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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 61 - Nr. 70 (10. Dezember - 20. Dezember)
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6.







Hsi-sAee^ Krsiisg^ 42. 'SsZsWKZr 4949
Nr. 63 » 4. IaHrgaKß.

dingunge« kuNdgebe» Ich wäre Dir zu aufrichtigem Dank verpflichtet,
wonri-Du Mir die EnftchMung möglichst bald zugehen küssen wolltest.

Die ARLWEtKÄLe LeNtschlKKdS.
Berlin, 12. Dez. (W.T.B.) Die nmrmchr ferttggestelkte deutsche
Antwortnote wird sofort nach Genehmigung durch die zuständige
Stelle nach Paris gehen. Die Fachkommission, die eventuell nach
Paris gehen soll, ist noch nicht zusammengestM. Senator Pe-
tersen in Hamburg hat eine Beteiligung an dieser Kommission
«chgelehnt. Die Nachricht, daß Lurtersicmtssekretär von Hansel
dieser Kommission «»gehören st' , trifft laut D.A.Ztg. nicht zu.
Berkin, 13. Dez. (W.T.B.) Dem „Bcrl. Tagevl." zufolge be-
tont die Note den Wunsch, den Frieden baldigst in Kraft treten zu
lassen und die aufrichtigste^Bereitwilligkeit der deuycyen Regierung
zur Beschleunigung der Schlüßiarisikatisn beizutragen.
Der Abschied des Obersten KeiNhsrdt.
Berlin, 12. Dez. (W.T.B.) Amtlich. Oberst Reinhardt
scheidet mit dem heutigen Tage aus der Reichswehr aus. Er wurde
mit der gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt.
. Das entschlossene Ostpreußen.
Berlin, 12. Dez. (W.T.B.) Eine Volksversammlung in Lötzen,
in der Ministerpräsident Hirsch sprach, gestaltete sich zu einer ein-
drucksvollen Kundgebung der nationalen Einigkeit. Nach dem
Vortrag des Ministerpräsidenten ließen die Deuffchnationälen, die
Deutsche nationale Partei und dis Deutschdemokraten, die christ-
liche Volkspartei und die Mchrheitssozialisten erklären, daß sie sich
in der Stunde der Gefahr gänzlich hinter die Regierung stellen
würden, und daß sie einig in dem Willen bleiben, Ostpreußen
deutsch zu erhalten.
Dis NoLLrrge Oesterreichs.
Paris, 12. Dez. (W.T.B.) Staatskanzler Renner stattete heute
nachmittag dem Generalsekretär der Friedenskonferenz, Dutasta,
einen Besuch ab und gab ihm einen längeren Bericht über die
politischen Schwierigkeiten Md die wirtschaftliche Not Oesterreichs.
MeMSNTSKA iK LöNdSK.
London, 12. Dez. (W.T.B.) Llemenceau ist irr London
eingetrofsen und am Bahnhof feierlich empfangen worden. Cle-
menceau begab sich gestern nachmittag um 3 Uhr in Begleitung
Lambons zum englischen Premierminister. -Die Zusammenkunft
dauerte bis in den späten Nachmittag hinein. Lieber dis Be-
sprechung ist nichts bekannt geworden.

r Du Mir die EnftchsAmng möglichst bald zugehen lüsten wolltest.
Sn treuer Freundschaft Wilhelm.
Ablel)V«»g emsr Vermittlung.
D« Kai?« von Oesterreich an den Kaiser.
WiemSchöirbnmn, 3 t. Juli 1914.
Seine MasestA. idem Kaiser, König von Preußen, Berlin. -- Ich

Herstellung von Wohnungen durch die Gemeiitden.
Planmäßige Regelung des Ernährungswesens.
Verg^ellschästung des Gesundheitswesens.
Vergesellschaftung des Erziehungs und Bildungswescns.^
Erklärung der Religion Zur Privatsache, Trennung von
Kirche und Staat.
9. Sozialistische Steuerpolitik durch progressive
Einkommen-, Vermögens- und Erbschaftssteuer, Abschaffung aller
indirekten Steuern und Zölle.
10. Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau gegenüber dem
Manne benachteiligen.
11. Einführung eines öffentlich-rechtlichen Monopols für das
Anzeige- und Werbewesen.
12. Umgestaltung des gesamten Rechtswegs nach sozia-isü-
schs« Grundsätzen.
13. Arbeitspflicht für alle Arbeitsfähigen.
14. Freundschaftliche Beziehungen zu allen Völkern, Bündnisse
mit sozialistischen Republik
Die Diktatur des Proletariats wird als revolutionäres .Nittel
zur Beseitigung aller Klassen und Aushebung jeder KraMrrlMrrschaft
bezeichnet. Mit der Sicherheit der sozialistischen Gesell,ryast hort
die Diktatur des Proletariats aus und die sozialistische Demokratie
kommt zur Entfaltung.
Die Arbeiten des Lntersuchungsausschuflss.
Berlin, 10. Dez. (Wolff.) Der e r st e llntera u s s ch u tz
des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Nationalver-
sammlung, der sich mit der Vorgeschichte des Krieges
zu befassen hat, hat einen Fragebogen aufgestellt, der an die in Be-
tracht kommenden Austunstspersonen zur schriftlichen Gegenäuße-
rung gesandt wird. Die darin ausgestellten Fragen haben folgen-
den Wortlaut: , .
1. Es ist festzusteilen, welches die politische Haltung des Herrn
v. T? chirschky in Wien seit dem Attentat von Serasewo
war und in welchem Sinn die politischen und militärschen Stellen
der deutschen Regierung au? ihn eingewirkt haben.
2. Es ist festzustellen, weiche politischen und müttänschen Ver-
handlungen am 5. dezw. 6. Juli in Berlin oder Potsdam
stattgefunden haben,

KWsszeiMRS M Us-WeMÄtiM LsHWemK« tzer ArvishrAitte Hsihelderß, M«Msch7 SiMtzsiM- ÄppirrgM, EKs?Sach> Msstzach, Buche«/ Mersheim, Boxbsrg,
LsAösrbffchykShLim Wd Weecheim.

DeNtsche RsLwKalversammLuug
Berlin, 11. Dez.
Präsident Fehr en dach eröffnet 1.20 Uhr die Sitzung.
Erste Beratung des Gesetzentwurfes betr. Ae-nderung des Da-nk-
gesches.
Reichsbankpräsideitt Havenste-'n begründet die Vorlage.
Abg. Dernburg (Dem.) beantragt die Ucberrveisung an den
Ausschuß. Das Haus stimmt dem zu.
Fortsetzung der zweiten Beratung des Rotopsers.
Eine Reihe von Paragraphen wird nach dem Ausschuß-Beschluß
angenommen.
Au 8 18 bekämpft der Abg. Dr. Quarck (Goz.) die Zusätze des
Ausschusses, weiche infolge einer Koalition zwischen der Rechten und
dem Zentrum hier ein Privileg für landwirtschaftliche Grundstücke, hin-
eingebracht haben.
Ein entsprechender Antrag Dr. Braun-Lobe (Soz.) will die
diesbezüglichen Absätze wieder streichen.
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Aicher (D. Vp.) bemerkt Minister
Erzberger, daß bei der Wertfcststellung von Maschinen der Preis
in normalen Zeiten zugrunde gelegt werden soll.
Abg. Farwick (Ztr.) tritt für den Antrag Blmrck ein.
Abg. Dr. Becker-Hchen (D. Vp.) tritt für die ÄusschMas-
sung ein.
Abg. Dr. Dlunck (Ztr.): Die heutigen Preise für Grundstücke sind
phantastisch. Der einzig regelrechte Wertmesser für Grundstücke ist dock
rmmer nur ihr Ertrag.
Der Antrag Blunck wird angeno m m e n.
Bei 8 18s bemerkt auf eine Anfrage Dr. Bluncks Minister Erz-
Verger: Der Mrmögensstand der Reeder kann nicht nach dem augen-
blicklichen Wert ihrer Papiere bemessen werden. Aehnliche Gesichts-
punkte sollen bei der Einschätzung der Schiffe maßgebend sein.
Zu H 25 wird ein Antrag Rietzer (D. Vp.), die Grenze für solche
kleine Vermögen, bei denen das steuerbare Vermögen nicht über 100 Ml
Ml. und das Jahreseinkommen nicht über 5060 Mk.. beträgt, .zu - erhöhe«
auf 150 000 Mk. bzw. 7500 Mk.,mbge!ehrtt, nachdem llntersiaatssckrotär
Moezla und Abg. Vlunck dagegew gesprochen hatten.
Abg. Dr. Hugenberg (D.-Rtl.) begründet einen Antrag Arn-
stadt, nach 8 40 sine Reihe von Paragraphen einzufügen. — Der An-
trag wird abgelehnt.
Auf Antrag Blunck (Dem.) wird ein 8 45-c angenommen, nach-
dem Aktiengesellschaften usw. die zur Bezahlung der Abgabe erforder-
lichen Mittel aus dem gesetzlichen Reservefonds entnehmen dürfen.
Der R e st des Gesetzes wird nach den AusschuHvefchlüfsen ange-
nommen.
- ' N äch ste Sitzung^ Freitag 1 Uhr. Tagesordnung: Anfrage«, M°
nere Vorlagen. Schluß 5^ Uhr.
Politische Übersicht.
Das neue Aktionsprogramm der Ll. S. P.
Wir geben in Folgendem einige wichtige Aus-
züge aus dem in Leipzig beschlossenen Aktions-
programm. Wir werden aus das ganze Programm
noch eingehend in kritischer Würdigung zurückkom-
mm. Die Redaktion.
In den: Programm wird die Eroberung der politi-
schen Macht gefordert. Ferner wurde ausgesprochen, daß die
Partei aus dein Boden des Rätesystems stehe. Sie soll alle
Hand- und Kopfarbeiter zusammensassen und schulen für die Dik-
ta t u r d e s P r o l e t a r i a t s. An Stelle der politischen Herr-
schafts-Organisation des kapitalistischen Staates müssen die politi-
schen Brdeiterräke als Herrschafts-Orgamsatron des Proletariats
eintreten. 14 Punkte werden als Maßnahmen bezeichnet, um
den Kapitalismus zu überwinden und die sozialistische Gesellschaft
zu verwirklichen.
1. Die Auflösung jedes Söldnerheer e s, dcr Zi-
vil- und Polizei-Formationen, der Einwohnerwehren und der Tech-
nischen Nothilfe, Errichtung einer revolutionären Wehr.
2. Durchführung der Sozialisierung von Kohls, Wasserkraft
und Elektrizität.
3. Lleberführung des Grossgrundbesitzes und der ganzen Forsten
in gesellschaftliches Eigentum.
4. . * ' ' " - ' '
5.
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8.

Dersnftssrtl.:Für innere u. LnKerePMchSolksvlttschsft u, Feuilleton: Nr.
E.-Krauss für Kommunales u. soziale Rundschau: AKahnj fürLMM:
O. Seibel,'für dje Anzeigen: H.Hofsmann, sämtlichen HeibM.SK.
Drack und Verlag derLnierbaSWen Hsrlogscmstalt G. ml b. H., HeideKM.
Geschäftsstelle: «SchrSderstraste 5S, Fernsprecher 26N,. Redaktion: 2648.
GeschSstSstünden: ilhr. Sprechstunden der Redaktion: U-42 Atzr.

beeile Mich, Dir für Dein frSmchschastliches Telegramm verbindlichst
und wärmstens zu danken. Gleich nachdem Dein Botschafter Meiner
Regierung gestern -den Vermitklnngsvorschlag Sir Edward Greys über-
mittelt hatte, ist mir dis offizielle Meldung meines Botschafters in St.
Petersburg zugekommen, wonach der Kaiser von Rußland die Mobil-
machung aller Militärbezirke an Meiner Grenze angeordnet hat. Graf
Szögy'eny meldet Mir, Du hättest Kaiser Nikolaus in treffender Weise
schon gesagt, daß die russischen Rüstungen e-inzustelle» seien, weil sonst
die ganze Verantwortung für einen Weltkrieg auf seine Schultern sielen.
Im Bewußtsein Meiner schweren Pflichten sür die Zukunft Meines
Reiches habe Ich die Mobilisierung Meiner ganzen bewaffnete« Macht
angeordnet. Die im Zuge befirrdliche AWon Meiner Armee gegen Ser-
bien darf durch die bedrohliche und herausfordernde Haltung Rußlands
keine Störung erfahren. Eine, neuerliche Rettung Serbiens durch Ruß-
lands Intervention müßte die ernstesten Folgen für Meine Länder nach
sich ziehen und Ich kann daher eine seiche Intervention unmöglich zugehen.
Ich bin mir -er Tragweite Meiner Entschlüsse bewußt und habe diesel-
ben im Vertrauen aus Gottes Gerechtigkeit gefaßt mit der Sicherheit,
daß Deine Wehrmacht in ««Wandelbarer Bundestrene für Mein Reich
und für den Dreibund ekntreten wirb. Franz Joseph.
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt.
Wien, 30. Juli 1914.
Das mittags eingelroffene Telegramm 192 wurde mir sofort nach
Dechiffrierung in das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
überbracht, während ich bei Graf Be r chto l b frühstückte . Sofort nach
Tafel habe ich -den darin enthaltenen Auftrag bei Graf Berchtold in An-
wesenheit des Grasen Forgach ausgeführt. Der Minister, der
bleich und. schweigend der zweimaligen Vorlesung Märte -- Graf For-
gach machte Notizen — äußerte zum Schluß er werde sofort seinem
Kaiser darüber Vortrag halten. Ich lenkte die Aufmerksamkeit des
Ministers noch besonders daraufhin, baß die berechtigten Ansprüche
Oesterreich-Ungarns durch eine Züchtigung Serbiens unter Garanticschaf-
sung für dessen weiteres Wohiverhalten durch Annahme des Ver-
mittlungsvorschlages voll gewahrt schienen und damit -der von
der Monarchie von Anfang erklärte Zweck der ganzem Aktion gegen
Serbien ohne Entfesselung des Weltkrieges erreicht werden würde.
ter diesen Umständen schiene mir eine völlige Ablehnung der Vermittlung
-ausgeschlossen. - Der Waffenehre werde durch Besetzung serbischen Ge-
biets durch vsterreichW-rmgarftche Truppe« Genüge geleistet. Daß diese
militärische Besetzung serb. Gebiets unter ausdrücklicher ^Zustimmmrg
Rußlands geschehen solle, bedeute unstreitig eine wertvolle Stärkung des
österreichischen Einflusses gegenüber Rußland am Balkan. Ich hat die
beiden Herren der unberechenbaren Konsequenzen einer Ablehnung der
Vermittlung sich vor Augen zu halten. Ms Graf Berchtold das Zimmer
verlassen hatte, , um sich zur Audienz beim Kaiser umzukleiden, habe ich
dann noch Gras Forgach allein sehr ernst ins Gewissen geredet, der auch
feine Ansicht dahin äußerte, daß er ein Eingehen auf die BermWung
für geboten halte; allerdings schien ihm eine Einschränkung der im Gange
befindlichen Operationen kaum möglich.
Heute Nachmittag vor und nach -dem Telephongespräch mit Herrn
v. Stumm habe ich Gelegenheit genommen, erneut -mit Graf Forgach
und Graf Hoyos sehr ernst in unserem Sinne Rücksprache zu nehmen.
Sie versicbertsn mir beide, daß mit Rücksicht auf dis Stimmung in der
Armee und im Volke eine Einschränkung der militärischen Operationen
ihrer Ansicht «gch ausgeschlossen sei. Morgen früh werde Gras Tisza in
Wien erscheinen, dessen Ansicht bei dieser weittragenden Entscheidung
eingehakt werden müsse. Conrad von HLtzendvrs sollte heute Abend dem
Kais« bis Ordre für allgemein« MvbSftierwtg als Antwort ... aus bte
russischerseits bereits getroffenen Maßnahmen unterbreiten. Man war sich
darüber nickt im klaren, ob bei fetziger Sachlage die Mobilisierung noch
geboten wäre. Tschirschky.

DszrMMis: Msr-aKH^iusM. LrSgerlshy durch dis poft
Sezsgen MvsaKick l.öo Mk., «erkGSWch 4.8« Mk. ausschi. tzufteSwy.
likqiijMM'effe: Die HnfpaKge prtitzrKk - ZS mm breit) ss Kfq., M-
KamEnMgen (ss. mm breit) l.ss Mk. Sri WK-rrholMge» Rachlaß
ttach Tarif. GeheiNMittel-Änzeiges werden nicht auftzrnomMr«.
- KoMsMMioKarttesH«Rr.Wrr. Tel.-Adr.: SsktzztlkWs HsMSsrg.

Aus den Kriegsakterr.
Wir haben in unserem gestrigen Leitartikel eine allge-
meine Grundlage zur Beurteilung der Randbemerkungen -des
Kaisers gegeben. Di« bedeutendsten Stücke ans den Akten
dringen wcr hier zum Abdruck. Eine eingehende kritische
Würdigung der gesamten Veröffentlichungen behalten wir uns
vor. Die Redaktion.
Der Botschafter in London cur den Reichskanzler.
London, 16. Iyli 1914.
Nom Standpunkt des Grasen Berchtold ist es vollkommen be-
greiflich, bah er seine durch den Bukarester Frieden stark erschütterte
Stellung und den durch den Abfall Rumäniens verminderten Einfluß
-er Monarchie auf dem Balkan dadurch wieder zu heben gedenkt, baß
er die fetzt verhältnismäßig günstige Gelegenheit zu einem WaffeiWmy
- mit de« Serben benutzt. - Die leitenden, Persönlichkeiten in Oesterreich
habe« bekamM chschrm seit längerer Zeit Hahr« gedrängt, das Änsehrn
der Monarchie durch einen Krieg zu befestigen. Einmal war es Italien,
dem der Irvsdentismus ausgelvieben, und andermal Serbien, bas durch
Kriegstaten a la Prinz Eugen zur Entsagung und zu besseren Sitten
gezwungen werden sollte. Ich begreife, wie gesagt, diesen Standpunkt
der österreichischen Staotskeittr und würbe -in ihrer Lage schon früher
diesrMfcheoWirren dazu benutzt haben, um die Wstaivische Frage
im habsburgischen Sinne zu lösen.
Dis erste Voraussetzung für eins derartige Politik müßte aber rin
klares Programm sein, bas auf der Erkenntnis beruht,, daß' der heutige
staats- und völkerrechtliche Zustand innerhalb der serbv-kwälftche«
- BSlkerfamilie, der einen Teil dieser nur durch die Religion, -nicht aber
durch die Aaste gespaltenen Ration dem österreichischen, einen anderen
-dem ungarischen Staat, -einen -ritten der Gesamtmonarchie und einen
vierten und fünften endlich unabhängigen Königreichen zuwekst, ass die
Dauer nicht haltbar rst. Denn die Bestrebungen, den geheiligten „status
quo" aus Bequemlichkeitsgründen unter allen Umstanden aufrechtzuer-
hali-m, hat schon oft und so erst bei der jüngsten Batkankche zu einem
völligen Zusammenbruch des aus dieser Grundlage erbauten politischen
Kartenhauses geführt.
Zunächst bezweifle ich nun, daß in Wien ein grvßzü-Mer Plan,
dcr'.allein die Grundlagen -einer Lauernden Regelung der südslawischen
Frage bieten würbe -- ich meine den Trialismns. «ft Emschlutz. Ser-
biens -- gefaßt wachen ist. Nach meiner Kenntnis- der dortigen Ver»
' hättnftfe glaube ich auch gar nicht, daß man in der Lage -ist, eine der-
artige staatsrechtliche Umgestaltung der Monarchie in die Wege zu
lest««. Denn es wäre hierzu-vor allem dcr -Widerstand' Englands zu
Äensinben, bas sich Me«. Mo'"Abtretung von Kroatien mit Fiume
aus bas, äußerste- wchrfn würde. Zur Dur-^tührüng eines derartigen
PrchrrmKbts fehlt- es- in- Wien auch «»-der 'hierzu- gMgneten kraftvolle«
Persönlichkeit. Man sucht dort vicimchr meist nur den Bedürftiissen
des' Augenbikcks zu genügen uäd ist froh, wenn die vielen politischen
Schwierigkeiten, die niemals ausstewen, da sie sich aus der Verfchieben-
artigkeit der Zusammensetzung des Reiches ergeben, soweit behoben sind,
Lah-Aussicht bestM,- wieder einige Monate fortwnrftei« zu können.
'Line mikMrtfche ZLchtigpog Serbiens hatte daher niemals de«
Zweck ad« das Ergebnis einer befriedigenden Lösung der so überaus
schwierigM südslawischen Frage, sondern bestenfalls den Erfolg- die müh-
sam hetzelegte ortentalsiche Frage von neuem ins Nollen gebracht zu
haben, um Oesterreich eins moralische Genugtuung zu verschaffen. Ob
Nutz land und Rumänien hierbei mützkg 'zufehen und Oesterreich
freie Hand kaffen würben, werben Eure Exzellenz besser zu beurteilen
in der Lage 's«« als ich. Rach meinen hiesigen Eindrücken, namentlich
aber nach den vertraulichen KnterhaktunK»,- die ich mit Sir Edward
G r'c-y gchadt habe, glaube ich, daß meine kürzlich in Berlin vertretenen
Ansichten über die Absichten Rußlands uns gegenüber zutrafen. Sir
Edward Grey versichert mir, baß man- in Rutzinad nicht daran denke,
mit 'uns Krieg sichren zu wollen. Aehnlichcs sagt mir Hein Vetter Kiras
BeMendsrsf. Eine gewisse antideutsche Stimmung kehre -dort von Zeit
zu Zeit regelmäßig wieder; das hänge mit dem slawischen Empfinden
zusammen. Dieser Strömung gegenüber bestehe aber immer eine starke
'vrodeutsche Partei. Weder dcr Kaiser noch irgend eine der maßgeben-
den Persönlichkeiten sei antideutsch und seit -der Beilegung der Liman-
Frage sei keine ernste Verstimmung mehr eingetreten. Hm-ge'gcn gab
Graf Vevckenborff offen zu, baß ein starkes LKtwfierreichifches Emxfin-
der> .in Rußland bestehe. Es denke aber dort niemand daran, Heile von
Oesterreich, wie etwa Galizien, erobern zu wollen.
Ob angesichts diese: Stimmung es möglich sein würde, die russische
Regierung bei -einem österreichisch-serbischen Waffengange zur passiven
Assistenz zu bewegen, vermag ich nicht zu beurteilen. Was ich aber
glaube mit Bestimmtheit sagen zu- können ist, daß es nicht gelingen wird,
km Kriegsfall« die öffentliche hiesige Meinung zu tlngunsie» Serbiens
zu beeinflussen, selbst durch Heraüfbeschwörung der blutigen Schatten
Dragas ur» ihres Buhlen, deren -Befestigung vom hiesigen Publikum
«schon längst' vergchen ist und daher zu den historischen Ereignissen gehört,
mit denen, soweit cucherbritische Länder in Frage kommen, man hier im'
allgemeinen weniger Vertrautheit -besitzt, als bei uns etwa der durch-
schnWiche Quartaner. '
Ich bin nun weit entfernt, für eine Preisgabe unserer -Bunbesge-
rwsstnschast ober unseres Bundesgenossen einzutreten. Ich hatte bas
Bündnis, bas sich in dem' EmpfindunKsleben beider Reiche, elngelebt
hat, für notwendig und schon mit Rücksicht auf die vielen -in Oesterreich
!eb«idcn Deutschen für die natürliche Form ihrer Zugehörigkeit zu uns.
Es fragt sich für mich nur, ob es sich für uns empfiehlt, unfern Genossen
m einer Politik zu unterstütze», beziehungsweise eine Politik zu gewähr-
leisten, die ich Äs ein« abenteuerliche ans ehe, da sie weder zu einer
radikalen Lösung .des- Problems, noch zu einer Vernichtung der grdtz-
serhrschen Bewegung führen lvird. Wenn bi« k. und k. Polizei und die
bosnischen Lcmdesbchörden den Thronfolger durch eine „Allee von
Bomkenwerfern^ geführt haben, so kann ich darin keinen genügenden
Grund erblicken, daß wir den berühmten pommerfchm Grenadier für
die österreichische Parrdurenpoiitik aufs Spie! setzen, nur damit das
östL-rrekchthHe Selbstbewutztsein gekrästigi werde, bas in diesem Falle,
wie bis Aera Nehrcnkhal gezeigt hat, sich als vornehmste Aufgabe die
möglichste Befreiung von der Berliner Bevormundung vorstellt. Sollte
aber wirklich für unsere politische Haltung die Ansicht ausschlaggebend
fein, daß nach Verabreichung des „Todesstoßes" an die «rvtzserbrsche
Bewegung ckas glückliche Oesterreich, von dieser Sorge befreit, sich uns
für bi« geleistete Hilfe dankbar - erweisen wird, so möchte ich die Frage
nicht unterdrücken, ob nach Niederwerfung des unAarifchen Ausstandes
durck di-e Hilfe des Käfters Nikolaus und dr« vielseitige Inanspruchnahm-
' Les Balgens nach Bezwingung dcr Ungarn bei Vilagos und unter dcr
Oderleittmg -des kaiserlichen Generals. Hayn-au die natwnale Bewegung
in Ungarn erdrückt wurde und ob die rettend« Tat des Zaren em inniges
Mck vertrauensvolles Berhällms zwischen beiden Reiche» begründet hat.
Lichnowsky.
Der Kaiser an den Kaiser von Oesterreich.
Neues, Palais, 3 0. Juli 1914.
Die persönlich- Bitte des Zaren, einen Vermiitlungs-
y-iNr ei.Ns Weltenbrandes nnb Erhaltung. des
Welti-riedens zu unternehme!:, hacke Sch nicht 'adlchnen »o könne« ge-
gimrdt, »rck Deiner Regiemng durch Meinen Botschafter gestern und
hsu'.r Vorschläge mtterdreiten lassen. Sie gehen 'n. a. -dahm, baß
i-,»» ns« 'Beiarad ob«' anderen Mätzen leine Be--
 
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