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zu Grunde gingen. Deutschland hat schon 1912 durch
Die Ratifizierung des Friedensvertrags verschoben.
Berlin, 4. Dez. Reuter meldet einer Basler Nachricht der
„Rationalzeitung" zufolge aus Paris, dah die Alliierten die Rati-
fizierung des Friedensvertrages mit Deutschland aus unbe-
stimmte Zeit vertagt Haden.
Vom Psrteitsg der N.S.P.
Leipzig, 5. Nov. (W.B.) Der Parteitag der Unabhängigen
Sozialdemokraten Deutschlands hat einstimmig ein Aktionspro-
gramm angenommen, das sich zur Ausschließungsherrschast des
Proletariats bekehrt und die Forderungen dieses Entwurfes sollen
die Voraussetzung zur Einigung der Arbeiterklassen bilden.
Der Abbruch des Generalstreiks in Italien
Rom, 5. Dez. (W.B.) Die Arbeit ist in ganz Italien wieder
ausgenommen, mit Ausnahme von Bologna.
Der ehemalige Kommandeur der republikanischen Soldatemvehr,
Zeuge Müller, bekundet im Gegensatz zu feiner früheren Aussage,
daß ihm von Besprechungen über die Neubildung der Volksmarine-
division nichts bekannt gewesen sei. Als letzter Zeuge des heutigen
Verhandlungstages wurde der frühere Stadtkommandant von Berlin,
Albert Klabund.e, vernommen. Er bejahte die Frage des Vor-
sitzenden, ob ihm bekannt sei, daß ein Teil der Bolksmarinebivision
kämpfend gegen die Regierungstruppen angetroffen wurde. Klabunde
hatte mit dem Angeklagten Marloh während der Ereignisse in der Fran-
zösischen Spreche eine Unterredung. Marloh hatte offenbar unter einem
Gewissenszwang gehandelt. Der Schweiß sei ihm vom Kopfe herunter
gelaufen und er habe seine Erregung nicht meistern können. Er habe
dabei von Standrecht gesprochen. Auf Klabundes Rat, die Leute noch
abtransportieren zu lassen, da sich unter ihnen Frauen befänden, habe
er indessen geantwortet: „Ach-was, wer da bei der Volksmarinedivision
beschäftigt ist, ist auch nicht bester." lieber einen Besuch beim Reichs-
wehrminister Noske berichtet der Zeuge, daß Noske auf seinen Vorschlag
die Truppen zurückziehen wollte, unter denen ja auch nicht alle Engel
feien.
Die Verhandlung wird morgen fortgesetzt.
'Mm Erklärung Kautskys.
Berlin, 3. Dez. Die vorzeitige Veröffentlichung der im
Auswärtigen Amt über die Kriegsursachen vorhandenen Akten in
der von Kautsky gewählten Form hat starke Erregung in wei-
ten Kreisen hervorgerufen, denn man sieht in diesem Vorgehen
einen Vertrauensbruch. Nunmehr nimmt Kautsky im „Vorwärts"
zu der Angelegenheit Stellung.
Er meint, es bedürfe mancherlei der'Klarstellung, aber es
dürfe nicht das leiseste Mißtrauen gegen seine persönliche Ehren-
haftigkeit aufkommen. Dann stellt Kautsky fest, daß er alle Ab-
machungen über das Erscheinen seines Buches im Auslande seinem
Verleger Paul Cassirer überlassen habe. Er habe diesem je-
doch folgende Beschränkungen auferlegt: Mein Buch darf in
Deutschland nicht vor den offiziellen Akten erscheinen, eine Ueber-
setzung darf im Ausland nicht früher hsrauskommen als das Ori-
ginal in Deutschland. Man wird fragen, fährt Kautsky fort, warum
ich überhaupt an ein so frühes Erscheinen einer Uebersetzung dachte.
Dies geschah aus folgender Erwägung: Sobald die offiziellen Ak-
ten und mein Buch veröffentlicht sind, werden die sensationellen
Partien daraus sofort in alle Welt telegraphiert werden. Mein
Buch wird dann im Ausland in zerstückelten und tendenziösen
Auszügen bekannt. Mir liegt aber daran, daß es das Publikum
in seiner Gesamtheit zu Gesicht bekomme. Aus demselben Grunde
haben auch Hindenburg und Ludendorff dafür gesorgt, daß ihre
Bücher über den Krieg gleichzeitig in deutscher und englischet
Sprache erschienen, ebenso Tirpitz. Das ist jetzt allgemein Usus.
Was aber die guten Geschäfte anbelangt, die dabei gemacht wer-
den, so waren die meinen zu denen der deutschen Heroen wie eine
Maus zu einem Elefanten, wenn man bei mir überhaupt von Ge-
schäften reden kann. Mein Verleger weiß bis zur Stunde noch
nicht, unter welchen Bedingungen fein Vertreter mit den auslän-
dischen Verlegern abgeschlossen hat. Der desolate Zustand des
brieflichen und des telegraphischen Verkehrs macht heute jede rasche
Klarstellung unmöglich. Dahy: und dann auch wegen des immer
wieder erneuten Hinausschiebens des Erscheinens der amtlichen
Akten, das zuerst für Ende Oktober, dann für Anfang November
angekündigt war, wurde trotz aller Gegenmaßregeln meines Ver-
legers jene unglückselige Durchbrechung unseres Arrangements her-
beigeführr, die die Uebersetzung in England und Holland früher
erscheinen lieh als das Original. Ohne unser Wissen, sehr gegen
unseren Willen und auch gegen unser beiderseitiges Interesse. Nach
meiner Ueberzeugung hat mein Verleger jede notwendige Vorsichts-
maßregel angewendet. Es ist ja klar, daß die großen seelischen
Widerstände, auf die mein Buch in Deutschland zu rechnen hatte,
unendlich verstärkt wurden, wenn die Leser es zuerst als Produkt
des Feindeslandes ünd nur in Auszügen kennen lernten, die seine
Zusammenhänge und seine Begründungen weglassen. Für mein
Buch wurde damit die feindseligste Stimmung geschaffen, ehe es
noch in die Hände der Leser kam. Sie werden es mit vorgefaßten
Meinungen aufnehmen. Meine Sache ist dadurch schwer geschädigt.
Sehr gegen unseren Willen hat die „Times" das Spiel des Grafen
Reventlow gespielt. Es ist geradezu sinnlos, anzunehmen, dahinter
stecke nicht die Tücke des Objekts, sondern eine von mir ersonnene
niederträchtige Machenschaft. (Wir verweisen auf unsere Sätze,
die wir gestern zu dieser Sache gegen die „S ü d d eu ts ch e Z e i
tung" niedergeschrieben haben. Die Red.)
Berlin, 2. Dez. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt,
daß die Neuwahlen zum Reichstag für den April 1920 in
Aussicht genommen sind.
Leipzig. Vom 6.—8. Dezember findet in Leipzig ein
deutscher sozialistischer Studentenkongreß statt. Sein Zweck ist
vor allem die Schaffung einer einheitlichen, ganz Deutschland
umfassenden Organisation der sozialistischen Studenten und die
Entsendung von Vertretern zu dem vom 14.—17. Dezember in
Genf tagenden internationalen sozialistischen Studsntenkongretz zur
Sckaffuna einer aeistiaen Internationale.
Politische Übersicht.
Aus dem Reichsschulausschutz..
Berlin, 4. Dez. Der Reichsschulausschuß nahm Dienstag
und Mittwoch dis Berichte seiner Unterausschüsse entgegen und
besprach im Anschluß daran die eingehend ausgearbeiteten Vor-
schläge-, über Durchführung des Artikels 146,2 der Verfassung
sollen die Beratungen im Reichsministerium des Innern gegebenen-
falls unter Heranziehung eines Unterausschusses fortgesetzt werden,
lieber die Frage der Schule wie der Lehrerbildung, soweit beide
aus Gründen der Schulverwaltung baldiger gesetzgeberischer Maß-
nahmen bedürfen, ohne daß dadurch den sachlichen der zukünftigen
Reichsschulkonferenz vorgegriffen wird, wurde gleichfalls in ein-
gehender Beratung volles Einverständnis erzielt. Zur Reichs-
fchulkonferenz selbst wurde vereinbart, daß sie zu Ostern
nächsten Jahres in Berlin stattfinden soll. Auf die Tagesordnung
sollen etwa folgende Punkte gesetzt werden: 1. Schularbeiten, Schul-
ziele und organisatorische Zusammenfassung zur Einheitsschule. 2.
Methodische Fragen und Bedeutung einzelner Schulfächer (wie
Arbeitsschule) für das gesamte Schulwesen. 3. Lehrer und Leh-
rerinnen. 4. Schüler und Schülerinnen. 5. Eltern (Elternbeiräte).
6. Technische Vereinheitlichung des Schulwesens im Reiche. 7. Ver-
waltung des öffentlichen Schulwesens. 8. Privotschulen in ihrem
Verhältnis zum öffentlichen Schulwesen. 9. Die deutsche Schule
im Auslände. Die Zahl der Teilnehmer an der Reichsschulkonfe-
ren» einschließlich der Regierungsvcrtreter soll 400 nicht überschrei-
ten. In erster Linie kommen für die Vertretung in Betracht
Vereinigungen der Lehrkräfte in den verschiedenen Schularten, pä-
dagogische Vereinigungen, Bereinigungen konfessioneller oder welt-
anschaulicher Natur, soweit sie sick>mit dem Schulwesen beschäftigen
und sich organisatorisch über das ganze Reich erstrecken. Ferner
sollen hervorragende Einzelpersonen, bei denen auch Vertreter von
Parlamenten und politischen Vereinen zu berücksichtigen sind, zur
Teilnahme eingeladen werden. Der Text der Referate soll mehrere
Wochen vor dem Zusammentritt der Konferenz veröffentlicht wer-
den. Die näcyste Smung des Reichsschulausschusses ist für Januar'
1920 in Aussicht genommen.
Der Prozeß Marloh.
Berlin, 3. Dez. Bor dem Kriegsgericht begann heute
morgen die Verhandlung gegen den Oberleutnant Mar-
loh, der beschuldigt wird, die Erschießung von 29 Matrosen der
VolksWarinebivision bewirkt zu haben. Die Anklage lautet auf
Totschlag und Fahnenflucht unter Benutzung gefälschter Pässe.
Aus seinem Verhör geht hervor, daß er im Krieg wiederholt schwer
verwundet worden ist. Er gitb an, im englischen Lazarett sehr schlecht
behandelt worden und sehr nervös gewesen zu sein, als er nach Deutsch-
land zurückkehrte und sich der Regierung zur Verfügung stellte. Die
Volksmarlnediviflon habe sich größtenteils aus Gesetzesverletzern, Auf-
rührern und Plünderern zusammengesetzt. Daß bei den Vorgängen in
der Französischen Straße gerade die guten Elemente der Matrosen-
division, die Besatzung der Reichsbant, betroffen worden sind, hat er
nicht gewußt. Man habe geglaubt, daß neue Unruhen vorbereitet wer-
den sollten. Au feiner Anweisung des Obersten Reinhard war ange-
geben, daß er die Leute nach Moabit bringen sollte. Er habe seine
Untergebenen in Uebereinstimmung mit den Befehlen der militärischen
Kommandostelle angewiesen, daß diejenigen Matrosen, die mit Waffen
oder beim Plündern angetroffen würden, erschoßen werden sollten. Die
Hälfte der Leute habe bei der Festnahme heftigen Widerstand geleistet.
Schließlich habe er mit 50 Mann 300 Gefangene zu bewachen gehabt,
so daß seine Lage gefährlich gewesen sei. Er habe deshalb Verstärkungen
erbeten. Dann sei Leutnant Schröder mit dem Befehl erschienen, der
besagte, daß man energisch durchgreifen müsse und daß mit Schlappheit
und Weichheit nichts zu machen sei. Er habe darin einen wenn auch
unklaren Befehl gesehen und nachdem inzwischen weitere Verstärkungen
eingetroffen seien und die Straße abgesperrt worden war, habe er den
Matrosen verboten, auch nur ein Wort zu sprechen oder eine Bewegung
zu machen, widrigenfalls sie als Meuterer betrachtet werden würden.
Dann habe sein Vetter, Leutnant Wehmeyer, ihm einen Befehl
überbracht, der besagte, daß er alles erschießen müsse, was zu erschießen
sei, mindestens 150 Mann. Er habe dann die gefangenen Matrosen an
sich vorbeimarschieren lasten. Diejenigen, die einen intelligenten Ein-
druck machten und dabei als Rädelsführer in Betracht kämen, ferner
diejenigen, die durch Kleidung und Schmuck auffielen, etwa 70—80
Mann, ließ er in ein Hofzimmer bringen. 13 Matrosen, die er für
gefährliche Verbrecher hielt, habe er schon früher in den Keller schaffen
lassen.
Der Vorsitzende versucht, Marloh begreiflich zu machen, daß
diese Art der Auslese nicht sehr stichhaltig war, aber Marloh erklärt
hartnäckig, er hatte Befehl, er mußte auf die Befehle etwas tun, denn
wo käme sonst die Disziplin hin, wenn ein Offizier im Felde die Befehle
nicht aussühren wollte. Er entschloß sich nun, eine Anzahl der Matrosen
erschießen zu lasten, da er dazu direkte Befehle gebäht habe. Es habe
ihn persönlich sehr erregt, denn es sei einem Offizier niemals angenehm,
eine Erschießung zu leiten, und er sei auch menschlich nicht dazu dis-
poniert. Aber er sagte sich, er mäste etwa 3V Matrosen erschießen lasten.
Das wollte er verantworten.
Marloh gab dann dem Offizierstellvertreter Dender, der, was
er aber erst spater erfahren haben will, am Tage zuvor von Spartakisten
Mißhandelt worden war, den Befehl, die Leute erschießen zu lasten. Er
Hobe bei den übrigen Gefangenen ausgepaht, bis die ersten Salven
fielen. Nach den ersten Salven sei. furchtbares Geschrei ertönt und
dann sei zwei bis drei Minuten lang Schnellfeuer erfolgt. Den ersten
Bericht habe er mit dem Staatsanwalt Zumbroich zusammen versaßt.
Es sei em wahrheitsgetreuer Bericht gewesen, der nach seiner Erinne-
rung dem Oberleutnant v. Kessel gegeben worden sei. Mitte März habe
dieser ihm erklärt, er müsse aus vaterländischem Intereste alles auf sich
nehmen. Nach längerem Sträuben habe er einne zweiten Bericht onge-
fertigt, worin er erklärt habe, daß er die Erschießung aus eigener Ent-
schließung auf Grund des Noskebesehls vorgenommen habe. Worum
dann eln dritter Bericht gemacht worden sei, weiß der Angeklagte nicht.
Dieser Bericht sei vom Staatsanwalt Weißmann in feinem und des
Obersten Reinhard Beisein angefertigt worden. Darüber, daß dieser
dritte Besehl der Wahrheit nicht entsprach, sei er sehr erregt gewesen
und so erkläre sich seine Aeußerung: „Es ist eine Gemeinheit, aber ich
will es tun." Seit Mitte Mai habe v. Kessel-ihn beständig zur Flucht
gedrängt mit dem Bemerken, daß es im vaterländischen Interesse liege,
wenn er durch eine Flucht eine Verhandlung unmöglich mache. Er habe
sich geweigert, zu fliehen, da er ein Intereste daran gehabt habe, durch
Verbandluna leine Unlcbuld darmtnn.__
Der N. S. P. Parteitag.
Die Dienstagssitzung begann mit einer ausgedehnten Geschäfts-
ordnungsdebatte. Simon (Nürnberg) verliest eine Erklärung einer
Anzahl Parteigenossen, die sich dagegen wendet, daß Vertreter der Par-
teileitung mit Führern der Kommunistischen Partei Besprechungen par-
teitaktischer Art gehabt hätten, ohne daß man den Parteivorstand dar-
über unterrichtete.
Lrispien führte dazu aus, daß dem Parteivorstand nichts von
den Verhandlungen mit den Kommunisten bekannt sei.
Stöcker gibt Einzelheiten über die Unterredung mit der Leitung
der Kommunistischen Partei ab.
Simon fuhrt aus, daß die Sache doch nicht so einfach sei.
Wenn mit einem Rechtssvzialisten ähnliche Verhandlungen geführt wor-
den wären, so hätte das einen Sturm der Entrüstung erregt. Die Kom-
munisten ständen uns als Gegner gegenüber, infolgedessen müßte man
auch die Grenzen wahren. Sonderverhandlungen mit Vertre-
tern anderer Parteien dürften nicht geführt werden. Der
Parteivorstand hätte sofort unterrichtet werden müssen über die Unter-
redung mit Levy. Wir sind nicht gegen Sondersitzungen, sondern nur
dagegen, daß die Sondersitzungen dazu benutzt werden, um Spät-
tungshestrebungen in der Partei zu fördern.
R e m m e l e - Mannheim meint, wenn es verboten sei, mit dem
Vertreter der Kommunistischen Partei Levy über den Anschluß an die
dritte Internationale zu sprechen, so sei das eine Beleidigung für an-
wesende Vertreter derjenigen ausländischen Parteien, die sich der dritten
Internationale bereits angeschlosten hätten. Das erregt außerordentlichen
stürmischen Widerspruch in der Versammlung.
Lipinski: Der Kern der Debatte ist, daß von den Besprechungen
der Zentralleitung keine Mitteilung gemacht worden ist. Wir wollen
nicht verhindern, daß mit anderen Parteien verhandelt werden soll.
Diese Aussprache ist unangenehm, aber ein Uebergang zur Tagesordnung
ist hierbei nicht möglich.
Koenen: Der Parteivorstand steht nistt über den anderen Ge-
nossen. Ich habe auch als Partelvorstandsmitglied die Pflicht, die Mei-
nung der anderen Genosten zu ergründen. Dittmann sei der Ungeeig-
netste, der sich gegen Sonderbesprechungen der Parteivorstandsmitglieder
mit anderen Genossen wenden kann, denn er selbst habe ihn dazu ausge-
fordert, am Tage vor dem Parteitag mit jemand eine Besprechung ab-
zuhalten. In der Sammlung von Unterschriften sür die Resolution könne
er nichts schlechtes sehen, darin gebe es leine Grenzen. In dieser De-
batte komme der sachliche Konflikt zum Ausdruck. Stöcker und
Koenen seien als Vertreter einer bestimmten Strömung in den Partei-
vorstand berufen worden. Koenen sei Vertreter der Rätebewegung. Er
habe die Pflicht, die Rätebewegung zu fördern, muß also auch mit Kom-
munisten in Verbindung stehen.
Hierauf wird diese Debatte auf fast einstimmigen Beschluß ge-
schlossen.
Darauf erstattet Genosse Wurm ein kurzes Referat über
Steuerfragen. Er schildert die Folgen der Kriegstragödien für
das deutsche Volk. Die Not an Vorräten von Waren und Geld sei all-
gemein. Das kapitalistische Bürgertum- hat während des Krieges alles
getan, um die Lasten des Krieges von sich auf eine ferne Zukunft zu ver-
schieben. Trotzdem haben sie ein Vabanquespiel getrieben. Die Ver-
teilung der Steuerlasten sei eine Machtfrage. Er gibt in großen Um-
risten ein Bild von der Schuldenlast des Deutschen Reiches. Wenn wir
einen Strich durch sie machen, wäre unser Kredit erledigt. Wir dürfen
uns von den Klagen der kapitalistischen Kreise über hohe Sterlasten
nicht beeinflussen lasten. Die Erlösung sür das deutsche Volk würde aller-
dings erst dann kommen, wenn der gesamte Mehrwert der Produktion
dem gesamten Volk zugeführt wird. Genosse Wurm legt eine Resolution
vor, die nach kurzer Debatte einer besonders gebildeten Kommission über-
wiesen wird. Außerdem wird in Aussicht genommen, in einiger Zeit
eine besondere Tagung von Kommunalpolitikern vor-
zunehmen.
Hierauf trat der Parteitag in die Beratung des Punkt 2 seiner
Tagesordnung: Programm- und Taktik der Partei. Hierzu spricht Gen.
Lrispien.
Er ging aus von einem Artikel Stampfers im „Vorwärts", wo-
rin gefragt wurde, ob die U.S.P. noch sozialistisch oder kölsche-
wistisch sei. Darauf gibt es, so erklärte der Redner, nur eine Antwort:
Die U.S.P. wird nirgends Rücksicht nehmen auf die bedrängte Lage der
Regierungsparteien. Wir nennen uns eine unabhängige Partei und
lehnen es ab, mit bürgerlichen oder opportunistischen Parteien unsere
Politik zu vermischen. Wir verspüren keine Neigung, Noskesozialisten
zu werden, auch nicht die Wege der Anarchisten und Syndikalisten zu
gehen, sondern stehen nach wie vor auf dem Boden des wissenschaftlichen
marxistischen Sozialismus. Der Weltkapitalismus hat nicht darnach ge-
ragt, ob die Völker zu Grunde gingen. Deutschland hat schon 1912 durch
>ie letzte große Militärvorlage für den Krieg mobil gemacht. Die deut-
chen Militaristen wären bereit gewesen, wenn sie den Sieg über England
errungen hätten, auch den lieben Gott abzusetzen. (Heiterkeit.) Der Ver-
trag von Versailles ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln,
der Völkerbund die internationale Organisation des Kapitalismus. Der
wissenschaftliche Sozialismus ist durch die gegenwärtigen Ereignisse mehr
als gerechtfertigt. Der Kapitalismus war eine geschichtliche Notwendig-
keit. Die nächste Epoche gehört dem Sozialismus. Die bürgerlich-demo-
kratischen Ausdrücke und Begriffe müssen rücksichtslos aus dem Parteipro-
gramm entfernt werden. Es muß Klarheit geschaffen werden ohne Rück-
sicht darauf, ob man Mitläufer abstößt. Das Erfurter Programm mutz
ausgedehnt werden aus die letzte Epoche des Kaptialismus, den Im-
perialismus. In keinem Lande der Welt wäre ein solches Benehmen
besiegter Heerführer möglich, wie es vor dem Untersuchungsausschuß vor-
gekommen ist. (Stürmischer Beifall.) In keinem anderen Lande wäre
es möglich, daß ein Noske regieren könnte. Ich habe kein Verständnis
dafür, wie ein Deutscher sagen kann: Ich bin erst Deutscher, dann bin ich
Sozialdemokrat. Mein Vaterland ist die Erde, der internationale So-
zialismus. (Starker Beifall.) Die nächste Aufgabe ist die Eroberung
der politischen Macht. Wir fordern die Diktatur des Proletariats. Noske
und Ebert haben entweder das sozialistische Programm nicht verstanden
oder sie sind bewußt Lügner. Beim nächsten Mal werden wir uns nicht
abhalten lassen, der Gewalt die Gewalt entgegenzusetzen. Daß man durch
den Parlamentarismus zur Macht komme, war immer eine Illusion der
Sozialisten. Uns ist der Parlamentarismus nur ein Mittel, um der
Regierung und den übrigen Parteien die Maske vom Gesicht zu reiße».
(Zustimmung.) Wir müßen unsere Taktik auf steter Bereitschaft für den
letzten Kampf einrichten. Wir ertrotzen unsere Macht und unseren Sieg
trotz aller Feinde, die sich uns entgegenstellen. (Lebhafter Beifall.)
Lrispien schlug die Bildung einer Kommission vor, die mindestens
drei Monate vor dem nächsten Parteitag die Richtlinien des neuen
Parteiprogramms zu veröffentlichen habe. Der Parteitag solle
dann darüber entscheiden. - , „,
D ä u m i g - Berlin eröffnete die Aussprache über Partei-
programm und Taktik. In der Partei sei eine große Zahl von
Reformsozialisten. Man müsse aber nun ein unzweideutiges Bekenntnis
mm revslutionären Svllc.iismus fordern und die Ankbauunaen Ströbels