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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Oktober - 23. Oktober)
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x










I!


nach Lage der Dinge ebenso aussichtslosen wie politisch verwerf-
lichen Versuch einer Schuldminderung der deutschen Kriegs ir-
stister müssen wir mit allem Nachdruck entgegentreten!



Der MetaLarbeiLerstreiZ ÄeigelegL.
Berlin, 17. Olt. Der Streik in der Berliner Metallindustrie
ist beigelegt. Der Bermittlungsvorschlag des Reichsarbeitsministers
wurde von beiden Parteien angenommen.
Kartoffeln aus D änernarL und Polen
! Berlin, 17. Olt. Privatmeldung.) Die deutsche Kartosselernte
ist, wie schon vor kurzem verlautet, im Gegensatz zur Getreideernte in
diesem Jahre so schlecht ausgefallen, das; im Reichsernährungsministerium
ernste Besorgnisse sür die Versorgung der Bevölkerung entstanden. Wie
uns jetzt mitgeteilt wird, ist es gelungen, mit Polen sowohl wie mit
Dänemark Lieferungsverträge für Kartoffeln abzuschlietzen, so das; aus-
ländischer Import die vorhandenen Lücken in den deutschen Beständen
ausgleichen wird.
Die Reue Regiermng in Oesterreich.
Wien, 17. Olt. Rach der Ratisizierung des Friedensvertrags
von St. Germain überreichte Staatskanzler Renner in der National-
versammlung die Demission des Kabinetts. Die Nationalversammlung
wählte daraus folgende neue Regierung: Staatskanzler und Staatssekre-
tär des Aeuhern Dr. Renner (Soz.), Vizekanzler Fink, Inneres,
Unterricht Eldersch, Justiz Dr. Eisler (Soz.), Heerwesen Dr.
Deutsch (Soz.), Finanzen Dr. Reich, Landwirtschaft Stöckler
(christl.-soz.), Handel Zerdil, Verkehrswesen Paul, soziale Ver-
waltung Haansch, Ernährung Löbenfeld-Rutz, Staatssekretär
für Verfafsungs- und Verwaltungsreform Mayer (christl.-soz.).
An die Alliierten wurde das Ersuchen um sofortige Heimbesörderung der
Kriegsgefangenen gerichtet.
Die Lage in Rußland.
Stockholm, 17. Okt. (W.T.B.5 Die Bolschewisten haben be-
schlossen, Petersburg zu räumen, da sich die rote Armee geweigert hat,
weiterzukämpfen und die Disziplin nicht weiter aufrechterhalten wer-
den kann.
Loudon, 17. Okt. Wie die „Expreß meldet, hat sich Kron-
stadt nach einer Beschießung durch die englische Flotte ergeben. Ge-
rüchtweise verlautet, daß Mittwoch abend Judenitsch in Petersburg ein-
marschiert ist.


Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Eppinger», Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofshsim und Wertheim.
HeiHslberg, Samstag, -IS. Oktober -19-19
Nr. ^6 » -1. Jahrgang

den. Aber Tisza hat ein paar Tage später persönlich mit Tschirschky
gesprochen und daraufhin am 19. Juli für das Ultimatum an Ser-
bien gestimmt, das in der vollbewußten Absicht gestellt wurde,
„einen Krieg mu. Serbien zu provozieren". Der deutsche Botschaf-
ter selbst hat also Tisza für das Verbrechen gewonnen! Aber auch
der deutsche Staatssekretär des Auswärtigen, Iagow, hatte sich,
nach einem Telegramm Szögyenys vom 6. Juli, „in sehr entschie-
dener Weise" dafür ausgesprochen, daß „die in Aussicht gestellte
Anion gegen Serbien ohne Verzug in Angriff genommen werden
sollte."
Daß Szögyenys Darstellung der Berliner Auffassung richtig
war, beweist obendrein schlagend ein für jede Anzweiflungssucht
unanfechtbares Dokument, das Handschreiben Wilhelms an Franz
Josef vom 14. Juli. In diesem Handschreiben wird Berchtoids
Plan (den dieser übrigens nach Ausweis der Immediatvorträge auch
Franz Josef von vornherein mit geradezu zynischer Offenherzigkeit
dargelegt hatte!), der serbisch-russischen Propaganda „mit allen
Machtmitteln entgegenzutreten", vollauf gebilligt und feieruchst
versichert, daß Franz Josef „in den Stunden des Ernstes" „ihn
und sein Reich treu an seiner Seite finden" werde. Also: Billi-
gung des Vorgehens mit allen Machtmitteln und Beistandsver-
heißung für den daraus entstehenden Weltkrieg! Uebrigens hat
ja Bethmann schon im ersten Weißbuch ohne jede Scheu geständen,
oaß die deutsche Regierung der österreichischen in ihrer Aktion ge-
gen Serbien völlig freie Hand gelassen habe, obwohl sie sich durch-
aus bewußt gewesen sei, daß daraus ein Krieg mit Rußland ent-
springen könne. Die volle Mitschuld der deutschen Regierung an
-.er unsagbar frivolen Provokation des Weltkrieges ist also mit aller
Schlüssigkeit erwiesen!
Auch ergibt sich gerade auf Grund des von Gooß wiedergege-
beuen Aktenmattrials, daß Deutschland auch nach dem Ultimatum
nichts Ernstliches getan hat, um die Konflagration, den drohenden
Weltbrand, zu verhüten. Italiens immer schärfere Proteste ver-
anlaßten die deutsche Regierung nur, Oesterreich zur Gewährung
von Kompensationen (etwa in Valona) zu raten, niemals
aber zu einem Verzicht auf seine Kriegszettelungspoliük! Die Ver-
mitüungsvorschläge Englands weist die deutsche Regierung ent-
weder glatt zurück oder sie gibt sie nur pro forma weiter. W.ch
brachte man die F o r m der deutschen Vorstellungen. In der „No-
trz" vom 28. Juli, die einen neuerlichen Vorschlag Englands über-
mittelte, sagt Bethmann, daß Deutschland die Rolle des (Vor-
schlags-)Vermittelns nicht abweisen und den englischen Vorschlag
drm Wiener Kabinett zur Erwägung unterbreiten müsse, weil es
durch Ablehnung jeder Vermittlungsaktivn „für die Konflagratirn
(Inflammensetzung) der ganzen Welt verantwortlich gemacht"
werde. „Das unmöglich machen, wo wir als die zum Kriege Ge-
zwungenen dastchen müssen." Also kein Drängen zur Verständi-
gung, sondern nur der Wink mit dem Zaunpfahl, bei der Brand-
sttstung nicht allzu plump und kompromittrerlich vorzugehen!
Erst die allerletzte Mahnung, die unter der Drohung Englands
er.olgte, in einem durch Oesterreich provozierten Weltkrieg mcht
neutral bleiben zu können, verlangte „dringlichst und nachdrücklichst"
- die „Erwägung" des neuen englischen Vorschlages! Und
Berchthold nahm diese heroische Pression Berlins bekanntlich so
wenig ernst, do< er erst achtundvierzig Stunden später antwortete!
HP einer Zeit, wo schon das deutsche Ultimatum an Oesterreich
überreicht worden war! Die Schuld der Berchtold, Stürgkh, Bi-
tti sti, Tisza v.lrd dadurch nicht um ein Atom geringer. Aber dem


Deutschland Anteil an der
Kriegsschuld
, 3» diesem wichtigen Thema führte Heinrich Ströbel
1-oe.sin) in der , W jener Arbeiterzeitung" aus:
, So überaus verdienstlich die Veröffentlichung der diplomati-
schen Dokumente über die Kriegsschuld durch Beauftragte der
?!> orreichischen Regierung war, so hat doch die Art ihrer Aus-
schlachtung durch die deutsche Regierung und die deutsche Pre,se
, E» der sozialistischen Linken und allen ehrlichen Wahrheitssuchern
unter den bürgerlichen Demokraten und Pazifisten den stärksten
und berechtigsten Anstoß erregt. Die Dokumente erbrachten den
schmetternden Beweis für die Kriegsschuld der Berchtold,
^lrürgkh, Bilinski und Konsorten, für ihren schon vor dem Mo de
vy Serajewo gefaßten und bis zum allerletzten Augenblick mit der
f)chyigkeit von Monomanen festgehaltenen Plan, über Serbien h er-
schallen, sei es auch um den Preis des Weltkrieges, den man nicht
uheute, sondern im Gegenteil in der Ueberzeugung der noch vor-
handenen militärischen Ueberlegenheit der deutsch-österreichischen
st^eitkräfte geradezu herbeisehnte. Aber dieser vernichtende Nach-
weis der Schuld der österreichischen Staatsverbrecher wurde in
Deutschland von der bürgerlichen und rechtssozialistischen Presse
ljur dazu benützt, um die deutschen Mitschuldigen, die Bethmann,
^agow, Wilhelm, als harmlose Verführte darzustellen, die in rüh-
render Ahnungslosigkeit den gerissenen Oesterreichern auf den Leim
^Langen seien, deren schlimmstes Verbrechen danach in einem
s^erdings schwer faßbaren Grade von Trottelhaftigkeit bestanoen
habe. Das deutsche Volk hat aber das Recht, endlich die volle
.Wahrheit zu erfahren. Die unerbittliche moralische Reinigung, die
W Oesterreicher bei euch vorgenommen habt, ist auch für uns
-Zutsche eine gebieterische Notwendigkeit.
. Als Wahrheit aber ergibt sich aus den Akten des neuen öster-
EElchischen Rvtbuches, daß die deutschen Verantwortlichen von An-
an über Oesterreichs Absichten in vollem Umfang uncer-
^chtet waren, baß sie nichts taten, um diese verbrecherischen Absich-
zu verhüten, sondern alles, um ihre Durchführung zu sichern.
Wilhelm und Bethmann wurde zu Anfang Juli schriftlich das
-stktionsprvgramm Berchtolds unterbreitet. In Gestalt des Hcind-
l.ütteibens Franz Josefs und der beigefügten Denkschrift. A und O
isfter Auseinandersetzung war, daß man jetzt Rußland auf
Schaffung eines Balkanbundes gerichtete Pläne durchkreuzen
Wusse. Dazu sei, hieß es in dem Handschreiben, erforderlich, daß
Serbien „als politischer Machtfaktor auf dem Balkan ausgeschal--
werde. Und in der Denkschrift heißt es,,, daß es ein gemein-
Mues Intersse der Monarchie wie nicht minder Deutschlands ist,
jetzigen Stadium der Balkankrise rechtzeitig und energisch einer
Rußland planmäßig angestrebten und geförderten Entwicklung
^igegenzutreten, die später vielleicht nicht mehr rückgängig zu ma-
wcy märe". Dieser Teil war schon vor dem Morde von Serajewo
^schrieben; der spätere Schlußabsatz schließt mit den Worten: „Um
w. gebieterischer tritt an die Monarchie die Notwendigkeit heran,
"stt entschlossener Hand die Fäden zu zerreißen, die ihre Gegner zu
EMem Netze über ihrem Haupte verdichten wollen."
Was diese Worte bedeuteten wußte man in Berlin ganz genau,
htnn schon einmal, im Jahre zuvor, war ja, wie die Welt seit Gio-
uttis Enthüllung weiß, der österreichische Ueberfall auf Serbien nur
Ei >ch Italiens drohenden Einspruch vereitelt worden! Aber wenn
^'on es nicht gewußt hätte: Graf Szögyeny und Graf Hoyos, der
Überbringer des Handschreibens, hätten Wilhelm und Bethmann
Einlänglich aufgeklärt. Wie gründlich und offenherzig man sich
Au 5. und 6. Juli in Berlin aussprach und wie unbedingte
ftvllmacht Wilhelm und Bethmann Oesterreich zur Anzette-
des Weltkrieges gaben, beweisen ja Szögyenys Berichte über
E.ie beiden Unterredungen. Danach versicherte Wilhelm, daß er
E^e „ernste Aktion" Oesterreichs „gegenüber Serbien erwar-
bt" habe. Die „ernste europäische Komplikation" ist ihm sv-
Art klar; trotzdem verspricht er, auch nachdem der österreichische
Botschafter nochmals den „Ernst der Situation mit großem Nach-
Eiuck betonte", „die volle Unterstützung Deutschlands". Ruß -
innd s Haltung werde jedenfalls feindselig sein, aber darauf
sti er vorbereitet, und komme es zum Krieg zwischen M:ß-
>llnd und Oesterreich, so werde Deutschland mit gewohnter Bundes-
neue an Oesterreichs Seite stehen! Uebrigens sei ja Rußland noch
keineswegs kriegsbereit. — Und was sagt Bethmann in der „lan-
gen" Unterredung, die Szögyeny und Hoyos am 6. Juli mit ihm
»ctien? Daß Oesterreich beurteilen müsse, was zu geschehen Hane,
IsK es aber, wie immer auch seine Entscheidung ausfalle, mit
Sicherheit auf Deutschlands Bundeshilfe rechnen könne. Er sowohl
seiu kaiserlicher Herr hielten „sofortiges Einschreiten" gegen
Dritten „für die radikalste und beste Lösung". Und aus dem Pro-
stwll über die österreichische Ministerratssitzung vom 7.. Juli erfah-
wir onch durch eine Rede Tiszas (Seite 27 des Rotbuches), daß
^k.af Hoyos in Berlin sogar von einem „überraschenden Angriff
Eus Serbien ohne vorhergehende diplomatische Aktion" gesprochen
7^ Dieser Plan wurde nun zwar durch Tiszas Einspruch durch-
ft?uzft aber in zahlreichen Meldungen aus Berlin kehrt die st ä n-
?ige Mahnung wieder, die Aktion gegen Serbien zu be-
schleunigen! Und Berchtold hält es demgemäß für notwen-
E>g, die Verzögerung der Überreichung des Ultimatums an Ser-
Elen in Berlin mit der erst abzuwartenden Abreise Poincares aus
Petersburg ,u begründen und zu entschuldigen. Iagow begre.st
iwar den Grund, „bedauert jedoch ganz autzerordenu.^A die Tat-
ftche der Verzögerung. Alles das ist aber nur aus der festen Ent-
.wlossenheit begreiflich, den kriegerischen Konflikt unter allen Um-
randen herbeiführen zu wollen. Jeder Tag V«n,„,tepvung vrr-
stMderte ja den Ueberrumpelungseffekt, vermehrte die Möglichkeit
°"er vermittelnden Intervention der Mächte!
. Doch weiter: am 8. Juli meldet Berchtold dem Grafen Tisza
Eß der deutsche, Botschafter in Wien, Tschirschky, ihm soeben
E« telegraphischen Auftrag aus Berlin übermittelt habe, „daß
z^n in Berlin eine Aktion der Monarchie gegen Serbien erwarte
Ed daß in Deutschland nicht verstanden würde, wenn wir die gege-
Ette Gelegenheit vorübergehen ließen, ohne einen Schlag zu siih-
EEn." Nun könnte ja Berchtold den Grafen Tisza angelogen ha-

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Deutsche Nationalversammlung.
Berlin, 17. Oktober.
Am Ministertisch: Dr. Koch. j
Aus der Tagesordnung stehen zunächst kurze Anfragen.
Es folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung des Haushalts
des Reichsministeriums des Innern.
Abg. Frau Zieh (U. S. P.): Die Rede des Ministers Koch be-
deutet eine scharfe Kampfansage gegen uns. Der Iugendwohlsahrts-
pflege der Regierung bringen wir das größte Mißtrauen entgegen. Die
Iugendzeitungen der Unabhängigen und Kommunisten sind verboten
worden, trotzdem diese ja mit gegen die Schundliteratur sind. Der Kino-
pest kann man beikommen nur mit der Kommunalisierung. Es soll eine
Vereinbarung bestehen. Unabhängige im Staatsdienst nicht
zu verwenden. Minister Noske behauptet, es gebe nur noch 22 Schutz-
häftlinge. Ich stelle fest, daß das unwahr ist. Die Verzweiflung treibt
die Schutzhäftlinge zum Hungerstreik. Die militärische Polizeitruppe
widerspricht dem Friedensvertrag.
Minister Noske: Das Verbot der Iugendzeitung ist erfolgt wegen
eines Inserats mit der Ueberschrift: Der Staat als Mörder. In Ber-
liner Krankenhäusern kann man heute nicht operiert werden, weil die
Genossen der Frau Zietz die Kraftwerke lahm legen. (Lärm, Zurufe,
Ordnungsruf an den Abg. Geyer.) Ich hosfe, die Kraftwerke in Gang
zu bringen, auch das in Bitterfeld. Wer weiter den Versuch macht,
lebenswichtige Betriebe zu stören, wird mit Gefängnis bis zu einem
Jahre bestraft werden. Außerdem werden die, die solches versuchen, mit
der größten Beschleunigung hinter Schloß und Riegel gesetzt werden.
Ich werde Leben und Gesundheit von so vielen Tausenden zu schützen
wissen. (Starker Beifall, Lärm bei den Unabhängigen.)
Abg. Frau Zieh (U. S. P.): An dem Metallarbeiterstreik sind die
polizeilichen Maßnahmen schuld. Der Ausbau der Streikbrecherorgani- -
sation wird von Noske betrieben. Wenn Noske weiter das Recht mit
Füßen tritt und Gefängnisstrafen androht, warum läßt er nicht schießen?
Minister Noske: Gewalttätigkeiten sind von der Regierung le-
diglich abgewehrt worden. (Lärm bei den Unabh., Beifall.) Daran
wird die Regierung unter allen Umständen festhalten. Jeder Versuch,
dieser Tage einen Umsturz in Ihrem Sinne (zu den Unabhängigen) zu
machen, wird entschloßene Gegnerschaft ftinden. Herr Henke wird das
Loch finden, wo er seine Haut in Sicherheit bringen wird. (Zuruf des
Abg. Henke, der zur Ordnung gerufen wird.)
Das Koalitions recht der Arbeiter wird von uns nicht an-
get ast et, aber in Berlin handelt es sich darum, daß versucht wird,
Hunderttausende von Arbeitern in den Streik zu treiben, die weder
Streik- noch Arbeitslosenunterstützung zu erwarten haben. Darunter
zu leiden haben die Arbeiter und armen Teufel. Das Maß derNicht s-
würdigkeiten und Schamlosigkeiten, das von den An-
hängern der Frau Zieh seit Monaten gegen Andersdenkende geübt
worden ist, übertrifft tausendfach das, was jemals unter dem alten Re-
gime von meinen Freunden gegeißelt worden ist. Von diesem Druck be-
freit zu werden, danach lechzen viele und wir werden ihnen helfen. Ick
habe dem Berliner Magistrat befohlen, Sorge zu tragen, daß die Be-
triebe in Gang gehalten werden. Der von mir eingeleitete Apparat der
Nothilfe verspricht solche Leistungen, daß der Berliner Bevölkerung
schwere Schäden in ihrer Existenz erspart bleiben dürften. (Lebhafter
Beifall. Lärm bei den Unabhängigen.)
Abg. Dr. Geyer (U. S. P.): Noske nimmt die Hilfe der Entente
gegen die deutschen Arbeiter in Anspruch. (Gelächter.) Auf seine scham-
iofe Provokation gehe ich nicht ein. (Ordnungsruf.)
Minister Noske: Nachdem Herr Geyer vom Leipziger Oberbür-
germeister 100 000 Mark erpreßt hatte, verschwand er, so-
bald die Truppen einrückten. (Lärm bei den U. S. P.)
Abg. Krüger-Potsdam (Soz.): Die Arbeiterschaft hat den Me-
tallarbeiterstreik als einen Lohnstreik gebilligt. Es sind dann aber andere
Sachen hineingetragen worden. Sympathiestreiks wurden verlangt, die
den Streikenden nichts nützen, aber die gesamte Bevölkerung schwer schä-
digen würden. Die Mehrzahl der Arbeiter ist mit der Nothilfe
durchaus einverstanden. (Beifall bei der Mehrheit. Lärm bei
den U. S. P.)
Eine Reihe vvn Titeln des Haushalts wird ohne erhebliche Debatte
angenommen.
Abg. Kunert (U. S. P.) begründet den Antrag Agnes (U. S.
P.) auf Sozialisierung des Heilwesens.
Minister Koch: Die Vorsorge gegen Tuberkulose und andere Krank-
heiten liegt schon in den Händen des Staates. Die Uebernahme der
Apotheken aus Privathändcn ist im Kommunalisierungsgesetz bereits
vorgesehen. Ein besonderes Ministerium zu errichten, empfiehlt sich nicht.
Der Antrag Agnes wird ab gelehnt, der Rest des Haushalts
angenomm en.
Es folgt der Haushalt des Reichsarbeitsmini st r-
r i u m s.
Abg. Hoch (Soz.) berichtet über die Ausschußvcrhandlungen.
Nächste Sitzung morgen 1 Uhr.
Politische Übersicht
Die Schuld am Kriege.
Der Arbeitsplan des paralmentarische» Untersuchungsausschusses.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Dr. Peter-
s e n legte der Nationalversammlung folgenden Antrag vor:
1. Den von dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß 15
gebildeten oder noch zu bildenden Unterausschüssen werden
die Rechte eines Ausschusses nach H 24 der Reichsverfassung zu er-
kannt.
2. Der Arbeitsplan wird als Geschäftsordnung des par-
lamentarischen Untersuchungsausschusses genehmigt.
3. Die Regierung wird ersucht, zu veranlassen, daß sämtliche
von den Unterausschüssen zu vernehmenden Beamten ! von der
Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden
werden.
Die Beschlüsse des Ausschusses gliedern sich nach
einer dem Haus zugegangenen Zusammenstellung etwa folgender
maßen: Die Aufgabe des ^Ausschusses kann nur erfüllt werden,
wenn die Untersuchung auf die Beantwortung bestimm-
ter Fragen gerichtet ist. Diese Auffassung ist sachlich geboten,
aber auch politisch notwendig. Das politische Interesse gruppiert
sich um b e st i m m t e F r a g e n. Das Volk hat ein Recht darauf,
daß der Ausschuß diese Interessen wahrt. Für die stoffliche Glie-
derung der Arbeit handelt es sich um folgende Gegenstände:

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