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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 61 - Nr. 70 (10. Dezember - 20. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43996#0335
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LssesKeikms Br die Werktätige BevSttenmg der Amtsbezirke Heidelberg/ Wiesrsch, Smshsim, Eppisge«, Gberbach/ Mosbach, Bache«, Adelsheim, Borberg,
TKN-ertzifchssshLiM rmö Wertheim.

M-zilgSKreis: Monatlich elnschl. Trägerlohn I.Sü Mk., dusch die poft
bezogen monatlich 1.W M?., sleeieljährllch 4.SV M. cmsM. Zustellung.
«kyÄMkpreiftr Dis «inspaMge -pstttzeil« (rs mm breit) SV Kfg., Re»
UsmS-Änzelßen (d.Z nun breit) 1.86 Mk. Lei Diederholungen Nachlaß
nach Tarif. 'GehLimmittm-Anzeiaen Merven nicht ausgenommen.
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Vsrantwsril.: Für innere u. äußereDolitik,DsMNirtfchast u. Jeuistetvn: .Dr.
E.Kraus; für Komm Males u. soziale Rundschau: Z. Kahn, fürLokaleS:
O. Geibel? für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
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VMerversöhnung.
- Von Dr. E. Baukne ch t.
War es die Person des jungen Franzosen Colin, war es
Hie Person des jungen Deutschen Nölting, welche am verflosse-
nen Mittwoch das aus allen Volksschichten zusammengesetzte Pu-
blikum des Harmvniesaales in solch große Begeisterung versetzte?
Diese beiden Pazifisten, sie haben es verstanden, aus bewegtem
Herzen heraus zur Seele, zum Herzen des Menschen zu sprechen
und gerade weil in dem Menschenherz eine Fülle von Güte und
Solidarität ruht, die von Zeit zu Zeit geweckt werden mutz, gerade
deshalb drängten die Bersöhnungsworte eines Colin und eines
Nölting zum Ausbruch jener hinreißenden Begeisterung, die den
Menschen ehrt.
Wie eine Friedensbotschaft nach endloser Feindschaft und wil-
der Hetzerei klangen die Worte Colins an unser Ohr, denn er
bekundete, was die Presse uns verschwieg, nämlich, daß mehr als
em Drittel des französischen Volkes, ja, das ganze Prole-
tariat, und nicht zuletzt eine große Anzahl französischer Intellek-
tueller gegen die Gewaltpolitik Llememeaus und Fvchs, gegen die
unmenschlichen Friedensbedingungen von Versailles Protest ein-
gelegt habe und unermüdlich die Herausgabe unserer Gefangenen
Fordere. Der Fricdensvertrag, so fuhr er weiter fort, ist ein kleiner
Zwischenfall in der Geschichte, weiter aber auch nichts, denn in
Frankreich ebenso als in der übrigen Welt ist man davon überzeugt,
daß er ein lebensunfähiges Kind der nationalistischen Hysterie ist.
Die pazifistische Strömung, die von Männern wie France,
Barbusse und anderen weltberühmten Männern ausginge, habe
bereits in allen Ländern ein warmes Echo gefunden. Das durch
die schrecklichen Leiden des Krieges hervorgerufene Menschlichkeits-
gefühl kenne feine Grenzen und wird sich Bahn brechen zu einer
VMerversöhnung. Noch haben die nationalistischen Regierungs-
männer Angst vor der Menschenverbrüderung, aber der wahre
Völkerbund kommt von unten herauf und nicht von oben herunter.
Er fei beauftragt, den deutschen Genossen einen Brudergruß der
französischen, englischen, amerikanischen und belgischen Genoffen
zu überbringen und ein Band mit ihnen und den deutschen Intellek-
tuellen zu schmieden. Mit einem Appell an das Menschengewissen
schloß er seine von hohem Idealismus getragenen Ausführungen.
Welch tiefen Eindruck diese Versöhnungsworte auf die An-
wesenden machten, bewies der stürmische Beifall, init dem Nöltings
vortreffliche Erwiderungsrede aufgenommen wurde, und so konnte
Lolin die Versicherung mitnehmen, daß der Deutsche warmen
Oerzens die ihm dargereichte Versöhnungshand ergreift.
Vöikerverfvhnung! Der Gedanke ist zu neu und zu groß, als
Last wir ihn in ganzem Umfange gleich erfassen können. Mit
Schlagwörtern sucht man den immer mehr sich hervvrdrängenden
Gedanken einer Völkervereinigung abzutun: „Es ist immer Krieg
gewesen, solange die Welt steht. Der Stärkere wird stets mit seiner
Macht den Ausschlag geben müssen, wie auch in der Natur der
Kampf ums Dasein die Art erhält und verbessert. Der Krieg
muß sein."
Das sind so Redensarten, die gegen eine Vvlksverständigung
zur Verhinderung der Kriege ins Feld geführt werden.
Gewiß ist immer Krieg gewesen. Wenn aber stets nur das
möglich wäre, was schon ein Beispiel hat, dann wäre jeder Fort-
schritt ausgeschloffen. Dann hasten wir keine Eisenbahnen und keine
Dampfschiffe, keine Telegraphen und keine Weltpost. Und die
internationalen Geschäftsverbindungen, die weltumspannenden Ver-
kehrsbeziehungen der Kulturvölker untereinander, die geistigen Be-
ziehungen, die der ganzen Menschheit zugute kommen, die den Blick
geweitet und die Völker einander nähergerückt haben: alles das ist
ebenfalls noch nicht dagewesen, ist erst aus der Neuzeit heraus
geboren worden.
Die Menschen sind keine Engel. Aber sie sind auch keine
Tiere, die sich sinnlos gegenseitig vernichten müssen. Sie sind mit
Vernunft ausgestattete Wesen, die einsehen gelernt haben, daß das
gewaltsame Austragen von Streitigkeiten nicht nur eine tierische
Roheit, sondern auch eine Dummheit ist. Beide kommen dabei
zu Schaden. Werte werden vernichtet, aber keine geschaffen. Es
wäre an der Menschheit verzweifeln, wenn die Staatsmänner der
Rationen nicht imstande sein sollten, die Interessen der ihnen an-
vertrauten Lander und Volksgenossen ohne Blutvergießen mit
denen der Nachbarländer in Einklang zu bringen.
And nun ein Einwand, der Kampf ums Dasein sei Natur-
gesetz, die größere Macht müsse immer den Ausschlag geben. —
Darauf sei die Frage erlaubt: Warum läßt man denn im täglichen
Leben nicht dem Stärkeren freien Lauf? Das hätte hier wenigstens
noch einigen Sinn. Der Starke würde siegen und die Art ver-
bessern, die Schwachen und Kranken würden unterliegen. Mancher
Äriegsschreier auf dem weichen Schreibseffel würde dann allerdings
Len kürzeren ziehen. Die Granaten und Maschinengewehre ver-
nichten aber nicht die Schwachen und Kranken, sondern gerade das
Kngste und frischeste Blut. Die Alten, Kranken und Schwachen
bleiben daheim zur Fortpflanzung übrig. — Gewizz wollen wir
Len Kampf ums Dasein nicht ausgeben. Er soll nur in menschen-
würdiger, verfeinerter Form weitergeführt werden. Wir wollen
als Kulturmenschen weiterkämpfen mit den Waffen des Geistes
gegen tierische Roheit und Rücksichtslosigkeit, gegen Unrecht und
Gewalttätigkeit, gegen Dummheit und Unduldsamkeit, für Freiheit
und ein bescheidenes Glück für alle Menschen. Sollte dieser Kampf
Wirklich weniger edel fein als der mit Schwert und Maschinen-
gewehr?
Nein, der Krieg patzt nicht mehr in die heutige Zeit der Huma-
nität und der weltumspannenden Verkehrsmittel. Die Kultur-
menschheit trägt den Stempel der Großzügigkeit.
Die Entfesselung der Kriegsfurie ist noch einmal möglich ge-
wesen, weil die Entwicklung der gesunden Vernunft mit den techni-
schen und wirtschaftlichen Fortschritten nicht gleichen Schritt gehalten
hat.
Sichere, friedliche Verhältnisse mit allen Kulturvölkern der
Erde würden gerade dem deutschen Volke die Möglichkeit geben,
aus seinem tiefen Elend wieder herauszukommen, sich zu entwickeln
in materieller und geistiger Beziehung. Wir werden deutsche Art
v. deutsches Wesen bewußter pflegen, begründeter lieben, wenn wir
unsere Mängel u. Tugenden im Spiegel anderer Völker betrachten.
„Man kann das Vaterland erst richtig emschätzen", sagt Strind-

Die deutsche AnLNwrL»
Paris, 14. Dez. (W.B.) Die Antwortnvtederdeut-
schen Regierung auf die letzte Ententenvte ist der deutschen
Delegation in Paris zugekommen. Da einige Zeit zur Entziffe-
rung und zur llebersetzuug in Anspruch genommen wird, kann die
Note wahrscheinlich nicht vor Montag morgen im Generaisekrs-
tariat der Friedenskonferenz überreicht werden.
Die deutsche SuchverftÄRdigenkomMWou
für Paris.
Berlin, 14 .Dez. Nach dem „B. T." besteht dieSachver-
st ä n d i g e nkv m m i s s i o n die heute nach Paris fährt, aus 7
Mitgliedern. Es werden vertreten sein: das Auswärtige Amt, die
Werjtkommiffivn, die Reeder, das Wafferbauamt, ein Sachverstän-
diger für die Fahrrinne« aus dem Reichsarbeitsministerium und ein
Marmssachverstandiger. Den Vorsitz führt ein Sachverständiger
für die Wasserstraßen, der dem Auswärtigen Amt angehört.
Der Berliner „Lok.-Anz." nennt als Mitglieder Geheimrat
Seliger, Paul Müller, den erstgenannten als Schiffahrtsvertreter,
den letztgenannten als Arbeitsvsrtreter. Das einzige Verhandlungs-
thema werden die wirtschaftlichen Fragen sein, die aus der
Schadenersatzforderung der Entente für die versenkten Schiffe
v o n S c a p a F i v w sich ergeben.
Vorbereitungen für den internnLisrmlsn
SozisLiftenkongretz in Genf.
Amsterdam, 14. Dez. (W.B.) Laut „Algemeen Handelsblad"
werden Longuet, Nenaudel und Huysmans am Mon-
tag einer Sitzung der internationalen Berner Kommission in Lon-
don wegen vorbereitenderMatzregelnfürdenim Febr.
in Genf abzuhaltenden internationalen s v z i al i st is ch e n K o n-
greß beiwohnen.
Frankreich gibt die ZfterreLchischen
Kriegsgefangenen frei.
Paris, 14. Dez. (W.B.) Der österreichische Vertreter in
Paris erbat in der Note vom 8. Dezember bei der französischen
Regierung die Befreiung der österreichischen Kriegsgefangenen. In
der zwei Tage spater erfolgenden Note teilte der französische Mi-
nisterpräsident mit, daß die französische Regierung entschieden habe,
diese Maßnahme zugunsten der österreichischen Kriegsgefan-
genen zu treffen und ihre Befreiung noch vor dem Inkrafttreten des
Friedensvertrages zu genehmigen. Den französischen Behörden
wurden Weisungen erteilt, die Heimschaffung der Kriegsgefangenen
so r a s ch w i e m ö g l i ch zu beginnen.
GememdeumhLen im besetzten Gebiet.
Aachen, 15. Dez. (W.B.) In den von den Belgiern besetzten
Gebieten haben seit Anfang September die GemeinLewahlen statt-
gefunden. Sie erfolgen nach dem gleichen System, wie der der Na-
tionalversammlung. Sie find ruhig verlaufen. Infolge der Stärke
des Zentrums wird es zu wesentlichen Verschiebungen in der Zu-
sammensetzung der Gemeinderäte nicht kommen.
Italienischer Verzicht aus eine
Intervention in Rußland.
Rom, 15. Dez. (W.B.) In der aKmmer wurde von einigen
Abgeordneten und Kompetenten eine Tagesordnung eingebracht, die
Regierung möge der Entente einen Verzicht auf die Einmischung
in die inneren Angelegenheiten Rußlands Vorschlägen. Diese Ta-
gesordnung wurde von den Regierungen im Sinne einer einfachen
Eempfehlung entgegengenvmmen.
Norwsgen und die Abrüstung.
Christian ia, 13. Dez. (W.B.) „Verdensgang" ver-
öffentlicht ein Interview FritjofNansens über dieVöIker-
bundskonferenzin Druffel. Die Verhandlungen hätten we-
gen der Haltung Amerikas unter schwierigen internationalen Ver-
hältnissen begonnen, doch habe Europa einen einheitlichen Wille«
offenbart. Amerikas Haltung mache Deutschlands schleunigste Auf-
nahme umso notwendiger, als sonst wahrscheinlich Holland, die
Schweiz und Dänemark es nicht wagen würden, dem Bunde beizu-
treten. Die Wehrmacht Norwegens müsse auf das Stärkever-
hältnis seiner Nachbarn, z. B. Rußlands, Rücksicht nehmen. Nor-
wegen könne nicht abrüsten, solange die chaotischen Zustände
im Osten andauern.

"berg, „wenn man auch andere Länder gesehen und kennen gelernt
hat."
Die Sehnsucht nach einer friedlichen Verständigung beherrscht
alle Völker der Erde. Sie durchdringt die Kulturmenschheit umso-
mehr, je näher sie mit dem Kriege in Berührung waren. Wir Deut-
sche haben alle erfahren müssen, was es heißt, vom Weltverkehr
ausgeschlossen zu seim Unsere Zukunft hängt lediglich davon ab, ob
es uns gelingt, die zerrissenen Fäden mit der Menschheit wieder an-
zuknüpfen. Gerade bei uns sollte eine Versöhnungsbewegung ein-
setzen, der niemand widerstehen wird können. Keine Nation wäre
besser geeignet, eine führende Rolle in den bevorstehenden großen
Kulturereignissen zu spielen, als das geistig regsame und technisch
hervorragende Deutschland. Ein jeder sollte an diesem großen Werk
sein Teil Mitarbeiten. Die Hand zur Versöhnung ist uns Largebo-
ten, halten wir sie fest. Die Vollbringung des Versöhnungswerkes,
des Weltfriedens würde west mehr Ruhm, Ehre und Achtung ver-
bürgen, als alle Schlachten und Siege es vermögen.
„Frisch auf, mein Herz, verzweifle nicht...
Aus Nacht, aus Nacht der Mvrgenbricht,
Es muß aus Tränen und Mühen
Die Vöikerversvhnung erblühen."

Bemsche NEMMLVLrsLMmLUKg.
Der deutsch-polnische Vertrag. Beamtensragen.
Berlin, 13. Dezember.
Am Ministertisch: Müller, Schisser.
Präsident Zehren bach eröffnet die Sitzung um 1.40 Uhr.
Zur ersten Lesung des deutsch-polnischen Vertrages
über die vorläufige Regelung von Beamtenfragen erklärt u. a.
Minister des Aeuhcrn Müller:
Dieser Vertrag ist ein weiteres Teilergebnis der nn Gange befind-
lichen deutsch-polnischen Verhandlungen. Die vorläufige Regelung der
Beamtensragen ist sehr dringend und müßte die Amnestiesrags
»Lch vor dem Inkrafttreten des Friedensvertrages zum Abschluß ge-
bracht werden. Die polnische Regierung verfügt nicht über einen genü-
gend großen Beamtenstand, deshalb sollen wir, besonders Preußen, für
die ttebergangszeit die Beamten im Abtretungsgebiet zur Verfügung
stellen. Wir haben unter gewissen Bedingungen zugestimmt. Den Be-
amten find die nötigen Garantien geleistet worden über die Rege-
lung ihres Gebietes und die Gewährleistung der Sicherung ihres persön- >
lichen Vermögens und ihrer Person. Die im Abtrctungsgebiet befind-
lichen Vermögen der Beamten sotten von einer Liquidation seitens Po-
lens frei bleiben. Das Gesetz wird ein Provisorium von kurzer Dauer
jein. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
Das Gesetz wird in allen drei Lesungen angenommen.
Sodann wird die Novelle zum Baugesetz in zweiter und
dritter Lesung nach dem Beschlüssen des Ausschusses unverändert' ange-
nommen. — 'Es folgt die zweite Lesung des Gesetzes zur
Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvcrgchen.
Abg. Dr, Lohn (kl. S.): Im günstigsten Falle ist dieses Gesetz
ein Versuch, Recht wieder walten zu lassen gegenüber Vergehen, die i m
Au slande und in feindlichen Ländern durch deutsche begangen sind.
(Oho, rechts.) Denken Sie an die Verwendung der Kriegsgefangenen
und an die Völker- und strafrechtlichen Verstöße inderHcimat (Zu-
rufe rechts: Unerhört! Denken Sic an die deutschen Kriegsgefangenen!)
Menn andere Völker nicht ihre Pflichten tun, so darf dies nicht davon
crbyalten. Im Inlande sind zahlreiche Freiheitsberaubungen durch miß-
bräuchliche Handhabung des Belagerungszustandes vorgeiommcn. In
zahlreichen Fallen mußten Mißhandlungen Untergebener festgestellt wer-
den. Wenn diese durch die Vorlage auch nicht getroffen werden, so muß
die Regierung doch auch diesen nachgehen. Sie verzögern den Eintritt
des tatsächlichen Friedenszustandes, wenn Sie sich diesem WitderinkrW-
jctzrn des Rechtes entaegenstellen.
Minister Schiffer: Ein Gesetz zur Wiedergutmachung vorgekom-
Mener Rechtsverletzung brauchen wir nicht. Das geltende Gesetz enthält
genügend Sicherungen. Das Gesetz soll nur diejenigen Fälle treffen, die '
uns bisher nicht bekannt geworden sind und deshalb nicht zur Verantwor-
tung gezogen werden konnten.
Minister Müller: Ein Zusammenhang mit der Ratifikation des
Friedensvertrages besteht für dieses Gesetz nicht. Die Ausführungen des
Abg. Cohn klingen agitatorisch. Wenn bei allen Völkern die Re-
gierungen dem Friedenswillen nachgchen, wie bei uns, so muß man bald
zur Lösung kommen.
Damit ist die erste Lesung beendet. Das Gesetz wird in zweiter uns
unmittelbar darauf auck in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Nächste Sitzung Dienstag 10klhr:Llcktrizitätsgesetz,klmsatz-
fteucrgesctz. Schluß 4 Uhr.
Politische Übersicht
Deutsch-demokratischer Parteitag.
Leipzig, 14. Dez. Nach einer öffentu^en Eröffnungsver-
sammlung am Freitag abend, in der Senator Dr. Petersen-
Hamburg über die allgemeine pvlitsirge Entwicklung uno die Abg.
Dr. Bäumer über die geistigen Ziele der Demokratie sprachen,
begann am Samstag früh der Parteitag unter dem Vorsitz von Dr.
Petersen.
Ueber die allgemeine politische Lage referierte Reichsminister
Koch. Im Anschluß an sein Referat, in dem er vor allem die Not-
wendigkeit der Zusammenarbeit aller Wohlmeinen-
den und die Bedeutung der jetzigen Regierungskoalition
betonte, kam es zu einer lebhaften Debatte über den Untersuchungs-
ausschuß. Dr. Preu ß rügte das m angeln.eSelb st ver-
t r a u e n der Partei kurz vor den Wahlen.
Leipzig, 14. Dez. (Priv.-Meldung.) H-ute wurde das
Parteiprogramm besprochen, vor allem die wirtschaftlichen
und Steuerfragen, worüber Dr. Raschig und Dr. Frankfurter refe-
rierten. In der Debatte zog Dr. Vogelstei> n - Berlin den schar-
fen wirsschaftspolitischen Trennungsstrich gegen die Sozialdemo-
kratie. Die Demokraten stehen nach wie vor auf dem Standpunkt
der individuellen Wirtschaft. Ueber das Betriebsrätegesetz referierte
Chefredakteur Dr. Mülle r.
Das Wirsschastsabkvmmen mit der Schweiz.
Berlin, 12. Dez. (W.B.) Das deutsch-schweize-
rische Wirtschaftsabkommen, das Ende November ab-
gelaufen ist, wurde einstweilen bis Ende dieses Jahres verlängert,
damit inzwischen ein neues Abkommen vereinbart werden
könne. Die deutschen Delegierten treffen in diesen Tagen in Zürich
ein.
Notwendigkeit des Völkerbundes.
Cecils Bemühungen.
Lord Robert Cecil, der ehemalige englische Außenmini-
ster, der als Privatmann zu den Friedensverhandlungen nach Paris
ging, um einen wirklichen Völkerbund herbeizusühren, und den man
wegen seiner überragenden Bedeutung nicht wagte abzuweisen, hielt
in Liverpool verschiedene Reden, in denen er ausführte: Es sei zu
bedauern, daß Deutschland und Oesterreich noch immer nicht als
Mitglieder des Völkerbundes zugelaffen worden seien. Zwar tadelte
er ihre Haltung bei Kriegsausbruch, aber man dürfe die Augen
nicht vor der Tatsache verschließen, daß das deutsche Volk zu den
arbeitsamsten und geisteskräftigsten Völkern der
Welt gehöre und daß es unmöglich sein werde, die politische
und wirtschaftliche Krisis aus der Welt zu schaffen, wenn nicht alle
Völker darin mitwirkten. Außerdem meinte Redner, würden
Deutschland und Oesterreich als Mitglieder des Völkerbundes we-
niger gefährlich sein, als außerhalb. Cecss hofft, die Vereinigten
Staaten würden ihren Weg finden, dem Völkerbund beizutreten.
Tun sie es aber nicht, so werden sie sich nicht allein durch nationale
Interessen bestimmen lassen, sondern durch das, was im wesentlich-
sten Interesse der ganzen Welt liegt.
 
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