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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 115 - No. 119 (1. August 1867 - 29. August 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0400
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ccrone's zeigen lassen, und Huldigungen entgcgennehmcn kann,
die sonst nur Fürsten oder Volkshelden in ähnlich über-
schwenglichem Maße dargebracht werden. Hat man dabei auch
im Herzen das Gefühl, eine etwas ärmliche Figur zu spielen
inmitten von Sccnen, bei denen die hervorragendsten Geister
Dänemarks den Gegeupart machten, so läßt man sich doch gern
darüber Hinwegtäuschen durch die leidenschaftliche Aufrichtig-
keit, mit welcher die Anderen ihre Schmeichclredcn halten und
ihr Wcibrauchfaß schwingen. Denn ihnen freilich war es
bitterer Ernst mitten im Rausche der Festmahle und Fahrten;
sie glaubten in jenen fünfzehn Jean's, Jacques' und Picrre's
Frankreichs Hand gepackt zu haben, nud waren entschlossen
sie nicht wieder fahren zu lassen, bevor sie nicht gelobt hätte,
Dänemark zu einem tüchtigen Stück von Schleswig zu ver-
helfen.
Wir brauchen nicht erst urkundlich nachzuwciscn, daß dies,
und dies allein, der Sinn und Zweck des Zuges der fünfzehn
Franzosen an den Sund war. Haß und Rachedurst gegen
Deutschland hatte die Einladungen dictirt, und Haß gegen
Deutschland schnürten die Reisenden in ihr Bündel, als sic
Paris verließen. Ein dänisches Blatt hat uns verrathcn, daß
der Zug wahrscheinlich gar nicht zu Stande gekommen wäre,
wenn sich nicht der Chefrcdactenr der mit weifischcm Geldc
gegründeten „Situation", ein gewisser Grenier, die Beine darum
abgclaufen und die Finger lahmgcschriebcn hätte. Zwei Mit-
arbeiter der „Situation", mit Namen Gcncvay und Jules
Richard, waren denn auch die Hauptsprecher unter den Jour-
nalisten. Da sic kein irgend erhebliches Darstellungs-Talent
mit auf die R ise zu nehmen vermochten — Zenge ihre wahr-
haft ledernen Berichte —, so nahmen sie mindestens die nöthige
Portion Deutschenhaß mit, um sich ihren charmanten Wirthen
angenehm zu machen. In Hcrbesthal antworteten sie dem
preußischen Steuerbcamten auf die Frage, ob sic etwas zu
„declariren" hätten: „Jawohl, den Krieg!" — und den Köl-
ner Dom versprachen sie sich näher anzuschen, sobald die Stadt
wieder französisch geworden. Da wir diese geistreichen Scherze
nur durch ihre eigene Berichterstattung kennen, so ergibt sich,
welches Gewicht sie selbst ans diese Beweise correcter anti-
deutscher Gesinnung legen. In Kopenhagen mußten sie damit
allerdings etwas mehr an sich halten, d. h. wo sie öffentlich
und für die Zeitungen sprachen. Ohne Zweifel hat ihnen
ihr dortiger Gesandter M. Dotsszac, den sie gleich am Morgen
ihrer Ankunft aufzusuchcn hatten, darüber einen ernsthaften
Wink zukommen lassen. Sic überließen dieses Gebiet den dä-
nischen Politikern, deren Lage einfachen, und deren Gewandt-
heit zehnmal so groß war. Die Aufgabe selbst kam dabei
keineswegs zu kurz. Es erscheint säst unmöglich, mehr Energie
des Hasses und der aufhetzenden Leidenschaft in eine kurze
Tischrede zu legen, als z. B. Orla Lehmann bei dem Bankett
in Klampcnborg gethan. Er nannte das dänische Volk einen
eifrigen Schüler der französischen Cultur, und Frankreich eine
Nation mit zu großem Herzen, als daß sie irgend eine edle
und gerechte Sache im Stiche lassen könnte- Nordschlcswig,
fügte er hinzu, fetzt mit richtigem Jnstinct seine Hoffnung allein
noch aus das französische Volk, das nicht zulassen wird, daß
man hier ein zweites Polen schaffe!
Nicht darum also entwindet sich Dänemark der deutschen
Cultur, um fortan auf eigenen Beinen zu stehen, höchstens an
den stammverwandten scandinavischen Norden gelehnt; sondern
um sich der französischen Civilisation in die Arme zn werfen.
Diese Aufklärung aus einem Munde von solcher Autorität ist
schätzbar, wenn sie auch an der Thatsacbc der Auflehnung
gegen die deutsche Cultur, der Dänemark so viel verdankt,
nichts ändert. Eine Auflehnung zum Zwecke des Uebcrgangs
zur vollen Selbständigkeit hätte uns imponiren, ja im Ge-
dächtnis- an eigene frühere Anstrengungen von gleicher Ten-
denz sogar sympathisch berühren können; ein bloßer Tausch
hingegen zwischen deutscher und französischer Bildung hat an
sich nichts ehrwürdiges, und da wir doch nicht bloß zufällig
und äußerlich Deutsche sind, erfüllt er uns unvermeidlich mit
einem von Hochachtung sehr entfernten Mitleid. Oder war
auch diese Aeußcrung des erfahrenen dänischen Staatsmanns

nur eine wohlberechncte Schmeichelei? Opfert er seinen nor-
dischen Culturstolz auf dem Altar der Politik, um die fran-
zösische Nationaleitelkeit zu einem Marsche über den Rhein
hinznrcißcn? Er ist Fanatiker genug, um uns diese Erklärung
glaublich zu machen, die wir im Interesse des dänischen Cul-
turstandpunkts und Patriotismus jedenfalls vorziehen würden.
Einer der reifenden Pariser Journalisten, der Abgesandte
des „Figaro", war naiv genug, in seinem ersten aus Altona
datirten Briefe zu schreiben, er wisse eigentlich gar nicht recht,
was er in Dänemark solle. Im zweiten Briefe aber erinnert
er sich schon mit Scham und Reue dieser leichtfertigen Aeu-
ßerung. Er wußte jetzt, daß er seinen Landsleuten von einer
Frankreich völlig ergebenen, heldenmüthigcn kleinen Nation
im fernen Norden erzählen sollte — und nebenbei natürlich
auch ein wenig von den königlichen Ehren, die man ihm und
seinen Reisegefährten fünf Tage lang erwiesen. Dies charak-
terisirt uns die ganze Begebenheit. Die angeborne Eitelkeit
der Franzosen wird von den klugen und leidenschaftlichen dä-
nischen Politikern benutzt, um die einzige ihnen zugängliche
Großmacht für ihre Sonderzwccke ins Feuer zu treiben. Man
versucht das Aeußerste an Schmeichelei und Selbsterniedri-
gung, nm den Degen in der Scheide zu lockern, der mit-
unter für „Ideen" gezogen wird, d. h. für Abenteuer n in
Mexico oder Ritterdienste wie gegen Italien.
Die Wirkung wollen wir ruhig abwarten. Was wir
mit hinlänglicher Deutlichkeit erkennen, ist, daß die Dänen
um jeden Preis uns Frankreich auf den Hals zu Hetzen suchen,
und daß cs in Paris einige obscure Schriftsteller und Volks?
Vertreter gibt, die sich zu deutschfeindlichen Demonstrationen
hergebcn. Das Erstere kann uns nur immer abgeneigter
stimmen, bei der Ausführung des Artikels V. des Prager
Vertrages auf Dänemarks Wünsche Rücksicht zu nehmen oder
Dänemarks Macht zu stärken. Das Letztere ist an sich ziem-
lich gleichgültig; ja es wird positiv wertbvoll, insofern wir
daraus schließen dürfen, daß Politiker ernsteren Schlages und
höherer Bedeutung nicht gcrathcn gefunden haben, sich an
diesem wüsten Unternehmen zn bctheiligen. Alle namhaften
Leute ohne Ausnahme, von denen im Zusammenhang mit
diesem Zuge die Rede gewesen ist, Havin, H enri, Martin,
Plse, Bonneau u. s. f., schickten Entschuldigungen, anstatt
persönlich mitzngehcu. Die großen Talente und Charaktere
der Pariser Presse vollends, einen Girardiu, einen Nefftzer,
einen Forcade, scheint man gar nicht gewagt zn haben, an-
zugehen oder aber schon beim ersten Worte übel angelaufcn
zu sein. Wir dürfen also die Franzosen in Bausch und Bogen
für dicse Orgie des Deutschenhasses nicht verantwortlich
machen. Höchstens auf die kaiserliche Regierung fällt ein
Schattcn von Verdacht, denn Männer, wie die beiden mitge-
fahrcnen Depulirten Morin und Piccioni reisen nicht
ohne höhere Erlaubniß, und dann ist es auch augenscheinlich,
daß der Gesandte in Kopenhagen die Deputation von Anfang
bis zn Ende dirigirt hat. Wir mögen die Reise der fünf-
zehn Franzosen nach Kopenhagen demnach am füglicksten als
ein Anhängsel der Kaiserfahrt nach Salzburg ansehen, die
ebenfalls nicht gerade zu Gunsten der politischen Wiedergeburt
Deutschlands erdacht und vollendet worden sein wird Auf
dicse Rechnung den Posten!

Die wiirtembergische Freiheit,
beleuchtet von einem Würtembcrgcr.
I.
ffff Die preußcnfeindlichen Blätter Süddeutschlands pflegen
bekanntlich zn ihren Angriffen gegen Preußen und die Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes, ihre meisten und vergiftct-
stcn Waffen aus dem Arsenal der preußischen radikalen Presse
zu beziehen. So lief denn auch dieser Tage durch mehrere
von ihnen ein Erguß der Berliner Volkszeitung, der selbst für
dieses Blatt auffallend unverständig war und mit Neid und
Bewunderung die süddeutsche — Freiheit feierte.
Hier nur ein paar Hauptstellcn: „Die Süddeutschen, ohne
 
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