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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0016

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tiv. Hier steht der Begriff ,maiores' kurz vorher. Eine Verbindung mit der fragli-
chen Stelle liegt nahe. Aber noch mehr: Heinrichs Einwand, daß die bereits vollzo-
gene Handlung genüge, wird allgemein anerkannt. Es mag aber einleuchten, daß,
bei einer rechtlich erheblichen Königsnennung, ein Vergleich oder Hinweis auf
das ,Nur-Herzog-Sein' der Vorfahren Heinrichs fehl am Platze ist.

I, 41:,... convocato omni populo designavitfilium säum Oddonem regem

Designator ist Heinrich I., Designand sein Sohn Otto, ein Intervenient fehlt. Dage-
gen ist wieder der .populus' als notwendiger Umstand beteiligt. Anwärter sind
vier, nach Ausscheiden des Geistlichen Brun noch drei Brüder, also mehrere.

II, 1:omnis populus ... designatum regem a patre elegit sibi in principem.' gibt den in I,
41 aufgeführten Sachverhalt und seine Bestätigung durch das Aachener Zeremo-
niell vom 8. August 936 wieder. Immerhin taucht wieder, im fast schon gewohn-
ten Zusammenhang mit ,designare', der ,omnis popidus' auf.

II, 1: (die zweite Stelle kann als Wiedergabe des Krönungsordo außer acht gelassen
werden, da der Wortlaut nicht sicher von Widukind stammt.)

III, 12 ,Nati sunt autem regifilii ex serenissima regina primogenitus Heinricus secundus
Brun, terlius paterni nominis maiestate designatus Hier wird der Sachverhalt, den
.designare' bezeichnen soll, vollends deutlich: Drei Söhne hat der König von einer
edlen Gemahlin, aber nur einer wird (wurde) Nachfolger, ist ausgezeichnet durch
die Majestät des väterlichen Namens: er ist gleichsam schon durch diesen Umstand
auserwählt. ,Designare' ist hier abstrakt gebraucht, ohne finales Prädikativum, da-
her hat auch der populus an dieser Stelle keinen Platz.

III, 73: ,Popidus ... Constantinopolitanits ... locoque domini militem imperio designantes.
Constitutus autem rex

Träger der Handlung ist wieder der populus, das ,Volk' ist also Designator, Desig-
nand der ,miles' Johannes Tzimiskes, der nach Widukind durch dieses ,designare'
zum ,constitutus rex' wird. Auch hier stehen die Worte designare und populus in
nächster Nähe und Beziehung.
III, 76: licet iam olim unctus esset in regem et a beato apostolico designatus in imperato-
rem

Lediglich diese eine Stelle fällt m. E. bei Widukind aus dem Rahmen: hier ge-
braucht er .designare1 bei Otto II. für die Krönung durch den Papst zum Mitkaiser
an Weihnachten 967. Ganz fehlt hier der ,populus'. (Es handelt sich ja auch um ei-
nen ,imperator', nicht uni einen ,rex'.) Doch vom ,Erwählen', vom Auswählen ist
auch hier die Rede: der Papst,erwählte' Otto II. unter den reges zum imperator -
reges aber gab es viele.
Nach der Betrachtung der einzelnen Stellen sei nun zusammenfassend der Befund er-
hoben5:

1. Für Widukind ist der Begriff des .designare' eng mit dem des .populus' verbunden -
bei der Designation zum deutschen (fränkischen) König ist der .populus' .geradezu konsti-
tutiv'6. Heinrichs I. Designation fand also nicht am Krankenbett Konrads I. statt, sondern
in Fritzlar.

2. Was aber heißt für Widukind .designare' ? Es bedeutet .auswählen', ,erwählen',
durch Geste bezeichnen7 aus einer Mehrzahl heraus, und zwar denjenigen, der ,a deo elec-
tus' ist (vgl. II, 1). Wenn Widukind .designare' gebraucht, muß diese Mehrzahl der An-
wärter vorhanden sein, andernfalls wendet er .designare' nicht an (vgl. II, 1:unicum fi-
lium suum Liudolfum.factoque testamento creavit eum regem post se').

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Aus diesen Feststellungen ergeben sich für die Königwerdung Heinrichs I. (nach Wi-
dukind) zwei Folgerungen:

1. Nicht nur nach Heinrichs eigenen Worten, sondern in der Tat war nur Fritzlar für
die Königwerdung konstitutiv, nicht aber der Vorgang am Sterbelager Konrads. Für die-
sen erscheint Widukind die Bezeichnung .designatio' fehl am Platz - Widukinds Designa-
tionsbegriff weicht also von dem uns geläufigen ab. Wir würden jenen Vorgang auch als
,Designation' bezeichnen.

2. Heinrich war nach Widukinds Auffassung nicht der einzige Kronanwärter, was
uns als Tatbestand ja auch Liutprand von Cremona (Antapod. II, 21) und die Ann. Juv.
max. (a. 920), hinsichtlich der Kandidatur Arnulfs von Bayern, überliefern.

Erstveröffentlichung in: ZRG GA 73/1956, S. 372 - 375.
Anmerkungen:

1 Gg. Waitz, Jbb. H. I., '1885; H. Heimpel, Bemerkungen zur Geschichte H. I., in: Sachs. Akad.
d. Wiss., phil.-hist. Kl., 1937; C. Erdmann, Der ungesalbte König, in: DA 2,1938, S. 311ff.; G.
Tellenbach, Königtum und Stämme in der Werdezeit des deutschen Reiches, 1939; M. Lint-
zel, Zur Designation und Wahl H. l, in: DA 6,1943 u. ZRG GA 66, 1948, S. 50ff.; H. Mitteis,
Die deutsche Königswahl, 21944; F. Rörig, Geblütsrecht und freie Wahl in ihrer Auswirkung
auf die deutsche Geschichte, in: Abh. Akad. Berlin, 1945/46, 1948; H. Beumann, D. sakrale
Legitimierung des Herrschers im Denken der Ottonenzeit, in: ZRG GA 66, 1948; W. schle-
singer, Die Anfänge der deutschen Königswahl, in: ZRG GA 66, 1948; H. Mitteis, Die Krise
des deutschen Königswahlrechts, in: SB. d. Münchener Akad., phil.-hist. Kl., 1950; dazu: W.
Schlesinger, in: HZ 174,1962, S. lOlff.; H. Beumann, Widukind v. Corvey, 1950; M. Lintzel,
Miscellen z. Gesch. d. 10. Jhdts., in: Sachs. Akad. SB., phil.-hist. Kl. 100, 2,1953. Weitere Lite-
ratur in den Anm. b. Mitteis, Krise, S. 40ff. Die Zahl einzelner, gelegentlicher Äußerungen
zum Problem ist Legion.

2 ZRG GA 66,1948, S. 418.

3 Krise, S. 44.

4 ZRG GA 67,1950, S. 407ff.

5 Nach vorläufigen Feststellungen ist auffallend, daß von den erzählenden Quellen d. 10.
Jhdts. außer Widukind nur Ruotger (Vita Brunonis ed. I. Ott, SS rer. Germ. X, 1951, S. 15,21;
16, 25; 50, 5) und Hrotsvit von Gandersheim (ed. P. v. Winterfeld, SS rer. Germ., 1891, S. 3,
11; 6, 58; 17, 434; 23, 656; 85, 13; 106, 17; 113, 5; 200, 17; 213, 315; 234, 179; 236, 235; 236, 261)
das Wort,designare' überhaupt verwenden. Ob dies Zufall ist oder nicht, vermochte ich bis-
lang noch nicht festzustellen. (Am Ende d. Jhdts.: vgl. Vita Oudalrici c. 9.)

6 Vgl. Schlesinger, in: ZRG GA 66, S. 419 u. 427ff.

7 Thesaurus linguae latinae. tom V. 715 A 3/716 - 17 Bc gibt für diesen Wortgebrauch viele
Beispiele.

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