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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 31 - Nr. 40 (5. November - 15. November)
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der
zu

Heidelberg, Kreiiag, 7. November -1K-1S
Nr. 33 » IshrgsnZ

Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg/ Wiesloch, Sinsheim, Eppmgsk, Ebervach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Bömberg,
TauöerbLschs'iSheim und WsrLhsiM.

hat
.. ... -., , . an
Bord genommen. Heute werden von Berlin Postsendungen

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Revolution in Aegypten.
Berlin, 7, Nov. (W.T.B.) Einer Meldung des „Ber-
liner Lok.-An)." zufolge ist nach einem Bericht des Wegypti-
fchsn Narisnaltomirees in Aegypten die Revolution ausge-
brochen. Aus allen Teilen Aeygyptens kommen Nachrichten,
daß, der Kampf gegen die Engländer im Gange fei. . Bor-
kü'ufig fei eine nationalistische Regierung gebildet morden.
(Diese Nachricht ist mit -großer Vorsicht aufzunshmen und ihre wei-
tere Bestätigung abzuwarten. Die Red.)
Amsterdam, 7. Nov. (W.T.B.) Dem Telegraph zufolge meldet
die Morning-Post aus Kairo vom 8. Nov., die Lage ist bedrohlich.
Die Ankunft Allenbys wird mit Spannung erwartet. Gestern wurde
ein Soldat von den Aufständischen getötet. Dis Eingeborenen ver-
suchten, in das Militärspital einzudringen. Die Wache gab Feuer,
wodurch eins Person getötet und mehrere verwundet wurden.

Aufhebung des Berliner VollzugsraLs.
Berlin, 7. Nov. Rsichsrsehrmimfter Noske hob den
Vollzugsrat der Groß-Berliner Arbeiterräte auf, weil er
mit Wahrheitswidriger Begründung die Arbeiter zum Ge-
neralstreik aufgefordert und dadurch Unruhe und Zwiespalt
in die Reihen der besonnenen Arbeiterschaft getragen hat.
Die Kieler Werftarbeiter gegen die
Akkordarbeit.
Kiel, 7. Noo. (W.T.B.) Heute fand auf den Kieler
Werften eilte Abstimmung unter der Arbeiterschaft bezüglich
der Wiedereinführung der Akkordarbeit auf den Wersten
statt. Insgesamt wurden abgegeben 14633 Stimmen, davon
6883 für und 7745 gegen die Akkordarbeit. Die endgültige
Entscheidung fällt in einer Abstimmung aller deutschen
Seeschiffahrtswerften, voraussichtlich am kommenden Sonn-
abend/

Die Untersuchung über die
Schuldfrage.
7. Tag.
Berlin, 6. November.
Vorsitzender Warmuth eröffnete die Sitzung um 10)4 Llhr.
Sachverständiger Gesandter von Romberg bittet vor der Ver-
nehmung des Admirals Koch an den Grafen Bernstorfs. Fragen richten
zu dürfen.
Auf feine Anfrage über die schwierigen Verkehrsverhältnisse zwischen
Washington und Berlin antwortet Graf Bernstorfs: Unser einziges
Kabel war zerstört worden. Sämtliche Schisse mußten in England an-
lausen, so blieb uns nur der drahtlose Weg. Die amerikanische
Regierung nahm die drahtlose Station selbst in Verwaltung und ver-
langte, daß sie von allen Telegrammen Kenntnis erhielt. Wir dursten
chiffrieren, mußten aber die Chiffre bei der amerikanischen Regierung
deponieren.
v. Romberg bittet den Staatssekretär a. D. Zimmermann um
Auskunft, wie sich die Verkehrsschwierigkeiten in Berlin darstellten.
. Staatssekretär a. D. Zimmermann: Ich habe mich auch mit
Gerard darüber unterhalten, ob es nicht möglich wäre, ein größeres Ent-
gegenkommen herbeizuführen. Gerard erklärte, daß seine Regierung die
Neutralität nach außen hin wahren muffe. Es könne von der Entente
nicht unbemerkt bleiben, wenn wir zu häufig von dem amerikanischen
Kabel Gebrauch machten. Infolgedessen waren wir verpflichtet, unsere
Korrespondenz mit dem Botschafter möglichst zu beschränken. Der sun-
kentelegraphische Verkehr war für geheime Nachrichten durchaus^unge-
cignet.
Abg. Schücking: Sahen Sie in dem Verhalten der amerikani-
schen Regierung in diesem Falle eine unfreundliche Handlung?
Graf Bernstorfs: Wir waren der Ansicht, daß der Standpunkt
der amerikanischen Regierung falsch sei. Diese glaubte, sie könne nach
der Haager Konvention nicht anders handelt. Wir haben nur durch
die beiden Reisen der „Deutschland" neue Chissres erhalten. Später
erfuhr ich, daß die Engländer unsere sämtlichen Telegramme dechiff-
riert haben.
Dr. Hvetzsch: Von Verrat oher LeichtMtigkeit ist also keine Rede.
Graf Bernstorsf: Ich glaube nicht an Verrat oder Fahrlässig-
keit.
Die Vernehmung des Admirals Koch.
des ersten Mitarbeiters des verstorbenen Chefs des Admiralstabes von
Holtzendorss, die daraus erfolgte, leitete Vorsitzender Warmuth mit
folgender Aufforderung an den Zeugen ein: Vorbehaltlich der Verlesung
von Niederschriften des Herrn von Holtzenborff bitte ich Sie zu beant-
worten. 1. Was bestimmte dieses Drängen nach dem rücksichtslosen U-
Booitrteg, welche Gesamtlage also schien dies erforderlich z« machen?
2. Was rechtfertigte die Zuversicht in die Leistungen des rücksichtslosen

Das Hasardspiel.
Von Friedrich Stampfer.
In der Aussage des Herrn von BeLhmonn Holl-
Weg verdient ganz besonderer Beachtung jenes Telegramm
Ludendorffs an die Reichsleitung vom 22. Dezbr.
1916, worin er erklärte, wenn der verschärfte U-Bootkrieg nicht
ausgenommen werde, dann sei der Feldzug verloren. Die Argumen-
tation, die Ludenborff in diesem Telegramm gebraucht, hat in den
Kämpfen um den unbeschränkten U-Bookrieg, die im Dezember
bis Januar 1916—17 geführt wurden, eine größere Rolle gespielt,
als bisher bekannt ist. Namentlich in Abgeordnetenkreisen wurde
damals sehr stark mit der Behauptung gearbeitet, die Ueberlegenheit
der Gegner an artilleristischem Material mache sich von Monat
zu Monat stärker geltend, unsere Volksgenossen draußen im
Schützengraben seien dem furchtbarsten Feuerregen ausgesetzt, ohne
daß man von deutscher Seite genügend starke Abwehrkräfte in Be-
wegung setzen könne. Der U-Bootkrieg werde der feindlichen West-
front die Munitionszufuhr, wenn nicht abschneiden, so doch zum
mindesten stark verringern, und das würde dann für die Lage un-
serer Armeen eine große Erleichterung bedeuten. Sv wurde die
Erklärung des unbeschränkten U-Bootkrieges geradezu eine Pflicht
gegenüber den kämpfenden Volksgenossen dargestellt, die Gegner-
schaft gegen den unbeschränkten U-Bootkrieg aber geradezu als eine
Preisgabe unserer Truppen.
Es ist begreiflich, daß diese Art der Propaganda
eine starke Wirkung ausübte, zumal sie im Mantel tief-
ster Vertraulichkeit cinherging. Oeffentlich konnte natürlich die ge-
waltige Materialüberlegenheit der Gegner nicht zugegeben werden,
dies wäre ja „Flaumacherei" gewesen. Nun, war es nicht auch
„Zlaumacherei", wenn einem immerhin großen und einflußreichen
Personenkreis die Ueberzeugung beigebracht wurde, der U-Bootkrieg
sei die letzte Karte im Spiel und ohne ihn sei der Krieg hoffnungs-
los verloren?
Den Propagandisten war es aber ganz gleich, ob sie flau oder
frisch machten, wenn sie nur ihren unbeschränkten ll-Bovtkrieg be-
kamen. Ernst zu nehmen war ihre Beweisführung unter Bezug-
nahme auf das Landheer nicht, und sie ging nicht von ernst zu neh-
menden Ueberlegungen aus. Dem U-Bvvttrieg ist es nämlich in
Wirklichkeit nie gelungen, die Versorgung der feindlichen Westfront
mit Munitions- und Mannschaftsersatz in irgendwie erheblicher
Weise zu stören. Das konnte auch vvrausgesehen werden, weil man
wußte, daß die Ueberfahrt von England nach Frankreich gegen U-
Bootangriffe so gut wie vollständig gesichert war. Aber auch die
Versorgung Englands mit Kriegsmaterial von außerhalb ist durch
de« unbeschränkten U-Bootkrieg nicht ernstlich gestört worden. Das
konnte man sehnbald aus Aufzeichnungen erfahren, die auf Grund
genauester Untersuchungen im- Berliner Kriegsministerium geführt
wurden. Aus ihnen ging hervor, daß England während des unbe-
schränkten U-Bookriegs seine Zufuhren an wicytigstem Kriegsma-
serial, namentlich an Kupfer und an Petroleum, noch bedeutend zu
steigern vermocht hatte. Erreicht wurde das durch ein überaus
raffiniert berechnetes Rationierungssystem, das die Bedürfnisse des
Heeres in erste Reihe stellte und die der Zivilbevölkerung darüber
verhältnismäßig benachteiligte. So kam es, daß die feindliche West-
front an nichts Mangel litt, während die englische Zivilbevölkerung
allerdings den Gürtel etwas enger schnallen mußte, wenn auch frei-
lich nicht jo eng wie das deutsche Volk unter den Wirkungen der
englischen Blockade.
Als die Nachrichten von dem zunehmenden Mangel in England
kamen, sprang man von einer Hoffnungsplanke auf die andere. Der
Unbeschränkte U-Bootkrieg hatte die feindliche Kriegführung nicht
zu stören vermocht, also hoffte man England durch Aushungerung
aus die Knie zwingen zu können. Auch diese letzte Hoffnung erwies
sich als trügerisch.
An Tatsachen bleibt soviel übrig, daß die oberste Heeresleitung
schon im Dezember 1916, auf dem Höhepunkt der militärischen Er-
folge, die fast völlige Hoffnungslosigkeit unserer militärischen Lage
erkaimt hatte. War der Krieg ohne unbeschränkten U-Bovtkrieg
nicht zu gewinnen, so mußte sich jeder, der den unbeschränkten U-
Bootkrieg richtig einzuschätzen verstand, sagen, daß er überhaupt
nicht mehr zu gewinnen war. Seit Dezember 1916 bis zum Herbst
19'18 war der Krieg tatsächlich nichts anderes mehr als ein hoff-
nungsloses Ringen gegen eine ständig wachsende Uebermacht. Er
hätte es nicht zu sein brauchen, wenn die Reichsleitung bessere Vor-
aussicht bewiesen hätte. Denn im Frühjahr 1917 brach Rußland
zusammen, und dadurch hätte man vielleicht oder wahrscheinlich
Noch zu einem Verständigungsfrieden gelangen können, wenn man
Nicht zur gleichen Zeit durch die Eröffnung des unbeschränkten U-
Vovtkriegs Amerika zum Krieg gegen uns gezwungen hatte.
Zwei. Fragen ergeben sich aus diesem Tatbestand: Erstens, wie
krmnte dG Oberste Heeresleitung bei solcher Kenntnis der Sachlage
die Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli und überhaupt
alle auf einen Verständigungsfrieden gerichteten Bestrebungen be-
kämpfen? Zweitens: Wie können Ludendvrff und Genossen es
wagen, heute zu behaupten, der Krieg sei erst durch die Revolution
Und nur durch die Revolution verloren gegangen oder, wie Herr
von Graefe es so schön sagte, das Heer sei aus dem Hinterhalt er-
dolcht worden? Am 4. Mai 1917 hätte Ludendorff Bernstorfs ge-
fügt, in drei Monaten werde England fertig sein. 8m Juli 1917
wußte er auf Grund der im Kriegsministerium geführten Tabellen
wissen, daß diese Prophezeiung Unsinn gewesen war. Wie konnte
er da dem nach einem Verständtzungsfrieden strebenden Reichstag
M den Rücken fallen? Am 22. Dezember 1916 telegraphiert Luden-
dorff, ohne unbeschränkten U-Bovtkrieg sei der Feldzug verloren.
8m September 1918 schreibt er in seinen Erinnerungen, der Feld-
SUg sei infolge der schwächlichen Politik Bethmanns und der Re-
volution verloren gegangen. Wie soll man solche Widersprüche er-
klären? Bleibt da überhaupt noch ein anderes Urteil möglich als
das eine: Frivolität und Verlogenheit?

Lk-Bovtkrieges. 3. Was war die Ursache, daß dieser mit Sicherheit an-
genommene Erfolg ausblieb?
Admiral Koch: Es ist Ihnen allen bekannt, daß die englische
Flotte von Kriegsbeginn an sich dauernd von deutschen Gewässern
iernhielt. Wider Erwarten verzichtete England also auf eine Seeschlacht.
Denn es selbst konnte wohl nicht annehmen, daß me schwächere deutsche
Flotte den Feind an seiner eigenen Küste auffuchen würde. England
ging auch nicht zu einer völkerrechtlichen Blockade über in dem klaren
Bewußtsein, daß, wenn es das getan hätte, es einen großen Teil seiner
Flotte im Älockadedicnst verloren haben würde.
Admiral Koch (fortf.): Letzten Endes wäre England doch wohl
gezwungen gewesen, seine Schl acht flotte einzusetzen. Es be-
mühte sich statt dessen seiirx Kriegsschiffe vom Kriegsschauplätze zurück-
zuhalten, sie in sicheren Häsen aufzusparen und statt einer Dlvk-
ko de nach internationalen Regeln eine solche zu eröffnen, die allem
Völkerrecht Hohn sprach. Auf diese Weise entstand dw sogen.
Hungerblockade. Deutschland war dagegen machtlos. Da erstand in der
U.-Bootwaffe das gegebene Mittel, dem englischen Wirtschaftsleben und
damit der gesamten Kriegführung der Entente in Gestalt der Verringe-
rung seines Krachtraumes Schaden zuzusiigcn.
Vorsitzender Warmuth: Wußte Herr von Holtzendorss, daß die .
Wilsonsche Friedensattion von Deutschland angeregt und daß zwischen
dem 12. Dezember und dem 1. Februar auf Wilson noch immer in
gleicher Weise hingewirkt wurde?
Admiral Koch: Ich weiß es nicht genau, ich nehme es an; er war
saft immer im Hauptquartier.
Vorsitzender Warmuth: Es handelt sich doch um so markante
Dinge, daß ich glauben möchte, daß Exzellenz auch aus dem Gedächtnis
etwas aussogcn können. Wir möchten nur wissen, inwieweit Sie der
Obersten Heeresleitung über diese Dinge Kenntnis gegeben haben.
Abg. Dr. Sinzheim er: Es fragt sich nur noch, ob in der kriti-
schen Zeit vom 26. Dezember bis 9. Januar die wichtigsten Telegramme
des Grasen Bernstorfs, daß Wilson um vertrauliche Mitteilung der
Friedensbedingunaen bitte, trotz der Lntentenote der Obersten Heeres- ,
leitung und dem Admiralstab mitgcteilt worben sind.
v. Bethmann Hollweg: Was die Oberste Heeresleitung an-
langt, so nehme ich nach dem Gedächtnis nicht an, daß der Inhalt der
Depeschen wörtlich oder auch nur annähernd wörtlich der Obersten
Heeresleitung mitgeteitt worden ist, wohl aber glaube ich, dem Admiral
von Holtzendorss, mit dem ich in dieser Zeit häufig Besprechungen
hatte, Mitteilung gemacht zu haben.
Staatssekretär Zimmermann: Selbstverständlich sind alle wich-
tigen Telegramme der Obersten Heeresleitung mitgeteitt worden.
Vorsitzender Warmuth teilt mit, daß die Vernehmung des Gene-
rals Ludendorff in Kürze in Aussicht stehe.
Ts wird der Staatssekretär a. D. Helfferich vereidigt.
Admiral Koch: Was den Zeitpunkt des U-Bootkrieges anlqngt, so-
argumentierte Herr von Holtzendorss: Wenn wir Ende 1917 fertig sein
wollten, so müsse die kritische Zeit für das englische Wirtschaftsleben für
die Wirkung des U-Bootkrieges angenommen werden, und das sei die
Zeit zwischen den beiden Ernten im August; etwa 6 Monate seien er-
forderlich um den U-Bootkrieg vorzubcreiten und somit müsse man späte-
stens Anfang Februar beginnen.
Abg. Dr. Sinzheim er: Im März hat Großadmiral Tirpitz
den richtigen Zeitpunkt für gekommen erachtet. Das Hauptargument des
Kanzlers, den U-Bootkrieg im März nicht zu beginnen, war die ge-
ringe Zahl der U Boote. War die Ausstellung der Marine,
die an das Auswärtige Amt ging ricktig oder nicht?
v. Capelle: Eine genaue Angabe über die Zahl der zur Ver-
fügung stehenden U-Boote ist für alle diejenigen, die nicht mitten darin
stehen, außerordentlich schwierig. Wir hatten bis zu 10 Typen, große,
mittlere und kleine U-Boote, bann solche, die sür den Torpedokrieg aus-
gerüstet waren und solche die für den Minenkrieg bestimmt waren. Ich
würde' infolgedessen glauben, daß eine Zusammenstellung über die U-
Boote, die dec uniersachungsausschiiß zu haben wünscht, auch kein rich-
tiges Bild geben wird.
Äbg. Dr. Sinzheimer: Die Akten ergeben, daß Exzellenz Beth-
mann kämpfen mußte, um zweifelsfreie Auskunft über die U-Bootstärke
zu bekommen. Holtzendorss stand auf dem Standpunkt, dazu sei er nicht
verpflichtet.
Admiral Koch: Die Denkschriften des Admiralstabes beruhen auf
amtlichen Unterlagen und wurden sehr vorsichtig ausgestellt. Fast alle
Fachleute hatten, zugcstimmt.
Äbg. Dr. Sinzhcimer: Wer hat denn die Denkschrift verfaßt?
Admiral Koch: Kapitän Vanselow, der stellvertretende Direk-
tor der Diskontogescllschaft in Magdeburg Fuß und Professor Levy-
Heidelberg.
Abg. Dr. Sinzheimer: Weshalb wurde diesen volkswirtschaftlich
unbekannten Herren der Vorzug gegeben vor einer volkswirtschaftlichen
Autorität wie Heiss erich? Warum hat man überhaupt nicht die
ersten Sachverständigen Deutschlands zu dieser wichtigen Frage hinzu-
qezogen? Von wem stammt die Denkschrift vom 22. Dezember in der
Hauptsache? - ' .
Admiral Koch: In erster Linie von Dr. Fuß in Magdeburg. Für
die GeLreideversorgung Englands haben wir auch Max Weill aus
Frankfurt a. M. äls Sachverständigen gehört.
Abg. Dr. Sinzkeimer: Ich würde die Vorladung dieses Herrn
beantragen, damit der Ausschuß ein persönliches Bild gewinnt.
Admiral K o ch-Jedenfalls war Admiral Holtzendorss zu der lleber-
zeugung gekommen, daß der U-Bootkrieg England in 5 Monaten nieder-
zwingen würde.
Auf weitere Fragen erklärt Admiral Koch: Wir wollten England
nicht zwingen — dieser Ausdruck ist vom Generalstab nicht ge-
braucht — sondern geneigt machen zu Friedensverhandlungen.
Abg. Goth ein: Ein einziger, amerikanischer Truppentransporter
wurde versenkt. Das steht doch in Widerspruch zu den Aussichten dw
gemacht wurden, abgesehen von dem Höhepunkt im April oder Ma, 191/
ist die Zahl der versenkten Tonnage dauernd zurückgegangen.
Woran lag dieses Versagen der U - Boote?
Admiral Ko ch: Wir wissen vorläufig noch nicht, wie sich die Dmge
zugetragen haben. In erster Linie kommt die englische Gegen-
w i r k u n g in Betracht. ' . . . ..
Aba. Dr. Sinzheimer: In der Preße wurde in dem Sinne ge-
arbeitet, daß wir England auf d i'e K n i e zwingen werden. War es
Ihnen nicht möglich) diese gefährlichen, übertriebenen Erwartungen durch
die Zensur, die Sic in der Hand Hatten, zu dampfen -
Admiral Koch: Die Zensurgewalt lag mcht beim Admiralstab.
Abq Dr Cohn verweist aus ein Telegramm des Vertreters des
Auswärtigen Amtes im Hauptquartier vom 1. Januar 1917, in dem ge-
fordert wirb, den Grafen Reventlow und Rippler zum Schweigen zu
bringen, indem man ihnen vertraulich die Pläne der Regierung mit-
teilte. Diese Aufforderung rührt von Ludendorsf her.
Admiral Koch: Das ist mir nicht bekannt.
Abg. Dr. Lohn: Bei der Behandlung dieser Angelegenheit seitens
des Haushaltsausschuffes war Herr v. Capelle der Ansicht, daß es Hun-
derter von Schiffen bedürfe, um eine amerikanische Armee qach Deutsch-
land zu bringen. Eine bessere Beute sür unsere U-Boote könne man

Gegen Schieber und Schleichhändler.
Berlin, 7. Nov. Eine rhein. Handelskammer richtete
an sämtliche Firmen ihres Bezirkes das Ersuchen, ohne
Attsnahrne jeden Beamten, Angestellten und Arbeiter
des Schleichhandels und Schiebertnms überführt sei,
kündigen.
LnfLpoftb bförd erung.
Berlin, 7. Nov. Das Luftschiff „Bodensee"
gestern große Postsendungen nach Siiddeutschland mit
nach Breslau, Leipzig und Warnemünde abgehen.
Die sozialen Kämpfe in Amerika.
Haag, 7. Nov. (W.T.B.) Der P. N. R. meldet, daß
die amerikanische Regierung sich aus einen langen Kampf
mit den Arbeitern vordere ne.
 
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