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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0265

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Der sogenannte ,Gegenkönig'
Arduin von Ivrea (ca. 955 - 1015)

Hancio-Martino Schaller
septingenario
viro in rebus Stauficis doctissimo
et in humanis gentili
tota corde gratulans*

,Gegenkönige' sind eigentlich nur Prätendenten, die, aus politischen Gründen, zu
Leb- und Regierungszeiten eines legitimen Königs, ,gegen' eben diesen von einer Grup-
pe - meist dazu Berechtigter - aufgestellt und erhoben werden, wie etwa Rudolf von
Rheinfelden und Hermann von Salm gegen Heinrich IV., Konrad III. (zunächst) gegen
Lothar von Süpplingenburg, Heinrich Raspe gegen Friedrich II. Aber in der Literatur
gibt es auch die anderen Beispiele, wo bisweilen als ,Gegenkönige' solche bezeichnet
werden, die nach dem Ableben des regierenden Herrschers zugleich oder sogar früher
als der sich später durchsetzende König gewählt bzw. aufgestellt wurden, wie ich dies z.
B. schon für 919 und Arnulf von Bayern wahrscheinlich machte.

Sowohl in der wissenschaftlichen Literatur wie im allgemeinen Bewußtsein vieler, ge-
rade deutscher Historiker, erscheint der um 955 geborene' spätere Markgraf von Ivrea,
Arduin, nach dem Tode Kaiser Ottos III. am 24. Januar 1002 als ,Gegenkönig'2. Wie wenig a
priori nur aus einem eingeschränkten Erkenntnisinteresse heraus eine solche (Ab-)Wer-
tung haltbar ist, die in dem ,Gegen-' liegt, habe ich für Arnulf, wie gesagt, schon 1983
nachzuweisen versucht.3

Aber noch klarer als bei Arnulf und Heinrich I. 919, wo wir die genaue Abfolge der
Erhebungen nicht wissen,4 liegt dies für das regmim Ualiae bei Arduin und Heinrich (II.)
auf der Hand. Kaiser Otto III. starb am 24. Januar 10025 - dadurch war das regnum Itali-
cum (Italiae) vakant. So wurde, während der deutsche kaiserliche Trauerzug noch nach
Norden Zog/ kaum 3 Wochen nach Ottos Tod, am 15. Februar 1002 zu Pavia7 der Mark-
graf von Ivrea, Arduin, ein Verwandter der Anskarier oder selbst aus diesem Haus8, zum
König gewählt und gekrönt. Zu der Zeit war der kaiserliche Trauerzug noch in Bayern.

Noch anläßlich der Beisetzung Ottos III., am 5. April 1002' in Aachen, sprach sich die
Mehrheit der deutschen Fürsten für eine Nachfolge Herzog Hermanns II. von Schwaben
aus und erst am 7. Juni 100210 wird Herzog Heinrich von Bayern zum König gewählt und
in Mainz gekrönt. Gar erst am 25. Juli 1002 stimmen dem die Sachsen in Merseburg" zu.
Und endlich: nach einer gescheiterten ,Strafexpedition' unter Herzog Otto von Kärnten,
um die Jahreswende" 1002/1003, zieht Heinrich II. im Frühjahr 1004 selbst nach Italien"
und wird am 14. Mai 1004 in Pavia zum rex (Italiae) gekrönt". Erst damit tritt er - und
kann dies auch erst jetzt - rechtlich als italischer König auf - mehr als 2 Jahre nach der
Wahl und Krönung Arduins. Somit ist es eigentlich Heinrich, der, freilich später, als er-
folgreicher ,Gegenkönig',15 in der Lombardei auftritt. Wenn deutschen Historikern vom
nationalen Standpunkt aus, der sich oft als der ,des Reiches' ausgab, auch Arduin als
,Gegenkönig' erscheinen mag, re vera war er das nicht und vom italisch-italienischen
Standpunkt aus schon gar nicht: Arduin war für achteinhalb Jahrhunderte der letzte ,na-

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