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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Oktober - 23. Oktober)
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Heidelberg, Freitag, ^7. Oktober -19-19
Nr. ^5 » Jahrgang

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn r.60 Mk., durch die Post
Mögen monatlich 1.60 Alk., vierteljährlich 4.80 Ml. ausschl. Zustellung.
Anzeigenpreise: Die einspaltige Petitzeile < 36 mm breit) 30 Kfg., Re-
krame-Anzeigen (93 mm breit) 4.80 Ml. Bei Wiederholungen Nachlaß
nach Tarif. Geheimmittel,Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Volkszeitun
Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppmgen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Derantwortl.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuill eton: Dr.
E. Kraus: für Kommunales u. soziale Rundschau: Z.Kahn: fürLolales:
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag der llnterbadischen Derlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39. Fernsprecher 2648.
Geschäftsstunden: 8 Hz6 llhr. Sprechstunden der Redaktion: 44 12 Uhr.


Gedanken zuw englischen Eisen-
bahnerftreik.
Ein Wort zur Aufklärung.
Mit gespannten Hoffnungen blickten die Proletarier aller
Länder und Angehörige anderer Klassen aus den Streik der
englischen Eisenbahner. Gehört doch der Eisenbahnerverband
zusammen mit den Verbänden der Transportarbeiter und
Bergleute zu jener machtvollen proletarischen Tripelallianz
m England, voll deren Forderungen in Verbindung mit
ver „direkten Aktion" in den letzten Monaten so viel die
Rede mar. Im Streik der Eisenbahner erblickte man
vielerorts die erste grohe politische Tat der englischen
Arbeiter nach dem Krieg, den Auftakt eines Kampfes,
der dem Proletariat in den Ententeländern das Zeichen
Zur Schließung der Reihen gegen den Kapitalismus
sem sollte. 2n Verbindung mit den großen staatlichen
Umwandlungen in Oft- und Mitteleuropa sollte dieser Streik
mit der Anfang einer praktischen Internationale werden.
Daß in diesem Zusammenhang die deutschen Ünab-
hänigen mit ganz besonderem Interesse „das Erwachen des
englischen Proletariats" bejubelten, lag auf der Hand. Ohne
Prüfung, wie die Verhältnisse in Wirklichkeit lagen, feierten
ste im vorhinein den internationalen Sieg, und wenn wir
Genossen von der Mehrheitspartei, wie wir es gewohnt
sind, den Ereignissen über dem Kanal zunächst mit kritischem
Blick gegenüberstanden, so schalt man uns von neuem Ver-
räter in der Weltrevolution, wie daheim Verräter an der
Arbeiterklasse und Henkersknechte der Kapitalisten. Doch wir
konntens abwarten und sehen nun auch hier dem Urteil der
objektiven, nicht verhetzten Zeitgenossen ruhigen Blickes ent-
gegen. Wessen Trauer über die zwar selbstverschuldete
Niederlage der englischen Arbeiter sachlich aufrichtiger ist
— die unsrige oder die der U. S. P.-Führer —, lassen wir
füglich dahingestellt
Betrachten wir die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie
dem Streik der englischen Eisenbahner zugrunde lagen.
Seit diesem Frühjahr befand sich der englische Gisen-
bahnerverband in einem Lohnkampf. Schon im Frieden
rechneten seine Angehörigen zu den am schlechtesten bezahlten
Arbsiterkategorien, da die große Mehrzahl von ihnen nur
einen durchschnittlichen Wochenlohn von kaum 20 Schilling
(16 Mark) bezog. Die Verhandlungen endeten damals mit
deinem ansehnlichen Erfolg der Eisenbahner, da sie — mit
einer Gültigkeit bis 31. Dezember ds. Js. — zusammen mit
den Teuerungszuschlägen annähernd die dreifache Höhe der
.Friedensbezüge erreichten, dazu Sondervergütung der Nacht
und Sonntagsarbeit, ferner den Achtstundentag und schließlich
noch die Klausel, daß bei eventueller Verbilligung der Lebens-
chMung bis auf den Friedensstand die Löhne nicht unter
Zwei Drittel der erreichten sinken dürften. Diese Errungen-
schaften wollten die Eisenbahner jetzt dahin ergänzt wissen,
daß die Löhne zusammen mit den Teuerungszus-hlägen
„standartisiert" würden, d. h. die jetzigen Bezüge sollten als
dauernde Normallöhne festgelegt werden; weiterhin sollten
die Unterschiede in der Entlohnung verschiedener Beamten-
kategorien verschwinden. Dieses Mindestprogramm wollte
der sonst gemüßigte Führer der Eisenbahner, Thomas, auf
jeden Fall erfüllt sehen.
Bei dieser Sachlage zeigte nun Lloyd George — die
englischen Eisenbahner stehen seit dem Krieg unter Staats-
kontrolle — von vornherein wenig Entgegenkommen. Nach
kurzen Verhandlungen stellten infolgedessen die Eisenbahner
ihr bekanntes Ultimatum, trotzdem noch eine Werhand-
lungsfrist von drei Monaten zur Verfügung stand.
Durch diese wohl etwas gewaltätige Handlungsweise bega-
ben sich die Eisenbahner sofort eines Teiles der Sympathie,
die das englische werktätige Publikum sonst allen Streikenden
entgegenzubringen gewohnt ist. Weiterer Verlust an Sym-
pathie trat dadurch ein, daß durch die sofortige rücksichtslose
Befolgung der Streikparole die Masse des Volkes alsbald
Not an Nahrungsmitteln und täglichen Bedarfsartikeln litt.
Diesen Zwiespalt in der Bevölkerung wußte nun Lloyd
George sofort äußerst geschickt auszunützen, indem er mit
allen Hilfsmitteln des Landes, die der Krieg übrig gelassen
hatte, in kürzester Zeit ein ganzes Heer von Streikbrechern
Hu organisieren wußte, die die Eisenbahner um den Effekt
chres einmütigen Vorgehens brachten. Bei diesem reinen
Lohnkampf erachteten auch die Verbündeten der Eisenbahner,
die Transportarbeiter und Bergleute, den cssus t'oeckeiis,
den Bündnisfall, nicht für gegeben.
Schon nach einigen Streiktagsn war es also dem objek-
tiven Beobachter zweifelhaft, ob die Aktion der Eisenbahner
von Erfolg begleitet sein werde. Klarheit aber bestand
insoweit, daß dieser Streik mit Politik, weder mit
nationaler noch viel weniger mit internationaler,
irgend etwas zu tun hatte. Es war ein reiner Lohn-
kampf, nicht einmal in seiner ursprünglichen Form zwischen
Ausbeutern und Ausgebeuteten, sondern zwischen dem Per-
sonal eines öffentlichen Betriebes und der Regierung, die
nicht die Interessen einer Klasse, sondern die des ganzen
Volkes zu vertreten hat. Der Keim zur Niederlage lag

Deutscher Protest gegen die
Ostseesperre.
Berlin, 16. Oktbr. Die deutsche Delegation in Ver-
sailles erhob bei der Entente wegen der über dis deutschen
Schiffe in der Ostsee verhängte Sperre, besonders wegen
der Ausdehnung auf die territorialen Gewässer Einspruch.
Niederlage der „Roten Armee".
London, 16. Oktbr. (W. T. B.) Die rote Armee in
Ost-Tuskestan wurde umzingelt und mußte sich bedingungs-
los übergeben. 33000 Gefangene wurden gemacht. ,E,M
Die Untersuchung der Schuldfrage.
Berlin, 16. Okt. (Privattelegr.) Am nächsten Diens-
tag und Mittwoch wird die erste öffentliche Sitzung des
Untersuchungsausschusses stattfinden. Zunächst wird man
sich mit dem gescheiterten Friedensvorschlag Wilsons vom
Januar 1917 beschäftigen. Als Zeuge in dieser Angelegen-
heit wird der ehemalige deutsche Botschafter in Washington
Graf Bernstorfs vernommen werden.
Berlin, 16. Okt. Die Veröffentlichung der amtlichen
deutschen Dokumente über den Kriegsausbruch steht unmit-
telbar bevor. Die Drucklegung des umfangreichen Werkes
hat bereits begonnen. Die Sammlung wird demnächst
unter dem Titel „Die deutschen Dokumente zum
Krieg" im Druck erscheinen.
NLUwahleR irr Fearrkreich.
Paris, 16. Oktober. Die Kammerneuwahlen werden
am 16. November stattfinden.

also von vornherein in der Aktion der Eisenbahner selbst,
da sie ohne direkte Not und nicht einmal im günstigen
Augenblick alles auf eine Karte setzten. So mußten auch
die von der Arbeiterschaft andere Länder an diesen Streik
geknüpften Hoffnungen zuschanden werden, da sie auf falschen
Voraussetzungen aufgebaut waren.

Deutsche NaLisuaLVersuMmlurrg.
Berlin, 16. Oktober.
Am Ministertisch: Dr. Koch, Dr. Bell.
Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um 1.20 tlhr.
Den mündlichen Bericht des parlamentarischen Untersuchungsaus-
schusses betr. die Unterausschüsse, den Arbeitsplan usw. erstatte Dr. Pe-
tersen (Dem.). Bom Ausschutz wird u. a.beantragt, datz sämtliche von
den Unterausschüssen zu vernehmenden Beamten von der Pflicht der
Amtsverschwiegenheit entbunden werden.
Die Anträge des Ausschusses werden angenommen.
Es folgt die Interpellation Arnstadt betr. die gesetzliche Einführung
der Zensur für Lichtspiele, gesetzliche Maßnahmen zur Be-
kämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutz
der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen.
Abg. Dr. M umm (Dn.): Die Gefahr für unser Volk, die ihm aus
der Schundliteratur droht, ist so grotz, daß unter Hintansetzung aller
Parteigegensätze sich eine Partei der anständigen Leute bilden muß, die
dagegen vorgeht, zumal von der Regierung nichts geschieht. Der durch-
gängige Spielplan der Lichtspieltheater in Berlin und in den Provinzen
ist Volksverwüstung schlimmster Art. Ich persönlich würde eine Soziali-
sierung für erwägenswert halten.
Minister Dr. Koch: Alle gesunden Kräfte unseres Volkes müßen
zusammenstehen, um gegen den Schmutz vorzugehen. Ich lasse eine No-
velle ausarbeiten über die Zensur der Kinvtheater, die Ihnen alsbald zu-
gehen wird. Das neue Kommunallsierungsgesetz wird den Gemeinden
Mittel in die Hand geben, die Kinos in den Dienst der Volksbildung zu
stellen und ihre Auswüchse zu unterdrücken. Schwieriger istdie Frage
der Schundliteratur. Die Polizei hat freilich ihre Mittel nicht überall
ausgenüht, bevor ich aber hier an ein Gesetz hcrangehe, will ich umfang-
reiche Besprechungen mit Fachleuten abhalten.
Die Besprechung der Interpellation wird verbunden mit der Be-
ratungdes Haushalts des Reichsamts des Innern.
Abg. Hoch (Soz.) berichtet über die Ausschußverhandlungcn.
Minister Dr Koch: Ich will mein Amt sachlich und ohne Vorein-
genommenheit ausüben. Die öffentliche Ordnung im Reiche muß wieder-
hergestellt werden. Durch eine Reihe von Gesetzen müssen die Zustände
gesichert werden. Aus die Dauer hängt das Volk nur dem an, der ihm
die Ordnung bringt. Wer ihm die Freiheit bringen will, muh ihm die
Ordnung bringen. Unser Volk ist seelisch noch nicht gesundet. Darum
sollte man es nicht in neue Verfajsungsiämpfe stürzen. Mit dem Reichs-
wehrministcr bin ich der Ueberzeugung, daß es an der Zeit ist, die Hut
der öffentlichen Ordnung allmählich aus den Händen des Militärs in
die der bürgerlichen Polizei übcrzuführen. Zuerst soll eine Wasserpolizei
geschaffen werden, sodann eine Kriminalpolizei, die über die Grenzen
der Gliedstaaten hinüberreicht. Der Weg zum Einheitsstaat ist frei
Diese Entwicklung kann ruhig und ohne Verletzung der Länder vor sich
gehen. Die Ausführung muß immer bei den Ländern und Kommunen
liegen. Unter Berücksichtigung der Rechte der Beamten und unter Ein-
fügung ihrer Mitwirkung wird eine Vereinheitlichung der Verhältnisse
der Beamten angestrebt werden müssen. Alle Beamten, auch die hohen,
müssen auskömmliche Gehälter erhalten. Lin Gesetz gegen den Alkohol-
mißbrauch rv'rd vorbereitet. Ein Auswanderungsgesetz soll unsere Aus-
wanderer draußen vor Leid und vor Ausbeutung schützen.
Abg. Dr. Braun- Franken (Soz.): Das Rcichsministerium des
Innern muß für die Wissenschaft einsetzen. Schulen und Universitäten
müssen auf das Reich übernommen werden. Man muß endlich über die
bloßen Konferenzen Hinwegkommen. Das Germanische Museum, die
Deutsche Bücherei in Leipzig und andere Großinstitute müssen vom Reich
unterstützt weiden. Das Kommunalisierungsgesetz muß schleunigst kom-
men. Wir sind bereit, die neuen Männer im Ministerium in ihrer Ar-
beitsfreudigkeit zu unterstützen.
Abg. Frau Zeltler (Ztr.) tritt für vermehrte Tätigkeit auf dem
Gebiete der Jugendpflege ein.

Abg. Nuschle (D.): In der Iugendwohlfahrtspflege muß eine ge-
wisse Einheitlichkeit im Reiche herrschen. Die Jugend muß mit der Wirt-
schaftspolitik und der Außenpolitik bekanntgemacht werden, besonders in
den Fortbildungsschulen.
Abg. Dr. von Delbrück (Dn.): Die Notwendigkeit der Teilung
des Reichsamts des Innern war längst klar; aber jetzt ist die Teilung
Vielleicht etwas reichlich und es könnte kommen, datz verwandte Materien
wieder zusammengelegt werden müssen.
Minister Dr. Koch: Ich gebe zu daß bei der Jugendpflege nicht
zuviel zentralisiert werden darf. In den meisten Städten ist der Neubau
von Kinos schon jetzt verboten und es ist verboten, zu solchen Zwecken
Baumaterial herzugeben. Das Mögliche soll geschehen, um die Verbote
dmchzusetzen.
Abg. Beuermann (D. Bp.): Die große Beamtenreform für das
ganze Reich muß unter Hinzuziehung der Beamten durchgeführt werden.
Die Reichsfchulreform begrüße ich durchaus, doch sollte man die Volks-
hochschulen nicht in bureaukratische Fesseln legen.
Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf morgen 1 Uhr;
außerdem Anfragen und Reichsarbeitsministerium.
Schluß 6 Uhr.

Politische Übersicht.
Schule, Kirche und sozialdemokratische Lehrer.
Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer hielt am
Samstag nachmittag im Vorwärtshause eine Konferenz ab und
nahm zunächst Stellung zur bevorstehenden Reichsschulionferenz.
Unterstaatssekretär Heinrich Schulz macht darüber eingehende
Mitteilungen und erläuterte den Werdegang des Reichsschulgesetzes.
In den Schulparagraphen der Reichsverfassung sei außerordentlich
viel unklar und strittig geblieben — das Schulkompromiß trägt die
Spuren erregter Auseinandersetzungen und mühseliger politischer
Ausgleichung an sich. Mit besonderem Nachdruck, wies der Red-
ner darauf hin, daß nach der Reichsverfassung die Teilnahme an
religiösen Unetrrichtsfächern der Willenserklärung der Erziehungs-
berechtigten Vorbehalten bleibt. Deshalb sei die Auslegung dieser
Paragraphen im. Preußischen Ministerialerlaß vom 22. August 1919
falsch, worin eine Willenserklärung über die Nichtbeteiligung an reli-
giösen Unterrichtsfächern gefordert wird.
An zweiter Stelle referierte dann das Mitglied der Preußischen
Landesversammlung. Schulrat Hacks- Breslau über die Frage:
Was fordern die sozialdemokratischen Lehrer von der zukünftigen
Schule. Er gab in rein fachlicher Darstellung reiche Anregungen
für den Religionsunterricht, die Geschichtsstunde und den Unterricht
in der Volkswirtschaft. Er betonle vor allem, wie großen Schaden
die absolute Unkenntnis der einfachsten volkswirtschaftlichen Begriffe
uns im Kriege zugefügt hat.
Schließlich wurde folgende Resolution angenommen. Die Ar-
beitsgemeinschaft erhebt schärfsten Protest gegen den Erlaß des
preußischen Unterrichtsministeriums, der eine Befreiung vom Re-
ligionsunterricht nur zu Beginn des Halbjahres für das Halbjahr
zuläßt. Sie sieht darin eine durch nichts gerechtfertigte Erschwe-
rung und Unterbindung der Befreiung vom Religionsunterricht
und erwartet vom Kultusminister die sofortige Aufhebung des Er-
lasses, der auch mit der Verfassung im Widerspruch steht. Ebenso
protestiert die Arbeitsgemeinschaft gegen die im Ministerium aus-
gearbeiteten Grundlmien für die fälschlich sogenannte kollegiale
Schulleitung.
Was wird aus dem Saargebiet?
Aus dem Saarrevier erfahren die P. P. N.: Die Bildung des
Fünferrats, wie er in: Friedensvertrag als Regierung für das Saar-
land vorgesehen Yt, scheint unmittelbar bevorzustehen. Auch der
Appell LIemeneeaus für den baldigen Zusammentritt der Bölker-
bundstommission wird dahin gedeutet. Bekanntlich sollen die Mit-
glieder des Fünferlats vom Völrerbund ernannt werden; zusammen-
setzen soll er si'b arm einem Franzosen, drei anderen Ententeange-
hörigen und e'nem Vertreter der Laarbevölkerung. Die Frage des
Kandidaten der Saarbevölkerung hat nunmehr große Beunruhigung
hervorgerufen, da es den Anschein hat, als ob Iustizrat Dr. Muth
mit Hilfe der sranzö scheu Regierung den Posten im Fünferrat er-
halten würde. Dancch kann man sich schon vorstellen, daß Muth
keineswegs der richtige Mann ist, um die deutschen Interessen der
Saarländer z> vertr- en. Alle politischen Parteien des Saarlandes
einigten sich vor einiger Zeit gelegentlich einer Aussprache auch da-
hin, daß wohl dem Zentrum als der stärksten Partei die Besetzung
des wichtigen Post ms zukomme, es dürfe aber keineswegs Dr.
Muth sein. Das Zentrum wendet sich also selbst von diesem Kan-
didaten ab. Dies geschieht, weil auch die zum Zentrum gehörige
Bevölkerung dem Iustizrat Muth nicht mehr das Vertrauen ent-
gegenbringen kann, seitdem man weiß, daß Muth einmal eine Deni-
jchrist in Paris über seine Eignung für den Fünferrat überreichen
ließ, worin er stey als großen Franzosenfreund bezeichnete, sodann
da er schon nicht mein mit der in Saarbrücken ansässigen französi-
schen Behörde verhandelt, sondern direkt mit der Pariser Regierung.
Würde Muth in den Fünfeiwat kommen, so würden die Franzosen
Per zwei Stimmen von den fünf verfügen. Die Saarbevölkernna
hofft noch immer, daß die anderen Staaten, besonders Amerika, da-
gegen Einspruch erhwen werden.
Ausland.
Deutsch-Österreich.
Wien, 15. Okt. (Wolff.) In der gestrigen Sitzung des
K r e i s a r b e i t e r r a t e 5. woran auch der Präsident der Na-
tionalversammlung Dr. Seitz teilnahm und die Notwendigkeit der
Koalition zwilchen den Christlich-Sozialen und den Sozialdemokra
ten begründete, wurde nach dem Schlußwort Dr. Bauers gegen
die Stimmen der Kommunisten eine Entschließung angenommen,
worin es heißt: Der Kreisarbeiterrat in Wien erklärt, daß im ge-
genwärtigen historischen Moment in Deutsch-Oesterreich weder die
Herrschaft der A r b e i t e r k l a s s e allein, noch die B o u r g o i s i e
allein möglich ist Die Arbeiterklasse außerhalb würde nicht Herr
werden der Widerstände de Mehrheit der Bevölkerung außerhalb
der Industriegebiete und die Bourgeosie würde scheitern an dem
 
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