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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 31 - Nr. 40 (5. November - 15. November)
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Briefkasten.
K. Wegen Ihrer Sache wenden Sie sich am besten an die Orts-
kohlenstelle.
H.. Obrigheim. Ihre Mitteilung wird bei gegebener Zell ver-
, wendet.

Verbands tag des deutschen Tabakarbeiter-Verbandes.
(Vierter B e r h a n d I u n g s t ä g.)
Die Beratungen über die Anträge zum Statut wurde fortgesetzt und
zum Schlüsse der Statutenberatungskommiffion übergeben. Es folgt das
Referat über die -
zukünftige Lohnpolitik des Verbandes,
das von Husuna. Vorstandsmitglied, erstattet wurde. Die Debatte zum
Geschäftsbericht hat gezeigt, daß als die vornehmste Aufgabe bezeichnet
wurde, die Lohn- und Arbeitsbedingungen erheblich zu verbessern. Dies
soll unser Fiel sein, dem wir zustrebcn, und zu diesem Zwecke befürworten
wir den Abschluß von Tarifen. Die Lohnbewegungen, wie sie früher
üb-.ch waren, Haven uns nicht den gewünschten Erfolg gebracht! es kommt
bei den künftigen Lohnbewegungen darauf an, daß alle Tabakarbeiter
davon erfasst werden. Aus diesem Grunde steht der Verband auf dem
Boden eines R e i ch s l o h n t a r i s s. Wenn es gelingt, einen solchen
Tarif fertigzuftcllen, dann darf es in Zukunft nicht vorkommen, daß die
Mitglieder an einzelnen Orten noeigene Lohnbewegungen machen.
In Eisenach haben am 1. Oktober Verhandlungen , mit Vertretern des
Reichsverbandes deutscher Zigarrenhersteller stattgefunden. Dieser Tarif
wird ein Manteltarif fein, der Arbeitszeit, Lohn und Ferien regeln soll.
Der Lohn, der darin festgesetzt wird, wird nur ein Mindestlohn sein, zu
dem den Verhältnissen entsprechende regionale Zuschläge kommen mögen.
Die Arbeitszeit soll acht Stunden täglich, mit einem freien Samstag-
Nachmittag betragen. Ebenso sollen die Ferien für alle Arbeiter sestge-

Grundzügen gebunden hätten, uW. verwies darauf, daß in
dem Ausschuß, der die Vorlage behandeln werde, auch Ver-
treter der Länder als SüchverMndige ihr Gutachten abgeben
werden. - Dis Verfassung werde eine demokratische sein und
dis öffentliche Gewalt werde, auf dem VolkswiÜsn beruhen.
Der Staatskanzler erläuterte die Vereinbarungen der Koa-
lition auf dem Gebiete der Verfassung und Verwaltung
rind erklärte unter lebhaftem Beifall das? die Einheit des
Wirtschaftsgebietes und der Sozialgesetzgebung eine unerläß-
liche Voraussetzung für die Annahme der Verfassung sei.

AuslaNd.
Der Wahlaufruf der französischen Sozialisten.
Die „Humanste" vom 28. Oktober veröffentlicht den
Aufruf der sozialistischen Partei Frankreichs zu »den
Wahlen. DerMnfruf erinnert zunächst an das gemeinsame
Interesse, das die städtischen Arbeiter und die Bauern,
dis Angestellten und die Beamten, das alle Kopf-
««d Handarbeiter vereinen müsse gegenüber der ge-
ringen Znhl der Besitzenden, in deren Hand die Pro-
duktionsmittel monopolisiert sind.
. Der Wahlaufruf denkt an die furchtbare Schuld des
Bürgertums, das aus niedrigen Profitinteressen den fünf-
jährigen entsetzliche» Krieg heraufbeschworen habe und
das jetzt nicht einmal imstande sei, diesen Krieg zu beenden,
das in einem wahnwitzigen Friedensvertrag den Keim zu
neuen Kriegen gelegt habe. Er spricht von der furchtbaren
Finanzkalamität, in die jene Politik Frankreich hineinge-
trreben habe. „Gestern Krieg und morgen Bankerott",
so heißt es in dem. Aufrufe. Das sind die Folgen des
Imperialismus. Mit klaren Worten wird die volle So-
zialisierung gefordert.
„Mehr als jemals ist es klar, daß die nationale Sou-
-verSnttSt nur Wirklichkeit werden kann durch das nationale
Eigentum. . . . Arbeiter Frankreichs, übernehmt selber die
Leitung und Führung und der Entwicklung der Produktion.
Wenn Ihr gekämpft habt, um die Unterdrückung vop außen
ab,;uwend.en, so setzt das Werk der Befreiung fort, indem Ihr
die Nation von der -Knechtschaft im Innern, von dem Joch
der Ausbeuter Eurer Arbeit befreit."
Folgende Forderungen stellt, der Aufruf schließlich für
das Aktionsprogramnr der Partei auf:
Verteidigung des AckMimLsntages «nd des Koala-
tisnsrschLs. ' - -
Übereinstimmung zwischen den politischen Einrich-
tungen mit den irtzasn wirtschaftlicheGNotrvendigketteir.
Verstaatlichung «jlsrLrarrspo rtmittel,Versicherungen,
großer Fabriken «sw.
Unentgeltliche Einheitsschule.
Allgemeine Abrüstung in allen Ländern, von denen
Deutschland den Anfang machen mutz.
Oesterreich.
Renner auf dem Parteitage.
Wien, 3. Nov. Auf dem sozialdemokratischen Partei-
tag berichtete nach einer Korr-Bureau-Meldmrg Staatskanzler
Renner über die Verfassungs frage. Er betonte, die
Verfassungsreform müsse mit der Neuordnung der Verwal-
tung verbunden sein. Er erwähnte die Koalitionsvsrein-
barungen, durch die die Parteien sich wenigstens in den

»
beruft, sie auf strengste Verkraulichkeit verpflichtet, um sie dann hinters
Licht zu sichren.
Vorsitzender Warm uth bittet um Auskunft über die Depor-
tation s f r a g e der belgischen Arbeiter nach Deutschland.
In einem Telegramm des Wiener Botschafters Wedel vom 21. 12. 1916
wird erklärt, daß Gerard es für außerordentlich wichtig halte, daß die
Deportation akrfhört.'
Zimmermann: Ich war ein sehr scharfer Gegner dieser Maß-
nahme, weil sie uns politisch sehr schädlich war. Aber die militärische
Notwendigkeit war ausschlaggebend.
D et h m a n n ° H ö l l w e g : Vom politischen Standpunkt aus wa-
ren mir diese Deportationen im höchsten Grade unerwünscht. Sie sind
als militärische Notwendigkeiten begründet worden, um das Hindenburg-
Programm ausftibren zu können. Ich habe mit Vissing in Berlin dar-
über verhandelt und ihn veranlaßt, nach Pleß zu fahren, um mit Hin-
denburg und Ludendorff weiter darüber zu sprechen. Vissing bat dort
auch gewisse Milderungen durchgeseht. Es handelte sich um eine Maß-
- nähme, die von der O b e r st c n H e c r e s l e i t u n g als m i l i t ä r i ? ch
zwingend notwendig bezeichnet würde und die mit ungünstigen
politischen Folgen verknüpft war.
Dw Sinzheimer: Die politische Leitung konnte also hier dem
Militär gegenüber ihren Willen nicht durchsetzen?
Zimmermann: Es war mir nicht möglich, meine politischen
Gesichtspunkte gegenüber den militärischen Notwendigkeiten durchzusetzen.
B e t h m a n n - H v l lw eg : Die militärischen Interessen standen
den politischen entgegen. Die Friedensaktionen Wilsons sind aber da-
dnrch nicht gestört worden. Es dürfte sich hier nur darum handeln, ob
die belgische Arbciterdeportation mit dahin gewirkt hat, daß die Entente
unser Friedensangebot fo kategorisch zurückwies, wie auch die Friedens-
note Wilsons in einer Weise beantwortete, die als Ablehnung erscheinen
mußte. Aber der Haß, die Verleumdung Deutschlands als Barbaren-
volk, wurden genährt durch viele Verleumdungen auf Grund angeb-
licher Greuel tat en. Wären die Absichten des Freiherrn von
Vissing in ihrer ursprünglichen Form durchgeführt worden, so hätten
wir allen Einwendungen entgegentreten können.
Vorsitzender Warm uth : Ist nicht in scharfer Form festgelegt wor-
den, daß durch die Deportation der Belgier nicht die Friedensaktion
gefährdet werden dürfe? . . „
Bet k m an» - H o l l w eg : Ob dieser Gegensatz in akuter Weiss
festgelegt worden ist, weiß ich nicht. Die Oberste Heeresweitung war
von den Erregungen über die Deportation selbstverständlich unterrichtet-.
Im Laufs dieser Zwiesprache erklärte dann Herr von Bcth-
mann ° Hollweg unter starker Erregung: Wir sollten doch nicht
immer bei unseren eigenen völkerrechtlichen Anomalien verharren, wo
wir doch durch die völkerrechtlichen Anomalien der Feinde, nämlich die
Hungerblockade, auf Generationetü hinaus verelendet sind! (Aus dem
Saale werden lebhafte Bravorufe laut.)
Vom Abgeordneten Dr. Sinzheimer werden dann noch die mit
Baron Burian festgelegten Friedensbedingungen vom 12. Dezember ver-
lesen. Die Verhandlungen werden morgen fortgesetzt werden.

Soziale Rundschau.
/V Die Angestellten dec Mannheimer Metallindustrie haben gestern
in einer von etwa 4000 Personen besuchten Versammlung, Stellung
zu dem Schiedsspruch des Schlichtungsausschusses genommen. Es wird
heute Vormittag in sämtlichen beteiligten Betrieben eine geheime
Abstimmung dec Angestellten über die Fragen vorgenvmmen: 1.
Wird der Schiedsspruch abgelehnt? 2. Wird der Ssreik beschlossen?
Verschärfung des Berliner Metallarbeiterstreiks. Die Fünfzehner-
Kommissivn erläßt einen Aufruf an die Arbeiter und Arbeiterinnen der
Metallindustrie von Groß-Berlin, die Arbeit sofort n i e d e r z u l e g e n.
Nur die Arbeiter in den lebenswichtigen Betrieben sind von der Arbeits-
niederlegung entbunden.

Theater, Kunst mm WiffeNschssL.
StsdttheKterü
Die am Sonntag' stnttgcfundene „Fledermaus"-Aufführung gab
Herrn Schommer endlich einmal reichlichere Gelegenheit, sich als
Tenorbusso unseres Operelten-Ensembles zu betätigen. Der „Eisenstein"
ist stets eine gute Visitenkarte für den Fachspieler, er verlangt Stimme,
bewegliches Spiel, echtes Operettenblut. Schommers Eisenstein war
recht nett, er singt, wenn ihm auch nicht allzu reichliche Stimmittel zur
Verfügung stehen, sauber und anständig, er spielt flott und gewandt,
bringt viel Stimmung mit, wenn sein Eisenstein auch etwas weltmänni-
scher, !m Ton eine Nuance eleganter sein könnte. — Der erste und
zweite Akt waren wiederum in fröhliche Stimmung getaucht, man hatte
seine Helle Freude daran, leider aber beherrschte den dritten Akt zum
^allergrößten Teil der durch den „Frosch" anscheinend unvermeidliche
„Klamauk". — Dünn sei einer Unsitte erwähnt, gegen die nicht energisch
genug protestiert werden kann. Einige -junge „Herrchen" im I. Rang
rechts und der Proszeniumsloge, den „besseren", gebildet sein wollenden
Ständen angehörig, glaubten ihre weltmännische Bildung dadurch be-
funden zu sollen, daß sie chie Darsteller oder besser die Darstellerinnen
auf offener Szene nut Blumen regulierten, ohne zu bedenken, chaß sie
sich dadurch einer TMlosigkeit gegen den Gegenstand ihrer „Verehrung"
schuldig machten. Eine Rüpelei sondergleichen war cs jedenfalls, als
einer der „Herrchen" sich die Frechheit herausnahm, dem „Frosch" wäh-
rend seines allerdings übertriebenen Schnapsmvnvloges ein „Prosit" zu-
gurufen. Dieser „Herr" scheint unser einfaches, schlichtes Theater mit
Len von ihm wohl oft besuchten obscuren Bars oder Cabaretts zu ver-
wechseln. Hossentiich wird dieser Unfug einer etwas unerzogenen Jugend
nicht Mode, sonst müßte dis Allgemeinheit die verfehlte väterliche Er-
ziehungsmethode gründlichst revidieren. Wenn es den „Herrchen" zu
Wohl wird vor Uebermut und überschüssiger Kraft, so sollten sie sich der
Stadtverwaltung zum Holzfällen zur Verfügung stellen, bas ist
gesund, blutbcruhigend, macht müde und wäre Selbstlosigkeit im Dienste
Ser frierenden Menschheit. F. M.

TisuLfch-Österreichischer Parteitag.
Wien, 1. November 1919.
Ucber die parlamentarifcheTaktik spricht Genosse Seitz.
Am Tage des Zerfalls der Monarchie war die wichtigste Aufgabe der
Sozialdemokratie, nicht nur zu verhindern, daß das Proletariat in den
Zusammenbruch hineiugezogen, sondern daß auch für die Demokratie und
den Sozialismus das möglichste getan werde. Der Kamps, der innerhalb
der Arbeiterklasse tobte, war der Kamps zwischen den sozialen Idealen,
denen wir bei der steigenden Macht des roletariats so nahe schiene», /
und zwischen der nüchternen Wirklichkeit, zwischen unserem heißen Seh-
nen, Begehren und Wollen und zwischen der Möglichkeit der Erfüllung
unseres Sehnens. Wir mußten uns fragen, was kann uns der Boden
Deutschösterreichs bieten, wie können wir die Maste von 6)4 Mil-
lionen Menschen auf absehbare Zeit hin erhalten und die
Produktion fortführen?
Darauf konnte die Antwort nicht anders lauten, als sie gegeben wor-
den ist. Wir mußten erkennen, daß wir das Höchste, was zu erreichen
möglich ist, weitgehende Demokratie und ein Stück sozialer Fort-
schritt ist.
Diesem Ziels haben wir uns rasch genähert. Wir haben in der kür-
zesten Zeit die Demokratie restlich durchgeführt und Deutschösterreich zur
modernsten Republik geschaffen. Bei unserem Handeln mußten wir an
die schweren Opfer denken, dis ein unbedachter Schritt kosten könnte.
Denn es ist vollständig klar für uns: Deutschösterreich wird im Sozialis-
mus nicht vvrangehen. Das können nur die reichen Rohstoffländer der
entwickelten Produktionskräfte. Daher mußten wir uns auf den Boden'
des Parlamentes stellen, und da wir nicht stark genug waren, um
im Parlament die Macht allein zu behaupten, so mußten wir den zwei-
ten Schritt tun und uns mit den anderen Schichten des Volkes in die
Macht teilen. Hätten wir sie allein übernommen, so wären wir schließlich
bei der Rätediktatur bs» Proletariats gelandet und dies hätte
zum offenen Bürgerkrieg geführt, der selbstverständlich die Be-
setzung durch die feindlichen Mächte herausbeschworen hätte.
Die Koiation ist ein Gebot unbedingt der Not, der wir uns beu-
gen und fügen müssen. Da ein Zusammenschluß mit den Sukzessions-
staaten unmöglich war, forderten wir den Zufammemchiüß mit der
staaten unmöglich war, forderten wir den Zusammenschluß mit der
entschieden. Die Mächte, die uns diesen Frieden auferlegt haben, haben
eine große Schuld und zugleich eine große Verantwortung aus sich
geladen. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf, daß der Tag de s
Anschlusses kommen wird, da man einsehen wird, daß man auch
uns Gerechtigkeit widerfahren lasten muß.
Genosse Otto Bauer: Die Koalition ist für uns alle eine
bittere Notwendigkeit. Wir sind uns aber ebenso klar darüber,
daß die Koalition an Bedingungen geknüpft werden muß, dis sich mit
unseren Grundsätzen und mit der Ehre der Sozialdemokratie
verträgt. Es ist ein selbstverständliches Prinzip der Demokratie, daß sie
politische Flüchtlinge nicht an aufständische Häscher, an ausländische
Zuchthäuser ausliefert. Cs wird die größte Hetze getrieben, weil wir
den Ungarn, die vor der konterrevolutionären Regierung flüchteten
und den bayerischen Komm u n i st e n Asyl geboten haben. Der
Parteitag wird mit mir einer Meinung sein, daß es auch un verein-
bar ist mit einer revolutionären Partei, wenn sie einen
Ausländer wegen eines politischen Deliktes ausliesern würde.
Mr könnte» dann Amen Tag länger die Regierung unterstützen.
Wir dürfen uns über die Lage nicht täuschen. Bon Ungarn kommt
eine Welle der Konterrevolution über uns. Wir überschätzen die Gefahr
nicht. Wir wissen, daß jeder, der die Republik antchten würde, mit blu-
tigem Kopse nach Hause geschickt würde. Die Koalition ist nötig. Doch
ist es auch nötig, daß wir innerhalb, der Koalition stark sind. Diese
Stärke haben wir nur, wenn wir das Proletariat einig erhalten.
Mar Adler: Cs ist kein Geheimnis, daß die Partei die Notwendig-
keit der "Koalition mit Unbehagen fühlt. Aber wir haben in ihr das
taktische Mittel erkannt, die Macht des Proletariats zu erhalten. Es
ist dies eine andere Koalition, als sie unter bürgerlichen Parteien geübt
wird. In den Arbeitcrrciten hat sich überdies das Proletariat seine revo-
lutionären Organe geschaffen, die dasür sorgen, daß die Koalition die
Kräfte des Proletariats nicht seffelt.
Friedrich Adler: Es ist beinahe ein Wunder, daß es uns gelungen
ist, über dieses schwere Jahr Hinwegzukommen ohne eins Niederlage des
Proletariats, und dies, weil wir uns in unserer politischen Taktik nicht
haben abdrängen lasten von dem einzig möglichen Wege, der sich uns
dargedoten hat. Wir sind auf dem Standpunkt gewesen, daß die Regie-
rung, die unter den gegebenen Machtverhältnissen geschaffen worden ist,
keine wzialistische Regierung sein kann. Was wir von dieser Regierung
zu fordern haben, ist das strenge Festhalten an der Demokratie und der
Republik. Es ist wichtig, daß die Genosten machtpolitisch denken lernen.
Wenn wir »ach Deutschland blicken, die dortigen traurigen Verhältnisse
und die verschütteten Entwiälmrgsmöglrchkeiten sehen, dann glaube ich,
daß es der unheilvollste Fehler gewesen ist, daß dort die Armee avsge-
liesert wurde und die bewaffnete Macht in die Hände der alten Offiziere
gegeben, wurde. Die Gefahren, die der Arbeiterbewegung dort drohen,
gehen von diesem Umstand aus. Daker wird cs unsere Aufgabe sein,
den Versuchen, unsere bewaffnete Macht der Reaktion in die Hände
zu spielen, unbeugsamen Widerstand entgegenzusetzen. Die Koalition
ist eine Arbeitergemeinschast für konkrete Zwecke. Höher aber steht die
Arbeit für die Klaffe, die Arbeit für den Sozialismus.

Sport und Spiel.
Rugby-Fußball. Der'Verein für Bewegungsspiele Heidelberg spielte
gegen Heidelberger Ruderklub mit 5:0.

RöMMwmLeS.
* Die Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke hat das Mini-
sterium des Innern veranlaßt, - an die Bezirksämter das Ersuche« zu
richten, daß die Verwaltungen der Standeshcrrschaften, die Gemeinden
und auch andere Eigentümer im Land, die als Verpächter - in Frage
kommen, in dem Sinne rinzuwirkcn, daß die Pachtpreise nicht übermäßig
in die Höhe getrieben werden. Der Zweck, der durch diese Anregung
des Ministeriums erreicht werden soll, ist ein begrüßenswerter, es fragt
sich nur, ob er bei dieser Anregung den gewünschten Erfolg zeitigen
werde. Die Pachtpreise für landwirtschaftliche Grundstücke steigen ganz
enorm, die Folge davon ist, daß die landwirtschaftlichen Erzeugnisse
durchweg im Preise steigen. Wenn aus diesem Gebiete wirklich Verbes-
serungen geschaffen werden sollen, dann muß man schon zu andere»
Maßnahmen greifen. Bei dieser Gelegenheit wäre zu erwägen, daß man
so rasch wie möglich eine Aendcrung des 8 153 der Gemeindeordnung
vornimmt. Rach der Bestimmung, des 8 153 müssen alle Veräußerungen »
des beweglichen und unbeweglichen Vermögens und alle Verpachtungen
in öffentlicher Steigerung geschehen. So lange diese Bestimmung maß-
gebend ist, wird eine Preissteigerung des landwirdschaftlichen Geländes
erfolgen. Man darf nur die Vorgänge bei diesen Versteigerungen in
den Gemeinden beobachten, wo neben den Landwirten eine arogere An-
zahl von Arbeitern vorhanden sind. Bei den Letzteren macht sich infolge
der hohen Lebensmittelpreise das Bestreben geltend, die wichtigsten Le-
bensmittel selbst zu bauen. An Ackergrundstücken stehen ihnen gewöhn-
lich nur diejenigen der Gemeinde zur Verfügung, die sie ersteigern
können. Auch bei her Landwirtschaft mc-cht sich das Be/treben nach
Erweiterung des zu bebauenden Grundbesitzes bemerkbar. Die Folge
ist, daß bgftden öffentlichen Versteigerungen die Arbeiter und die Land-
wirte sich gegenseitig derart hinaufsteigern, daß von einer Rentabilität
der Grundstücks keine Rede sein kann. Es gibt eine Anzahl derartiger
Gemeinden, die in Friedenszeiten bei den Versteigerungen eine Einnahme
von 1500—2000 Mk. erzielt haben, dagegen deute den Betrag von
2000—3000 Mk. für die gleichen Grundstücke einnehmen. Es müßte
deshalb eine Aendenmg des 8 153 der Gemeindeordnung vorgenvmmen
werden, und zwar dahingehend, daß der Arbeiterschaft auch Ge-
legenheit gegeben wird, zu einem annehmbaren Preise ein gemeindliches:
Grundstück zu pachten. Dann nmß ferner den Gemeindeverwaltungen
das Reckt zugestanden werden, daß sie Landwirte, die gegenüber den
Ablieferungspflichten nicht nachkommen oder sonst wegen Ver-
gehen gegen die Lebensmittelversorgung sich vergangen haben, an dem
Erwerb solcher Grundstücke ausschließe n. Nach den jetzt bestehen-
den Vorschriften kann ein derartiger Landwirt sämtliche zur Versteige- ,
rung stehenden Pachtgrundstücke ersteigern, wenn er nur den höchsten
Sieigerungspreis entrichtet. Eine baldige Regelung wäre deshalb sehr
notwendig.
E. Gemeinderatssitzung in Dossenheim am 31. Oktober. Die An-
stellung eines Tierarztes wurde beschlossen. — Infolge des Kohlenman-
gels hat das staatliche Porphyrwerk dem Gemeinderat mitgeteilt, daß
das vom staatlichen Werk bezogene elektrische Licht nur noch bis abends
9 sthr bezogen werden kann. — Bon den sozialdemokratischen Gemeinde-
räten wurde der Antrag gestellt, die für den Hausbrand vorgesehenen
3 Waggon Kohlen dem Porphyrwerk abzugebeu, um damit eins Be-
tricbseinstellung zu verhindern, bei der über 200 Arbeiter in Frage
kommen würden. Ferner verlangten die sozialdemokratischen Vertreter
die Herstellung von 30 000 Wellen aus dem Gemeindewald zur Ver-
teilung an die Einwohner. Diese beiden Anträge wurden angenommen.
-- Dm Brennzeit des elektrischen Lichtes wird bis 10 Uhr abends fest-
gesetzt. — Zur Förderung der Bautätigkeit werden 20 000 Mk. als
Uebertcuerungszuschüsse der Gemeinde bercitgestellt. — Ein von der Zen-
trumsfraktion gestellter Antrag verlangt, daß die Angelegenheit des --
Fleischdiebstahls auf dem Rathause der Staatsanwaltschaft zur Anzeige
gebracht würde. Die sozialdemokratischen Berlreter sprachen die schärfste
Mißbilligung aus, daß die Ortsbehörde bis jetzt eine Anzeige versäumt
habe, wodurch allerhand Mutmaßungen begründet werden. Von einem
Mitglied des Kollegiums wurden noch weitere Unregelmäßigkeiten bei
der Lebensmittelversorgung zur Sprache gebracht, die näher untersucht
werden. (Es wäre Sache der maßgebenden Behörden, aus dem Dossen-
heimer Rathause einmal nach dem Rechten zu sehen. Denn cs scheint
dort sebr vieles faul zu sein. Die Red.)
Der Stadtrat von Karlsruhe hat vorbehaltlich der Zustimmung deg^
Bürgerausschusfes den Betrag von 20 Millionen Mark zum An-'
kauf hochwertiger Lebensmittel für die hiesige Bevölkerung ge-
nehmigt.

setzt werden. Zu den Löhnen kommt, daß völlige freie Zurichtung gefor-
dert wird. Der Mindestlobn von 40 Mk. für die einfache Fasson ist «ike
eminent weitgehende Forderung, die dann in dem entlegensten Dorfe ge-
zahlt werden mutz, wozu außerdem die frei Zurichtung kominc. Ls folgt
die A u s s M a ch c. -
Herrmann-Hirschberg begrüßt das Vorgehen des Vorstandes.
Heute wollen wir unsere Löhne ausbauen, damit wir ans die gleiche Stufe
kommen mit den anderen Arbeitern.
Lechlcr - München meint, daß die süddeutschen Tabakarbeiter nickt
genügend in den Tariffvrderungen berücksichtigt sind. Er wüiij- »für
gleiche Arscit den gleichen Lohn.
Element, Gauleiter: Der erfreuliche Mitgliederzuwachs ist nickt
aucin auf die Tcuerungsverhältnisie zurückzusüyren, sondern mehr als
jede Teuerung haben uns die zentrale» Lohnvereinbarunaen neue Mit-
glieder gebracht. Die Tabakarbeiter müssen sich erst organisieren.
Bergholz- Leipzig verteidigt die Anträge von Leipzig, die west
höhere Lohnforderungen enthalten als der Entwurf des Vorstandes. Die
gegenwärtigen Löhne in Leipzig sind höher, als sie der Entwurf des
Manteltarifs enthält, und deswegen müssen die Forderungen höher ge-
stellt werden.
' Räker - Achim bekämpft das Akkordlohnsystem in der Tabalindu-
strie und befürwortet auch die Beseitigung der Hausarbeit.
H u d a l l a Dresden beantragt, die Forderung des Vorstandes in-
bezug auf die Zigarrenarbeiter um 25 Proz. zu erhöhen.
Armbrust-Berlin besprach dann eine Entscheidung des Schlich-
tungsausschusses in Berlin, die besagt, daß der Tarisabschluß nur für or-
ganisierte Arbeiter Gültigkeit haben soll. Wir müßen verlangen, daß
Tarifabschlüfse für alle Arbeiter zu gelten haben, weil die Fabrikanten
sonst nur Unorganisierte einstellen würden.
Der Antrag, die Löhne im Manteltarif um 25 Proz. -zu erhöhen,
befürwortete K rahmann - Brotterode.
Weiter wird der Antrag Elbing befürwortet, daß Arbeiter, die mehr
als M Jahre beschäftigt werden, 18 Tage Ferien erhalten. Rach der
Mittagspause wurde die Debatte fortgesetzt, in der Bau.iphardt-
Freiburg und B ö h l e - Münden noch Wünsche vortrugcn. Besonderen
Eindruck machte die Ausführung der Frau Wolf - Speyer. Sie berich-
tet, daß die Arbeiter dort versäumt habe», bessere Löhne zu erkämpfen.
Wir wurden nach der Besetzung durch die Franzosen an Versammlun-
gen gehindert und sogar mit der Peitsche a'usemandergetrieben. Trotzdem
ist es gelungen, die Arbeiterinnen zu vrganisieren, und niemand darf
beschäftigt Verden, der- nicht Mitglied ist. Lasten Sie uns den Verband
so ausbauen wie eine Festung, an deren Mauern die Ausbeutungswut
vergeblich anrennt. Das ist parktische Gewerkschaftsarbeit. (Lebh. Bravo.)
G r ö tz s ch e l - Dresden verlangt, daß der Tarif auch gesetzliche
Kraft erlangt und für alle Fabrikanten gilt.
Es sprechen noch: Franz-Dresden, Saucrschell-Bamberg, Borar-
Hamwvcr, Menke-Bünde, Kirmese-Altenburg, Fischer (Gauleiter)- Dv-
meyer-Dresden, Schmitt-Offenbach, Durban (Gauleiter), Groß-Schorn-'
darf, Krafzig-Dresden. Alle Redner berührten noch die folgenden
Punkte, wie Besserstellung der Lohnarbeiter, Reichsarbettsgemeiufchaft.
Stumpenarbeit und Hinzuziehung der Arbeiter zu Verhandlungen. Em
Schlußantrag machte die Debatte zu Ende.
Husung ersucht in seinem Schlußwort, durch Beschlüsse die Ber-
handlungsleiter nicht sesizulcgen. Der Verbandstag überwies alle An-
träge dem Vorstand als Material, in denen besonders der Wunsch her-
vortral, daß nach Möglichkeit versucht »«erden soll, den Mindestlohn auf
50 Mark zu erhöhen. '
 
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