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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0107

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,Sanctae feminae venerabiles' der Ottonen

Mit Recht bemerkt Patrick Corbet in seiner grundlegenden Monographie über die ot-
tonischen Heiligen/daß eigentlich nur die Ausländerinnen'1' Eadgyth (Edith)2 und
Theophano Sklereina3 nicht zur offiziellen Ehre der Altäre gelangt seien.

In der Tat scheint dies prima vista so zu sein: die Gandersheimer Äbtissin Hathu-
mod/1 deren Mutter Oda,5 vor allem aber die Königinnen Mathilde6 und Adelheid7 wer-
den als Heilige verehrt, Adelheid sogar 1097 durch Papst Urban II.,7' früherem Prior in
dem von Adelheid so bevorzugten Kloster Cluny, offiziell kanonisiert. Dabei bildet die
Grundlage bei Hathumod deren Vita Hathumodi des (ihres Bruders ?) Agius", bei Ma-
thilde deren beide Viten: die um 974 auf Veranlassung des Enkels Otto II. verfaßte Vita
antiquior' und die um 1004 auf Veranlassung des Urenkels Heinrich II. verfaßte Vita po-
sterior,10 für Adelheid das Epitaphium Adelheidae" des CIuny-Abtes Odilo und die Sel-
zer Miracula Adelheidae.11'

Dabei ist evident, daß in erster Linie die Freigebigkeit gegenüber der Kirche12 maßge-
bend ist, insonderheit die Gründung von Klöstern, so Gandersheim durch Oda/Hathu-
mod,13 von Quedlinburg und Nordhausen durch Mathilde,14 von Selz (bzw. die Bevorzu-
gung von Cluny) durch Adelheid.15

Lassen wir einmal die heiligmäßige erste Äbtissin von Gandersheim, Hathumod,
außer Acht,16 so erreichten die drei anderen ein hohes Alter: Oda 107 Jahre,17 Mathilde
72,18 Adelheid 68.19 Oda verlor ihren Gemahl mit 60, Mathilde mit 40, Adelheid ihren er-
sten Gemahl mit 19, ihren zweiten mit 42 Jahren. D. h.: für alle drei gilt, daß sie einen we-
sentlichen Teil ihres Lebens als ,fromme Witwen' (1. Tim. 5,3ff.; Ig. Sm 13,1: ad Pol 4,1;
Pol Phil 4, 3)20 verbrachten, was nach kirchlichem Herkommen seit der Patristik eo ipso
schon ein Verdienst ist.21 Insbesondere aber Mathilde und Adelheid stifteten Klöster, de-
ren Dankbarkeit22 sie natürlich danach begleitete und zu ihrer ,gloria sanctitatis' beitrug.

Anders bei Eadgyth23 und Theophanu:24 Eadgyth heiratete 929 den liudolfingischen
Thronfolger Otto (I.), der damals 1725 Jahre alt war. Sie selbst muß bei der Heirat zumin-
dest das kanonische Alter von 12 Jahren erreicht haben, also spätestens 917 geboren sein.
Das aber bedeutet, daß Eadgyth, als sie im Jahr 946 starb,26 nur eben in etwa 30 Jahre alt
war. Dasselbe gilt für die 959/60 geborene Theophanu, die im Juni 991, mit wenig über
30 Jahren, starb.27 Eadgyth starb 27 Jahre vor ihrem Gemahl, Theophanu überlebte den
ihren nur um 8 Jahre, als 23 - 30 jährige Witwe und aktive Regentin für ihren unmündi-
gen Sohn Otto III. - für beide keine Möglichkeit, eine ,fromme Witwe' im Sinne der Bibel
zu sein. Beide starben auch schon mit etwa 30 Jahren, ,immatura morte'28, wie die Quel-
len sagen. Danach bleibt zu fragen, ob nicht auch, nach ,vita et opera misericordiae', Ead-
gyth und Theophanu als ,heiligmäßig', nach den Wertmaßstäben ihrer Zeit, zu gelten

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