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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0289

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Derlei wäre bei einer späteren wünschenswerten 2. Auflage des sonst so verdienst-
vollen Buches ergänzend nachzutragen, um so zu einer wirklich umfassenden Übersicht
über die ,saintete dynastique, saintete royale et saintete feminine (et masculine!) autour
de l'an Mil zu gewinnen, deren Wert dann allerdings unschätzbar wäre.

Erstveröffentlichung in: ZRG KA 112/1995, S. JlÜJh
Rezension von:

Patrick Corbct , Les saints Ottoniens (Beihefte der FRANCIA hrsg. v. Deutschen Histor. Institut
Paris, Bd. 15,1986, 288 S. m. 12 Abb.; Thorbecke-Verlag Sigmaringen, DM 98,-)

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Die Entstehung
des sogenannten ,Gandersheimer Streits'

(Einige neue Überlegungen)

Als sich Prinzessin Sophia, die 11-jährige Tochter Kaiser Ottos II. und der Kaiserin
Theophanu, am 18. Oktober 989, am St. Lukasfest, in Gandersheim weigerte, den Schlei-
er aus den Händen des eigentlich zuständigen Bischofs Osdag von Hildesheim zu emp-
fangen und auf der Weihe durch einen ,palliger' und Metropoliten, den Mainzer Erzbi-
schof Willigis (975 - 1011), bestand1, scheint dies, prima vista, dem trotzigen Stolz einer
frühreifen Kaisertochter zuzurechnen zu sein.

Ihr Verhalten, das zum sogenannten ,Gandersheimer Streit'2 über mehrere Jahrzehnte
führte, hat Sophia denn auch herbe Kritik, schon der Zeitgenossen', aber auch der Histo-
riker4, eingetragen. Zu fragen ist jedoch, ob nicht die Kritik, etwa Thangmars in der Vita
Bernwardi, die er zu Ehren des Hildesheimer Bischofs (993 - 1022) schrieb, durch den
Hildesheimer Standpunkt interessenbedingt ist.

Bald nach 846 gründete das sächsische Großgrafenpaar Liudolf und Oda, auch auf
Anregung ihres Verwandten5, des Hildesheimer Bischofs Altfried (851 - 874)6, der auch
Stifter von Essen, Lammspringe und Seligenstadt-Osterwieck war und aus Eigengut und
Zehntbesitz von Hildesheim die Gründung Liudolfs und Odas Brunshausen zusätzlich
ausstattete7, eben dieses Familienkloster Brunshausen (seit 881 Gandersheim) auch als
Grablege* des aufstrebenden Liudolfingerhauses.

852 wurde die damals 12-jährige Tochter des Stifterehepaares, Hathumod, erste (874)
Äbtissin. Das Verhältnis zwischen dem, für Brunshausen zuständigen, Bischof von Hil-
desheim und der Stifterfamilie scheint, zu Lebzeiten Liudolfs d. Ä. (+ 866) und Bischof
Altfrieds (t 974), ziemlich unproblematisch gewesen zu sein'. Doch schon bald nach Bi-
schof Altfrieds Tod, am 15. August 874, scheinen Probleme aufgetreten zu sein, wie aus
der Äußerung der Äbtissin Hathumod noch kurz vor ihrem Tod, am 28. November 874,
hervorgeht:sibi tarnen hoc penitus, displicere, quod nec dum regiae tuitioni commendatus
esset... 'm. So mußte denn wohl Hathumods Schwester und Nachfolgerin Gerberga I. (874
- 896/97)," die Intervention ihrer Brüder Brun (t 880) und Ottos des Erlauchten (t 912)
beanspruchen, die offenbar die Ehe'2 ihrer Schwester Liutgard (t 30. November 885) mit
dem Karolinger-König Ludwig DL (dem Jüngeren, + 20. Januar 882) und damit die Kö-
nigsnähe nutzten, um das Privileg König Ludwigs vom 26. Januar 877" zu erlangen, das
Agius, wohl ein Bruder Hathumods und Gerbergas, aber auch Liutgards, Bruns und Ot-
tos d. Erlauchten, wohl zumindest diktierte11, wenn nicht gar schrieb15. Dieses Diplom
nimmt Brunshausen/Gandersheim in Königsschutz, gewährt den Nonnen das Recht,
ihre Äbtissin aus dem Stiftergeschlecht zu wählen, oder wenn ,talis in illa progenie inventa
non esset ... dignam dei servitio quamcumque vellent eligere inter illas potestatem haberent'.
Ausdrücklich wird betont, daß die .munitas' und die ,electio' ,per cuncta saeculorum curri-
cula ... firma et inviolabilis' sein und von niemandem angetastet werden soll. Eine um-
fangreiche Reichsgut-Schenkung1* und weitere Privilegien ergänzten die Verleihung der
Reichsunmittelbarkeit an Brunshausen/Gandersheim.

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