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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

DOI Kapitel:
Nr. 71 - Nr. 77 (22. Dezember - 31. Dezember)
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Der Kriegsrat von Potsdam am 3. Juli 1914.

HsiKelhsrg, MsMag, ZL. DezsWhLr
M. * -1. SshrsKKg

Englische HLustsuse m CSln.
Berlin, 22. Dez. (W.T.B.) Den „P. P. N." wird aus Köln
gemeldet, daß von einer «nMchen Kommission das Kaufhaus „Ger-
mania" für mehr als 4 Millionen Mk. gelaust worden ist. Ebenso
wird über den Ankauf des Palladiumhauses verhandelt. Auch
andere belgische Gesellschaften beabsichtigen, bas Kolosseum für 4
Millionen Mark zu, kaufen. Das Gebäude soll zu Handelszwecken
bzw. Bankhäuser umgebaut werden.

MWKs-M'UtW M sie DerMti.se SeVstterNKO der AMtsbeAir?s Keiseiberg, Meskoch, GÄrsherm, Eppingea, Werback, MssKach, Buche«, Adelsheim, BsxHsrg,
TsuHerAschsfsheiW u«ö Wertheim.

HslLmrd r-erfsgr Äis MrsLiesermr g. (?)
Bröffel, 22. Dez. (W.T.B.) „Soir" vernimmt aus guter
Quelle, daß Holland durch seine Delegierten den Bettretern der
Alliierten Mitteilen ließ, daß es die Auslieferung des ehemaligen
deutschen Kaisers verwirken werde. Die holländische Regierung
könne sich auf das Asylrecht stützen und auch andere Gründ-s gel-
tend machen.

!-.r. Hest-elberz, den.22. Dezember.
liedhaft .ft..- seit einem Ochre in Deutschland die sogen.
Schuldfrage diskutiert und wie man immer wieder sagen muß,
' i klaren Nüchternheit und Sachlichkeit.

tt css Prolftcm. rchNK stellt. Mit all-
- Ka-italiLALs uu- ^Wperrsstsmrrs ist
ind gleichsam ökonomisch-politischs Ent-
ganzen europäischen Staatengeschichte
. gründe liegen. Sondern es handelt sich
raten Ursachen, die diesen ganz be-
. Und bei der

DrziMprelr: Monatlich emfchl. Trägertch» t.üv M?., durch die Asst
bszsgen monatlich 1.SV Mk., viettrljLhrlich 4.SV Mk. ausschl. Zustellung.
BmMMKprefier Die einspaltige Mitzeile (SSmm breit) 36 Pfg., Re«
Kamr-Ary-igr« (ss,«m breit) r.s«M. Btt Wiederholungen Nachlaß
nach Tarif. Grheimmittel-AnMige» werden nicht «ifarrwmrnew
NMcheckkokto K«rsmhe Ar.22sr7. Tel.-Adr.: B Lkszsitustg KridetSerg.

fast auf keiner Seite »
W, daß daß meu sft
gemeinen Schlagworte
es nicht getan. Denn
wicklmrgstenbeMN, die der
der letzten Ishrhun-deris
um die ganz bs st im
stimmten Weltkrieg hervorgebracht haben.
Frage von Deutschlands Schuld handelt es sich um den
ganz bestimmten wvhlabgegrenzten Anteil, den die deutsche Politik
am Ausbruch des Weltkrieges hat. Bisher tappte man
rn dieser Frage fast völlig im Dumel; -das erste Licht ist durch die
Gvvs'schen Veröffentlichungen auf die schwere Schuld der österrei-
chstchen Politik gefallen. Durch die Veröffentlichung der
Deutschen Dilen ruft- D- ft' kn r-r -rS -Sr;
klar. Und da kommt man bei der ersten Lektüre des Materials zu
dem furchtbaren Urteil:Der deutsche Schuldanteil am Ausbruch des
Weltkrieges in seiser ganz bestimmte« politischen Form wirkt
KutzervrderMch schwer. Ganz abgesehen davon, daß man in Ber-
kin überhaupt kein klares außenpolitisches Programm gehabt hat,
hat man nicht nur Oesterreichs Machtpottlik auf dem Balkan die
Zügel schießen lassen, sonder;; es direkt zum Krieg ermuntert, selbst
. S- Ec,obr eines evropZkschpn Krieges hin.
Wir werden uns noch eingehend sowohl mit den Akten selbst
als auch speziell mit dem Kautsky-Buch zu befassen Haden. Wir
werden setzt in zwangloser Folge einige Hauptkapttel des Kautsky-
Buches zum Abdruck bringen. In die weitesten Volksschichten mutz
diese Aufklärung dringen; wird sie auch noch so viele Illusionen ver-
nichten, sie wird eine gesunde Selbsterkenntnis als Weg zu einer
Mnsn vefseren WeltpsMk bedeuten.
Bemerken möchten wir noch, baß trotz des Geschreies der all-
deutschen Presse und der reaktionären Profesiorenklique das
Kautsky-Buch nach unserer allerdings unmatzgeblichen Ansicht eine
außerordentlich gedßeKKe mit wiflenftbsstlicher Oojektisität und
kritischer Methodik geleistete Arbeit darfteilt.
Zunächst folgt das Kapitel über den sogen. Kronrat iÄ
Potsdam.

MMeRkANÄgsLUngeK gegen, das
BsLeieLZrätegesstz.
Berlin, 21. Dez. Der „VvMchen Ztg." zufolge fand gestern
in Essen eine vom Kartell der freien Gewerkschaften veranstaltete
Massenkundgebung gegen das Betriebsrätegesetz in seiner jetzigen
Fassung statt. An der Kundgebung beteiligten sich besonders die
Unabhängigen und Kommunisten, die die Herab-
setzung des Wahlalters teilweise bis auf 14 Jahre und das Allern-
bestimmungsrechch der Betriebsräte forderten.

oien seien. Indes, selbst wenn das bloße Abrücken von Hoyos eine
beruhigende Aufklärung über die österreichischen Pläne gegeben
hätte, so fand es doch jedenfalls erstspäter statt, erst nach dem
Handschreiben Franz Josephs überreichte und die
-efchlüsse gefaßt wurden.

Weißbuch vom Juni 1919, die Professoren Hans Delbrück, Men-
delssohn-Bartholdy und Mar Weber sowie Graf Mvntgelas.
Wir werden- darauf noch in einem anderen Zusammenhang
zu sprechen kommen, hier sei nur bemerkt, daß eie Mitteilungen
des österreichischen Botschafters in Berlin vollständig in Einklang
stehen mit dem, was wir über Wilhelms oamalige Denkweise
wissen, mrd was schon seine Randglossen zu Tschirschkys Bericht
vom 30. Juni bekunden. Der Zufall will, daß gerade aus jenen
Tagen ein Zeugnis über Szögyenys Zuverlässigkeit in der Be-
richterstattung vorliegt. Am 6. verhandelte der Gras mit Bech-
mann Hollrveg, Dieser berichtete darüber an Tschirscyky und gleich-
zeitig sandte Szögyeny einen Bericht über die gleiche Unterredung
an Berchthold. Am Tage darauf hatte Tschirschky Gelegenheit,
beide Berichte miteinander zu vergleichen. Er telegraphierte dar-
über an das Auswärtige Amt am 7. Juli:
„Die Berichte des Grasen Szögyeny entsprachen durchaus
dem Inhalt des mir sachgemäß zugestellten Telegramms Tw. Exz.
vom K. d. M."
So einfach ist es also nicht, diesen unbequemen Zeugen mora-
lisch um die Ecke zu bringen.
Richtig ist, daß in jenen Gesprächen Bethmann sich viel vor-
sichtiger ausdrückte als sein kaiserlicher Herr. Aber das war
öfter so.
Ein Umstand ist vielleicht nicht ohne Belang. Szögyeny be-
richtet, Wilhelm sei vor dem Frühstück sehr zugeknöpft gewesen.
Erft nach dem Frühstück habe er aus seinem Herzen keine Mör-
dergrube gemacht.
Ueber das, was der Kaiser am 5. Juli nach dieser Besprechung
mit seinen Leuten verhandelte, sind wir nicht unterrichtet. Ader
man darf dem Weißbuch vom Juni, so wenig Zutrauen es verdient,
doch glauben, daß die Absicht, einen europäischen
Krieg zu entfesseln, damals nicht bestand. Nur
verschweigt es, daß man damals schon den Oesterreichern freie
Hand zu einem Krieg gegen Ser bien gab, auf die Gefahr
hin, damit einen Krieg mit Rußland hervsrzurufen.
Im Grunde hat das die deutsche Regierung schon in ihrem
ersten Weißbuch zugegeben, das sie bei Kriegsbeginn veröffentlichte.
Sie erklärte damals:
„Oestrereich muhte sich sage!', daß es weder mit der Würde, «och
mit der Selbsterhaltung der Monarchie vereinbar wäre, dem Treibe»
jenseits der Grenze noch länger tatenlos znzusehen. Die k. u. k. Regie-
rung benachrichtigte uns von dieser Auffassung und erbat unsere Ansicht,
Aus vollem Herzen konnten wir unserem Bundesgenossen unser
Einverständnis mit feiner Einschätzung der Sachlage geben und ihm
versichern, bah eine Aktion, die er für notwendig hielte, sm der gegen
den Bestand der Monarchie gerichteten Bewegung in Serbien ein Ende
zu machen, unsere Billigung finden würde. Wir waren uns hierbei
wohi bewußt, daß ein etwaiges kriegerisches Vorgehen Oesterreich-
Ungarns gegen Serbien Rußland auf den Plan bringen und uns hiermit
unseren Bundevpfiichten entsprechend, in einen Krieg verwickel»; könnte."
(S. 3, 4.)
Es wäre der Gipfel der Gedankenlosigkeit gewesen, wenn
Bethmann und der Kaiser am 5. Juli wirklich nicht weiter gedacht
und nicht die Möglichkeit eines europäischen Krieges erwogen haben
sollten, dis sie mit ihrem Vorgehen heraufdeschworen.
Es ist sicher auffallend, daß der Kaiser in einer so gefahr-
drohenden Situation eins Nordlanbsreise antrat. Eines ist aber
klar: Auch der leichtfertigste Souverän hätte das nicht gewagt,
ohne sich vorher versichert zu haben, daß Wehr und Waffenlos
Staates für alle möglichen Anforderungen bereit seien. Die Tat-
sache, daß er nach den „Besprechungen" in Potsdam seine Som-
merreise antrat, deutet schon darauf hin, was bei ihnen beschlossen
wurde.
Haben dort Wilhelm und Bethmann Hollrveg, wie dieser selbst
erklärte, einem „kriegerischen Vorgehen Oesterreich-Angarns" ihre
Zustimmung zugesagt auf bie Gefahr hin, in einen Krieg mit Ruß-
land verwickelt zu haben, dann mußte klar zum Gefecht gemacht
werden, ehe Wilhelm der Mitternachtssonne entgegenfuhr.
Es ist also durchaus nicht überraschend, daß sich seine „Aus-
zeichnung des UnterstaatssekreLärs Frhr. v. d. Bussche für Staats-
sekretär Zimmermann" findet, datiert vom 30. August 1917. Dort
heißt es:
„Am Taoe, nachdem der österreichisch-ungarische Botschafter iui Juli
1914 S. M. 'dem Kaiser das vom Grasen Horms überbrachte Schreibe«
Kaiser Franz Josefs überreich« hatte, und der Reichskanzler!v. Bethmann
Hollrveg und Lnterstaarsfeketär Zimmermann in Potsdam emptangrn
worden waren, fand in Potsdam eine Beratung militärischer
Stellen bei Seiner Majestät statt. Es nahmen teil: Lxz. Capelle
für Tirpitz, Kapitän Zenker für den Generatstad, Vertreter des Kriegs-
ministeriums und des Generalstabs. Es wurde beschlossen,
aus alle Fälle vorbereitende Maßnahmen für einen
Krieg zu treffen. Entsprechende Befehle find darauf ergangen.
— Quelle durchaus zuverlässig. Bussche.
In gleicher Richtung weisen die Mitteilungen, die Herr v. Tir-
pih in seinen „Erinnerungen" macht (1919, S. 209). Er berichtet,
daß Wilhelm bei allem Optimismus es für notwendig fand, sm-
alle Eventualitäten gerüstet zu sein:
„Er hat aus diesem Grunde schon im Lause des'S. dem Reichs-
kanzler v. Bethmann Hollweg, den Kriegsmimster v. Fallenharm, den
Unterstaatssekretär des Auswärtigen Zimmermann, und den Che« des
Militürkabinetts v. Lyncker nach Potsdam besohlen. Es Wurde dabe»
beschlossen, das; Maßnahmen, die geeignet wären, politisches Ausseyen zu
erregen oder besondere Kosten zu verursachen, vermieden werden sollten.
Am 6. Juli habe dann der Kaiser mit Capelle für der» da-
mals abwesenden Tirpitz in Potsdam gesprochen.
Das ist, bis aus Kleinigkeiten, ganz dasselbe, was Bussche
aufzeichnet. Damit ist das Dunkel noch nicht völlig erhellt, das
über den Potsdamer „vereinzelten Besprechungen" liegt. Sicher
waren sie kein Kronrat zu nenn e n. Wilhelm ent-
schied vielmehr allem Anschein nach selbständig in dieser Schicksals-
stunde. Was sich daran anschlvß, könnte man eher als Kriegs-
rat bezeichnen. Man kann ihn auch eine Verschwörmkg nennen,
zum mindesten gegen Serbien und Rußland, wenn nicht gegen den
Frieden der Welt.

Berantwsrtt.: Mr innere u. äußere MM, AvlkswittsHast a. Feuilleton. vr.
S.Kraus: für Kommunales u. soziale "Bmdschm: Zft Kahn» fü>-Lol.Ä«s:
O. Geisel» für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Httb-ullo,
Druck und Verlag der ünterbadischen LeriogsaastaltG. m. d. H., Heidelberg,
Geschäftsstelle: GchrSderstraße 3», Fernsprecher 2S7Z,- Redaktion: 2E,
Geschäfts stunden: 8 -ft»6 Llhr. Sprechstunden brr Redaktion: ^r-i2 Uhr.

. Anschlag ims den ägyptischen
Premierminister.
Amsterdam, 21. Drz. Dem „Telegraaf" zufolge meldet die
„Times" aus Kairo, daß auf den ägypEch^n Premierminister
'Sieder ei« Anschlag verübt wurde, diesmal von ropüschen Studen-
ten. Es wurde niemand verletzt. Der Attentäter und mehrer andere
Studenten, die zugegegen waren, wurden verhaftet.
und sie „besprachen die pvWsche Lage". Tags darauf trat Kaiser
Wilhelm seins Rordlandsreise an. Offenbar das deutlichste Zeichen,
östz er nichts Boss« erwartete oder za plante.
Das Weißbuch teilt den Tatbestand ebenso mit, nur läßt es
dem Hinweis auf die Nordlandsreise weg. Dafür fügt -es hinzu:
„Es sn-d keinerlei descmbere BeMiW gefaßt worden, da von vorn-
herein seststand, daß es Nicht Möglich sei, Oesterreich-Ungar» die den
Brmdespfiichtrr» entsprechende Unterstützung bei dem Versuche, von Ser-
bien Wirkliche Garantien Zu erlangen, zu versagen." (S. 50.)
Das soll offenbar auch harmlos klingen, doch kann es nichts
anderes besagen, als daß die deutsche Regierung es bei jener
„Besprechung" schon für selbstverstärrdlich fand, daß Oesterreich
„wirkliche Garantien" fordern werde — man weiß, was das heißt
— und daß Deutschland dabei „den Bundespflichten entsprechend"
mittue. Darüber „besondere Beschlüffe" zu fassen, sollte am
5. Juli »richt mehr notwendig gewesen sein!
Das Weißbuch vom Juni 1919 scheint auf ein fehr kindliches
Publikum zu rechnen. Am. Eingang feiner Darstellung wendet es
sich gegen die Behauptung, am 5. Juli habe ein Kronrat statt-
gefunden, der „den Krieg gegen. Serbien, nach anderer Lesart
den Weltkrieg" beschlossen habe. Die berichtigende Darstellung
tut aber bloß rund,
1. daß kein Krvnrat stattfand, sondern nur vereinzelte Be-
sprechungen,
2. daß nicht der Weltkrieg beschlossen wurde. Dom Krieg
gegen Serbien ist dabei nicht mehr die Rede.
Es heißt schließlich: -
„Aus dem Telegramm (der deutsche« Regierung) nach Wien vom
6. IM und dem HalMchreiven Kaiser Wilhelms vom'14. IM geht klar
hervor, daß mau such, in Berlin die Möglichkeit einer Emmischung
Rußlands mrd ihr« Folgen mit in Betracht zog, aber mit irgendeiner
Wahrscheinlichkeit ei»,es allgemeinen Krieges nicht rechnete. Bon der
Absicht vollends, elrreu europäischer» Krieg zu entfesseln, kann, wie die
beigefügten Dokumente einwandfrei zeigen, keine Rede sein." (S. 57.)
Lichnowsky berichtet darüber in seimr Denkschrift:
„Nachträglich erfuhr ich, daß bei der entscheidenden Besprechung in
Potsdam am 5. Juli bis Wiener Anfrage dir unbedingte Zustimmung
aller maßgebenden Persönlichkeiten fand und mit dem Zusatz, es werde
auch nichts schaden, Gsnn daraus ei» Krieg mit Rußland ent-
stehen sollte. So heißt es wenigstens im österreichischen Protokoll, das
Gras Meusdorf) in Loudon erhielt." iS. 28.)
Garf Szögyeny, der österreichische Botschafter in Berlin, be-
richtet über sein Gespräch mit Wilhelm am 5. Juli:
„Rach seiner (Kaiser Wilhelms) Meinung mutz aber mit dieser
Aktiva (gegen Serbien) nicht zu lange gewartet Werden. Rußlands
Haltung Werde jedenfalls feindselig sein, doch sei er
hieraus schon seit Jahren vorbereitet, und sollte es sogar zu einem Krieg
zwischen Oesterteich-Üngarn und Rußland kommen, so könnten wir davon
überzeugt sein, daß Deutschland in gewohnter Bündnistrene an unserer
Seite stehen werde. Rußland fei übrigens, wie bie Dinge heute ständen,
noch keineswegs kriegsbereit und werde es sich gewiß noch
sehr überlegen, an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Doch
werde es bei den anderen Mächte»; der Triplrenkntr gegen uns Hetze«
»md am Balkan bas Feuer schäre»».
Er begreife sehr gut, daß es Seiner K. u. K. Apostolische« Majestät
bei feiner, beka-mten Friedensliebe schwer falls« würde, in Serbien em-
zumarschieren; wenn wir aber wirklich die Notwendigkeit einer Aktion
gegen Serbier» erkannt hätten, so würbe er (Kaiser Wilhelm) es be-
dauern, wenn wir den jetzigen, für uns so günstigen
Moment unben-rtzL ließen." (Notbuch, 1919, s. S. 22.)
Dr. Gootz versucht, die Zurechnungsfähigkeit des Grafen Szö-
gyeny anzuzweifeln. In dieselbe Kerbe hauen vier Verfasser einer
Denkschrift über die Schuld am Ausbruch des Krieges in dem

Die VerschWöeAKg VE PsLsdLM.
Am 4. Juli kam der österreichische Legationsrat Gras Hoyos
«ach Berlin, um das schon erwähnte Handschreiben des Kaisers
Franz Josef an Wilhelm zu überbringe». Man fixiert nicht immer
gefährliche Gedanken schriftlich mit völliger Deutlichkeit. Das
Handschreiben sprach bereits von der notwendigen „Verkleinerung"
Serbiens. Graf Hoyos erläuterte diesen Ausdruck mündlich dahin,
daß darunter die Austeilung Serbiens unter seine Nach-
barn zu verstehen sei. Hoyos, der Vertrauensmann Berchtolds,
fetzte diese Pläne dem Reichskanzler und dem Unterstaatssekretär
Zimmermann auseinander. Das gab ihnen keine Veranlassung,
-auf die Oesterreicyer zurückhaltenv zu wirken.
Das schon erwähnte Weißbuch vom Juni 1919, das in Wirk-
lichkeit ein Weißwaschungsbuch ist, bemerkt freilich:
„Das Mitristenum des Aeußenr in Wien hat '"-»ärrr darauf Wert
geregt, sestzusteüeu, daß es die rein persönlichen Ansichten des Grasen
Hoyos, die den Erwerb serbischen Gebiets und sogar eine Aufteilung
Serbiens umfaßten, nicht teile." (S. 50.) -
Diese Mitteilung ist nicht ganz richtig. Das Ministerium
hat wohl erklärt, daß die Ansichten des Grafen Hoyos seine per-
sönlichen seien; es hat aber nie unzweideutig erkennen lassen, daß es
andere Ansichten hege, und es konnte das auch nicht, schon aus
dem Grunde, weil die Ansichten des Herrn Legationsrats ganz
mit den Ansichten seines Vorgesetzten, des Ministers Berchtold,
übereinstimmten. Das Ministerium des Neuster» -in Wien hat denn
auch nie verrtaen, welches seine Absichten in Beziehung auf Ser-
oien seien. Indes, selbst wenn das bloße Abrücken von Hoyos eine
beruhigende Aufklärung über die österreichischen Pläne gegeben
ftft ft ft .ft .. ' ft ( ' ft " ft ft. " ft ft ft . ft ' >
5. Juli, an dem der österreichische Botschafter in Berlin dem deut-
schen Kaiser das ft ft' '
entscheidenden Beschlüsse „ ,
Ueber die Beratungen jenes Tages, die die Phantasie der
Außenwelt um so lebhafter erregten, je weniger sie von ihnen
wußte, ist viel gefaselt worden. Es habe ein Krvnrat in Potsdam
stattgefunden, an dem Erzherzog Friedrich, Graf Berchthold und
Conrad von Hötzendorf teilnahmen, und in dein der Krieg gegen
Serbien oder gar der Weltkrieg beschlossen würde. Das schon zi-
tierte Weißbuch vom Juni weist nach, daß dieser Kronrat eine Le-
gende ist. Zum Beweis zittert es den Sir Harare Rumboldt, bei
Kriegsausbruch englischer Botschaftsrat in Berlin, der es für un-
wahrscheinlich hält, daß ein solcher Kronrat stattgefunben habe. Er
ist dieser Meinung nicht wegen, sondern trotz der Beteuerungen der
deutschen Regierung:
„Die gewohzchestsmäbige Verlogenheit der deutsche» Regierung ist
in der Tat so groß, daß ich unwillkürlich versucht bin, jeder von ihr ge-
leugneten Feststellung Glauben zu schenken."
Aus dieses ehrenvolle Zeugnis beruft sich das Weißbuch von»
Juni 1919 zum Beweis der Unschuld der alten deutschen Negierung.
Das Weißbuch selbst teilt dann mit, was sich an jenem 5. Juli tat-
sächlich in Potsdam zugetragen haben soll. Es wiederholt dabei
im wesentlichen dasjenige, was schon die deutsche Wochenschrift
„Deutsche Politik" im Mai darüber vorgebracht hatte. Diese Er-
klärung klingt sehr harmlos.
Danach frühstückte am 5. Juli der österreichische Botschafter
Szögyeny beim Kaiser Wilhelm m Potsdam und überreichte ihm
das Handschreiben seines Souveräns.
Später kamen zum Kaiser Bethmann Hsllweg und Zimmer-
mann, der de« auf der Hochzeitsreise befindirchen Jago» vertrat
 
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