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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0284

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Otto III. und Boleslav Chrobry.
Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars,

der ,Akt von Gnesen' und
das frühe polnische und ungarische Königtum

Ausgehend von dem berühmten Widmungsbild des Aachener Liuthar-Evangeliars
(Aachen, Domschatz, fol. 15v - 16r), dessen Datierung bisweilen recht umstritten war,
jetzt aber auf 1000/1001 feststehen dürfte, untersucht der Frankfurter Mediävist Johan-
nes Fried nochmals die Beziehungen zwischen Otto III., Boleslav Chrobry von Polen und
Stephan I. (Waic) von Ungarn. Mit guten Argumenten bestimmt er die Kronenträger zu
Seiten des Thrones des als maiestas Domini dargestellten augustus Otto III. als Boleslav
von Polen und Stephan von Ungarn, wodurch auch die Datierung erhärtet wird. Wäh-
rend das Königtum Stephans nicht umstritten ist, auch die Gabe der Krone (nicht der
heutigen Stephanskrone, die als solche wesentlich jünger ist und in der Corona latina wohl
auf die armillae Stephans zurückgeht) durch Otto HL (nicht Papst Silvester II.) gesichert
erscheint, ist zwar die Vergabe des Duplikats der Hl. Lanze durch Otto III. an Boleslav
im März 1000 gesichert, nicht aber dessen Krönung, noch seine genaue Stellung, ob Kö-
nig oder Herzog. In diesem Zusammenhang warnt Fried (S. 69), m. E. zu Recht, auch vor
der Interpretation, Otto habe Boleslav zum patricius (cooperator) gemacht. Das cooperator
dürfte ja ohnedies als compater zu lesen sein, wenn man sich über Ottos Patenschaft für
Boleslavs kleinen Sohn Otto klar ist, die ihre Entsprechung in der für den Sohn des Do-
gen von Venedig hat.

Ansprechend ist Frieds These, daß eine Königserhebung Boleslavs durch Otto ge-
plant gewesen, dann aber - gleichsam abgebrochen - die kirchliche Weihe als Schluß-
stein unterblieben sei. Gewisse Bedenken seien gegen die Relevanz der rex-Münzprä-
gungen (S. 75) erhoben. Dagegen scheint mir die gängige PRINCE(P)S POLONIE-Prä-
gung einen höchst interessanten Titel aufzunehmen, der ja bekanntlich schon rechtser-
heblich ist, seit ihn 774 Arichis II. von Benevent (vgl. die Untersuchungen von Kaminsky
in: FMSt 8/1974, 81 - 92) benutzte. Ausführlich untersucht Fried nochmals den vielbe-
handelten ,Akt von Gnesen'. Er gehört zweifellos in den Rahmen eines Entwurfs eines
Europäischen Staatensystems, das - auch das sieht Fried richtig - nicht zuletzt von Adal-
bert von Prag, schon im Winter 989/90 in Rom, vor Ottos III. Mutter Theophanu entwor-
fen wurde. Diese gesamteuropäische, besonders den Osten - Polen, Ungarn, Venedig,
aber auch die Kiever Rus - einbeziehende Konzeption ist der Hintergrund für den ,Akt
von Gnesen'.

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