive
zugestehe, hätten die Länder eher Aussicht, ihre vielfachen, differenzierten
individuellen Bedürfnisse und Wünsche pflegen zu können als bei dem
gegenwärtigen Zustand der Halbheit und Unsicherheit. Das Blatt schlägt
eine gemeinsame Aussprache zwischen Vertretern der einzcistaatiichen
Regierungen und Landtage mit Vertretern der Reichsregterrmg und der
Nationalversammlung vor.
Während die mchrheitssozialistjfche „M linchcner Po st" nur- kurz
bemerkt, die Sozialdemokratie werde unter der Voraussetzung weitcster
Selbstvexwaltung für die einzelnen deutschen Stämme gegen diesen
Versuch sicherlich keine Einwendung erheben, wendet sich das
Organ des bayrischen Zentrums, der „Bayrische Kurier", mit
großer Hestigkcst gegen den Vertrag, der nicht Widers gedeutet
werden könne, denn als Symptom der fvttschrettenden inneren Zersetzung
des deutschen Reiches. Solle die Verzweiflungstat der formellen Er-
richtung des Einheitsstaates auch den letzten Rest vernichten, den die
Reichsverfassung noch übriggelasfen habe? Nun verlange man die voll-
kommene Vernichtung der Eingeistaaten. Eine solche Politik müsse un-
mittelbar und in der Form des Volksentscheids zu Gehör kom-
men in dem Sinne, daß das Gesamtmimsterium, das Bayern gegenüber
dem Reich und anderen Sraatcn vertrete, zu einer Instruktion der bayri-
schen Vertreter im Reichstag, die irgend eine Preisgabe der- bisherigen
Rechte Bayerns bedeute oder mit sich bringe, nur nach Anrufung eines
Volksentscheids berechtigt fei.
Mehr Objektivität.
In der „Freiheit" nimmt der Unabhängige Breitscheid
kritisch Stellung zur Methode des Untersuchungsausschusses. U. a.
erhebt er folgende Forderungen, denen wir uns prinzipiell an-
schließen:
Daß wir unter solchen Umständen das ganze Verfahren nach wie
vor mit sehr skeptischen Blicken anfehen und starke Zweifel hegen, ob
nicht der Augenblick eintritt, in dem die Unabhängigen zur Türklinke
greifen müssen, wird man verstehen. Unser Mißtrauen wird aber noch
beträchtlich verstärkt durch gewisse Vorgänge, die sich im Schoße des
zur Erörterung derKriegsschuldfrage eingesetzten Aus-
schusses abgespielt haben.
Man hätte eigentlich annehmen können, daß gerade dieses Kollegium
seine Vorarbeiten besonders beschleunigen und zum
mindeste-n alsbald nach dem Erscheinen der amtlichen deutschen Doku-
mente über den Kriegsausbruch mit seinen öffentlichen Verhandlungen
beginnen werde. Es scheint nicht so große Eile zu haben und erst in
diesen Tagen versendet es seine Fragebogen an die zu vernehmenden
Personen. Vor allem aber beschäftigt es sich noch immer mit der Zu-
sammensetzung seiner S a ch v e rst ä n d i g e n g r u p p c, und diese trä-
tigkcit gibt zu allerlei Befürchtungen Anlaß.
Daß der Ausschuß es für notwendig gehalten hat, auf Grund der
nalionalfftifchcn Preßhetze den Genossen K.autsky, der zum Sach-
verständigen bestimmt ist, über die Veröffentlichung seines Buches zu
verhören, ist charakteristisch. Richt weniger, daß neuerdings offcnbar
Bestrebungcn im Gange sind, einem oppositionell gerichteten miiftäriichen
Sachverständigen ein Bein zu stellen. Am wichtigsten und bedenklichsten
jedoch ist die Ablehnung desDr. Greiling. Der hat bekannt-
lich während der Krieges in der Schweiz eine Reihe von Schriften ver-
öffentlicht, in denen er die Schuld der deutschen Machthaber von 1914
am Ausbruch des Krieges feftstellt. Es sind das in erster Linie das
Buch „I'accuse" (Ich klage an!) und die drei Bände „Das Ver-
brechen". Ls handelt fick hier nicht um leichtfertig hingeworfene
Pamphlete oder um Werte, in denen nur allgemeine Stimmungsmache
getrieben wird, sondern um wissenschaftliche Forschungen
von hohem Wert und bleibender Bedeutung. Einzelne
iIällnsrwiaerunaeo Grellinos maa dieier oder jener adlebnen. an dem
 
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