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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 115 - No. 119 (1. August 1867 - 29. August 1867)
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928

Lippe und Eulenburg sündigen mögen, trotz allen Klagen au» Hessen und
Hannover, der Proccß der nationalen Umstimmung unaufhaltsam sortschrei-
let. Dtc Lebcnserscheinungcn der Völker haben ihr eigenes Gcscp, das
nicht immer mir dem Calcul des nüchternen Verstandes zusammenlrifft.
Große geschichtliche Ereignisse verlangen vor allen Dingen Zeil, um ihre
volle Wirkung zu entfallen. Die großen Begebenheiten des vorigen Som-
mers konnten die feindlich Gesinnten zunächst nur betäuben, nicht überzeu-
gen, wenigstens diejenigen, welche nicht wie die Badener durch einen al-
bernen Zufall auf eine Seite geworfen waren, zu der sie eigentlich nicht
gehörten. Es brauchte langen ernsten Nachdenkens, der in derselben Rich-
tung wirkenden Kraft, der zahlreichen Consequcuzen jener Ereignisse, des
handgreiflichen Beweises der Hülflosigkeit des Südens, um einen tiefer
greifenden Wechsel der Meinungen auch da hcrvorzubrtngeu, wo die Bevöl-
kerung uiit ihrem innersten Wesen auf der Gegenseite stand. Das war,
wie Sic wissen, hauptsächlich in Würtcmbcrg der Fall. Der Würlember-
gcr steht von Seiten seiner Bildung, seines Wissens, seiner ernsten Tbä>
ligkctt, seiner ganzen GeisteSart unter allen Süddeutschen deui norddeutseycn
Wesen aut nächsten. Es sind mehr gewisse Aeußcrlichlcilcn der Lebensstile
und die sehr ungünstige Äbgcschlosscnheit seines compacten Hcimathlandcs,
welche den Würicmbergcr weniger als einen anderen dcutschcn Stamm mit
dcr Außenwelt in Berührung kommen läßt, wodurch er in ter letztem Zeil
eine so ganz aparte Stellung etnzunchmen schien, die er dann mit den
reichen Ressourcen seiner Intelligenz nach allen Leiten wohl verwahrte. Er
konnte unmöglich wie dcr flüchtige Rheinländer heute zum Kriege gegen
Preußen treiben und morgen diesem selben Preußen sich in die Arme wer-
fen. Tic Zähigkeit, mir welcher er den Standpunkt vom Frühling 1866
auch uoch im Winter festbiclt, mußte der Wichtigkeit der Thatsachcn ge-
genüber gelegentlich als eine seltsame Art von Verschrobenheit erscheinen,
hatte aber, wie Sie mir zugcbcn werden, ihren guten psychologischer Grund.
Endlich scheint jedoch der Moment gekommen zu sein, in dem die Stärke
dcr Gründe und dcr Druck der thaijächlichen Verhältnisse auch über die
schwäbische Hartnäckigkeit siegt. Sie wissen, cS ist nichts schwieriger, als
über die Stimmung eines auch nur kleinen Landes ein einigermaßen zu-
verlässiges Urthcil zu gewinnen. Nichtsdestoweniger glaube ich, auf das
übereinstimmende Resultat ganz verschiedenartiger Beobachtungen und Be-
richte gestützt, sagen zu können, daß während dcr letzten Monate vielleicht
nirgend dtc nationale Gesinnung so erfreuliche Fortschritte gemacht hat als
in Würtemberg. Dtc Belhetligung des Landes an dcr Versammlung dcr
deutschen Partei, welche vor acht Tagen in Stuttgart stattfand, bietet dafür
keinen richtigen Maßstab. Denn es handelte sich da um einen Zusammen-
tritt derjenigen, welche den sofortigen, unbedingten Anschluß des Südens
an den Norddeutschen Bund wünschen. Auf diesem Punkte ist allerdings
die Meinung Würtcmbergs noch nicht angclangt. Da jenes Programm
aber mehr eine vielleicht doch noch ziemlich ferne Zukunft als die unmittel-
baren Aufgaben der Gegenwart ins Auge faßt, so ist eS für den Moment
nicht von erheblicher Bedeutung, ob das Land mit dem ganzen Umfange
der Stuttgarter Resolutionen einverstanden ist. Die eigentlich praktische
Frage möchte vielmehr darin zu erblicken sein, wie sich die nächste würtcm-
bergische Kammer zu der Umbildung des Heerwesens verhalten, ob sic ihre
Zustimmung dazu geben wird, daß das würtembergische Eontingenl in allen
wichtigen Punkten nach preußischem Fuß eingerichtet werde. Denn die
würtembergische Regierung hat, wie bestimmt versichert wird, den löblichen
Entschluß gefaßt, allen absonderlichen Organisationen, mit denen man sich
so lange in Stuttgart den Kopf zerbrochen, zu entsagen und einfach das
einzig richtige zu thun: das würtembergische Militär nach dem Muster
des norddeutschen umzubildcn. Noch vor einigen Monaten würde man cs
für ein ganz tolles Unternehmen gehalten haben. Heule aber giebt es ver-
ständige Männer, die sagen: die Kammer wird auch in diesem Stück Herrn
v. Varnbülcr folgen. Wir wünschen von ganzem Herzen, daß sic Recht
haben mögen. Sie haben mich schwerlich in Verdacht, ein Bewunderer des
würtcmbergischcn Premier zu sein. Aber die Wahrheit vcrlangi anzucr-
kcnnen, daß Freiherr v. Varnbülcr in ter wichtigen Zvllfragc sich sehr ver-
ständig und tüchtig bewiesen und seitdem nichts gethan hat, was im Wi-
derspruch mit jenem Verhalten stände. Trägt er aber dazu bet, durch seinen
Einfluß dem Süden das norddeutsche Wchrsystcm zu verschaffen, die Wi-
dersacher desselben an dem Punkte zu besiegen, wo sie noch vor kurzem am
stärksten zu sein schienen, so erwirbt er sich ein unleugbares Verdienst um
das Vaterland. Daß die letzten Monate dem würtcmbergischcn Partikula-
riSmuS manche Verlockung gebracht haben, können Sie denken. Aber so
viel man weiß, haben alle französischen Künste wenig vermocht. Die Tu-
gend dieser Haltung verdient vielleicht keine Bewunderung. Aber wir sind
zufrieden mit dem richtigen Verstand."
— Daß die Kölnische Zeitung, sobald sic auf ihre fire Idee, die
Zurückgabe NordschlcSwigs, kommt, an Verkehrtheit und Anstandswidrigkcit
das Unglaubliche leistet, weiß alle Welt. Daß sic ihre bisherigen Leistun-
gen hierin noch überbieten könnte, sollte man nicht für möglich halten, aber
es ist so. In ihrem zweiten Blatte vom 13. August spricht sie näm-
lich, aus Anlaß eines Wiener Briefes, ihr höchstes Befremden darüber aus,
daß Oesterreich immer noch nicht an die Ausführung des Artikel V des
Prager Friedens in Berlin gemahnt hsbe; und sic kann sich dieses, in den
Augen dcr Kölnischen Zeitung geradezu pflichtvergessene Stillschweigen nur
dadurch erklären, daß man auf österreichischer Seite Preußen sicher zu ma-
chen sucht, um ihm dann später um so nachdrücklicher zu Leibe zu gehen. Auch
gegen alle und jede von Dänemark zu leistende Garantie erklärt sich die
K. Z. bei dieser Gelegenheit: höchstens will sic sich gefallen lassen, daß Dä-
nemark einen entsprechenden Thcil dcr Staatsschulden übernehme, obschon —

doch man muß sie selbst hören um es zu glauben. „Nun ist aber doch
klar," sagt sie, „daß das Verfahren Preußens tu Schleswig fortwährend
in ganz Europa den herbsten Tadel erfuhr, daß eS um das Gelindeste zu
sagen, bisher fast danach aussah, als ob Preußen gar nicht daran dächte,
seine vertragsmäßigen Verpflichtungen zu erfüllen und NordschlcSwig au
Dänemark zurückzugebcn; daß Preußen ohne allen Zweifel neun Monate
nicht den kleinste» Schritt that, um seine Verpflichtungen zu erfüllen, und
selbst die ersten vorbereitenden Schritte, die eS seitdem in Kopenhagen
gethan, außerhalb Preußens so auSgclegt werden, als ob es nur Vorwände
suche, sich seinen Angegangenen Verpflichtungen zu entziehen. Und Oesterreich
hat während dcr ganzen Zeit still geschwiegen. Es hatte nicht bloß das
Recht sondern auch die Pflicht, sich um die. Ausführung des Artikels V des
Prager Friedens zu kümmern; es hat aber davon gänzlich abgesehen.
Kann Oesterreich sich wundern, wenn man für eine so auffallende
Handlungsweise versteckte Beweggründe sucht? Wenn man ihm zutraut, cS
ließe Preußen nur Lcßhalb ungcwarnl auf einem falschen Wege forlgchcn,
um, wen» der Augenblick gekommen ist, ihm um so lauter Halt! zuzuru-
fcn? Die Folge wird es lehren, ob diese Vcrmuthung unrichtig war; allein
schon jetzt scheint sie sich zu bestätigen. Wir wissen bereits, daß die Ver-
suche PreußcuS, dtc Abtretung NordschlcSwtgS an Bedingungen zu knüpfen,
von denen im Prager Frieden nicht die Rede war, nicht bloS bei Däne-
mark, sondern bet allen auswärtigen Mächten Befremden und Mißbilligung
hervorgerufen. Das kann nicht Wunder nehmen. Als selbstverständlich kann
man allerdings anschcn, daß, wenn Preußen Land abtritt, Dänemark auch
einen dcr Bevölkerung entsprechenden Anthcil an dcr Staatsschuld über-
nimmt, obgleich Preußen nach den öffentlichen Blättern einen kleinen hol-
steinischen Gcbtctstheil an Oldenburg abgetreten Hai, ohne daß dtc Sache
ins Reine gebracht ist. Wenn von Garantien die Rede ist, so würde die
ganze Welt über Unbilligkeit schreien, wenn Preußen für die wenigen Deut-
schen in NordschlcSwig Garantien fordern wollte, die es für die zahlreiche»
Dänen im mittleren und südlichen Schleswig verweigerte. Schon aus die-
sem Grunde wird Preußen davon abstehcn müssen, solche Garanticcn zu
verlangen, die zu beständiger Einmischung einer fremden Schuhmacht
Veranlassung geben könnten."
— „Dcr beste Beweis dafür, bemerkt die Schwäbische Volkszeitung,
daß dcr Norddcuttche Lund durch den Willen der nach allgemeinem
und direktem Wahlrecht in die Volksvertretung berufenen Abgeordneten des
Volkes zu Stande kam, liegt in dcr einfachen Vergleichung der Stimmen-
zahlen bei der endgiltigcn Abstimmung. Von den 297 Sitzen im Reichs-
tag kamen auf die alten prcuß. Provinzen 193, auf die neuen 12, auf die
Kleiustaaicn 62. Die Bundesverfassung wurde angenommen mit 239
Stimmen gegen 53; mit der Minderheit gingen aus den alten Provinzen
29, aus den neuen 10 und 14 aus den Kleinstaaten. Jede wettere Be-
merkung hierzu ist uunöthig, denn selbst von den Kleinstaaten vereinigte
sich nicht einmal ein volles Viertel dcr Stimmen aus die Ablehnung der
neuen Bundesverfassung." Was natürlich die radikale Presse nicht hindert
fort und fort zu versichern, daß dieselbe ein gegen den Willen des „wahren
Volkes", lediglich durch Verschwörung dcr Nationallibcralcn mit Bismarck
zu Stande gekommenes Machwerk ist.
— Die österreichischen Blätter sprechen sich fortwährend mit. großer
Entschiedenheit gegen den Gedanken eines österreichisch-französischen Bünd-
nisses aus. So schreibt z. B. die N. Fr. Presse: „Welchen Vorthcil hätte
Oesterreich von Frankreich zu erwarten? Wenn man den besten Fall an-
nimmt, daß eS nämlich den verbündeten Kaiserreichen gelänge, Preußen und
alle die Staaten, welche zu ihm halten möchten, wie etwa Rußland, Ita-
lien re., zu überwinden, was gewänne Oesterreich? Etwa die verlorene
Stellung in Deutschland? Dcr schlichteste Verstand muß erkennen, daß
selbst durch die Hingabe der Rhcinprovinzcn an den Bundesgenossen Oe-
sterreich den Bruch mit Deutschland erst vollendete, unheilbar machte. Und
tränkte eS seine KricgSrosse aus dcr Spree, wehten seine Fahnen an den Kü-
sten der Ostsee, cS hätte doch die letzte Spanne Bodens auf deutschem
Gebiete für immer verloren. Denn darüber kann sich heutzutage Niemand
mehr täuschen, daß, wer Deutschland beherrschen will, das deutsche Volk
für sich haben muß."

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Verlag der Expedition des Wochenblatts des NatlvnalverctnS. — Rcdigirt unter Verantwortlichkeit von K. Schwab in Heidelberg.
Druck von G- Mohr in Heidelberg.
 
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