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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0260

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und

Die Heilige Lanze,
Erzbischof Heribert von Köln
der ,secundus in regno' Pfalzgraf

Ezzo

Noch immer scheint nicht ganz klar, was nach dem Tod Kaiser Ottos HL, am 23. (24.)
Januar 1002 in Paterno, mit der Hl. Lanze geschah.1 Es erscheint sicher, daß sie, wie die
anderen ,imperialia insignia',2 am Todestag Ottos III. in Paterno war. Nach glaubhaften
Quellen spielt sie nun bei der Königsinvestitur Heinrichs IL, am 7. Juni 1002 in Mainz,3
eine wichtige Rolle, wahrscheinlich auch bei der sächsischen confirmatio in Merseburg
am 25. Juli 1002.4 Eine zeitgenössische und, infolge seiner verwandtschaftlichen Bezie-
hungen, meist recht gut unterrichtete Quelle,5 Thietmar von Merseburg, berichtet als ein-
ziger etwas über den Verbleib der Hl. Lanze zwischen dem 23. Januar 1002 und dem 7.
Juni 1002. Er schreibt:6 ,Exin cum ad Pollingun (Polling),7 curtim Sigifridi presulis Augu-
stane, venirent, ab Heinrico duce8 suscepti lacrimis eiusdem vehementer commoti sunt.
Quos singulatim, ut se in dominum sibi et regem eligere voluissent, multis promissioni-
bus hortatur (H II.)' et corpus imperatoris cum apparatu imperiali, lancea dumtaxat excepta
quam Heribertus archipresul dam premittens suam sumpsit in potestatem. Archiepiscopus
(Heribert von Köln) autem custodia parumper detentus (a Heinrici duce) relicto ibi pro
vadimonio suimet fratre (Bischof Heinrich von Würzburg), cum licentia (Heinrici ducis)
abiit ac sacram mox lanceam remisit.'

Herzog Heinrich von Bayern hat also, auf seine Verwandtschaft zum bislang regie-
renden Königshaus pochend, seine Königswahl schon in Polling betrieben und sich die
Insignia, ausgenommen die Hl. Lanze, ausfolgen lassen. Diese hatte, nach dem eindeuti-
gen Zeugnis Thietmars, Erzbischof Heribert, zwischen dem 23. Januar und Anfang März
1002, (Polling) heimlich (clam) vorausgeschickt (premittens). Wohin? An wen? Heribert
Müller10 stellt diese Frage 1977 und 1989, wie viele andere." Dabei sprach sich ein Teil
der Forscher für Pfalzgraf Ezzo12 (Ehrenfried), den Schwager Ottos III., als Destinator
aus.13 Man glaubte, dies aus einem angeblichen Lanzenpartikel in Brauweiler14 oder aus
Darstellungen in ottonischer Buchmalerei15 schließen zu können. Doch läßt der Text bei
Thietmar solche ,Schlüsse' gar nicht zu. Denn da steht, kaum eineinhalb Jahrzehnte nach
den Ereignissen16 geschrieben, eindeutig:,... (lanceam)... suam sumpsit in potestatem', d.
h. Heribert brachte die Lanze in seine (suam) Gewalt. Auch ist Subjekt des nächsten Sat-
zes zu ,remisit' Heribert und sonst niemand. Und weiter: ,Archiepiscopus' (Heribert)
,autem custodia' (Herzog Heinrichs),parumper detentus, relicto ibi pro vadimonio suimet
fratre ...'. Heinrich nimmt also Heribert in Haft und entläßt ihn nur, weil der Erzbischof
seinen Bruder, Bischof Heinrich von Würzburg, als Bürgen (Geisel) stellt. Dies wäre aber
sinnlos, wenn die Hl. Lanze in die Gewalt eines anderen gekommen oder gewesen wäre,
als in der Heriberts, der sie ja dann auch zurückschickt (remisit). Sie kann also zwischen
23. Januar und März 1002 keinen anderen Destinator gehabt haben als Heribert selbst,
den Kanzler des Reichs, auch nicht Pfalzgraf Ezzo oder sonst jemanden.

Es ist allbekannt, daß Erzbischof Heribert von Köln Heinrich von Bayern nicht als Kö-
nig wollte.17 Er stand mit dieser Meinung auch nicht allein. Die Mehrzahl der ,Optimates'

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