Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0153

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Spätkarolingische und ottonische Beziehungen
zum Kiever Reich der Rus

Man hat viel über die frühe Erwähnung einer russischen' Gesandtschaft im Mai 839,
die Teil der byzantinischen des Kaisers Theophilos an Kaiser Ludwig den Frommen ge-
wesen sein soll1, gerätselt. Auch über die Gründe, warum die 955 oder 957 orthodox ge-
taufte Witwe des Kiever Großfürsten Igor (t 945), Olga (Helena), 959/60 Gesandte zu
Otto I. nach Frankfurt/M. schickte,2 die Bischof und Priester westlichen Glaubens zur
Mission ins Kiever Reich erbaten, ist sich die Forschung nicht einig.3

Die Verbindungen des seit etwa 882 bestehenden Kiever Reichs mit Byzanz waren
mannigfach: kriegerische und wirtschaftliche, besonders seit 911, aber damit verbunden
auch kulturelle. Um so mehr stellt sich die Frage, warum Olga, die bei ihrer Taufe in By-
zanz, an der vor allem wegen ihres griechischen Taufnamens Helena, nach Konstantinos'
VII. Gemahlin, kaum zu zweifeln ist,4 wenig später die genannte Gesandtschaft, mit dem
erwähnten Begehr, zu Otto I. schickte. Eine Vermutung besagt, daß die Kiever Aristokra-
tie ihr gegenüber, hinsichtlich des orthodoxen Ritus, Schwierigkeiten gemacht habe4'.
Aber das bleibt weitgehend Hypothese. Aber der Vergleich mit Bulgarien, wo Boris I.,
trotz orthodoxer Taufe 865/66, unmittelbar darauf sowohl von Papst Nikolaus I. wie von
Ludwig d. Deutschen lateinische Priester erbat, um einerseits nicht in zu große und aus-
schließende Abhängigkeit von Byzanz zu kommen, andererseits, vice versa, daß der
Mährenherzog Rostislav 850 die deutschen Priester vertrieb und etwa um 864 orthodoxe
Priester aus Byzanz erbat, zeigt, welches wohl auch die eigentlichen Motive - die politi-
schen Motive Olgas 959/60 - für die Kontakte zu Otto I. waren: Die Reiche Osteuropas,
die sich zwischen den großen Machtblöcken von Byzanz und dem Reich Karls des Gro-
ßen bildeten, kämpften um ihre Unabhängigkeit, sowohl gegen den Westen wie gegen
den Südosten, Byzanz. Daher lavierten sie je nach gegebener Situation.

Dabei war der Versuch von Olgas Sohn Swjatoslav I. (962 - 72), der als erster Waräger
einen slavischen Namen führte4" - was ein Programm sein sollte - nach Entmachtung sei-
ner Mutter 960/61 das Christentum überhaupt zurückzudrängen, eine Episode. Der Ver-
such scheiterte. Er scheiterte auch an Byzanz, so groß sein Erfolg gegen das Chasaren-
reich, das er vernichtete und anfänglich auch gegen Byzanz, war.

Schon ein Jahr nach Swjatoslavs Tod erscheint 973 (März 23 - Ostern) eine russische
Gesandtschaft in Quedlinburg bei Otto I.5 Es paßt in das Bild der schwierigen Situation
in Rus nach Swjatoslavs Tod 972, wo sich die drei Brüder Jaropolk (in Kiev), Oleg (in
Drewljanen) und Vladimir (in Nowgorod) um die Herrschaft stritten, daß von einem
dieser drei, zur Stärkung der eigenen Position, eine Verbindung zu Otto I. aufgenommen
wurde. Dabei bleibt offen, welcher der Brüder sich an Otto wandte.

291
 
Annotationen